JudikaturJustiz5Ob101/23y

5Ob101/23y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Mag. A* R*, geboren am *, 2. S* R*, geboren am *, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragungen ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. April 2023, AZ 46 R 24/23d, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 23. Jänner 2023, TZ 459/2023, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

Urkunden

1 Abänderungsvereinbarung zum Vergleich vom 13. 01. 2023

2 Reisepass vom 11. 06. 2013

3 Gerichtlicher Vergleich vom 12. 04. 2021

Bewilligt wird

1 in EZ* KG *

die Einverleibung des Eigentumsrechts

auf Anteil B LNR 86

86 ANTEIL: 43/6535

*

GEB: * ADR: *

e 6393/1982 Wohnungseigentum an St I W 9

i 7791/1996 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

zu 43/6535 (hinsichtlich der Liegenschaft)

für Mag. * , *, *

die Zusammenziehung mit B LNR 85

85 ANTEIL: 43/6535

*

GEB: * ADR: *

e 6393/1982 Wohnungseigentum an St I W 9

i 7791/1996 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

2 in EZ * KG *

die Löschung B LNR 85 i

85 ANTEIL: 43/6535

*

GEB: * ADR: S*

i 7791/1996 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

3 in EZ * KG *

die Löschung B LNR 86 i

86 ANTEIL: 43/6535

*

GEB: * ADR: *

i 7791/1996 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

Hievon werden verständigt:

1) S* R*

2) Mag. E* D* *

3) Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, 1000 Wien Postfach 222

4) Stadt Wien, MA 69 Liegenschaftsmanagement, 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 4

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

[1] Die Antragsteller sind zu je 43/6535 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ * KG *. Mit deren gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 verbundenen Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an einer Wohnung verbunden (Ehegatten Wohnungseigentum).

[2] Die Ehe der Antragssteller wurde am 12. 4. 2021 nach § 55 EheG geschieden. Im einem am selben Tag abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich regelten die Antragsteller die nacheheliche Vermögensaufteilung. Der Erstantragsteller übertrug seinen halben Mindestanteil an der Eigentumswohnung der Zweitantragstellerin und gab auch eine entsprechende Aufsandungserklärung ab. Die Antragsteller hielten ausdrücklich fest, dass die Eigentumsübertragung im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den Kriterien des § 83 EheG erfolge.

[3] In der in Notariatsaktsform errichteten Abänderungsvereinbarung vom 13. 1. 2023 erklärten die Antragsteller diesen Vergleich, mit dem sie das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse aufgeteilt hätten, unter anderem insofern abzuändern, als anstelle der ursprünglich im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Übertragung der dem Erstantragsteller gehörigen Anteile an die Zweitantragstellerin die Zweitantragstellerin ihre Anteile dem Erstantragsteller überträgt. Die Zweitantragstellerin gab auch eine entsprechende Aufsandungserklärung ab. Die Antragsteller hielten erneut fest, dass es sich bei der Übertragung um eine Eigentumsübertragung im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den Kriterien des § 83 EheG handle.

[4] Unter Vorlage des gerichtlichen Vergleichs vom 12. 4. 2021 und der Abänderungsvereinbarung vom 13. 1. 2023 begehrten die Antragsteller, ob den der Zweitantragstellerin gehörenden Anteilen an der Liegenschaft das Eigentumsrecht für den Erstantragsteller einzuverleiben, diese Anteile mit den dem Erstantragsteller bereits gehörenden Anteilen zusammenzuziehen und die gegenstandslos gewordene Verbindung gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 zu löschen.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Eine rückwirkende Abänderung des rechtswirksamen Scheidungsfolgenvergleichs sei nicht möglich. Die Antragssteller könnten ihre Anteile daher zwar privatautonom aufeinander oder an Dritte weiter übertragen, ein solches Rechtsgeschäft sei aber nicht mehr eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse. Das Grundbuchsgericht habe somit von einer Sprungeintragung auf den Erstantragsteller auszugehen. Die Abänderungsvereinbarung als die dafür erforderliche Zwischenurkunde sei iSd § 26 Abs 2 GBG mangelhaft, weil der Rechtsgrund (Kauf, Tausch, Schenkung) fehle.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Gemäß § 26 Abs 2 GBG müssten Urkunden bei Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Eine Scheidung nach § 55a EheG setze die vorausgehende Regelung der gegenseitigen gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche voraus. Die Parteien hätten im Vergleich vom 12. 4. 2021 die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse abschließend geregelt, indem sie auf weitere Aufteilungsansprüche verzichteten. Die Aufteilung des ehelichen Vermögens und der ehelichen Ersparnisse könne daher keinen Rechtsgrund für die Übertragung der Anteile der Zweitantragstellerin an den Erstantragsteller bilden. Diese Übertragung bedürfe eines anderen Rechtsgrunds.

