JudikaturJustiz5Ob134/12k

5Ob134/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juli 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** B*****, geboren am 19. November 1985, *****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** B*****, geboren am 15. Juni 1980, *****, 2. mj K***** B*****, geboren am 30. Juli 1999, ebendort, 3. mj G***** B*****, geboren am 16. Februar 2004, ebendort, 4. G***** J*****, geboren am 25. Oktober 1961, *****, 5. C***** H*****, geboren am 17. Jänner 1963, *****, und 6. T***** B*****, geboren am 28. Februar 1965, *****, alle vertreten durch Dr. Martin Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert gemäß § 60 Abs 2 JN: 38.371,36 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2012, GZ 12 R 200/11m 76, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Das Urteil des Berufungsgerichts enthält zwar keinen ausdrücklichen Bewertungsausspruch für das auf Zivilteilung einer Liegenschaft gerichtete Klagebegehren, doch wird in der rechtlichen Beurteilung auf den dreifachen Einheitswert hingewiesen, wonach der Wert des Entscheidungsgegenstands jedenfalls 30.000 EUR übersteigt. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Ergänzungsauftrag zur Nachholung des Bewertungsausspruchs (RIS Justiz RS0042429 [T12]; RS0042390 ua).

Die nunmehr 32 jährige Erstbeklagte ist die Witwe des verstorbenen Alleineigentümers eines Einfamilienhauses samt Werkstätte. Sie lebte schon während aufrechter Ehe mit ihren beiden jetzt 13 und 8 Jahre alten Töchtern, den Zweit und Drittbeklagten, in diesem Haus. Testamentarisch setzte der Erblasser sie zur Alleinerbin ein. Aus früheren Ehen des Erblassers stammen vier weitere Kinder, nämlich die Klägerin und die Viert bis Sechstbeklagten.

Der Erstbeklagten wurde aufgrund des Testaments der Nachlass zur Gänze eingeantwortet.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens schloss die Erstbeklagte mit allen Kindern des Erblassers ein Pflichtteilsübereinkommen, wonach jedes der Kinder einen Siebtelanteil des Liegenschaftsvermögens des Erblassers erhielt, sodass dieses von der Witwe und sämtlichen Nachkommen gleichteilig übernommen wurde. Aufgrund dieses Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung wurde auf der hier gegenständlichen Liegenschaft das Eigentumsrecht für alle Verfahrensparteien zu je 1/7tel einverleibt.

Auf der Liegenschaft ist die Forderung einer Bank gegen eine dritte Person in Höhe von 164.680,59 EUR pfandrechtlich sichergestellt. Es steht nicht fest, dass die zugrundeliegende Verbindlichkeit in absehbarer Zeit getilgt werden könnte.

Die Liegenschaft hat unbelastet einen Verkehrswert zwischen 170.000 EUR und 250.000 EUR.

Die Klägerin als 1/7tel Miteigentümerin der Liegenschaft begehrt die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung. Diesem Aufhebungsbegehren halten die Beklagten im Wesentlichen das der Erstbeklagten aufgrund des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des § 758 ABGB zustehende Wohnrecht, deren dringenden Wohnbedarf sowie das Teilungshindernis der Unzeit und des Nachteils der Übrigen entgegen.

Beide Vorinstanzen gaben dem Begehren auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft statt; das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Während das Erstgericht einen durch das Pflichtteilsübereinkommen bewirkten Verzicht der Erstbeklagten auf ihr Wohnrecht zugrunde legte, ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Erstbeklagten aufgrund ihrer Stellung als Alleinerbin ein Wohnrecht gar nicht entstanden sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Zunächst liegt die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor. In diesem Zusammenhang reicht es aus, darauf hinzuweisen, dass sich schon das Erstgericht mit der klägerischen Behauptung, ein Wohnrecht sei nicht entstanden, auseinandergesetzt hat, sodass von einer Überraschungsentscheidung keine Rede sein kann (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Ausführungen zur Beweisrüge in der außerordentlichen Revision sind nicht zulässig.

