JudikaturJustiz5Ob185/15i

5Ob185/15i – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Mag. B***** B*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. D***** M***** Graf von A*****, 2. M***** T*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke, Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 16 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Zweitantragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Juli 2015, GZ 39 R 26/15k 45, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 18. November 2014, GZ 9 Msch 41/12k 41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der

außerordentliche Revisionsrekurs wird

zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit seinem Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Antrags des Zweitantragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Rekurses gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts vom 3. 10. 2013 und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Dazu verwies es auf „§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO“. Eine gesonderte Bewertung des Entscheidungsgegenstands unterblieb.

Das Rechtsmittel des Zweitantragsgegners ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht jedenfalls unzulässig; der außerordentliche Revisionsrekurs ist aber wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 37 Abs 3 MRG gelten für Verfahren, über die in Abs 1 leg cit genannten Angelegenheiten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten Außerstreitsachen. Soweit sich im Außerstreitgesetz nicht ausdrücklich Verweisungen auf Bestimmungen der ZPO finden, ist ein Rückgriff auf die für das Streitverfahren geltenden Bestimmungen auch im Wege der Analogie ausgeschlossen ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht 22 mwN).

2. Nach § 21 AußStrG sind die Regeln der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ausgenommen § 154, sinngemäß anzuwenden, wenn der aus der Versäumung entstehende Rechtsnachteil nicht durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden kann. Wird wie in § 21 AußStrG auf verfahrensrechtliche Institute der ZPO verwiesen, so soll damit grundsätzlich nur das Rechtsinstitut und die dort in Abweichung von den allgemeinen Regeln der ZPO festgelegte Sondervorschrift als lex specialis erfasst werden, nicht jedoch auch die allgemeinen Regeln der ZPO in diesem Bereich ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG, § 21 Rz 53). Aus dieser Verweisungstechnik folgt die Unanwendbarkeit der Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, wonach gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz über die Verweigerung der Wiedereinsetzung ein Revisionsrekurs unzulässig ist. Bei bestätigenden (abweisenden) Entscheidungen über die Wiedereinsetzung ist ein Rechtsmittel daher nicht jedenfalls unzulässig, sondern zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen (RIS Justiz RS0121841; Fucik/Kloiber § 21 AußStrG Rz 2).

3. Ob der Entscheidungsgegenstand zu bewerten ist, weil er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist, richtet sich nach dem Hauptverfahren. Im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG besteht der Entscheidungsgegenstand nicht in einem Geldbetrag, sondern in einem Feststellungsbegehren. Das Rekursgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 23. 4. 2014, mit dem es Punkt I. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses vom 3. 10. 2013 über Rekurs des Antragstellers behob, ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt. Im Verfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag bedarf es grundsätzlich keiner selbständigen Bewertung des Streitgegenstands durch das Rechtsmittelgericht, weil der Entscheidungsgegenstand im Verfahren über den materiellen Anspruch und dem Wiedereinsetzungsverfahren identisch ist und daher auch die Anfechtbarkeit in beiden Verfahren nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden muss

(2 Ob 170/10d ) . Das kommt auch im vorliegenden Verfahren zum Tragen, in dem der Zweitantragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung eines Rekurses gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts begehrt, sodass von einem Entscheidungsgegenstand auszugehen ist, dessen Wert 10.000 EUR übersteigt. Da somit auch ein Fall des § 62 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG nicht vorliegt, ist die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs über das Rechtsmittel des Zweitantragsgegners gegeben.

4. Nach § 146 Abs 1 ZPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ua an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde, wobei ein minderer Grad des Versehens, das heißt leichte Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung nicht hindert. Dabei ist an rechtskundige Personen, insbesondere an berufsmäßige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige Parteien (RIS Justiz RS0036784). Grobes Verschulden des Vertreters bei Versäumung befristeter Prozesshandlungen ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (RIS Justiz RS0111777; RS0036729). Die Beurteilung, ob leichte Fahrlässigkeit oder eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, stellt regelmäßig keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage dar, weil sie so auch im vorliegenden Fall von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl RIS Justiz RS0036590).

5. Der Wiedereinsetzungswerber macht im Wesentlichen geltend, er (bzw sein Rechtsvertreter) seien angesichts der unveränderten Textierung des Sachbeschlusses vom 3. 10. 2013 davon ausgegangen, dass es sich bei dessen am 24. 6. 2014 verfügten Zustellung an seinen Vertreter um einen Irrtum (des Gerichts) gehandelt habe. Damit sei die Versäumung der Rekursfrist ohne sein Verschulden erfolgt, allenfalls handle es sich um ein Versehen minderen Grades. Eine grobe Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall zu korrigieren wäre, zeigt der Revisionsrekurswerber damit nicht auf.

6. Das Rekursgericht hat mit seiner Entscheidung vom 23. 4. 2014 Punkt I. des Beschlusses des Erstgerichts behoben. Mit diesem hat das Erstgericht den Antrag auf Einbeziehung des Zweitantragstellers in das Verfahren abgewiesen (Punkt I.) und in Punkt II. die Sachentscheidung getroffen. In seiner Entscheidung legte das Rekursgericht dar, aus welchen Erwägungen es zur Ansicht gelangte, dass der Wiedereinsetzungswerber bereits Partei des Schlichtungsstellenverfahrens gewesen sei, und trug dem Erstgericht die Zustellung der ihn beschwerenden Sachentscheidung an den Wiedereinsetzungswerber auf. Mit Schriftsatz vom 13. 6. 2014 trat der Wiedereinsetzungswerber dem Verfahren als Zweitantragsgegner bei und setzte sich durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter inhaltlich mit der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsauffassung auseinander. Das macht deutlich, dass dem Vertreter des Revisionsrekurswerbers der Inhalt der Rekursentscheidung bekannt war, womit unklar bleiben muss, warum sich die unmittelbar daran anschließende Zustellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses für einen berufsmäßigen Parteienvertreter als Irrtum des Gerichts darstellen sollte. Jedenfalls begründet es bei dieser Sachlage keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist als nicht gegeben erachteten.

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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