JudikaturJustiz4Ob52/22h

4Ob52/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft *, vertreten durch Mag. Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 88.561,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2022, GZ 5 R 107/21y 103, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die beklagte Eigentümergemeinschaft ließ ihr Mehrparteienwohnhaus einer Thewosansanierung unterziehen und übertrug die Baumeister- und Zimmermannsarbeiten dafür der Klägerin. Der Werklohn der Klägerin betrug rund 700.000 EUR netto.

[2] Wegen nicht fachgerechter Ausführung der Arbeiten durch die Klägerin kann einerseits Wasser in die Dachkonstruktion eindringen und die darunterliegende Wärmedämmung schädigen; andererseits kann Starkwind die Holzdachkonstruktion verformen und dadurch Folgeschäden verursachen. Unter anderem verlegte die Klägerin eine ungeeignete Unterdachbahn statt erhöht regensicherer Schalungsbahnen. Außerdem fehlen die Firstentlüftung und Tropfbleche, wurden zu breite und zu schmale Schalungsbretter verwendet, ist der Belüftungsraum unter dem Unterdach sowie die Querlüftung von Stiegen- und Lifthäusern zu gering dimensioniert und wurden die Nageldichtbilder am Hauptdach falsch befestigt. Zur Behebung aller sieben Mängel müssen die Dächer beider Häuser abgetragen werden, was rund 260.000 EUR brutto kosten wird.

[3] Die Beklagte rügte diese Mängel erst nach der Abnahme der Gewerke. Die Klägerin stellte das Vorliegen von Mängeln in Abrede und führte keine Verbesserung durch.

[4] Die Hausverwaltung sagte nie zu, dass die Beklagte den freigegebenen Schlussrechnungsbetrag zahlen werde.

[5] Die Klägerin begehrte 88.561,46 EUR an restlichem Werklohn. Die Beklagte habe die Leistungen als mängelfrei abgenommen; insbesondere habe die Beklagte gar kein erhöht regensicheres Dach bestellt gehabt. Die Beklagte habe die Forderung nach Prüfung der Schlussrechnung außerdem anerkannt und Zahlung versprochen. Bei nachträglichen Mängelrügen habe sie keine Termine für die Mängelbehebung angeboten.

[6] Die Beklagte wendete mangelnde Fälligkeit des Werklohns ein. Bis zur Behebung der Mängel könne sie jedenfalls die Klagssumme, das seien nur rund 7 % der Auftragssumme zurückbehalten.

[7] Das Erstgericht wies die Klage aus diesem Grund ab. Die Abnahme des Werks bedeute keinen Verzicht auf die Gewährleistung für die hier vorliegenden verdeckten Mängel, sondern kehre nur die Beweislast für die Vollendung des Werks um. Außerdem hätte die Klägerin die Beklagte warnen müssen, dass die bestellte Unterdachbahn nicht ausreichend regensicher sei.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Berufung befasse sich nur mit der Regensicherheit des Daches und gehe nicht auf die übrigen sechs Ausführungsmängel ein, die schon für sich genommen der Fälligkeit des Werklohns entgegenstünden. Eine Aufschlüsselung des Behebungsaufwands auf die sieben Mängel sei nicht erforderlich, weil die Klägerin keinen Schikaneeinwand erhoben habe. Der in der Berufung erstmals erhobene Einwand, dass die Mängel unbehebbar seien, weil sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbessert werden könnten, verstoße gegen das Neuerungsverbot.

[9] Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Die Argumentation der Klägerin, dass die Beklagte trotz Warnung keine erhöht regensicheren Unterdachbahnen bestellt habe, lässt außer Acht, dass schon das Berufungsgericht die Klagsabweisung auf das Vorliegen der sechs übrigen – von der Klägerin im Rechtsmittelverfahren gar nicht mehr bestrittenen – Mängel stützt (vgl RS0118709 [T7] zu alternativen Begründungen).

[11] 2. Die Klägerin wiederholt ihre Rechtsansicht, dass die Vorinstanzen den Behebungsaufwand nach den einzelnen Mängeln hätte aufschlüsseln müssen, weil der restliche Werklohn fällig sei.

[12] § 1052 ABGB gewährt (auch) dem Werkbesteller ein Zurückbehaltungsrecht am Entgelt bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrags durch seinen Vertragspartner. Die entsprechende Einrede der nicht gehörigen Erfüllung des Vertrags kann dabei auch noch nach Abnahme des Werks in Unkenntnis von Mängeln erhoben werden, solange dem Besteller Verbesserungsansprüche zustehen (vgl RS0018507 [T5]).

[13] Das Leistungsverweigerungsrecht umfasst grundsätzlich das gesamte Entgelt, sofern nicht von einem Missverhältnis zwischen den vom Gewährleistungsberechtigten verfolgten Interessen an der Leistungsverweigerung und dem Interesse des Werkunternehmers an der Bezahlung des Werklohns für den mängelfreien Teil des Werks auszugehen ist (vgl RS0018507 [T8]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die Behauptungslast für eine schikanöse Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch die Beklagte treffe, deckt sich mit der Rechtsprechung (1 Ob 656/86).

[14] 3. Die Klägerin argumentiert unter Berufung auf RS0016473 , dass das Berufungsgericht die Mängel auch ohne entsprechendes Vorbringen als unbehebbar hätte einstufen müssen, weil sich der unverhältnismäßige Aufwand schon aus den Feststellungen des Erstgerichts klar ergebe.

[15] Nach der Rechtsprechung ist Unverhältnis-mäßigkeit aber nur anzunehmen, wenn der mit der Verbesserung verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Mangels für den Besteller steht, wobei insbesondere die für den Besteller durch den Verweis auf die bloßen Geldansprüche (Preisminderung) verbundenen zusätzlichen Unannehmlichkeiten zu berücksichtigen sind. Ist die Beeinträchtigung des Bestellers als wesentlich anzusehen, so werden sogar über dem Wert des Werks liegende Kosten für die Verbesserung aufzuwenden sein. Der Verbesserungsaufwand wird in der Regel dann nicht unverhältnismäßig sein, wenn der aus der Verbesserung erwachsende Vorteil so hoch anzusetzen ist, dass ein redlicher und vernünftiger Verkehrsteilnehmer die Reparatur auch auf eigene Kosten durchführen würde ( 4 Ob 44/14w mwN).

[16] Nach den Feststellungen besteht schon bei üblichen Witterungsverhältnissen wie Regen oder Starkwind die Gefahr von Nässeeintritten, Verformungen und Folgeschäden. Es ist daher von einer massiven Beeinträchtigung der Beklagten auszugehen. Aus der Revision ist nicht erkennbar, wieso der Behebungsaufwand im Sinne der oben dargestellten Kriterien unverhältnismäßig wäre.

[17] 4. Die Revisionsausführungen zu Anerkenntnis und Verletzung der Mitwirkungspflicht zeigen ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie nur in der Begründung der Revision enthalten sind (vgl RS0107501) und sich unzulässigerweise vom festgestellten Sachverhalt entfernen (vgl RS0043603).