JudikaturJustiz5Ob6/24d

5Ob6/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Mag. Petra Fizimayer, MBA, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2023, GZ 35 R 212/23w 39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. Mai 2023, GZ 23 C 363/22p 32, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum am Geschäft/Lager 2. Ihr Vater schloss als ihr Rechtsvorgänger im Wohnungseigentum und als Hauptmieter von Kellerräumlichkeiten am 1. 3. 1994 einen Mietvertrag mit einer GmbH befristet auf 20 Jahre, somit bis 28. 2. 2014, ab. In dieses Mietverhältnis betreffend das Geschäft und die angemieteten Kellerräumlichkeiten trat eine andere GmbH (in der Folge: Mieterin) mit Wirksamkeit ab 1. 12. 1994 ein.

[2] Nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer wendete sich der Rechtsvorgänger der Klägerin an den Beklagten als seinen Rechtsvertreter mit dem Wunsch, den Mietvertrag befristet bis 28. 2. 2034 zu verlängern. Der Beklagte erstellte am 26. 2. 2016 einen Entwurf für die Verlängerungsvereinbarung, die vom damaligen Vermieter und der Mieterin zu unterfertigen gewesen wäre, wobei eine Verlängerung des Mietverhältnisses bis 28. 2. 2034 vorgesehen war. Der Vereinbarungsentwurf wurde dem Rechtsvertreter der Mieterin übermittelt, der sich damit grundsätzlich einverstanden erklärte, aber vorschlug, sie als „Mietanbot“ zu gestalten und nur vom Vermieter unterzeichnen zu lassen, das die Mieterin konkludent durch Zahlung des Mietzinses annehmen sollte. Er wollte dadurch die Rechtsgeschäftsgebühr von 8.151 EUR vermeiden, die nach dem Entwurf die Mieterin tragen hätte sollen. Der Beklagte übermittelte dem Rechtsvorgänger der Klägerin die entsprechend diesem Wunsch geänderte Fassung als Anbot und erklärte im Begleitschreiben, keine Einwände dagegen zu haben. Über das Erfordernis der Schriftlichkeit der Verlängerungsvereinbarung als Voraussetzung für eine wirksame Befristung klärte der Beklagte den Rechtsvorgänger der Klägerin nicht auf, es steht auch nicht fest, dass er ihn darüber belehrte, dass mangels wirksamer Verlängerung ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werde.

[3] Nach dem Tod des Vaters der Klägerin bevollmächtigte sie am 23. 6. 2016 den Beklagten mit ihrer Vertretung. Sie besprachen unter anderem den Vertragsentwurf zur Verlängerung des Mietverhältnisses. Der Beklagte klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass mangels Schriftlichkeit keine wirksame Befristung des Mietvertrags vereinbart werden könne und damit das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werde. Die Klägerin erklärte sich in Unkenntnis dieses Umstands mit der Verlängerungsvereinbarung einverstanden. Es war zwar auch in ihrem Interesse die Rechtsgeschäftsgebühr zu vermeiden, allerdings auch ihr unbedingter Wille das Mietverhältnis wirksam bis 28. 2. 2034 zu befristen. Hätte sie über die Rechtsfolgen der mangelnden Schriftlichkeit Bescheid gewusst, hätte sie den Vertrag so nicht abgeschlossen.

[4] Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Beklagte hafte für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte oder bezifferbare Folgen und Schäden, die der Klägerin aufgrund der unwirksamen Befristungsvereinbarung in der (Ergänzungs )Vereinbarung von Juli 2016 zum Mietvertrag vom 1. 3. 1994 entstehen. Das Mietverhältnis unterliege dem Geltungsbereich des MRG, für eine wirksame Befristung und Durchsetzbarkeit des Endtermins sei die Schriftform erforderlich gewesen. Die vom Beklagten erstellte Vereinbarung habe keine wirksame Befristung enthalten, er habe die Klägerin dazu nicht ausreichend rechtlich beraten. Durch die Vereinbarung sei entgegen dem Willen der Klägerin ein kündigungsgeschütztes unbefristetes Mietverhältnis entstanden. Da sie das Objekt im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Rückstellung nicht bestandfrei veräußern könne und der Beklagte ein außergerichtliches Anerkenntnis seiner Haftung abgelehnt habe, habe sie ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Wenn im Jahr 2016 bereits ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vorgelegen sein sollte, sei es Parteiwille gewesen, eine neue befristete Vereinbarung abzuschließen.

