JudikaturJustiz5Ob36/00f

5Ob36/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Walter K*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Urkundenhinterlegung betreffend die EZ ***** Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3. Jänner 2000, GZ 52 R 157/99s, womit über Rekurs des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 1. Dezember 1999, Uh 6/99-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Unter Vorlage einer Aufsandungs- und Übereignungsurkunde, einer Unbedenklichkeitsbescheinigung und des Urteils des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 20. 10. 1992, GZ 3 C 384/91x, begehrt der Antragsteller, ihm zur Erlangung des Eigentums an einem Superädifikat (Musikpavillon) auf dem Grundstück ***** in ***** Grundbuch ***** die Aufnahme der Aufsandungs- und Übereignungsurkunde in die Sammlung der beim Bezirksgericht Rattenberg hinterlegten und eingereihten Liegenschafts- und Bauwerksurkunden durch Hinterlegung zu bewilligen.

Der Verein "Bundesmusikkapelle N*****" habe von einer früheren Liegenschaftseigentümerin mit auf 10 Jahre befristetem Bestandvertrag vom 26. 2. 1981 eine Teilfläche der Liegenschaft in Bestand genommen und darauf den Musikpavillon errichtet, der dadurch rechtlich als Superädifikat entstanden sei. In der Folge habe der Antragsteller die Liegenschaft erworben und diese dem bezeichneten Verein veräußert. In diesem Kaufvertrag sei zu Gunsten des Antragstellers und damaligen Verkäufer ein Wiederkaufsrecht vereinbart worden, wobei als Nebenbestimmung zu diesem Wiederkaufsrecht auch vereinbart gewesen sei, dass im Wiederkaufsfall an den Antragsteller nicht nur das Grundstück, sondern auch das Gebäude des Musikpavillons zu übereignen sei. Der Antragsteller habe das Wiederkaufsrecht ausgeübt und den Kaufpreis sowohl für das Grundstück als auch für das Gebäude des Musikpavillons bezahlt. Zur Erfüllung dieses Vertrags sei eine Aufsandungs- und Übereignungsurkunde am 28. 7. 1999 errichtet worden. Die einzig gültige Erwerbsart hinsichtlich des Eigentums am Musikpavillon stelle für den Kläger, der daran derivatives Eigentum erwerbe, die Urkundenhinterlegung dar.

Das Erstgericht wies das Begehren um Urkundenhinterlegung ab. Aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass es sich bei dem Musikpavillon um ein Superädifikat handle. Grundbücherlich sei auf dem Grundstück ***** auch kein Superädifikat angemerkt. Das Begehren um Urkundenhinterlegung sei damit nicht berechtigt.

Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Zunächst entspreche es höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass im Verfahren nach dem UHG ungeprüft zu bleiben habe, ob das Bauwerk, auf das in der zu hinterlegenden Urkunde bezug genommen werde, rechtlich als Superädifikat existent sei. Das treffe allerdings nur dann zu, wenn das Begehren auf Urkundenhinterlegung durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden sich nicht bereits als unbegründet erweise. Im vorliegenden Fall seien die vorgelegten Urkunden hinsichtlich der Frage, ob ein Superädifikat bestehe, widersprüchlich.

Unbhängig davon sei das Begehren jedoch nicht berechtigt.

