JudikaturJustiz5Ob240/02h

5Ob240/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria S*****, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegenerin M ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Wonisch und Dr. Hansjörg Reiner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach den §§ 3 und 6 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 8. Juli 2002, GZ 54 R 150/02a-36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. März 2002, GZ 16 Msch 29/01y-15, als nichtig aufgehoben und der Sachantrag zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin (Mieterin) stellte am 22. 10. 2001 beim Erstgericht - ohne Vorschaltung der Schlichtungsstelle - den Antrag auf Erlassung eines Sachbeschlusses, der Antragsgegnerin aufzutragen, binnen einem Monat ab Rechtskraft des Beschlusses folgende Erhaltungsarbeiten am Haus ***** in Salzburg durchzuführen: Gesamte Erneuerung der Dacheindeckung; Erneuerung der vermorschten Dachbodenfenster; Ersatz der fehlenden Verglasung bei den Dachbodenfenstern; Verschließen von Setzungsrissen an der west- und ostseitigen Fassade samt Angleichung des Fassadenputzes an den Bestand; Erneuerung des abgebrochenen Gesimses am nordwestseitigen Gebäudeeck samt Behebung der für den Schaden verantwortlichen Ursachen.

Mit dem selben Schriftsatz begehrte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung folgenden Inhalt: "Der Antragsgegnerin wird aufgetragen, binnen 14 Tagen die Dacheindeckung... wasserdicht abzuschließen und die Regen- und Nässedichtheit bis zum Ende des Hauptverfahrens aufrecht zu erhalten."

Bei der folgenden mündlichen Verhandlung vom 21. 11. 2001 zog die Mieterin ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück, weil "jemand" am Dach gewesen sei und seither keine Wassereintritte mehr feststellbar gewesen seien.

Das Erstgericht erklärte sich in Punkt 1 seines Beschlusses vom 6. 3. 2002 für das gegenständliche Verfahren gemäß §§ 3 und 6 MRG für zuständig, weil der Antrag mit einer einstweiligen Verfügung verbunden worden sei, und wies in Punkt 2 den Teil des Sachantrages, der die Erneuerung der gesamten Dacheindeckung betraf, ab, weil das (bei einer anderen Abteilung des Erstgerichts geführte) Verfahren gemäß § 18 MRG Vorrang habe. Eine Verbindung der beiden Verfahren ist nicht erfolgt.

Die Antragstellerin erhob Rekurs gegen Punkt 2 dieser Entscheidung, die Antragsgegnerin gegen Punkt 1.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluss und das vorangegangene Verfahren, insoweit dadurch nicht die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Verfügung betroffen ist, als nichtig auf und wies den Sachantrag (zur Gänze) zurück. Es führte hiezu im Wesentlichen folgendes aus:

Besondere Bedeutung komme dem Einleitungssatz des § 37 Abs 3 Z 22 MRG zu. Dieser und auch der zweite Satz lauteten dahin, dass es auf die Ansprüche ankomme, die im Rahmen eines Verfahrens nach Abs 1 mittels einstweiliger Verfügung abgedeckt werden sollen. Nur für jenen Anspruch, der mit der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werde, könne der Satz gelten, dass ab diesem Zeitpunkt ein Verfahren vor der Gemeinde gemäß § 39 nicht mehr anhängig gemacht werden könne. Der von der Mieterin mit einstweiliger Verfügung geltend gemachte Anspruch laute auf wasserdichte Abschließung der Dacheindeckung. Nur über diesen Anspruch hätte das Erstgericht, wäre der Antrag nicht zurückgezogen worden, eine einstweilige Verfügung im Sinne des Einleitungssatzes der Z 22 erlassen können. Dieses Abstellen auf den mittels einstweiliger Verfügung begehrten Anspruch solle offensichtlich verhindern, dass eine antragstellende Partei die gesetzlich vorgeschriebene vorgeschaltete Anrufung der Schlichtungsstelle dadurch umgehe, dass sie zunächst einen Antrag auf einstweilige Verfügung stelle und diesen sodann zurückziehe. Um dem zu entgegnen, fordere das Gesetz die Einhaltung der Exekutionsordnung mit der in diesem Verfahren verlangten Behauptungs- und Beweislast. Das von der Mieterin mit gleichem Antragsschriftsatz gestellte Sachbegehren gehe über das in der einstweiligen Verfügung enthaltene Begehren weit hinaus. Das Sachbegehren umfasse die gesamte neue Dacheindeckung, Fensterreparaturen, Mauerreparaturen, Gesimsreparaturen. Diese Erhaltungsarbeiten, die von einem zu erlassenden Sachbeschluss umfasst wären, könnten nicht dem Einleitungssatz der Z 22 unterstellt werden, weil diesbezüglich kein Provisorialverfahren durchzuführen sei. Die Ausnahme der Umgehung der Schlichtungsstelle beziehe sich aber nur auf solche Ansprüche, die Gegenstand des Provisorialverfahrens seien. Für die restlichen, nicht vom Provisorialverfahren umfassten Ansprüche müsse daher weiterhin die Regel des § 39 MRG gelten, nämlich das bei vorhandener Schlichtungsstelle ein gerichtliches Verfahren erst dann eingeleitet werden könne, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden sei. Bei Bestehen einer Schlichtungsstelle sei das Verfahren dort bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges einzuleiten. Die Anrufung der Schlichtungsstelle sei eine zwingende Prozessvoraussetzung.