3. Ein gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB gewährt nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben oder die sonst durch das Vorausvermächtnis Beschwerten (RIS Justiz RS0012822), nicht aber gegen Dritte (1 Ob 25/06t ZIK 2006/172, 136). Dritte sind mit dem Weiterbenutzungsrecht des überlebenden Ehegatten nicht belastet, sodass mangels dinglicher Wirkung der „gesetzliche Voraus“ den Erblasserschulden im Rang nachgeht (3 Ob 220/00z SZ 74/72). Auch gegenüber den Gläubigern des Erben besteht sofern das Wohnrecht nicht verbüchert ist kein Schutz (1 Ob 25/06t). Im Zwangsversteigerungsverfahren ist es daher nicht zu übernehmen (3 Ob 220/00z).

Der Erstbeklagten stand daher gegen die pflichtteilsberechtigten Kinder des Erblassers, die weder Vermächtnisnehmer noch Erben waren, sondern nur einen obligatorischen Geldanspruch hatten (RIS Justiz RS0012871), kein schuldrechtlicher Anspruch auf Gewährleistung ihres Wohnrechts zu.

4. Der Anspruch des Vermächtnisnehmers richtet sich vor Einantwortung gegen den ruhenden Nachlass, weshalb auch das gesetzliche Vorausvermächtnis der Wohnung vor Einantwortung gegenüber dem Nachlass geltend zu machen ist (6 Ob 279/98t; 3 Ob 220/00z).

5. Das gesetzliche Vorausvermächtnis steht nur dann zu, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht schon durch andere erbrechtliche Sonderregelungen (wie nach dem MRG, WEG oder WGG) oder auf andere Weise, etwa als Erbe erwirbt (RIS Justiz RS0012820). Es kommt daher nicht zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte aufgrund des Erbfalls Eigentümer des Objekts wird, in dem sich die Ehewohnung befindet (zuletzt 6 Ob 30/11x NZ 2011/105, 312).

6. Ob es sich beim Wohnrechtslegat des § 758 ABGB um ein Damnationslegat oder ein Vindikationslegat handelt, ob also der überlebende Teil unmittelbar und ohne jeden besonderen Übertragungsakt im Zeitpunkt des Todestags des Erblassers (§ 684 ABGB) das obligatorische Wohnrecht erhält oder ob er einen Anspruch auf Einräumung des Wohnrechts gegen den Vermächtnisschuldner hat (vgl Eccher , Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten wobl 1991, 1; Zankl , Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten [1996]; ders , Rechtsvergleichende Gedanken zu einer Reform der Anrechnung NZ 1998, 85; Apathy in KBB³ § 758 Rz 2 mit Darstellung des Meinungsstands), ist entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses im vorliegenden Fall bedeutungslos:

Gleich wann und ob der Erstbeklagten ein Wohnrecht entstanden ist, überdauerte es jedenfalls die Verbücherung des Pflichtteilsübereinkommens nicht.

Selbst wenn der Erstbeklagten entgegen der zugrunde zu legenden Subsidiarität des Wohnrechts ein solches entstanden wäre, richtete es sich zum Zeitpunkt des Pflichtteilsübereinkommens gegen die Verlassenschaft und nicht gegen die Pflichtteilsberechtigten und wäre mit Rechtskraft der Einantwortung jedenfalls untergegangen.

7. Den Pflichtteilsberechtigten und aufgrund des Pflichtteilungsübereinkommens nunmehrigen Miteigentümern der Liegenschaft stand eine Verpflichtung, ein Wohnrecht der Erstbeklagten zu gewährleisten, weder im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung zu, noch sind sie als Miteigentümer damit belastet. Entscheidend ist, wie ausgeführt, dass sie das Miteigentum nicht als Erben erlangten (vgl 6 Ob 30/11x NZ 2011, 312), sondern aufgrund einer Vereinbarung unter Lebenden.