[5] Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, er habe sowohl mit dem Vater der Klägerin als auch mit ihr die Sach und Rechtslage erörtert. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Mieterin nicht vertragskonform verhalten und das Objekt nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückstellen werde. Worin ein Schaden der Klägerin aus einem unbefristeten Mietverhältnis resultieren solle, sei nicht nachzuvollziehen.

[6] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es sei der Wunsch des Vaters der Klägerin als ursprünglichem Vermieter und auch ihr selbst gewesen, den Mietvertrag wirksam zu befristen. Der Beklagte habe sie nicht darüber belehrt, dass mangels Schriftlichkeit der Vereinbarung die Befristung unwirksam sei und damit das Mietverhältnis in ein unbefristetes übergehe. Da die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Verlängerungsvereinbarung nicht abgeschlossen hätte, sei eine Haftung des Beklagten zu bejahen. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten statt und wies die Klage ab. Es traf ergänzende Feststellungen zum unstrittigen Inhalt des Mietvertrags ./B bzw ./1. Rechtlich vertrat es die Auffassung, nach der Rechtslage im Jahr 1994 sei die Befristung eines Hauptmietvertrags über Geschäftsräumlichkeiten zwar für die Dauer von 20 Jahren unter den allgemeinen Erfordernissen zulässig gewesen, bei Untermietverträgen allerdings – abgesehen vom Ausnahmetatbestand nach § 20 Abs 1 Z 3 lit a MRG, der hier nicht vorgelegen sei – nur für eine Dauer von maximal fünf Jahren. Da der Mietvertrag ./B einerseits ein Hauptmietverhältnis betreffend das Wohnungseigentumsobjekt und andererseits ein Untermietverhältnis betreffend Kellerräumlichkeiten im Ausmaß von ca 139 m² betroffen habe, sei von einem einheitlichen Objekt auszugehen, das als Gesamtheit zu betrachten und die Frage nach der zulässigen Befristung einheitlich zu beantworten sei. Aufgrund des im Jahr 1994 nicht länger als auf fünf Jahre abschließbaren Untermietverhältnisses sei der Endtermin für das gesamte Mietverhältnis nicht durchsetzbar gewesen. Bereits im Jahr 2014 und auch anlässlich der Verhandlungen vor der Ergänzungsvereinbarung vom Juli 2016 sei ein unbefristetes Mietverhältnis für das gesamte Objekt vorgelegen und § 29 Abs 3 lit b MRG betreffend die einmalige Verlängerung auf drei Jahre nicht anwendbar. Nach den Feststellungen hätte die Klägerin bei ordnungsgemäßer Rechtsbelehrung durch den Beklagten die Ergänzungsvereinbarung nicht abgeschlossen, es wäre daher bei einem unbefristeten Mietverhältnis geblieben. Ein befristetes Mietverhältnis hätte erfordert, dass die Klägerin und die Mieterin eine schriftliche Zusatzvereinbarung getroffen hätten. Dass diese dazu bereit gewesen wäre, habe die Klägerin nicht vorgebracht und lasse sich den Feststellungen nicht entnehmen. Für den Fall, dass die Mieterin bereits damals in Kenntnis gewesen sein sollte, dass ein unbefristetes Mietverhältnis vorliege, sei es gänzlich unwahrscheinlich, dass sie die Zusatzvereinbarung unterfertigt hätte. Damit habe die Klägerin nicht bewiesen, dass die mangelnde Aufklärung des Beklagten über die bei Abschluss eines befristeten Mietvertrags erforderliche Schriftlichkeit kausal für ihren Vermögensnachteil geworden wäre.

[8] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend. Die Revision ließ es zu, weil zur Rechtsfrage, welche Befristungsvorschriften anwendbar seien und welcher Befristungstermin durchsetzbar sei, wenn ein Bestandvertrag gleichzeitig einen Haupt und einen Untermietvertrag umfasse und die zulässige Befristung für Haupt und Untermietvertrag unterschiedlich gesetzlich normiert sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[9] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, in der sie die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anstrebt.

