JudikaturJustiz4Ob40/19i

4Ob40/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Manfred Kantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2019, GZ 2 R 165/18h 63, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. September 2018, GZ 69 Cg 26/16x 58, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung in ihrem Ausspruch über die Veröffentlichungsermächtigung (Punkt 3 des Ersturteils) zu lauten hat:

„3. Die klagende Partei wird ermächtigt, den Spruch des über die Klage ergehenden Urteils (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) im stattgebenden Umfang binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils in einer Samstag Ausgabe der ***** Tageszeitung im redaktionellen Teil in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, mit Fettumrandung, fettgedruckter Überschrift „Im Namen der Republik“ sowie mit Fettdruck der Parteienbezeichnungen, auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind Mitbewerber auf dem Gebiet der Kanalreinigung.

Mit Wissen und im Auftrag des Geschäftsführers der Beklagten entleerten deren Mitarbeiter in den Jahren 2012 bis 2014 regelmäßig den Tankinhalt ihrer Kanalräumungsfahrzeuge unerlaubterweise in das öffentliche Kanalnetz, wodurch sich die Beklagte Kosten ersparte. Dabei wurden die Fahrzeuge der Beklagten gesehen und es kam zu Anrainerbeschwerden wegen Geruchsbelästigungen.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, diese Einleitungen zu unterlassen, durch die sie sich rechtswidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Weiters stellte sie ein Veröffentlichungsbegehren dahin, dass sie ermächtigt werde, den Spruch des über die Klage ergehenden Urteils (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) im stattgebenden Umfang binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils in einer Samstag Ausgabe der ***** Tageszeitung im redaktionellen Teil mit Fettumrandung, fettgedruckter Überschrift „Im Namen der Republik“ sowie mit Fettdruck der Parteienbezeichnungen auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen.

Die Beklagte bestritt und wandte – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – ein, dass eine Urteilsveröffentlichung nur in einem solchen Umfang zuzusprechen sei, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden sei, über den Sachverhalt aufgeklärt würden. Eine Veröffentlichung des Urteilsbegehrens in einer Samstag-Ausgabe der ***** Tageszeitung sei exzessiv und überschreite das Maß der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, die Einleitung des Tankinhalts ihrer Kanalräumungsfahrzeuge in das öffentliche Kanalnetz zu unterlassen. Dem Begehren auf Urteilsveröffentlichung gab es statt (Punkt 3 des Urteilstenors), weil beide Streitteile schwerpunktmäßig im selben Bundesland tätig seien und sich die festgestellten Verstöße auch in diesem Raum ereignet hätten. Eine Urteilsveröffentlichung in einer regionalen Tageszeitung sei daher zur Aufklärung der betroffenen Verkehrskreise angemessen.

Das Berufungsgericht gab der sich gegen die gesamte Klagsstattgebung richtenden Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Entsorgung von Fäkalschlamm bei Kläranlagen sei entgeltpflichtig und die Beklagte erspare sich durch ihre Vorgangsweise Kosten, woraus folge, dass sie durch ihre rechtswidrige Vorgangsweise in der Lage sei, günstigere Preise als ihre Mitbewerber anzubieten; dies habe sie auch gar nicht substanziiert bestritten. Dem Eindruck bei potenziellen Kunden und Mitbewerbern, dass die Beklagte infolge günstigerer Preise leistungsfähiger sei als ihre Mitbewerber, sei durch die Urteilsveröffentlichung in einer grundsätzlich hierfür geeigneten Wochenendausgabe einer regionalen Tageszeitung entgegenzuwirken. Der Wortlaut des Veröffentlichungsbegehrens entspreche der ständigen Rechtsprechung in Wettbewerbssachen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Nur gegen die Veröffentlichungsermächtigung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Veröffentlichungsbegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte führt ins Treffen, ein konkretes Publikum, welches über einen allfälligen Wettbewerbsverstoß aufzuklären wäre, existiere nicht; die Samstag Ausgabe der ***** Tageszeitung sei nicht geeignet, um über den behaupteten Wettbewerbsverstoß adäquat aufzuklären, weil damit die Gesamtbevölkerung erreicht werde; das Urteilsveröffentlichungsbegehren sei nicht ausreichend präzisiert, unbestimmt und nicht exequierbar, weil sich daraus nicht entnehmen lasse, in welcher Größe die Veröffentlichung erfolgen dürfe.

