JudikaturJustiz4Ob69/03f

4Ob69/03f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Margareta M***** infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Romana M*****, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Februar 2003, GZ 2 R 386/02w 37, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 13. November 2002, GZ 11 A 79/02z 30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erblasserin hat am 5. 10. 1994 in einem maschinschriftlich verfassten und von ihr und drei Zeugen unterfertigten Testament ihren Schwager DI Karl M***** zum Alleinerben ihres gesamten Nachlasses, als Nacherben dessen Kinder Mag. Sieglinde und Armin M***** eingesetzt. Am 15. 12. 1998 wurde für die Erblasserin deren Schwager (und Alleinerbe) als Sachwalter für die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten sowie für finanzielle Angelegenheiten einschließlich Vermögensverwaltung (mit Ausnahme eines monatlichen Teilbetrags von 6.000 S) bestellt. Nach dem Tod des Sachwalters bestellte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 2. 2000 Romana M***** mit gleichgebliebenem Wirkungskreis zur Sachwalterin. Am 16. 2. 2000 errichtete die Erblasserin vor dem Notar Dr. Norbert K***** ein notarielles Testament, in dem sie Romana M***** zur Alleinerbin einsetzte. Der Notar legte dieses Testament am 22. 3. 2000 dem Sachwalterschaftsgericht in Fotokopie vor (ON 30 in 29 P 65/00g); es besteht aus drei durchnummerierten Seiten auf zwei Blättern und enthält (nur) die maschinschriftliche letztwillige Verfügung in Form eines Protokolls mit Unterschrift der Erblasserin, des Notars und zweier Zeugen sowie einen Vermerk des Notars darüber, mit welchem Dokument sich die Erblasserin ausgewiesen hat.

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Tod der Erblasserin am 1. 2. 2002 wurden das Testament vom 5. 10. 1994 (ON 6) und das Testament vom 16. 2. 2000 kundgemacht (ON 13); letzteres wurde dem Abhandlungsgericht vom Notar in Kopie vorgelegt und hat folgendes Aussehen: Drei Blätter mit insgesamt fünf durchnummerierten Seiten sind mittels Fadenbindung zusammengefügt, von denen die beiden äußeren Blätter (mit Ausnahme der Seitennummerierung) inhaltlich der im Sachwalterakt vorgelegten Testamentskopie entsprechen. Ein als mittleres Blatt eingefügtes weiteres Blatt enthält in Ablichtung handschriftliche "Feststellungen im Sinne der §§ 569 ff ABGB, §§ 70 NO zur Erforschung, dass die Erklärung des gegenständlichen letzten Willens frei und mit Überlegung geschieht" und endet mit dem Satz "Die vorstehenden Feststellungen werden im Zuge der Protokollierung von mir Notar getroffen und bilden mit dem sonstigen Inhalt der Niederschrift eine rechtliche Einheit als ihre Fortsetzung und Ergänzung"; diese Seite ist neben dessen Amtssiegel (nur) vom Notar Dr. K***** unterschrieben, enthält aber kein Datum. Die Seiten sind von eins bis fünf durchnummeriert, auf der letzten Seite befindet sich ein Bestätigungsvermerk des Notars samt Stampiglie und Unterschrift im Original betreffend die Übereinstimmung der Fotokopie mit der Urschrift (ON 14).

