JudikaturJustiz4Ob96/04b

4Ob96/04b – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Mai 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Boesch Rustler Vintschgau, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Gerhard W*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber und andere Rechtsanwälte in Krems, wegen Duldung, Entfernung und Feststellung (Gesamtstreitwert 8.720,74 EUR), über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 4. Februar 2004, GZ 2 R 132/03d 14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 28. März 2003, GZ 9 C 282/02x 9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist seit 1991 Alleineigentümer der Liegenschaft ***** mit den Grundstücken 310/2 und .46, die er 1980 gemeinsam mit seiner Mutter erworben hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt führte über die Liegenschaft ein als Wanderweg genutzter Fußsteig. Dieser seit 1905 „aktenkundige" Weg scheint in mehreren Wanderführern und Wanderkarten auf. Der Voreigentümer hatte den Beklagten auf den Wanderweg nicht aufmerksam gemacht.

In den Jahren 1980 bis 1982 war der Weg durch das im Zuge des Hausbaus dort gelagerte Aushubmaterial nicht begehbar; dennoch gingen Leute über das Grundstück bergan. In der Folge wurde der Weg begradigt; die darunter liegende Böschung zum Grundstück 310/2 legte der Beklagte neu an. Der Weg wurde auf 2,5 bis 3 m verbreitert und begrünt; er wird seither vom Beklagten und dessen Ehegattin regelmäßig gepflegt und gemäht.

Der Weg wurde ursprünglich dazu genutzt, um mit dem Traktor zu den oberhalb der Liegenschaft befindlichen Weingärten zu fahren. Der Weg wurde aber auch von Schwammerlsuchern, Spaziergängern und Jägern benützt.