Der Senat hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS Justiz RS0121963). Sie soll nicht nur eine schon bestehende unrichtige Meinung stören, sondern auch deren weiteres Umsichgreifen verhindern. Sie dient daher der Aufklärung des durch eine wettbewerbswidrige Maßnahme irregeführten Publikums (RS0079764; vgl auch RS0079694). Als weiterer Gedanke tritt hinzu, dass es häufig im Interesse der Allgemeinheit liegt, unlautere Wettbewerbshandlungen in aller Öffentlichkeit aufzudecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären (RS0079820; 4 Ob 164/09k; 4 Ob 148/10h), insbesondere dass sich der Beklagte über das Gesetz hinweggesetzt hat (4 Ob 93/90; 4 Ob 14/88; 4 Ob 393/87), und um den Eindruck zu verwischen, dass derjenige, der unlauteren Wettbewerb treibt, leistungsfähiger sei als andere (4 Ob 40/88 = RS0079764 [T6]). Die Berechtigung des Begehrens nach Urteilsveröffentlichung hängt schließlich davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums besteht (RS0079737), um ihn vor weiteren Nachteilen zu bewahren (RS0079764 [T18]).

1.2. Es kann hier keine Rede davon sein, dass mangels Publikums kein Aufklärungsbedarf über die Rechtsverletzung der Beklagten bestünde. Es steht nicht nur fest, dass die rechtswidrige Entsorgung gerade durch Wägen der Beklagten von Anrainern nicht unbemerkt geblieben ist, sondern auch, dass sich die Beklagte dadurch Kosten sparte, wodurch sie ihre Kunden über Preisbildung und Leistungsfähigkeit in die Irre führte, womit sich die Rechtsverletzung (selbst wenn sie heimlich begangen worden wäre) gegenüber mehr als nur einem beschränkten Personenkreis ausgewirkt hat (vgl 17 Ob 11/07b [4.8]; siehe auch Ciresa , Handbuch der Urteilsveröffentlichung 4 [2017] Rz 5.38). Da zudem die Beklagte selbst gar nicht bestritten hat, dass sie im Wettbewerb zur Klägerin steht und die Parteien schwerpunktmäßig im selben Bundesland tätig sind, ist unter „beteiligten Verkehrskreisen“ zwanglos auch der bisherige und potenzielle Kundenkreis beider Parteien in diesem Bundesland zu verstehen, der darüber informiert werden soll, dass dem Preisangebot der Beklagten auch ungesetzliche Mittel zugrunde lagen.

1.3. Das Talionsprinzip bezieht sich im Übrigen auf in Druckschriften bzw anderen Medien begangene Wettbewerbsverstöße (RS0079607; RS0079737 [T23]; vgl auch RS0123550). Dass ein nicht in einem Medium beworbener Wettbewerbsverstoß gar nicht zu publizieren sei, ist daraus nicht abzuleiten.

1.4. Die Revision ist daher insofern nicht im Recht, als sie sich gegen die Veröffentlichung insgesamt wendet.

2.1. Die Ermächtigung zur Veröffentlichung in einer Regionalzeitung (bzw der Regionalausgabe einer bundesweit erscheinenden Zeitung) entspricht bei regional beschränkten Wettbewerbsverstößen der Rechtsprechung (vgl nur 4 Ob 147/17x [Pkt 6.2]; 17 Ob 36/08f [Pkt 5.5]). Dass dadurch auch solche Kreise angesprochen werden, die von dem Wettbewerbsverstoß bislang keine Kenntnis hatten, kann nicht ausgeschlossen werden und hindert nach ständiger Rechtsprechung den Zuspruch nicht (4 Ob 138/99v; 4 Ob 107/90). Die Veröffentlichung in einer Samstags- oder Wochenendausgabe ist nicht nur bei besonders hoher Publizität der rechtswidrigen Handlung gerechtfertigt, sondern kann sich auch aus dem Aufklärungszweck ergeben ( Ciresa Handbuch Rz 6.26; vgl 4 Ob 7/93).