Das Erstgericht habe daher über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt. Dies habe zur Folge, dass der angefochtene Beschluss und das von der Nichtigkeit erfasste Verfahren aufzuheben sei. Von der Nichtigkeit erfasst sei das gesamte bisherige Verfahren, ausgenommen jenes über die am 22. 10. 2001 beantragte einstweilige Verfügung, das mit Rücknahme des Antrags geendet habe. Der Antrag der Mieterin auf Erlassung eines Sachbeschlusses habe daher zurückgewiesen werden müssen. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob im Sinne einer perpetuatio fori das Erstgericht weiterhin zuständig wäre.

Gleichfalls mit einer Antragszurückweisung sei wegen Mangel eines Rechtschutzbedürfnisses der Antragstellerin vorzugehen. Die Vermieterin habe vor dieser Antragstellung schon das § 18-Verfahren eingeleitet mit dem Ziel einer umfassenderen Gebäudesanierung. Es könne nicht im Sinne des Gesetzes sein, ein weiteres Verfahren mit einem weniger umfassenden Ziel dem § 18-Verfahren parallel oder entgegenlaufen zu lassen. Über den Umfang der Arbeiten werde ohnedies im § 18-Verfahren zu befinden sein.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und auszusprechen, dass das Erstgericht zur Entscheidung über den gesamten Sachantrag zuständig sei.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist analog § 519 Abs 1 Z 1 zulässig, er ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen gelten, die Interpretation des Rekursgerichts würde dazu führen, dass wegen Erhaltungsarbeiten im selben Objekt zwei verschiedene Verfahren, nämlich eines bei der Schlichtungsstelle und eines bei Gericht geführt werden müssten; § 37 Abs 3 Z 22 MRG bewirke, dass das Verfahren über den gesamten Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten bei Gericht anhängig gemacht werden könne und nicht nur über den Teilanspruch, der mit einstweiliger Verfügung gesichert werden solle; hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass sich der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erledigt habe, weil die Antragsgegnerin dem Begehren inzwischen nachgekommen sei.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 37 Abs 3 Z 22 MRG kann das Gericht zur Sicherung von Ansprüchen, die in einem Verfahren nach Abs 1 geltend zu machen sind, einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung erlassen. Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht gestellt, so kann ab diesem Zeitpunkt ein Verfahren vor der Gemeinde gemäß § 39 nicht mehr anhängig gemacht werden; für ein bereits vor der Gemeinde anhängiges Verfahren gilt § 40 Abs 2 zweiter Satz sinngemäß. Der Antrag in der Hauptsache ist in diesen Fällen bei Gericht einzubringen.

Der Antrag nach § 37 Abs 1 MRG ist also trotz sonst vorgeschalteter Schlichtungsstelle unmittelbar bei Gericht einzubringen, wenn die einstweilige Verfügung bereits vorher beantragt worden ist oder - wie hier - unter einem beantragt wird (vgl hiezu auch 6 Ob 247/98m = MietSlg 50.506). Wird ein derartiger Antrag erst gestellt, nachdem der Hauptantrag bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht worden ist, gilt dieser im Sinne des § 40 Abs 2 MRG als - ohne Rücksicht auf das sonst erforderliche Verstreichen der Dreimonatsfrist - von der Schlichtungsstelle abgezogen (vgl Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 37 MRG Rz 69; Hurch in Schwimann IV2 § 37 MRG Rz 76; teilweise anders LGZ Wien MietSlg 47.470; Mohr in Hausmann/Vonkilch § 37 MRG Rz 106).

Was nun den Umfang dieser (unmittelbaren) gerichtlichen Zuständigkeit anlangt, so kommt es - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - nicht auf den Sicherungsanspruch sondern auf den zu sichernden Anspruch an. Im vorliegenden Fall soll durch die Abdichtung des Daches gegen Wassereintritte der Anspruch auf Erneuerung der Dacheindeckung gesichert werden; mit der Dachsanierung in engem Zusammenhang steht auch die Erneuerung der vermorschten Dachbodenfenster und der Ersatz der fehlenden Verglasung der Dachbodenfenster. Eine Teilung könnte allerdings insoweit erwogen werden, als im Sachantrag auch Arbeiten an Fassade und Gesimsen begehrt werden, die mit einer Dachsanierung offenbar nicht notwendig verbunden wären.