[10] Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zulässig, weil die Frage der Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten für einen Vermögensschaden der Klägerin noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Sie ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[12] 1. Im Revisionsverfahren ist zu Recht nicht strittig, dass das Mietverhältnis dem MRG unterliegt und eine wirksame Befristung daher Schriftlichkeit iSd § 886 ABGB erfordert hätte, die hier zwar hinsichtlich des von der Mieterin übermittelten Anbots vorlag, nicht hingegen in Bezug auf die Annahmeerklärung der Klägerin (RS0101797 [T3]). Auch der Beklagte geht in der Revisionsbeantwortung nun zutreffend davon aus, die Verlängerungsvereinbarung vom 7. 7. 2016 (./H) habe keine Befristung bewirkt.

[13] 2. Dass der Beklagte als Rechtsanwalt der Klägerin und ihres Rechtsvorgängers nach dem Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB zur umfassenden Interessenwahrung und Rechtsberatung verpflichtet gewesen wäre, wozu insbesondere die Belehrung der rechtsunkundigen Mandanten gehört (RS0038682) und eine unzulängliche Rechtsbelehrung den sie erteilenden Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig macht (RS0023526), haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Dass der Beklagte seiner Aufklärungspflicht zu den Voraussetzungen einer wirksamen Befristung eines Bestandvertrags nach dem MRG nicht ausreichend nachkam, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

[14] 3. Zur Kausalität dieser Aufklärungspflichtverletzung ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen (RS0022900), dass die Beweisführung bezüglich der Kausalität einer Unterlassung in der Regel nur unter Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhangs in Betracht kommt und der Geschädigte dafür beweispflichtig ist, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Dem Schädiger obliegt dann der Nachweis, einen anderen Tatsachenzusammenhang noch wahrscheinlicher zu machen (RS0022900 [T1]). Wenn auch im Fall der Schädigung durch Unterlassung der Geschädigte grundsätzlich den Kausalzusammenhang zu beweisen hat, ist doch anerkannt, dass an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs nicht so strenge Anforderungen gestellt werden können wie bei einer Schadenszufügung durch positives Tun, weil sich die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, hätte der Schädiger pflichtgemäß gehandelt, naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten lässt, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat (RS0022900 [T14]).

[15] 4.1. Die Klägerin brachte hier zur Kausalität der mangelnden Aufklärung über das Schriftformgebot für den von ihr behaupteten Schaden (unter anderem) vor, für den Fall, dass bereits ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vorgelegen hätte, sei es der Wille der Parteien gewesen, eine neue befristete Vereinbarung abzuschließen. Dass mit „Parteien“ die Mietvertragsparteien (und nicht etwa die Prozessparteien dieses Verfahrens) gemeint waren, liegt auf der Hand. Mit diesem Vorbringen reagierte die Klägerin auf den Einwand des Beklagten, wegen der untrennbaren Verknüpfung von Haupt und Untermietverhältnis und der im Jahr 1994 unzulässigen Befristung des Untermietverhältnisses auf 20 Jahre sei anlässlich der Verlängerungsvereinbarung bereits ein unbefristetes Bestandverhältnis vorgelegen.

[16] 4.2. Während das Berufungsgericht letzterem Einwand des Beklagten folgte und von einem einheitlichen, insgesamt unwirksam befristeten Bestandverhältnis ausging, wies es zwar – an sich zutreffend – darauf hin, ein befristetes Mietverhältnis hätte im Juli 2016 nur dann entstehen können, wenn sowohl die Klägerin als auch die Mieterin eine schriftliche Zusatzvereinbarung getroffen hätten, hielt dem aber entgegen, die Klägerin habe eine diesbezügliche Bereitschaft der Mieterin nicht behauptet. Dies widerspricht allerdings dem Prozessvorbringen, wonach es Wille (auch) der Mieterin gewesen sei, eine neue befristete Vereinbarung abzuschließen, wäre bereits ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vorgelegen (und hätte der Beklagte darüber belehrt). Dies beinhaltetet aber die Behauptung, die Mieterin sei zum schriftlichen Abschluss der Verlängerungsvereinbarung bereit gewesen. Zusätzliches Vorbringen zur Tragung der Rechtsgeschäftsgebühr für den Fall der schriftlichen Zusatzvereinbarung auf Mieterseite war von der Klägerin nicht zu verlangen.