2.2. Soweit sie sich gegen Zeit und Ort der Veröffentlichung wendet, ist die Revision somit ebenfalls nicht im Recht.

3.1. Die Rechtsprechung hält zwar unsubstanziierte Veröffentlichungsbegehren für zulässig (vgl 4 Ob 2153/96p mwN), stellt aber in einem solchen Fall bei Veröffentlichung in einem Printmedium weder deren Platzierung noch deren allfällige besondere optische Gestaltung dem Ermessen des Klägers anheim; vielmehr hat das Gericht nach pflichtgebundenem Ermessen auf der Grundlage der näheren Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden, wobei eine möglichst detaillierte Art der Veröffentlichung gerade deshalb in das Urteil aufzunehmen ist, damit der Antragsteller nicht die Gelegenheit erhält, im Rahmen des durch die Befugnis noch Gedeckten kostenerhöhende Zusatzwünsche bei der Veröffentlichung in Auftrag zu geben (RS0105336). Zwar muss die Aufmachung (Größe, drucktechnische Gestaltung) einer Veröffentlichung im Urteil nicht bis ins kleinste Detail bestimmt werden, jedoch haben sich bestimmte Mindeststandards etabliert (vgl Ciresa Handbuch Rz 6.47 f); nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat etwa eine Veröffentlichung im Regelfall in Normallettern zu erfolgen (4 Ob 170/16b mwN; vgl Ciresa Handbuch Rz 6.51 und 6.53).

3.2. Das Veröffentlichungsbegehren (und ihm folgend die Ermächtigung im Ersturteil) enthält zwar eine Reihe von Einschränkungen (den stattgebenden Teil des Urteils in einer Samstag Ausgabe der ***** Tageszeitung im redaktionellen Teil mit Fettumrandung, fettgedruckter Überschrift „Im Namen der Republik“ sowie mit Fettdruck der Parteienbezeichnungen zu veröffentlichen), darüber hinaus jedoch keine weiteren Bestimmungen der Aufmachung. Die Klägerin hat damit zu erkennen gegeben, eine nähere Bestimmung dem pflichtgebundenen Ermessen des Gerichts auf der Grundlage der Umstände des vorliegenden Einzelfalls anheimzustellen. Eine weitere Detaillierung der Veröffentlichung kann somit, soweit im Lichte des oben Gesagten notwendig, durch das Gericht erfolgen.

3.3. Mangels besonderer Umstände des Einzelfalls kann hier mit einem Veröffentlichungsbegehren unter Beachtung der oben dargelegten in der Rechtsprechung entwickelten Mindeststandards das Auslangen gefunden werden. Dies bedeutet, dass eine Präzisierung des Spruchs durch eine Maßgabe dahin zu erfolgen hat, dass die Veröffentlichungsermächtigung um die Wortfolge „ in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel“ zu ergänzen ist. Dies steht auch insoweit mit dem Begehren im Einklang, als dort die Veröffentlichung im redaktionellen Teil der ***** Tageszeitung angestrebt wird, ohne Abweichungen der begehrten Aufmachung der Veröffentlichung von ihrem Umfeld anzusprechen.

3.4. Auch soweit die Revision die Veröffentlichungsermächtigung als nicht ausreichend präzisiert, unbestimmt und nicht exequierbar ansieht, ist sie daher nicht im Recht und auf die Maßgabebestätigung zu verweisen.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 40 ZPO.

Rechtssätze
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