JudikaturJustiz4Ob46/98p

4Ob46/98p – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Michael G*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Ing. Josef W*****, 2.) Helma W*****, beide vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zahlung und Räumung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 27. November 1997, GZ 7 R 138/97h-9, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Juli 1997, GZ 42 C 96/97a-5 aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird insoweit, als damit das Ersturteil auch in seinem die Abweisung des Räumungsbegehrens aussprechenden Teil aufgehoben wurde, als nichtig aufgehoben.

Im übrigen wird der angefochtene Beschluß bestätigt.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagten bewohnen seit vielen Jahren den ersten Stock des Hauses G*****, S*****straße 3, welches auf Grund eines Übergabsvertrages vom 29. 1. 1993 nunmehr im Eigentum des Klägers steht. Die Rechtsvorgängerin des Klägers schloß mit den Beklagten einen Mietvertrag, in dem ein monatlicher Mietzins von S 1.000.- vereinbart war; im Lauf der Jahre erfolgte eine einvernehmliche Erhöhung des Mietzinses auf S 1.700.-. Im Vorverfahren 42 C 211/95d des BGZ Graz begehrte der Kläger von den Beklagten "Nutzungsentgelte" für den Zeitraum Juli 1994 bis April 1995 im Ausmaß von S 3.000.- monatlich sowie die Räumung der Wohnung. Die Beklagten wendeten unter anderem ein, daß ihnen die Rechtsvorgängerin des Klägers 1992 ein kostenloses Wohnrecht auf Lebenszeit der Beklagten eingeräumt habe; auch habe sich der Kläger im Übergabsvertrag verpflichtet, den Beklagten das Nutzungsrecht aller Räumlichkeiten im bisherigen Umfang zu gewähren. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und hielt für erwiesen, daß der Kläger zur unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung der von den Beklagten benutzten Wohnung an diese verpflichtet sei. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren mit Teilurteil über S 17.000.- statt. Es stellte nach Beweiswiederholung fest, daß die Rechtsvorgängerin des Klägers den Beklagten zugesagt habe, solange sie lebe, hätten die Beklagten für die Wohnung keine Zahlungen zu leisten; zwei vom Kläger geführte Zeugen wurden vom Berufungsgericht nicht vernommen. Eine außerordentliche Revision wurde zurückgewiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Zahlung eines Nutzungsentgeltes für März 1997 in der Höhe von S 1.700.- sowie die Räumung der Wohnung wegen Auflösung des Vertrages infolge Mietzinsrückstandes. Nach Zahlung von S 1.700.- während des Verfahrens durch die Beklagten hält der Kläger nur noch das Räumungsbegehren aufrecht.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Ihnen stehe auf Grund einer Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin des Klägers das lebenslange kostenlose Wohnrecht an der von ihnen genutzten Wohnung zu; der Kläger sei laut Übergabsvertrag verpflichtet, den Beklagten die Nutzung der Wohnung im bisherigen Umfang zu gewähren. Die Zahlung von S 1.700.- sei nur vorsichtshalber zur Vermeidung des Vorwurfes eines groben Verschuldens an einem eventuellen Mietzinsrückstand unpräjudiziell des eigenen Rechtsstandpunktes erfolgt. Das im Vorverfahren ergangene Teilurteil entfalte keine Bindungswirkung in diesem Verfahren, da es auf unvollständigen Beweisaufnahmen beruhe und offenbar fehlerhaft sei. Die Beklagten hätten für eine Dachreparatur S 2.406.- bezahlt, welcher Betrag aufrechnungsweise dem Klagebegehren entgegengehalten werde.

Die Beklagten stellen weiters den Zwischenantrag auf Feststellung, es werde festgestellt, daß eine Pflicht der Beklagten zur Zahlung eines Nutzungsentgeltes/Bestandzinses an den Kläger für ihre Benützung der Bestandräumlichkeiten im Haus G*****, S*****straße 3, außerhalb des Zeitraumes Juli 1994 bis April 1995 nicht bestehe oder bestanden habe. Sie bewerten diesen Antrag mit S 61.200.- (36 Monate a S 1.700.-).

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren und den Zwischenantrag auf Feststellung ab und verpflichtete die Beklagten zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages von S 2.437,86. Es hielt sich für an den der Entscheidung im Vorverfahren zugrundegelegten Sachverhalt gebunden, wonach die Rechtsvorgängerin des Klägers erklärt habe, daß, solange sie lebe, die Beklagten für die Benützung der Wohnung keine Zahlungen zu leisten hätten, und folgerte daraus rechtlich, daß infolge Zahlung des eingeklagten Mietzinsrückstandes das Räumungsbegehren (wenn auch unter den Kostenfolgen des § 33 Abs 2 MRG) abzuweisen gewesen sei. Im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung im Vorverfahren sei auch der Zwischenantrag auf Feststellung abzuweisen.