[17] 4.3. Feststellungen zum somit ausreichend behaupteten Umstand, ob die Mietvertragsparteien damals die Verlängerungsvereinbarung bei ausreichender Aufklärung der Klägerin über die Unwirksamkeit der Befristung schriftlich abgeschlossen hätte, fehlen im Ersturteil. Soweit das Berufungsgericht davon ausging, für den Fall, dass die Mieterin in Kenntnis gewesen sein sollte, dass ein unbefristetes Mietverhältnis vorliege, sei es gänzlich unwahrscheinlich, dass sie die Zusatzvereinbarung unterfertigt hätte, fehlt für diese Beurteilung des Berufungsgerichts, die es seiner Auffassung betreffend die mangelnde Kausalität des Handelns des Beklagten für den Schaden der Klägerin zugrundelegte, eine Grundlage im vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt.

[18] 4.4. Wenn auch das Berufungsgericht damit von Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht abging (vgl RS0043461), hat es doch – ohne eine Beweisergänzung zu veranlassen – ergänzende Feststellungen zum hypothetischen Verhalten der Mieterin für den Fall ausreichender Aufklärung der Klägerin über die Unwirksamkeit der Befristung bei der vorgeschlagenen Vorgangsweise getroffen. Damit ist das Verfahren zweiter Instanz mangelhaft (RS0043026; RS0042151).

[19] 4.5. Dieser Mangel des Berufungsverfahrens betraf auch eine entscheidende Tatsache, nämlich die vom Berufungsgericht verneinte Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten für den Schaden der Klägerin (vgl RS0043027). Schon deshalb kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Allerdings reichen die zur Frage der Kausalität getroffenen Feststellungen des Erstgerichts auch noch nicht aus, um diese Rechtsfrage abschließend beurteilen zu können.

[20] 4.6. Das Erstgericht stellte fest, dass es zwar auch im Interesse der Klägerin gewesen sei, die Rechtsgeschäftsgebühr zu vermeiden, es aber ihr unbedingter Wille gewesen sei, das Mietverhältnis wirksam bis zum 28. 2. 2034 zu befristen, und dass die Klägerin – hätte sie über die Rechtsfolgen der mangelnden Schriftlichkeit Bescheid gewusst – den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Zur Frage, ob die Mieterin bereit gewesen wäre, eine (wirksame) schriftliche Verlängerungsvereinbarung zu treffen, fehlen Feststellungen. Nicht klar ist auch, ob der Klägerin die wirksame Befristung der Verlängerungsvereinbarung so wichtig war, dass sie selbst eine (subsidiäre) Haftung für die diesfalls anfallende Rechtsgeschäftsgebühr in Kauf genommen hätte. Zur Frage, ob es zu einer wirksamen Verlängerungsvereinbarung bei ausreichender Aufklärung durch den Beklagten gekommen wäre, liegt daher ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der aufgrund der gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge wahrzunehmen ist (vgl RS0043352).

[21] 4.7. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren konkrete Feststellungen zum hypothetischen Verlauf der Verhandlungen und zum Abschluss der Verlängerungsvereinbarung im Jahr 2016 bei ausreichender Aufklärung durch den Beklagten zu treffen haben, die dann eine abschließende Beurteilung der Schadenskausalität der Aufklärungspflichtverletzung ermöglichen. Da nach der Rechtsprechung (RS0022900 [T40, T41]) die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist, genügt und dieses Kriterium unter dem Regelbeweismaß der ZPO liegt, hat die Klägerin die Kausalität der Unterlassung für den Eintritt des Schadens nur „plausibel“ zu machen, während dem Beklagten der Nachweis obläge, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei.

