JudikaturJustiz4Ob247/99y

4Ob247/99y – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz E*****, vertreten durch DDr. Manfred Erschen, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Maximilian W***** jun, *****, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 282.654 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 8. Juni 1999, GZ 5 R 64/99t-46, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 24. März 1999, GZ 7 Cg 103/97v-38, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 312.654 S sA. Er habe dem Beklagten auf Grund des Schuldscheins vom 7. 5. 1997 300.000 S leihweise überlassen. Der Beklagte habe die Übernahme dieses Betrags quittiert, den Erhalt des Darlehensbetrags durch seine Unterschrift unter die Darlehensvereinbarung bestätigt und sich verpflichtet, den Darlehensbetrag spätestens am 16. 5. 1997 zurückzuzahlen; für den Fall des Zahlungsverzugs seien 16,5 % Verzugszinsen vereinbart worden. Der Beklagte habe sich weiters verpflichtet, die Kosten für die Errichtung der Darlehensvereinbarung, für die Einholung eines Firmenbuchauszuges und für diverse erforderliche Besprechungen in Höhe von 11.142 S zu entrichten.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Er habe vom Kläger ein Darlehen in der Höhe von nur 30.000 S erhalten. In dieser Höhe werde das Klagebegehren anerkannt. Der Kläger habe dem Beklagten vorgeschlagen, mit ihm gemeinsamen einen "Deal" zu unternehmen: Es sollte vorgegeben werden, dass sich der Beklagte vom Kläger eine erhebliche Geldsumme "ausgeborgt" habe und in weiterer Folge der Vater des Beklagten zur Rückzahlung dieser Summe verhalten werden; das so "gewonnene" Geld sollte zwischen den Streitteilen aufgeteilt werden. Tatsächlich seien dem Beklagten nur 30.000 S zugezählt worden. Sodann habe sich der Kläger an den Vater des Beklagten mit der Aufforderung gewendet, die Schulden seines Sohnes zu begleichen. Der Beklagte habe seinem Vater daraufhin den wahren Sachverhalt gestanden. Der Vater des Beklagten sei zum Schein auf das Ansinnen des Klägers eingegangen und habe mit dem Kläger mehrere Besprechungen geführt. Später hätten sich der Beklagte und sein Vater entschlossen, den Sachverhalt der Bundespolizeidirektion Leoben anzuzeigen, worauf ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Daraufhin habe der Kläger gemeint, er sei bereit, seine Darlehensklage fallenzulassen, falls auch der Beklagte bereit sei, seine Anzeige bei der Bundespolizeidirektion Leoben zurückzuziehen. In diesem Sinne habe der Klagsvertreter eine Urkunde verfasst, die der Beklagte jedoch nicht unterfertigt habe, weil sie so formuliert gewesen sei, dass der Beklagte darin eine Verleumdung eingestehe.

Das Erstgericht fällte ein Teilanerkenntnisurteil über 30.000 S; im übrigen gab es dem Klagebegehren mit 271.512 S sA Folge, während es einen Betrages von 11.142 S sA abwies. Es stellte fest, dass der Kläger und seine Gattin 300.000 S in der Absicht angespart hätten, damit eine Eigentumswohnung anzuschaffen. Der Beklagte habe sich zum selben Zeitpunkt - offenbar wegen Spielschulden und einer Verwicklung ins Rotlichtmilieu - in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden und deshalb den ihm bekannten Kläger ersucht, ihm 300.000 S als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Er habe dafür dem Kläger angeboten, ihm bei der Beschaffung einer Eigentumswohnung durch das Immobilienbüro seines Vaters, an dem auch er beteiligt gewesen sei, behilflich zu sein. Am 7. 5. 1997 sei es mit Zustimmung der Gattin des Klägers - die allerdings zunächst der Meinung gewesen sei, eine Anzahlung auf eine Eigentumswohnung zu leisten - zur darlehensweisen Übergabe eines dem Kläger und seiner Gattin gehörenden Betrags von 300.000 S an den Beklagten gekommen. In weiterer Folge hätten die Streitteile in der Kanzlei des Klagevertreters einen Schuldschein über diesen Betrag errichtet und unterfertigt, wonach das Darlehen bis 16. 5. 1997 zurückzuzahlen sei; auch seien 16,5 % Verzugszinsen vereinbart worden. Der Beklagte habe keine Rückzahlung geleistet. Nicht festgestellt werden könnten betrügerische Absprachen zwischen den Streitteilen in Bezug auf den Vater des Beklagten, ein fehlender Rückzahlungswille des Beklagten schon bei Entgegennahme des Darlehens oder eine Verpflichtung des Beklagten, Kosten im Zusammenhang mit dem Darlehen zu übernehmen.