Seit 1986 begeht Walter W***** als Mitglied des klagenden Vereins allein oder mit Klubkameraden den verfahrensgegenständlichen Wegabschnitt. 1986 war eine Markierung in Form von Pinselstrichen vorhanden; damit sollte auf einen Wanderweg aufmerksam gemacht werden. 1997 zog Walter W***** die Markierungen nach, da sie kaum mehr erkennbar waren. Nachdem die Markierung erneuert worden war, fanden sich immer mehr Wanderer ein. Da dies dem Beklagten zu viel wurde, stellte er Tafeln mit der Aufschrift „Wandermarkierung. Weiters Aufgang nach 500 m Richtung Krems möglich entlang der Bundesstraße bei Bergkuppe nach gelbem Haus rechts", „Privatweg, Durchgang verboten" und „Betreten des Grundstückes verboten. Eltern haften für ihre Kinder" auf. Sonstige Absperrungen errichtete er nicht. Einige Touristen erkundigten sich nach der angeführten Umleitung und hielten sich teilweise auch daran. Walter W***** nutzte jedoch weiterhin den Weg über die Liegenschaft des Beklagten.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Benützung des Wanderwegs, der von der Kirche St. Lorenzen von der Bundesstraße südöstlich abzweigt und in südöstlicher Richtung zum Zustieg zu Seekopf und Hirschwang führt und wie in der beiliegenden Skizze Rossatzer Wanderwege (Beilage./A) rot eingezeichnet (verläuft), zu dulden, die den Durchgang hindernden Ankündigungstafeln zu entfernen, und gegenüber dem Beklagten festzustellen, dass dem Kläger und dessen Mitgliedern das Recht zusteht, über den Wanderweg, der von der Kirche St. Lorenzen von der Bundesstraße südöstlich abzweigt und in südöstlicher Richtung zum Zustieg zu Seekopf und Hirschwang führt und wie in der Skizze Beilage ./A rot eingezeichnet verläuft, soweit dieser Wanderweg auf dem Grundstück des Beklagten gelegen ist, zu gehen. Als der Beklagte die Liegenschaft 1980 erworben habe, habe ein mit einer Tafel gekennzeichneter und markierter Wanderweg von der Kirche von St. Lorenzen über den Südrand der Liegenschaft oder entlang dieser Liegenschaft auf der Nachbarparzelle zum Zustieg zu Seekopf und Hirschwang geführt. Der Weg sei regelmäßig von Touristen begangen und vom Kläger markiert und betreut worden. Der Wanderweg sei notwendig, um die erwähnten Berge zu begehen. Der vom Beklagten und von der Marktgemeinde Rossatz Arnsdorf vorgeschlagene Ersatzweg führe etwa 600 m die stark befahrene Bundesstraße entlang und senkrecht dazu in Richtung Süd Ost, dann ein kurzes Stück nach Süd West und münde dort in den markierten Wanderweg. Diese Wegstrecke sei doppelt so lang wie der bisherige Weg. Die Benützung der Bundesstraße sei mit Kindern unangenehm und gefährlich. Der markierte Weg sei seit mehr als 30 Jahren vorhanden und werde regelmäßig benützt. Da der Weg von Mitgliedern des Klägers betreut werde und in Karten eingezeichnet sei, habe der Kläger eine Dienstbarkeit erworben und sei zur Klage legitimiert.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert. Das verfahrensgegenständliche Wegerecht sei nicht ersessen worden; als der Beklagte - zuerst als Hälfteeigentümer - das Grundstück erworben habe, habe jeder Hinweis auf einen Wanderweg gefehlt. Die auf dem Grundstück sichtbaren Fahrspuren seien darauf zurückzuführen gewesen, dass der Bruder des Voreigentümers über das Grundstück gefahren sei. Danach habe der Weg zu bestehen aufgehört. Weder der Beklagte noch seine Rechtsvorgänger hätten je Wanderer in diesem Bereich wahrgenommen; nach 1982 seien vereinzelt Wanderer gesehen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Weg sei von Spaziergängern, Touristen, Wanderern, Jägern benutzt worden; es könne daher nicht gesagt werden, dass die Ausübung der Servitut speziell auf den Kläger „gezielt" habe. Die Benützung des Weges durch die Allgemeinheit deute vielmehr auf einen Besitzerwerb für allgemeine Bedürfnisse des Publikums hin. Der Gebrauch des Weges durch Mitglieder des Klägers habe sich nicht von der Benützung des Weges durch die Allgemeinheit unterschieden. Von einer besonderen Inanspruchnahme, die auch für den Beklagten ersichtlich gewesen wäre, könne daher keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, wies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Entscheidungswesentlich sei allein die Frage, ob das Wegerecht ausschließlich durch die zuständige Ortsgemeinde oder auch durch den Kläger ersessen worden sei. Der Kläger habe vorgebracht, den Weg erhalten zu haben, ihn insbesondere auch markiert zu haben. Das Erstgericht habe nur Feststellungen zu den Markierungen ab 1986 getroffen. Feststellungen zu den behaupteten Erhaltungsarbeiten durch den Kläger fehlten zur Gänze. Träfen die Behauptungen des Klägers zu, so habe er damit seinen Besitz dokumentiert und die Wegeservitut durch Ersitzung erworben. Das Erstgericht werde festzustellen haben, seit wann der verfahrensgegenständliche Weg als Wanderweg begangen wurde und wer diesen Weg erhalten hat. Sollte festgestellt werden, dass der Kläger den Weg markiert habe und durch seine Leute zumindest teilweise auch Erhaltungsarbeiten ausgeführt habe und all dies durch mehr als 30 Jahre vor dem Aufstellen der Verbotstafeln, so wäre die Ersitzungsfähigkeit des Klägers und damit auch dessen aktive Klagelegitimation zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs des Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein alpiner Verein eine Wegeservitut ersitzen kann; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Das Recht an einem von der Allgemeinheit benützten Weg kann nach ständiger Rechtsprechung von der Gemeinde als unregelmäßige Dienstbarkeit im Sinne des § 479 ABGB ersessen werden. Nach neuerer Rechtsprechung genügt es hiefür, dass Gemeindeangehörige und/oder Touristen den Weg so benützen, als handelte es sich um einen öffentlichen Weg. In diesem Fall wird der Besitzwille der Gemeinde vermutet; einer Dokumentierung des Besitzwillens durch die Gemeinde selbst bedarf es nicht (7 Ob 551/86 = SZ 59/50; 10 Ob 144/99w = SZ 72/136 ua; anders noch 3 Ob 631/79 = JBl 1982, 32 [ Iro ]: Vorgangsweise bei einer Bauverhandlung als Dokumentierung des Besitzwillens der Gemeinde; zum Meinungsstand s M . Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1460 Rz 6 mwN; s auch Apathy, Ausgewählte Fragen des Ersitzungsrechts, JBl 1999, 205 [220ff], der mit guten Gründen eine Bekundung des Besitzwillens durch die Gemeinde, etwa durch Instandhaltungsarbeiten oder Aufstellen von Bänken, verlangt).