Der Kläger ließ diese Entscheidung unbekämpft. Die Beklagten erhoben dagegen Berufung, soweit ihr Zwischenantrag auf Feststellung abgewiesen worden ist, sowie im Kostenpunkt; die Entscheidung über das Räumungsbegehren fechten sie "nur hinsichtlich ihrer Begründung" an.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000.- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es vertrat die Meinung, daß hinsichtlich des im Berufungsverfahren allein streitanhängig verbliebenen Zwischenantrages auf Feststellung eine Bindungswirkung durch die Entscheidung im Vorverfahren nicht bestehe; damit erweise sich die Sache mangels Aufnahme der von den Beklagten beantragten Beweise als nicht spruchreif.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Der Kläger zeigt zutreffend auf, daß das Verfahren in der Hauptsache rechtskräftig beendet ist, da er gegen die Abweisung des allein anhängig verbliebenen Räumungsbegehrens durch das Erstgericht kein Rechtsmittel ergriffen hat. Damit erweist sich der Beschluß des Berufungsgerichtes insoweit als nichtig, als damit die Rechtssache auch im Umfang ihrer rechtskräftigen Erledigung an das Erstgericht zurückverwiesen werden soll (Kodek in Rechberger, ZPO § 477 Rz 1).

Zutreffend ist hingegen die Meinung des Berufungsgerichtes, daß über den von den Beklagten erhobenen Zwischenantrag auf Feststellung weiterhin zu entscheiden ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung ist gemäß § 236 Abs 1 (§ 259 Abs 2) ZPO seine gänzliche oder teilweise Präjudizialität für die Entscheidung über das Klagebegehren; diese (besondere) Prozeßvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen (Rechberger in Rechberger aaO § 236 Rz 5 mwN; RZ 1989/55 mwN; 1 Ob 611/94). Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über das Klagebegehren darf daher das Verfahren über den Zwischenantrag auf Feststellung nicht mehr fortgesetzt werden, ein solcher Antrag ist vielmehr - weil seine gesetzlich gebotene Präjudizialität für den Rechtsstreit ein für allemal weggefallen ist - ohne jede weitere materielle Prüfung zurückzuweisen (Fasching III 127, 133; Fasching LB**2 Rz 1087; SZ 43/110; SZ 51/142; EFSlg 34.408; RZ 1989/55). Das in der Hauptsache unanfechtbar gewordene Urteil über das Klagebegehren könnte nämlich auch dann nicht mehr abgeändert werden, wenn bei einer als möglich angenommenen Anfechtung der Entscheidung über den Zwischenfestellungsantrag das Rechtsmittelgericht zu einer die Vorfragelösung des Urteils in der Hauptsache ablehnenden Entscheidung des Zwischenfeststellungsantrages gelangt (Fasching III 127).

Entscheidend ist demnach zwar grundsätzlich, ob die Präjudizialität des Zwischenfeststellungsantrages für die Hauptsache weggefallen ist (SZ 51/142; EFSlg 34.408; EvBl 1974/223; 1 Ob 611/94); daß das den Gegenstand des Antrags bildende Rechtsverhältnis allein für die Kostenentscheidung präjudiziell ist, genügt hingegen nach der Rechtsprechung dann, wenn das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt worden ist (MietSlg 24.565; EvBl 1974/223). Die Einschränkung auf Kosten hat nämlich zur Folge, daß die Entscheidung über den Zwischenantrag noch immer für die Entscheidung über das eingeschränkte Klagebegehren präjudiziell ist, ist doch in derartigen Fällen zu prüfen, ob der Kläger mit seinem ursprünglichen Klagebegehren durchgedrungen wäre.

Nicht anders ist die Sachlage in dem hier zu entscheidenden Fall, wo die auf Zahlung von rückständigem Mietzins geklagten Mieter, die den begehrten Betrag im Zuge des Verfahrens gezahlt haben, nur dann gem. § 33 Abs 2 MRG dem Kläger zum Kostenersatz verpflichtet sind, wenn sie auch ohne Zahlung eine Kostenersatzpflicht getroffen hätte. Zur Prüfung dieser Frage ist es demnach notwendig, das den Gegenstand des Zwischenfeststellungsantrages bildende Rechtsverhältnis als Vorfrage zu klären; die Präjudizialität des Antrages ist daher zu bejahen, kann doch erst nach dessen Prüfung die Kostenersatzpflicht der Beklagten abschließend beurteilt werden.

Eine Bindungswirkung der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung für das hier anhängige Verfahren hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Argumenten verneint. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erst jüngst ausgesprochen, daß die Grenzen der materiellen Rechtskraft aus Gründen der "Entscheidungsharmonie" allein nicht ausgeweitet werden können und es auch mit dem Gedanken der Rechtssicherheit vereinbar ist, wenn eine für unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozeß der Entscheidung im Folgeprozeß über weitere Ansprüche des Klägers nicht mehr zugrundegelegt wird (SZ 69/54). Gleiches muß auch gelten, wenn - wie hier - eine unvollständige Sachverhaltsgrundlage aufgrund unvollständiger Beweisaufnahme im Vorprozeß behauptet wird und im Folgeprozeß die Aufnahme zusätzlicher Beweismittel beantragt worden ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Rechtssätze
5