[7] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, den angefochtenen Beschluss abzuändern und das Grundbuchgesuch zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt , weil dem Rekursgericht eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

[9] 1. Gemäß § 26 Abs 2 GBG müssen Urkunden als Grundlage für Einverleibungen und Vormerkungen dann, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handelt, einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Die Bestimmung verlangt also den urkundlichen Nachweis eines gültigen Rechtsgrundes für das einzuverleibende Recht (5 Ob 186/22x; RIS Justiz RS0118527 [T1]).

[10] Rechtsgrund ist jedes den Rechtserwerb rechtfertigende Rechtsverhältnis (RS0011107 [T1]). Er ist der Tatbestand, an den ein Anspruch als Rechtsfolge geknüpft ist, also der Entstehungsgrund und die Grundlage eines Anspruches ( Hagleitner in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 26 GBG Rz 2 f; Rassi , Grundbuchsrecht 3 Rz 3.13). Darunter fallen nicht nur die „klassischen“ Geschäfte zum Erwerb eines dinglichen Rechts (Kaufvertrag, Schenkung, Darlehen); kraft Privatautonomie können das vielmehr auch atypische Erwerbsgründe sein (RS0011107 [T3]; Rassi , Grundbuchsrecht 3 Rz 3.13; Riss in KBB 7 § 433 ABGB Rz 3).

[11] In der Urkunde, die als Grundlage einer Grundbuchseintragung dienen soll, muss der Rechtsgrund nicht durch Verwendung juristischer Tatbestandsbegriffe dargelegt werden. Es genügt vielmehr, dass in unzweifelhafter Weise ein geeigneter Rechtsgrund aus den in der Urkunde behaupteten Sachverhaltsmerkmalen abgeleitet werden kann (5 Ob 36/07s; RS0060402 [T3]; Hagleitner in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 26 GBG Rz 3).

[12] 2. Die Bestimmungen der §§ 81 ff EheG normieren einen Anspruch der geschiedenen Ehegatten auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Eheliches Gebrauchsvermögen sind die beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben; hierzu gehören auch der Hausrat und die Ehewohnung (§ 81 Abs 2 EheG).

[13] Der Gesetzgeber räumt dabei der Einigung der Ehegatten über die Aufteilung den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung ein; letztere soll erst dann und nur insoweit Platz greifen, als die Einigung ausbleibt (RS0046057 [T1]).

[14] Ein (unter anderem) die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens regelnder gerichtlicher Scheidungsfolgenvergleich ist – wie jeder gerichtliche Vergleich – eine doppelfunktionale Prozesshandlung: Er hat zugleich den Charakter einer Prozesshandlung und eines zivilrechtlichen Vertrags (RS0032587 [T1]). Ob ein Vergleich einen Prozess beendet, ist ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen; ob ein verpflichtender Vertrag zustande gekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht. Ein Vergleich kann als Prozesshandlung unwirksam, als Rechtsgeschäft aber wirksam sein oder umgekehrt (RS0032464; RS0032546 [T1]). Als zivilrechtlicher Vertrag bindet der Scheidungsfolgenvergleich die Ehegatten an die getroffene Vereinbarung (2 Ob 70/09x; vgl auch RS0106968 [T4]; RS0037397 [T1]).