Armin und Mag. Sieglinde M***** gaben aus dem Rechtsgrund des Testaments vom 5. 10. 1994 je zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab (ON 17). Romana M***** gab aus dem Rechtsgrund des Testaments vom 16. 2. 2000 zum gesamten Nachlass die bedingte Erbserklärung ab (ON 19). Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen (ON 21, insoweit in Rechtskraft erwachsen). Armin und Mag. Sieglinde M***** bestritten die Formgültigkeit des Testaments vom 16. 2. 2000 im Hinblick auf die nachträgliche Einfügung eines Blattes (ON 27). Notar Dr. Klatil gab in einer schriftlichen Stellungnahme an, er habe die gem § 569 ABGB geforderten Feststellungen im Zuge der Errichtung des Testaments an Ort und Stelle auf einem gesonderten Blatt handschriftlich in Kurzfassung festgehalten und sodann in der Kanzlei als "Sonderprotokoll" geschrieben und unterschrieben; der eigentliche Testamentstext, also das dreiseitige maschinschriftlich verfasste Protokoll, sei vorher vorbereitet worden und nach Unterfertigung als "Original Testament" verwahrt (und später in Fotokopie dem Pflegschaftsgericht übermittelt) worden, während die handschriftlichen Aufzeichnungen vorerst im Handakt verblieben seien. Erst im Zuge der Todfallsaufnahme sei beanstandet worden, dass dem notariellen Testament "etwas fehle", worauf der Notar seine handschriftlichen Feststellungen aus dem Handakt in das Protokoll eingefügt und mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen habe, wodurch die ursprünglichen Seitenzahlen verändert worden seien. Dieses vollständige Testament sei sodann in Kopie dem Verlassenschaftsgericht vorgelegt worden (ON 29).

Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Klägerrolle im Erbschaftsstreit Mag. Sieglinde und Armin M***** zu. Nach dem Inhalt des notariellen Protokolls sei davon auszugehen, dass die Feststellungen über die Testierfähigkeit vom Notar im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung getroffen worden seien und mit der Niederschrift eine Einheit bildeten. Deren spätere Einfügung schade nicht, weil das Gesetz keine Bestimmungen über den Zeitpunkt der Protokollbeigabe enthalte und das Testament spätestens bei Kundmachung ein Protokoll iSd § 569 ABGB enthalten habe. Eine Einheit von Testierakt und Errichtung des Erforschungsprotokolls sei bei der vorliegenden Testamentsform nicht vorgeschrieben.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der erbserklärten Erben Mag. Sieglinde und Armin M***** diesen Beschluss dahin ab, dass es die Klägerrolle gem § 125 AußStrG Romana M***** zuwies; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zu den Formerfordernissen eines notariellen Protokolls über die Prüfung der Testierfähigkeit gem § 569 ABGB zulässig sei. Die Annahme des Erstgerichts, der Notar habe die Erhebungen über die Testierfähigkeit der Erblasserin bereits bei Aufnahme des Protokolls über das Testament vorgenommen und protokolliert, gründe sich nur auf die schriftliche Stellungnahme des Notars; gegen die Richtigkeit dieses Umstands hätten die Rekurswerber (unter Namhaftmachung einer Zeugin) schon in erster Instanz Bedenken geäußert. Insbesondere weil das ursprüngliche Protokoll über das Testament durch Ausbesserung einer Seitenzahl schon in seiner äußeren Form nachträglich verändert worden sei und die eingefügten "Feststellungen" nicht datiert seien, bestünden objektiv gewichtige Bedenken gegen die Gültigkeit des Testaments vom 16. 2. 2000. Dieser Sachverhalt sei jenen Fällen vergleichbar, in denen Bedenken gegen die Echtheit des Testaments bestünden. Wie die Ermittlung der Echtheit des Testaments sei auch die Frage, ob die Erhebungen über die Testierfähigkeit der Erblasserin bereits bei Aufnahme des Protokolls über das Testament erfolgt seien, von streitigen Tatsachen abhängig und nicht mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens, sondern im streitigen Rechtsweg mittels förmlichen Beweisverfahrens unter Wahrung des rechtlichen Gehörs zu klären.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin steht auf dem Standpunkt, sie könne ihr Erbrecht auf ein im Verlassenschaftsverfahren kundgemachtes vollständiges Testament stützen, gegen dessen Formgültigkeit keine Bedenken bestünden. Der Notar habe die gem § 569 ABGB erforderlichen Feststellungen anlässlich der Testamentserrichtung handschriftlich verfasst und festgehalten, dass diese mit dem sonstigen Inhalt der Niederschrift eine rechtliche Einheit bildeten; dass das Erforschungsprotokoll im Testierakt enthalten sein müsse, sei nicht vorgeschrieben. Dazu ist zu erwägen:

Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, können nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren (§ 568 ABGB). Das Gericht muss sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe; die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden (§ 569 dritter Satz ABGB idF vor dem KindRÄG 2001; ab 1. 7. 2001 § 568 dritter Satz ABGB). Dem Gericht (Notar) obliegt nach dieser Bestimmung nicht nur die Protokollierung der Willenserklärung des Testators, sondern bei Minderjährigen und Betroffenen auch die Erforschung des freien Willens; das Ergebnis dieser Erforschung muss dem Testament angeschlossen (arg.: "beigerückt") werden (SZ 69/122). Nach herrschender Auffassung ist die Erklärung über die Prüfung der Testierfähigkeit und deren Ergebnis ein formelles Gültigkeitserfordernis für Testamente von Minderjährigen und Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt worden ist; eine Verletzung dieser Formvorschrift macht die Erklärung des letzten Willens ungültig ( Weiß in Klang III² 280; Eccher in Schwimann , ABGB² § 569 Rz 3; SZ 69/122; NZ 2000,147; RZ 2000, 253). Die Formvorschriften bei der Errichtung von Testamenten sollen dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst machen (Warnfunktion) und Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers vorbeugen (Beweisfunktion; SZ 69/122). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass die im Protokoll über das Testament enthaltene Erklärung, dass sich das Gericht (hier: der Notar) in einem Gespräch mit der Erblasserin über ihre Handlungsfähigkeit überzeugt und ihre Testierfähigkeit festgestellt habe, den besonderen Formerfordernissen des § 569 ABGB aF entspricht. Danach genügt ein bloß allgemein gehaltener Vermerk über das Ergebnis der gepflogenen Erforschung (GlU 6.699; GlU 11.522; 1 Ob 609/56; 6 Ob 1659/95; 2 Ob 218/00y = RZ 2000, 253).

Im Fall einander widersprechender, auf demselben Erbrechtstitel beruhenden Erbserklärungen ist jener Prätendent auf den Rechtsweg zu verweisen, der den schwächeren Titel hat (§ 126 Abs 2 AußStrG). Das ältere Testament ist gegenüber dem jüngeren der schwächere Titel, es sei denn, dass gegen letzteres gewichtige Bedenken bestehen ( Welser in Rummel , ABGB³ §§ 799, 800 Rz 26 mwN). Die Bedenken können ihre Ursache in der äußeren Form des Erbrechtstitels haben (SZ 47/129; SZ 51/85; NZ 1984, 131; 9 Ob 60/00i). Die Zuweisung der Klägerrolle nach §§ 125f AußStrG hat die Lösung jener Streitfragen, die den zentralen Gegenstand des Erbstreits zu bilden haben, nicht vorwegzunehmen; sie ist nach ihrer beschränkten Aufgabe andererseits in diesem Sinn auch in keiner Weise präjudiziell (4 Ob 556/89 = EFSlg 61.648; 9 Ob 60/00i).

Folgt man diesen Grundsätzen, bestehen gegen die Verteilung der Parteirollen durch das Rekursgericht keine Bedenken. Romana M***** kann gegenüber den anderen erbserklärten Erben ihre behauptete Erbenstellung zwar aus dem jüngeren Testament ableiten, doch liegt dieses in zwei verschiedenen Fassungen vor, nämlich der im Sachwalterschaftsakt erliegenden, aus zwei Blättern bestehenden älteren Fassung, die keine Erklärung über die Testierfähigkeit der Erblasserin enthält (und deshalb als ungültig zu beurteilen ist), und der im Verlassenschaftsverfahren kundgemachten, um die genannte Erklärung erweiterte, jüngere Fassung. Dieser Sachverhalt rechtfertigt es, das jüngere Testament schon deshalb als schwächeren Titel zu beurteilen, weil die tatsächlichen Vorgänge um das Zustandekommen der jüngeren Testamentsfassung zwischen den Erbansprechern strittig sind. Die Klägerrolle ist daher jener Prätendentin zuzuweisen, die ihr Erbrecht auf das seinem äußeren Bild nach zwar formgültige, aber unter aufklärungsbedürftigen Umständen zustandegekommene jüngere Testament stützt.

Rechtssätze
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