In seiner Beweiswürdigung stützte sich das Erstgericht im wesentlichen auf die Angaben des Klägers, seiner Gattin und die von der Klagsseite vorgelegten Urkunden; die Sachverhaltsfeststellungen hätten sich insofern schwierig gestaltet, als weder die im Verfahren vernommenen Zeugen noch die Parteien einen sonderlich glaubwürdigen Eindruck erweckt hätten. Beide Streitteile seien offenbar schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten und bewegten sich in einem Milieu, das ihrem Ansehen nur wenig förderlich sei. Es habe sich daher die Aufgabe gestellt, aus einer Reihe wenig verlässlicher Angaben die noch am wenigsten unwahrscheinlichen herauszufiltern und so zu einer einigermaßen verlässlichen Beweisgrundlage zu gelangen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil im Umfang des Zuspruchs von 271.512 S sA auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zu der vom Berufungsgericht im Anschluss an die überwiegende Lehre verneinten Frage, ob im Zivilprozess ein Beweismittelverbot ein Beweisverwertungsverbot zur Folge habe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Der Beklagte habe sich zum Beweis der Richtigkeit seines Vorbringens auch auf ein im Strafakt erliegendes Tonband berufen und dessen Beischaffung und Abhörung beantragt; im Strafakt erliege das Protokoll einer Übertragung der Aufzeichnung in Vollschrift. Das Tonband gebe ein (ohne Wissen des Klägers aufgenommenes) Gespräch zwischen den Streitteilen wieder. Das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht gehalten gewesen wäre, den beantragten Beweis zum Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs aufzunehmen und im Rahmen der Beweiswürdigung dazu Stellung zu nehmen. Gleiches gelte für die Aufnahme des beantragten Zeugenbeweises durch Einvernahme von Erich W*****. Schließlich habe sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung mit der Aussage des Zeugen Maximilian W***** sen. überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Verwertung einer ohne sein Wissen hergestellten Tonbandaufnahme im Zivilprozess sei nicht zulässig und darüber hinaus strafbar; sie sei als Eingriff in den Kernbereich der verfassungsmäßig geschützten Grund- und Freiheitsrechte des Klägers anzusehen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher in zwei Entscheidungen mit dem Bestehen und der Wahrnehmung von nicht in der ZPO geregelten Beweisverwertungsverboten im Zivilprozess auseinandergesetzt. Der achte Senat (SZ 69/14) hat ausgesprochen, dass die rechtmäßige Erlangung eines Beweismittels (hier: Tonbandprotokoll bei Abhörung eines Fernmeldeverkehrs iSd § 149a StPO) dessen Verwertung im Zivilprozess nicht hindere. Der zweite Senat (SZ 70/239) hat unter Bezugnahme auf die obgenannte Vorentscheidung erkannt, dass die Verletzung eines Beweisverbots durch das Berufungsgericht keine Nichtigkeit und keine Mangelhaftigkeit iSd § 503 Z 2 ZPO begründe. In beiden Entscheidungen blieb aber die grundsätzliche Frage unbeantwortet, wie rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozess zu behandeln sind.