[22] 4.8. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage kommt es nicht an. Unabhängig davon, ob bei den Verlängerungsvereinbarungen 2016 wegen einer im Jahr 1994 unwirksam vereinbarten Befristung bereits ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit vorlag (wie das Berufungsgericht meint) oder aber die ursprüngliche Befristung wirksam und das Bestandverhältnis zu diesem Zeitpunkt einmalig iSd § 29 Abs 3 lit b MRG um drei Jahre verlängert war (wie die Klägerin behauptet), hätte nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG bzw § 29 Abs 4 letzter Satz MRG jedenfalls nur eine schriftliche Vereinbarung das Entstehen (oder Fortbestehen) eines als auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen oder erneuerten Mietverhältnisses verhindern können. Relevant für dieses Verfahren ist daher nur die Frage, ob die Mietvertragsparteien ausgehend von ihrem Kenntnisstand im Jahr 2016 eine wirksam befristete Verlängerungsvereinbarung abgeschlossen hätten, wäre die Klägerin vom Beklagten ausreichend aufgeklärt worden. Zu berücksichtigen wird dabei sein, dass der Beklagte nicht zu der damals selbst anwaltlich vertretenen Mieterin, sondern nur zur Klägerin in einem Vertragsverhältnis stand und daher auch nur ihr gegenüber zur Aufklärung verpflichtet war.

[23] 5.1. Zu dem vom Beklagten auch in der Revisionsbeantwortung noch bestrittenen Feststellungsinteresse der Klägerin ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen (RS0038817; RS0039021), dass eine Feststellungsklage grundsätzlich erst dann unzulässig ist, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann, die Feststellungsklage aber dann zulässig bleibt, wenn durch einen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht zur Gänze ausgeschöpft wird. Überdies geht die ständige Rechtsprechung (RS0038968) von einem Feststellungsinteresse auch dann aus, wenn der Bestand des geltend gemachten Rechts bestritten wird, sodass eine tatsächliche Ungewissheit besteht, was insbesondere dann gilt, wenn diese Ungewissheit durch ein Verhalten des Beklagten verursacht wird.

[24] 5.2. Zu 7 Ob 170/22h ging der Oberste Gerichtshof – in einem Anwaltshaftungsfall – davon aus, das Feststellungsinteresse könne schon darin liegen, dass der Beklagte den Bestand des Rechts „hartnäckig“ bestreitet, sodass ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung besteht. Dass die Beklagte dort grundsätzlich die Haftung aus der Verletzung der Aufklärungspflicht bestritt, führte zur Bejahung eines Feststellungsinteresses.

[25] 5.3. Der hier zu beurteilende Fall ist vergleichbar. Der Beklagte bestritt seine Aufklärungspflichtverletzung im Verfahren erster Instanz und wendete ein, der Klägerin sei kein Schaden erwachsen. Im Widerspruch dazu behauptete er zuletzt, der Schaden sei bereits entstanden und bestehe in der Differenz der Verkehrswerte mit und ohne Zugrundelegung des befristeten Mietverhältnisses. Das Erstgericht bejahte das Feststellungsinteresse primär mit der Begründung, der Beklagte bestreite seine Haftung aus der Aufklärungspflichtverletzung. Nur hilfsweise stützte es das Feststellungsinteresse auch auf die durch das Zustandekommen des unbefristeten Mietverhältnisses geschwächte Rechtsposition der Klägerin.

[26] 5.4. Auf die primäre Begründung des Erstgerichts ging der Beklagte schon in der Rechtsrüge seiner Berufung nicht ein, er befasste sich nur mit der Hilfsbegründung und meinte, eine Verkehrswertminderung des Grundstücks aufgrund des unbefristeten Bestandverhältnisses sei bereits eingetreten. Auch in seiner Revisionsbeantwortung spricht der Beklagte nur diesen Aspekt des Feststellungsinteresses an.

[27] 5.5. Dass das Feststellungsinteresse schon dann zuzuerkennen ist, wenn der Bestand des Rechts bestritten wird, sodass eine tatsächliche Ungewissheit besteht, die durch das nachfolgende Urteil beseitigt werden kann (RS0038968; RS0039007), bestreitet der Beklagte somit gar nicht, der im Übrigen nicht etwa ein Anerkenntnis seiner Haftung dem Grund nach abgab, sondern seine Haftung aus der Aufklärungspflichtverletzung im Verfahren erster Instanz bis zuletzt bestritt.

[28] 5.6. Für den Fall, dass aufgrund der ergänzend zu treffenden Feststellungen eine Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten für allfällige Schäden der Klägerin zu bejahen wäre, wird daher im fortgesetzten Verfahren von einem ausreichenden Feststellungsinteresse der Klägerin iSd § 228 ZPO auszugehen sein.

[29] 6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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