Bereits durch den Kaufvertrag vom 26. 3. 1996 sei es zu einer Vereinigung des Grund- und Bauwerkseigentums in Händen der "Bundesmusikkapelle N*****" gekommen. Damit verliere nach herrschender Auffassung das Superädifikat seine Selbständigkeit, sofern nicht Interessen Dritter (zB der Pfandgläubiger) entgegenstünden. Das erhöhte Bedürfnis nach Offenkundigkeit im Sachenrecht zur Sicherheit des Rechtsverkehrs fordere in diesem Fall die Rückkehr zum Grundsatz, dass das Eigentum am Bauwerk dem Eigentum am Grund, auf dem es errichtet sei, folge. Das bloße Interesse des Grundeigentümers, ein festes Bauwerk als selbständige Sache zu errichten bzw zu erhalten, trete hinter das Interesse der Sicherheit des Liegenschaftsverkehrs zurück. Die Vereinigung von Grund- und Bauwerkseigentum führe daher bei massiven, fest und wirtschaftlich untrennbar mit dem Boden verbundenen Bauwerken zum Zuwachs zum Grundeigentum im Sinn des § 297 ABGB. Nur bei Gebäuden, die schon auf Grund ihrer faktischen Beschaffenheit erkennen ließen, dass sie nicht zum dauernden Verbleib bestimmt seien (zB Verkaufsbuden, Flugdächer etc), sei ein Zuwachs zu verneinen, weil in diesem Fällen durch die Bauweise der Überbauten der Publizität bereits genüge getan werde.

Da es sich beim Musikpavillon um ein massives und unterkellertes Bauwerk handle, das ohne Beschädigung der Substanz nicht entfernt werden könne und Rechte Dritter nicht aktenkundig entgegenstünden, sei auch im vorliegenden Fall nach der Vereinigung von einem Zuwachs im Sinn des § 297 ABGB auszugehen. Mit der Aufsandungs- und Übereignungsurkunde vom 28. 7. 1999 solle der Antragsteller also nicht ein Bauwerk auf fremden Grund in sein Eigentum erwerben, sondern vielmehr, wie im Kaufvertrag vom 26. 3. 1996 vereinbart, mit dem Eigentum an der Liegenschaft auch das Eigentum an den darauf befindlichen Baulichkeiten übergehen. Damit fehle aber die für die Anwendung des § 435 ABGB maßgebliche Voraussetzung, dass im Zeitpunkt der Urkundenhinterlegung Grund- und Gebäudeeigentum verschiedenen Personen zustünden. Zutreffend habe daher das Erstgericht die begehrte Urkundenhinterlegung verweigert.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es entspreche höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass auch im Fall des Erwerbs eines Bauwerks durch den Grundeigentümer die Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde bei Gericht erforderlich sei, weil ansonsten eine gültige Erwerbsart fehle (SZ 58/23; NZ 1994, 15 ua). Soweit überblickbar fehle aber höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob nach Vereinigung des originär erworbenen Bauwerkseigentums mit dem Grundeigentum durch Erwerb des bücherlichen Eigentums an der Liegenschaft, auf dem sich das Bauwerk befindet, das Superädifikat seine Selbständigkeit verliere und zum unbeweglichen Bestandteil der Liegenschaft werde (§ 297 ABGB), somit bei einer weiteren Veräußerung die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts an der Liegenschaft auch das Eigentum am ehemaligen Bauwerk umfasse oder aber ob es neuerlich einer Urkundenhinterlegung zum Eigentumserwerb am Bauwerk bedürfe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, der aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Ein Überbau im Sinn des § 435 ABGB liegt vor, wenn auf fremdem Grund ein Bauwerk in der Absicht aufgeführt wird, dass es nicht stets darauf bleiben soll. Das Fehlen der Belassungsabsicht tritt im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks hervor, kann aber auch aus den besonderen Umständen, so zB aus den zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestehenden Rechtsverhältnis hervorgehen. Es kann daher auch ein fest gemauertes und nicht ohne Zerstörung der Substanz wieder entfernbares Gebäude ein Überbau sein, wenn das Benützungsverhältnis am Grund - wie hier - im Zeitpunkt der Errichtung des Überbaus befristet war (MietSlg XXXVIII/29; SZ 58/23; NZ 1992, 66 mwN).