In der Lehre sind die Ansichten darüber, ob Beweismittelverbote stets ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben, umstritten. Fasching (LB2 Rz 828, 936 f) lehrt, die Verletzung von Beweisverboten bilde keinen Nichtigkeitsgrund; das strafgesetzwidrige Erlangen eines Beweismittels mache dessen Aufnahme vor Gericht dann unzulässig, wenn eine strafgesetzliche Vorschrift, die den Kernbereich verfassungsmäßig geschützter Grund- und Freiheitsrechte der durch die Handlung betroffenen Person als solcher schütze, verletzt werde. Demgegenüber sind Rechberger (in Rechberger, ZPO Rz 28 vor § 266) und Georg Kodek (Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, 136 ff) der Ansicht, ein Beweisverwertungsverbot sei grundsätzlich abzulehnen, weil es unserem Rechtsempfinden widerspreche, vom Richter zu verlangen, wesentliche Beweisergebnisse zu negieren. Ein Verwertungsverbot würde vielfach wohl nicht mehr bringen, als dass man dem ersten Fehler einer Rechtsverletzung bei der Beweisaufnahme ein falsches Urteil hinzufüge.

G. Kodek (aaO 140 ff) nimmt insbesondere auch zur Zulässigkeit des Beweises durch eine Tonbandaufnahme Stellung, die unter Verletzung des § 120 StGB zustandegekommen ist. Nach § 120 Abs 2 StGB ist zu bestrafen, wer ohne Einverständnis des Sprechenden eine Tonaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht. Die Vorlage eines Tonbands zu Beweiszwecken vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden sei jedenfalls tatbestandsmässig im Sinne der genannten Strafnorm (so auch VwGH 91/10/0130 = JBl 1994, 196). Zur Beantwortung der Frage, ob die Existenz dieser Strafnorm ein Beweisaufnahme- und Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess zur Folge habe, sei bei den §§ 380 Abs 1 iVm 321 Abs 1 Z 5 und 305 Z 4 ZPO anzusetzen. Diese Bestimmungen berechtigten eine Partei dann, wenn sie eine Frage nicht beantworten könne, ohne ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren, sich auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen. Diesem Aussageverweigerungsrecht stehe ein Recht auf Verweigerung der Urkundenvorlage zur Seite. Während nun die ZPO mit diesen Bestimmungen zum Schutz eines Kunst- oder Geschäftsgeheimnisses die Möglichkeiten der Wahrheitsfindung bewusst einschränke, könne ihr für Tonbandaufnahmen und das Recht am Wort eine solche Wertung nicht entnommen werden. Da aber sogar die strafbare Verletzung des in der ZPO vielfach geschützten Geschäftsgeheimnisses oder anderer Verschwiegenheitspflichten die Vernehmung und die Verwertbarkeit der Aussage nicht ausschlössen, könne man daraus - a maiori ad minus - folgern, dass die Beweisaufnahme mittels einer Tonbandaufnahme unbeschadet einer allfälligen Strafbarkeit nach § 120 StGB jedenfalls zulässig sei. Wer ein strafrechtswidrig erlangtes Tonband als Beweismittel anbiete, mache sich aber nur dann durch das Einbringen dieses Beweismittels in den Zivilprozess (infolge dessen Abspielens im Gerichtssaal) strafbar, wenn ihm kein Rechtfertigungsgrund zugute komme. Gerade aus diesem Grund werde aber in den meisten praktischen Fällen das Abspielen des Tonbands in der Zivilverhandlung überhaupt nicht strafbar sein. Eine Prozeßpartei, die vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht versuche, eine unbegründete Klage durchzusetzen oder eine objektiv begründete Klage abzuwehren, begehe idR einen Prozessbetrugsversuch. Doch selbst das unbewusste Aufstellen objektiv wahrheitswidriger Behauptungen bilde einen rechtswidrigen, wenn auch nicht strafbaren Angriff gegen das Vermögen des Prozessgegners. Dagegen sei aber, wie gegen andere rechtswidrige Angriffe auf das Vermögen, Notwehr zulässig. Stünden keine anderen Beweismittel zur Verfügung, gerate die Partei mithin in Beweisnot, sei das Abspielen der Tonbandaufnahme auch das zur Verteidigung notwendige Mittel. Überdies vermeide der Beweisführer damit, in den Verdacht der Falschaussage zu geraten. Dieser Ansatz der Trennung der Frage nach der Zulässigkeit der Beweisaufnahme von jener nach der Strafbarkeit biete den entscheidenden Vorteil, dass der Zivilrichter nicht schon vor der Beweisaufnahme darüber zu entscheiden habe, ob das Abspielen eines Tonbands gerechtfertigt sei. In einem eventuell nachfolgenden Strafverfahren sei die Frage der Rechtfertigung des Vorgehens des Beweisführers hingegen leicht zu beantworten, stehe dann ja ex post auf Grund der Beweisergebnisse im Zivilverfahren fest, ob der Angeklagte nun in Abwehr gegen objektiv unrichtige Behauptungen des Gegners gehandelt habe.

