JudikaturJustiz4Ob88/95

4Ob88/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****gesellschaftmbH Co KG, ***** vertreten durch Fiebinger Polak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. t***** GesellschaftmbH Co KG, 2. t***** GesellschaftmbH, beide ***** vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (restlicher Streitwert im Provisorialverfahren S 225.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 8.September 1995, GZ 1 R 105/95-10, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Handelsgericht vom 15.März 1994, GZ 2 Cg 17/95a-5, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Herausgeberin, Medieninhaberin und Verlegerin der periodischen Druckschrift "Fernseh- und Radiowoche", der Programmbeilage der Zeitungen "Neue Kronen Zeitung", "Kurier" und "Kärntner Tageszeitung".

Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Programmbeilage "tele-Magazin" ("tele"). Diese Programmbeilage wird einer Reihe von Zeitungen beigegeben, darunter den "Salzburger Nachrichten", den "Oberösterreichischen Nachrichten", den "Niederösterreichischen Nachrichten", der "Tiroler Tageszeitung", den "Vorarlberger Nachrichten", der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" und der "Burgenländischen Freiheit". Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Anfang September 1994 ließ die Erstbeklagte in der Nummer 35/94 der Medien-Fachzeitschrift "Intern" folgende Inserate einschalten:

Die "Österreichische Auflagenkontrolle" (ÖAK) prüft die Verbreitung österreichischer Printmedien. Die Mediaprint-Gruppe nimmt daran nicht teil.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Untersuchungen zu veröffentlichen, die österreichische Printmedien hinsichtlich ihrer Auflage und/oder Reichweite und/oder ähnlicher Parameter vergleichen und/oder eine Reihung dieser Printmedien vorzunehmen, wenn diese Reihung und/oder dieser Vergleich in irreführender Weise unvollständig ist; insbesondere Druckauflagenvergleiche der vermeintlich oder tatsächlich auflagenstärksten Printmedien unter Darstellung von Ergebnissen der "Österreichischen Auflagenkontrolle ÖAK", an denen die "Fernseh- und Radiowoche" mit ihren Trägerzeitungen "Kurier", "Neue Kronenzeitung" und "Kärntner Tageszeitung" nicht teilgenommen hat, zu veröffentlichen, wenn auf diese Nichtteilnahme nicht zugleich hingewiesen und dieser Hinweis auf die Nichtteilnahme optisch so gestaltet wird, daß er gegenüber den übrigen Aussagen dieser Veröffentlichung nicht in den Hintergrund tritt.

Die Erstbeklagte erwecke mit der beanstandeten Einschaltung den Eindruck, daß die "Fernseh- und Radiowoche" unter den Printmedien bestenfalls den sechsten Platz einnehme und ihre Auflage höchstens ein Sechstel jener von "tele" betragen könne. Die Erstbeklagte nehme für sich zu Unrecht eine Alleinstellung in Anspruch. Die "Fernseh- und Radiowoche" habe eine höhere Druckauflage und auch mehr Leser als "tele".

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen.

"Intern" werde ausschließlich von Medienfachleuten gelesen, denen bekannt sei, daß die Mediaprint-Zeitungen an der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht teilnehmen. Die Verkaufsauflage von "tele" sei weit höher als die der "Fernseh- und Radiowoche". Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefaßt; den Beklagten wäre es danach nicht erlaubt, irgendeine Untersuchung zu veröffentlichen, die nicht alle österreichischen Printmedien erfaßt.

Das Erstgericht verbot den Beklagten, Druckauflagenvergleiche der vermeintlich oder tatsächlich auflagenstärksten Printmedien unter Darstellung von Ergebnissen der "Österreichischen Auflagenkontrolle ÖAK", an denen die "Fernseh- und Radiowoche" mit ihren Trägerzeitungen "Kurier", "Neue Kronenzeitung" und "Kärntner Tageszeitung" nicht teilgenommen hat, zu veröffentlichen, wenn auf diese Nichtteilnahme nicht zugleich hingewiesen und dieser Hinweis auf die Nichtteilnahme optisch so gestaltet wird, daß er gegenüber den übrigen Aussagen dieser Veröffentlichung nicht in den Hintergrund tritt. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Die Aussage, daß "tele" laut Österreichischer Auflagenkontrolle das auflagenstärkste Printmedium Österreichs sei, sei schon deshalb zur Irreführung geeignet, weil durch eine Untersuchung, welche die "Fernseh- und Radiowoche" nicht erfasse, eine Spitzenstellung unter den Printmedien nicht bewiesen werden könne. Durch den Vergleich der Verkaufsauflage von "tele" mit der von vier Druckschriften werde der irreführende Eindruck erweckt, die verkaufte Auflage von "tele" übersteige die aller anderen Druckschriften bei weitem. Der unbefangene Leser müsse daraus schließen, daß die "Fernseh- und Radiowoche" nicht einmal unter den fünf auflagenstärksten Druckschriften Österreichs sei. Die "Fernseh- und Radiowoche" habe aber zumindest den zweiten Platz inne. Wäre das Fachpublikum tatsächlich so informiert, wie dies die Beklagten behaupteten, so hätte es der Einschaltung gar nicht bedurft. Das Unterlassungsbegehren sei nur in eingeschränktem Umfang zu erlassen gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache und änderte die Kostenentscheidung dahin ab, daß es die Klägerin schuldig erkannte, den Beklagten die halben Äußerungskosten zu ersetzen. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Beklagten nähmen eine Spitzenstellung für sich in Anspruch; das wäre selbst dann unzulässig, wenn sie über den behaupteten geringfügigen Vorsprung verfügten. Die Frage, wie die angesprochenen Fachkreise die Werbebehauptung verstünden, sei zwar eine Tatfrage; auch wenn diese Fachkreise wüßten, daß die Mediaprint-Zeitungen an der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht teilnehmen, so reicht das nicht aus, um die Irreführungseignung durch die von "tele" behauptete Spitzenstellung zu beseitigen. Nicht zur Irreführung geeignet wären die Aussagen der Beklagten nur dann, wenn allgemein bekannt wäre, wie hoch die Auflage der Trägerzeitungen der "Fernseh- und Radiowoche" ist. Das hätten die Beklagten gar nicht behauptet; es sei auch auszuschließen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Die Beklagten weisen darauf hin, daß sich die beanstandete Einschaltung an ein Fachpublikum wendet. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei bekannt, daß die Mediaprint-Gruppe an der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht beteiligt ist. Die durch das Begehren allein noch erfaßte Irreführung sei daher ausgeschlossen.

Ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, hängt davon ab, wie die Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, die Angabe auffassen (stRsp ÖBl 1970, 20 -

Forstsaatgut; ÖBl 1976, 19 - G macht Mode; ecolex 1992, 35 = WBl

1992, 99 - Nur kurze Zeit; RdW 1993, 76 = ecolex 1993, 252 -

Naturkautschuk; s auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18 § 3 dUWG Rz 2). Die Frage, welche Wirkung eine Werbeaussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist aber immer dann eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (ÖBl 1982, 123 - Staatlich befugter Konsulent; ÖBl 1990, 170 - Tolle Duos;

JBl 1993, 330 - Webpelz mit Anm von Berka; ecolex 1993, 178 = WBl

1993, 96 - Neueröffnung; MR 1993, 116 = WBl 1993, 337 -

Reichweiten-Rekord; zuletzt etwa 4 Ob 62/95 ua).

Das Erstgericht hat den Sicherungsantrag zum Teil abgewiesen und den Beklagten (nur) verboten, Druckauflagenvergleiche der vermeintlich oder tatsächlich auflagenstärksten Printmedien unter Darstellung von Ergebnissen der "Österreichischen Auflagenkontrolle ÖAK", an denen die "Fernseh- und Radiowoche" mit ihren Trägerzeitungen "Kurier", "Neue Kronenzeitung" und "Kärntner Tageszeitung" nicht teilgenommen hat, zu veröffentlichen, wenn auf diese Nichtteilnahme nicht zugleich hingewiesen und dieser Hinweis auf die Nichtteilnahme optisch so gestaltet wird, daß er gegenüber den übrigen Aussagen dieser Veröffentlichung nicht in den Hintergrund tritt. Die Teilabweisung blieb unbekämpft. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind daher nur mehr Veröffentlichungen, die deshalb zur Irreführung geeignet sind, weil nicht darauf hingewiesen wird, daß die "Fernseh- und Radiowoche" mit ihren Trägerzeitungen an der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht teilnimmt.

Die Beklagten haben behauptet, den Lesern der Medien-Fachzeitschrift "Intern" sei bekannt, daß die Zeitungen der Mediaprint-Gruppe an der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht teilnehmen. Trifft dies zu, so ist die vom Begehren allein erfaßte Irreführung ausgeschlossen:

Wissen die angesprochenen Verkehrskreise, daß die Österreichische Auflagenkontrolle die Auflagen der Mediaprint-Zeitungen nicht prüft, so können sie nicht annehmen, aufgrund der Ergebnisse der Österreichischen Auflagenkontrolle stehe fest, daß der Programmbeilage "tele" die behauptete Spitzenstellung auch vor der Mediaprint-Programmbeilage, der "Fernseh- und Radiowoche", zukomme (vgl Anm Wiltschek zu ecolex 1995, 731 - Teure S 195,--). Das Verschweigen eines ohnedies bekannten Umstandes schadet nicht, weil keine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht. Im Verschweigen einer Tatsache liegt nur dann eine irreführende Angabe, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten war (stRsp ua ÖBl 1993, 237 - Reichweitenvergleich mwN).

Die Medien-Fachzeitschrift "Intern" richtet sich an Medienfachleute; die Richter gehören den angesprochenen Fachkreisen nicht an. Ihre Erfahrung reicht nicht aus, die Wirkung der Ankündigung zu beurteilen. Die Frage, wie die beteiligten Verkehrskreise die beanstandete Werbeaussage verstehen, ist im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage. Ob die Leser der Medien-Fachzeitschrift "Intern" wissen, daß die Mediaprint-Zeitungen von der Österreichischen Auflagenkontrolle nicht erfaßt sind, steht - entgegen der Behauptung der Beklagten - noch nicht fest. Beide Vorinstanzen haben (nur) die Auffassung vertreten, daß selbst dann, wenn die beteiligten Verkehrskreise um die Nichtteilnahme der Mediaprint-Zeitungen wüßten, zur Irreführung geeignete Angaben vorlägen. Das trifft aber nicht zu, weil das noch verfahrensgegenständliche Begehren die in der tatsachenwidrigen Behauptung einer Spitzenstellung liegende Irreführung nicht erfaßt.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die zum behaupteten Wissen der angesprochenen Verkehrskreise um die Nichtteilnahme der Mediaprint-Zeitungen angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen haben.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO; § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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