Das Eigentum am Superädifikat entsteht mit Bauführung. Für den originären Erwerb eines Superädifikats ist daher ein Urkundenhinterlegung weder notwendig noch rechtlich zulässig (SZ 17/2; SZ 26/83; NZ 1992, 257 mwN), diesfalls kommt nur die Einreihung einer Urkunde nach § 1 Abs 1 Z 2 lit b UHG zur Ersichtlichmachung des Bauwerks im Grundbuch in Betracht (EvBl 1991/75; NZ 1992, 257).

Die "Bundesmusikkapelle N*****" hat nach dem Urkundeninhalt originär Eigentum an einem Superädifikat erworben, weshalb sie im Zeitpunkt des Erwerbs auch des Eigentums an der Liegenschaft keines gesonderten Erwerbsvorgangs, insbesondere keiner Urkundenhinterlegung mehr bedurfte. Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, sind bei der Voreigentümerin "Bundesmusikkapelle N*****" Eigentum am Superädifikat und Liegenschaftseigentum erstmals vereint worden. Es erhebt sich daher die Frage, ob durch diese Eigentümeridentität das Bauwerk seine rechtliche Selbständigkeit verloren hat und unselbständiger Bestandteil (Zuwachs) des Grundstücks wurde.

Graschopf (Bauwerke auf fremdem Grund, 36 f) bejahte dies ohne weiteres mit dem Argument, dass niemand auf eigenem Grund ein Superädifikat haben könne, dass es sich bei einem Superädifikat um ein Bauwerk auf fremdem Grund handeln müsse. Ostheim (Superädifikat auf eigenem Grund, ÖJZ 1975, 202 [209, FN 64]) vertritt die Ansicht, dass stabile und massive Bauwerke als selbständige Sachen nicht auf eigenem Grund errichtet werden könnten. Anders liege der Fall, wenn schon durch die faktische Beschaffenheit des Bauwerks erkennbar sei, dass sie nicht zum dauernden Verbleib bestimmt seien. Solchen Bauwerken könne die Selbständigkeit verbleiben.

Bydlinski (Das Recht der Superädifikate, 40 f) bestreitet zunächst, dass deshalb, weil ein Grundeigentümer auf seinem eigenen Grund nicht stabile und massive Bauwerke als selbständige Sachen errichten könne, noch nicht ohne weiters folge, dass schon bestehende Bauwerke ihre Selbständigkeit bei Vereinigung verlieren. Diese Konsequenz ergebe sich aber doch aus einer genauen Reflexion über den Zweck des Gesetzes. Könne das gesetzliche Erfordernis fehlender Belassungsabsicht nur den Sinn haben, eine Dauerspaltung von Grund- und Bauwerkseigentum wegen der damit verbundenen Gefährdung des Verkehrs zu verhindern, so fordere dieser Zweck, zum Normalzustand der Bestandteilseigenschaft von festen Gebäuden zurückzukehren, sobald dies ohne Verletzung der Interessen der Beteiligten möglich sei. Das Interesse des Grundeigentümers, ein festes Bauwerk als selbständige Sache zu haben, sei nicht stärker oder sonst schutzwürdiger als sein Interesse, auf eigenem Grund ein selbständiges Bauwerk zu errichten, das vom Gesetz zufolge § 297 ABGB nicht geschützt werde. Bydlinski folgt daher der Ansicht, dass durch Eigentümeridentität von Grundeigentum und Bauwerk es zum Zuwachs komme und jedenfalls massive, fest und wirtschaftlich untrennbar mit dem Boden verbundene Bauwerke unselbständiger Bestandteil des Grundstücks werden. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an. Der Antragsteller hat daher, wie das Rekursgericht schon zutreffend ausführte, zufolge der Bestimmung des § 297 ABGB mit dem Erwerb der Liegenschaft bereits den zum unselbständigen Bestandteil dieser Liegenschaft gewordenen Musikpavillon erworben, ohne dass es einer Urkundenhinterlegung bedürfte.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen sein diesbezügliches Begehren abgewiesen.

Der Revisionsrekurs war daher nicht berechtigt.

Rechtssätze
6