JudikaturJustiz5Ob28/23p

5Ob28/23p – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin F* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. M*, vertreten durch Dr. J*, 2. D*, 3. L*, beide vertreten durch Mag. Markus Adam LL.M., Rechtsanwalt in Wien, 4. R*, 5. S* GesmbH, *, 6. E*, 7. Mag. P*, 8. N*, 9. Z*, 10. M*, 11. H*, 12. D*, 13. Ö*, 14. S*, 15. J*, 16. Mag. W*, 17. E*, 18. C*, 19. S*, 20. Dipl.- Kauffr. S*, 21. B* GmbH, *, 22. D*, und 23. Mag. A*, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Jänner 2023, GZ 40 R 151/22k 99, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] D as Erstgericht wies einen Antr ag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen seinen Sachbeschluss ab und den dagegen erhobenen Rekurs zurück.

[2] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dabei ging es von einer wirksamen Zustellung des Sachbeschlusses aus, weil die vormalige Antragstellervertreterin, eine Anwalts-GmbH, ihrer V erpflichtung zur Bekanntgabe der Auflösung des Kanzleisitzes an einem bestimmten Ort bzw der Änderung des Anschriftcodes gemäß § 8 Abs 1 ZustG bzw § 7 Abs 3 ERV 2006 nicht nachgekommen sei . Das Einbringen von Schriftsätzen mit geänderten Anschriftsdaten oder P-Codes allein ohne Klarstellung, dass die bisher im Verfahren bekanntgegebenen und den Zustellungen zugrunde gelegten Daten nicht mehr aktuell seien, erfülle die Mitteilungspflicht nicht . Für e in Gericht bestehe kein Anlass, eine Umstellung auf in Folgeeingaben aufscheinende abweichende Kontaktdaten vorzunehmen, wenn nicht ausdrücklich mitgeteilt werde , dass eine bisherige Anschrift nicht mehr bestehe oder statt eines bisherigen Codes nunmehr ein neuer Anschriftcode zu verwenden sei . Die vormalige Vertreterin der Antragstellerin habe bei Auflassung des Kanzleisitzes nicht auch den mit dieser Adresse verknüpften Anschriftcode löschen lassen. Dies sei ihr offenbar ein Jahr lang nicht aufgefallen, obwohl ihr sämtliche Gerichtsstücke bis 4. 5. 2021 über diesen Anschriftcode zugestellt worden seien. Dass sie dann mit 20. 5. 2021 bloß die Deaktivierung dieses Codes veranlasst habe, ohne zumindest jetzt dem Gericht davon und überhaupt von der Schließung des Kanzleisitzes und vom Wegfall der ehemaligen Adresse als Abgabestelle Mitteilung zu machen, sei als grobe Sorgfaltswidrigkeit zu beurteilen, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen stehe.

[3] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen kann.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Unter der Bezeichnung „unerledigte Anträge“ macht die Antragstellerin der Sache nach eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in erster Instanz geltend, weil die Einvernahme des ehemaligen Gesellschafters der Anwalts-GmbH unterblieben sei. Dazu hat aber bereits das Rekursgericht Stellung genommen und dargelegt, warum darin kein Mangel zu erblicken sei. Auch für das Verfahren außer Streitsachen gilt , dass in einem solchen Fall eine Verfahrensrüge nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS Justiz RS0042963; für das Außerstreitverfahren: [T48, T61, T69]). In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Antragstellerin die Einvernahme eines informierten Vertreters oder des ehemaligen Gesellschafters beantragt. Damit ist es entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht davon ausging, sie hätte gar nicht auf dessen Vernehmung bestanden.

[5] 2. Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen (§ 8 Abs 1 ZustG). Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs 2 ZustG). Auch nach dem im vorliegenden Verfahren noch anwendbaren § 7 Abs 3 ERV 2006 (nunmehr § 8 Abs 6 ERV 2021) sind Änderungen von Daten, die zu einem Anschriftcode gespeichert sind, vom Teilnehmer entsprechend § 7 Abs 2 leg cit unverzüglich bekannt zu geben und weiterzuleiten.

[6] 2.1 Zu der vom Rekursgericht mit ausführlicher Begründung bejahten Wirksamkeit der Zustellung des Sachbeschlusses argumentiert die Antragstellerin in dritter Instanz lediglich mit der Definition der Abgabestelle gemäß § 2 Z 4 ZustG und meint, eine solche hätte an der Anschrift des ehemaligen Kanzleisitzes bei Zustellung des Sachbeschlusses nicht mehr bestanden, weswegen auch nicht nach § 17 ZustG hinterlegt hätte werden dürfen.

[7] 2.2 Damit ignoriert die Antragstellerin die genannten Bestimmungen und die darauf beruhende Argumentation des Rekursgerichts. Dass die vormalige Antragstellervertreterin ihrer Bekanntgabeverpflichtung gemäß § 8 Abs 1 ZustG bzw § 7 Abs 3 ERV 2006 nachgekommen wäre, behauptet sie nicht. Daher hatte sie die Gefahr, dass an der früheren Abgabestelle zugestellt wird, zu tragen (1 Ob 167/20w). D em Gericht ist in einem solchen Fall die Feststellung der aktuellen Abgabestelle nämlich schon deshalb nicht „ohne Schwierigkeiten“ im Sinn des § 8 Abs 2 ZustG möglich, weil es gar keinen Grund gehabt hat, Nachforschungen anzustellen (RS0115726). Eine Hinterlegung nach § 17 ZustG wirkt dann als Zustellung, und zwar unabhängig davon, wo sich die Partei befindet und welche Abgabestelle für sie sonst in Betracht gekommen wäre (RS0115725). Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht diesen Grundsätzen und ist daher nicht zu beanstanden. Inwieweit der Umstand, dass im vorliegenden Fall der Sachbeschluss nach einem Zustellversuch hinterlegt worden sei, § 8 Abs 2 ZustG dies aber auch ohne vorangegangenen Zustellversuch ermöglicht, ihre Rechtsposition beeinflussen soll, ist nicht zu erkennen.

[8] 3. Die Anfechtung der Bestätigung der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags (§ 21 AußStrG) ist im Außerstreitverfahren nicht jedenfalls ausgeschlossen, sondern zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen (RS0121841 [T2, T3]). Auch in diesem Zusammenhang setzt sich die Antrags stellerin mit der Begründung des Rekursgerichts inhaltlich nicht auseinander, sondern verweist zusammengefasst darauf, dass es sich bei der Auflösung eines Kanzleisitzes um einen komplexen Vorgang handle, bei dem die Bekanntgabe der Anschriftsänderung nicht die einzige Aktion bleibe. Warum in einem solchen Fall der an berufliche rechtskundige Parteienvertreter anzulegende Sorgfaltsmaßstab (dazu RS0036784) herabzusetzen wäre , ist entgegen der von der Antragstellerin offensichtlich vertretenen Ansicht jedoch nicht zu erkennen. Damit kann sie mit ihren Argumenten auch keine im Einzelfall (dazu RS0116535) aufzugreifende Fehlbeurteilung der Verschuldensfrage durch das Rekursgericht aufzeigen. Die Entscheidung über ihren Wiedereinsetzungsantrag wirft damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[9] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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