[15] 3. Die für das Grundbuchsverfahren maßgebliche materiell-rechtliche Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens iSd §§ 81 ff EheG ist ein den Eigentumserwerb rechtfertigender Rechtsgrund iSd § 26 Abs 2 GBG. Das hat auch das Rekursgericht nicht in Zweifel gezogen; dieses vertritt vielmehr die Auffassung, die Parteien hätten diesen Rechtsgrund durch die abschließende Regelung der Aufteilung im ursprünglichen Vergleich vom 12. 4. 2021 gleichsam konsumiert. Die nachträgliche Abänderungsvereinbarung bedürfe daher eines anderen Rechtsgrundes.

[16] Der erkennende Senat teilt diese Rechtsansicht nicht. Den Parteien steht es frei, von den in einem Scheidungsfolgenvergleich getroffenen Regelungen – vor oder nach Rechtskraft der Scheidung – einvernehmlich wieder abzugehen (2 Ob 70/09x; RS0057101 [T5]). Aufgrund der Doppelnatur gerichtlicher Vergleiche und der getrennt zu beurteilenden Wirkungen stehen dieser materiell-rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Abänderungsvereinbarung auch verfahrensrechtliche Überlegungen nicht entgegen; weder der Umstand, dass ein durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs beendetes gerichtliches Aufteilungsverfahren selbst dann nicht mehr fortgesetzt werden kann, wenn der Vergleich von den Parteien einverständlich aufgehoben wird (RS0037210 [T1]), noch der Umstand, dass der Scheidungsfolgenvergleich Voraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG ist. Die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses wird durch deren einvernehmliche Abänderung nicht berührt (2 Ob 70/09x; RS0057101 [T5]). Hier wurde die Ehe im Übrigen auch gar nicht nach § 55a EheG einvernehmli ch, sondern nach § 55 EheG geschieden. Auch die Präklusivfrist des § 95 EheG steht einer einvernehmlichen Änderung eines den Aufteilungsanspruch regelnden Vergleichs nicht entgegen, weil der Aufteilungsanspruch danach nur dann binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung erlischt, wenn er nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt wurde (ausführlich dazu etwa Garber in Klang 3 § 95 EheG Rz 14 ff).

[17] Allgemeine Gründe dafür, dass eine solche materiell-rechtlich zulässige Abänderungsvereinbarung eines anderen Rechtsgrundes bedarf als die damit abgeänderte Vereinbarung, bestehen damit nicht; im hier zu beurteilenden Einzelfall ergeben sich solche auch nicht aus besonderen Umständen. Der im abgeänderten Vergleich enthaltene Verzicht auf weitere Aufteilungsansprüche bedeutet nur, dass nicht einseitig weitere Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Auch eine Umgehungskonstruktion aus gebühren- und steuerrechtlichen Gründen ist jedenfalls dann, wenn – wie hier – die ursprünglich vereinbarte Aufhebung der Eigentümerpartnerschaft noch nicht grundbücherlich durchgeführt und sachenrechtlich wirksam wurde, nicht zu erkennen.

[18] 4. Der Rechtsgrund für die in der Abänderungsvereinbarung verfügte Übertragung des halben Mindestanteils des einen Ehegatten an den anderen liegt daher (nach wie vor) in der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Der Angabe anderer „Gründe“, speziell solcher für die Vertragsänderung, bedarf es demnach nicht (vgl 5 Ob 143/92 [Übergabsvertrag]; Rassi , Grundbuchsrecht 3 Rz 3.13).

[19] Der von den Vorinstanzen genannte Grund trägt die Abweisung des Antrags daher nicht; andere sind nicht zu erkennen. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher im Sinn der Bewilligung des Antrags abzuändern.

Rechtssätze
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