Bei der Beurteilung der Teilungsfrage ist auf die Rechtsprechung zur Teilabziehung Bedacht zu nehmen. Danach wird im Zweifel das gesamte bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren bei Gericht anhängig; nur ausnahmsweise, bei ausdrücklicher Abziehung nur eines Teiles des Antrages oder aber bei ihrem Wesen nach voneinander unabhängigen Anträgen kommt eine Teilabziehung in Betracht (vgl jüngst etwa 5 Ob 127/01s mwN; RIS-Justiz RS0111174). Hievon ausgehend liegt im vorliegenden Fall ein ausdrücklicher Parteiwille auf Teilung in Hinblick auf die ungeteilte Einbringung des Sachantrages bei Gericht gerade nicht vor. Es kann aber auch nicht gesagt werden, dass es sich, wenn in einem - auf den einheitlichen Kompetenztatbestand des § 37 Abs 1 Z 2 MRG gestützten (vgl 5 Ob 144/02s) - Sachantrag gemäß § 6 MRG mehrere durchzuführende Arbeiten genannt werden, um "ihrem Wesen nach" voneinander vollständig unabhängige Teilanträge handeln würde. Daher hat es hier im Sinne des Grundsatzes der Verfahrensökonomie bei der allgemeinen Regel zu bleiben, dass im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung der gesamte Sachantrag (sogleich) im gerichtlichen Verfahren zu behandeln ist. Die spätere Zurückziehung des Sicherungsantrages ändert hieran nichts mehr, wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat.

Unter den hier gegebenen Umständen ist nicht anzunehmen, dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zum Zweck der Ausschaltung der Schlichtungsstelle beantragt worden ist. Es kann daher auf sich beruhen, wie in Missbrauchsfällen vorzugehen wäre. Der außerstreitige Rechtsweg ist somit - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - zulässig.

Aber auch die Auffassung des Rekursgerichts, die Antragstellerin hätte wegen des anhängigen Verfahrens nach den §§ 18 ff MRG kein Rechtsschutzbedürfnis, ist nicht zu billigen. Verfahren nach § 6 MRG (Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten) und § 18 MRG (Erhöhung der Hauptmietzinse) haben grundsätzlich verschiedene Rechtsschutzziele. Dass dieselben Arbeiten betreffende Sachanträge nach diesen Gesetzesstellen eingebracht werden können, zeigt bereits § 6 Abs 4 MRG (§ 19 Abs 2 MRG am Anfang), wonach es im Zuge eines Verfahrens gemäß § 6 MRG zur Antragstellung gemäß den §§ 18 ff MRG kommen kann; auf Antrag des Vermieters (Verwalters) besteht dann Verbindungspflicht. Aber auch im Zuge eines Verfahrens nach den §§ 18 ff MRG kann die Stellung eines Sachantrages nach § 6 Abs 1 MRG notwendig werden, wenn etwa der Vermieter die einer vorläufigen Erhöhung (§ 18a Abs 2 MRG) zugrunde liegenden Arbeiten entgegen seiner Verpflichtungserklärung nicht fristgerecht durchführt (vgl 5 Ob 95/99b = WoBl 2001/67; Würth aaO § 18 MRG Rz 23; E.M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch § 18a MRG Rz 10).

Die Anhängigkeit eines Mietzinserhöhungsverfahrens hindert somit die Stellung eines Sachantrages, dem Vermieter die Durchführung von Erhaltungsarbeiten aufzutragen, im Allgemeinen nicht (vgl auch E.M. Hausmann aaO § 18 MRG Rz 11). Anders wäre die Rechtslage, wenn bereits ein rechtskräftiger - mit der Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses ergangener - Auftrag gemäß § 19 Abs 2 MRG vorläge, die der Entscheidung über die Mietzinserhöhung zugrunde liegenden Arbeiten innerhalb der festgesetzten Frist durchzuführen. Ein solcher Antrag ist nämlich ohnehin als Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG anzusehen, der demnach einen Exekutionstitel nach § 6 Abs 2 MRG bildet (5 Ob 83/93 = MietSlg 46.231; vgl E.M. Hausmann aaO § 19 MRG Rz 23, Würth aaO § 18 MRG Rz 14, § 6 MRG Rz 7). Neben einem solchen Auftrag (in einem Mietzinserhöhungsverfahren) ist für einen weiteren, dieselben Arbeiten betreffenden Durchführungsauftrag (in einem gesonderten Verfahren nach § 6 MRG) kein Raum. Dass ein Auftrag gemäß § 19 Abs 2 MRG bereits in Rechtskraft erwachsen wäre, ist im vorliegenden Fall aber nicht aktenkundig.

Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin kann daher nicht vorweg verneint werden.

Zusammenfassend ergibt sich, dass der vom Rekursgericht gebrauchte (und im Rekurs der Antragsgegnerin geltend gemachte) Zurückweisungsgrund nicht vorliegt. Dem Rekursgericht war daher unter Aufhebung seiner Entscheidung die noch fehlende Erledigung des Rekurses der Antragstellerin gegen die teilweise Abweisung ihres Sachantrages aufzutragen.

Rechtssätze
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