Die Erstbeklagte hätte daher also gar keinen Verzicht in welcher Form immer erklären müssen, sondern aus Anlass der Eigentumsübertragung an die vormals Pflichtteilsberechtigten sich ein Wohnrecht „vorbehalten“ oder von diesen als künftigen Miteigentümern ein Wohnungsrecht iSd § 521 ABGB bzw ein Wohnungsgebrauchsrecht einräumen lassen müssen.

Eine solche Rechtseinräumung wurde aber nicht behauptet. So stellt sich das Recht der Erstbeklagten, die Wohnung zu benützen, als Ausfluss ihres Miteigentumsrechts iSd § 839 ABGB dar.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Teilungsbegehren ein Recht auf Benützung der Ehewohnung iSd § 758 ABGB nicht entgegensteht, ist durch die dargestellte Rechtsprechung gedeckt.

Es kann daher eine Auseinandersetzung mit der Frage unterbleiben, ob das Wohnrecht ein Teilungshindernis darstellen kann, was die Judikatur bisher nach seinem Inhalt beurteilte (RIS Justiz RS0106353).

8. Für ihr Argument, dem Teilungsanspruch der Klägerin stehe eine Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft bzw eine Anordnung des Erblassers zur Fortsetzung der Gemeinschaft (§§ 831, 832 ABGB) entgegen, vermag sich die außerordentliche Revision auf keine Feststellungsgrundlagen zu beziehen. Übersehen wird, dass der Erblasser gerade kein Miteigentum an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft angeordnet hat, sondern die Erstbeklagte (ohne dazu verpflichtet zu sein), sämtlichen Kindern des Erblassers Miteigentumsanteile verschaffte. Im vorliegenden Fall handelt es sich gerade nicht um die Teilungsklage eines Miterben, dem unter bestimmten Voraussetzungen ein Wohnrecht nach § 758 ABGB entgegengesetzt werden kann (6 Ob 233/04i SZ 2004/179).

9. Unzeit und Nachteil der Übrigen sind selbständige Teilungshindernisse, doch ist beiden gemeinsam, dass es sich um vorübergehende Umstände handeln muss, von denen zu erwarten ist, dass sie in naher Zeit wegfallen werden und dem Teilungsanspruch nicht dauerhaft entgegenstehen (RIS Justiz RS0013287; RS0013321; 7 Ob 72/08a). Für das Vorliegen von Teilungshindernissen trifft den Teilungsbeklagten die Behauptungs- und Beweislast (RIS Justiz RS0013249 [T2]; zuletzt 8 Ob 123/06f; 4 Ob 202/07w). Dass Unzeit vorläge, weil sich derzeit und auf absehbare Zeit kein angemessener Preis erzielen lasse (vgl 5 Ob 234/72; 3 Ob 125/97x: Reparaturbedürftigkeit), steht nicht fest. Dass die verbücherte hypothekarische Belastung der streitgegenständlichen Liegenschaft eine Wertminderung bedeutet, liegt auf der Hand. Dass eine reale Aussicht auf Löschung der Hypothek in absehbarer Zeit besteht, vermochte das Erstgericht zum Nachteil der Teilungsbeklagten nicht festzustellen. Damit in Einklang steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass infolge Unabsehbarkeit der Tilgung der pfandrechtlichen Belastung der gemeinsamen Liegenschaft ein Teilungshindernis nicht vorliegt.

Soweit die außerordentliche Revision unter Berufung auf die Entscheidung 8 Ob 123/06f mit einer gebotenen Umkehr der Beweislast argumentiert, hätte dies den von den Beklagten erbrachten Nachweis zur Voraussetzung, dass die Teilung wegen des auf der Liegenschaft lastenden Rechts nur zu einem unverhältnismäßig geringeren Erlös führt. Dann hätte der Teilungskläger nachzuweisen, dass der Erlös bei Wegfall des Teilungshindernisses sogar geringer sein werde als der derzeitige Verkehrswert der Liegenschaft.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, sodass es bei der Beweislast der Teilungsbeklagten bleibt.

Somit stellen sich Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auch in diesem Zusammenhang nicht.

Die außerordentliche Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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