Servitutsberechtigter aufgrund einer Benützung durch die Allgemeinheit kann, insbesondere bei einer Schiabfahrt, auch ein Seilbahnunternehmen oder ein Fremdenverkehrsverband sein ( M. Bydlinski aaO § 1460 Rz 6); die Benützung durch die Allgemeinheit deutet aber regelmäßig auf einen Besitzerwerber hin, der nicht besondere Interessen vertritt, sondern dessen Aufgabe es ist, für derartige Bedürfnisse des Publikums Vorsorge zu treffen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, um den Schluss ziehen zu können, dass die Benützung einer Schiabfahrt oder eines Wegs auf (zB) ein Seilbahnunternehmen oder einen Fremdenverkehrsverband „zielt", das damit neben der Gemeinde eine eigene Servitut erwirbt ( Iro , Anm zu 5 Ob 709/81, JBl 1983, 201). Für einen alpinen Verein wie den Kläger kann nichts anderes gelten.

Ein Servitutserwerb durch die zuständige Gemeinde schließt daher entgegen der Auffassung des Beklagten einen Erwerb der unregelmäßigen Dienstbarkeit durch den Kläger keineswegs aus. Maßgebend dafür ist, ob, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, der Kläger seinen Besitzwillen in einer für den Beklagten und dessen Rechtsvorgänger erkennbaren Weise bekundet hat, indem er - wie von ihm behauptet - durch seine Mitglieder oder andere für ihn tätige Personen den von der Allgemeinheit begangenen Weg als Wanderweg markiert und betreut hat. War dies der Fall, so kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er die Liegenschaft im Vertrauen auf das Grundbuch unbelastet erworben habe. § 1500 ABGB schützt nur den gutgläubigen Erwerber ( M. Bydlinski aaO § 1500 Rz 3 mwN); führt ein markierter Wanderweg über eine Liegenschaft, so trifft den Erwerber eine Nachforschungspflicht (s 5 Ob 563/93 = SZ 66/152). Dass der über die Liegenschaft des Beklagten führende Wanderweg „notwendig" ist (zum Erfordernis der „Notwendigkeit" eines Wegs s M. Bydlinski aaO § 1460 Rz 5 mwN), ergibt sich schon daraus, dass die Wanderer andernfalls, worauf der Beklagte auf einer der von ihm aufgestellten Tafeln selbst hinweist, die Bundesstraße entlang gehen müssen.

Die vom Beklagten befürchteten Schwierigkeiten, im Einzelfall festzustellen, ob ein Wanderer Mitglied des Klägers ist, stehen jedenfalls der Bejahung der vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit nicht im Weg; solche Probleme können mit jeder zu Gunsten einer größeren Personenzahl bestehenden Wegeservitut verbunden sein. Im Hinblick auf das hier allein zu beurteilende Klagebegehren und die Behauptungen des Klägers ist nicht zu erörtern, ob nicht ohnehin auch Wanderer, die nicht dem Kläger zugehören, den Weg benützen dürfen.

Der Rekurs musste erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.