Ob die Verwendung eines gesetzwidrig erlangten Tonbands als Beweismittel im Zivilprozess jedenfalls und unter allen Umständen, wie G. Kodek meint, oder nur im Rahmen einer Interessenabwägung zulässig sei, bei der ua der Grad der Vertraulichkeit des Gesprächs, der Lebensbereich, dem dieses zugeordnet ist, das von Art und Bedeutung des zu beweisenden Umstands abhängige Gewicht des Beweisinteresses und die Grösse der Beweisnot zu berücksichtigen sind (vgl Schönke/Schröder, dStGB25 Rz 31a zu § 201), bedarf hier keiner weiteren Prüfung. Das bisherige Zivilverfahren ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass zwar schon eine Vielzahl von Personalbeweisen aufgenommen worden ist, der Beweiswert dieser Beweismittel (einschließlich der Vernehmung beider Streitteile) aber offenbar sehr dürftig ist. In dieser Situation begehrt der Beklagte Beweisaufnahme durch Abhörung eines Tonbands, auf welchem ein zwischen ihm und dem Kläger geführtes Privatgespräch zur gegenständlichen Streitfrage aufgezeichnet sein soll, um auf diese Weise seinem Prozessstandpunkt zum Durchbruch zu verhelfen. Auch diente das Tonband schon im gegen den Kläger geführten Strafverfahren als Beweismittel. Nach dem bisherigen Gang des Verfahrens kann nun nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass möglicherweise ein Prozessbetrugsversuch des Klägers vorliegt. In diesem Fall befände sich aber der Beklagte in einer Notwehrsituation, in der ihm durch Verwehrung der Einbringung des Tonbands in den Prozess das - mangels (glaubwürdiger) Zeugenaussagen - möglicherweise einzige wirksame Verteidigungsmittel genommen würde; dies hätte seinen Beweisnotstand zur Folge. Schon eine Interessenabwägung im oben näher beschriebenen Sinn führt unter diesen Umständen zur Zulässigkeit des beantragten Beweismittels. Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren - entsprechend den Aufträgen des Berufungsgerichts - (auch) den Inhalt des Tonbands in das Beweisverfahren einzubeziehen, zu würdigen und gegebenenfalls seinen Feststellungen zu Grunde zu legen haben. Nur so entspricht es seiner Verpflichtung, im Rahmen des Parteienvorbringens die Wahrheit zu erforschen (Fasching aaO Rz 658 ff) und eine Entscheidung zu fällen, die auf Feststellungen basiert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen (Rechberger aaO Rz 5 vor § 266).

Da die Aufnahme des beantragten Beweises in der gegebenen Situation somit jedenfalls zulässig ist, bedurfte es keiner näheren Prüfung der Vorfrage, ob allenfalls die im Strafakt erliegende Abschrift des Tonbands deshalb kein unrechtmäßig erlangtes Beweismittel ist, weil schon die Vorlage des Tonbands an die Strafverfolgungsbehörde zur Untermauerung der in der Anzeige erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt war (vgl Leukauf/Steininger, StGB3 Rz 17 zu § 120; Schönke/Schröder aaO).

Dem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.