JudikaturJustiz4Ob237/17g

4Ob237/17g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin G***** S*****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Landeskammer *****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, wegen Löschung der Marke AT 180153 (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. August 2017, GZ 133 R 73/17h 3, womit der Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts vom 14. Juli 2016, GZ Nm 50/2013 10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der österreichischen Wortbildmarke AT 180153 mit der Priorität 30. 9. 1998. Diese (Individual )Marke ist für die Warenklasse 29 („entsprechend den der VO (EG) Nr. 1263/96 [betreffend geschützte geografische Angaben – g.g.A.] zugrundeliegenden Spezifikationen hergestelltes Kürbiskernöl“) eingetragen und hat folgendes Aussehen:

Die Antragsgegnerin hat den Verein „Gemeinschaft *****“ (in der Folge: Verein) mit Gestattungsvertrag aus 2006 dazu ermächtigt, ihre Marke für die Vermarktung von Kürbiskernöl, das entsprechend den der VO (EG) Nr 1263/96 zugrundeliegenden Spezifikationen als Steirisches Kürbiskernöl g.g.A. hergestellt wurde, kostenlos zu benutzen. Nach diesem Vertrag hat der Verein seinerseits Kontrollverträge mit Vertragspartnern (das sind Produzenten von steirischem Kürbiskernöl) abzuschließen, um diesen die Benutzung der Marke zu gestatten. Mit dem Vertragsabschluss unterwerfen sich die Mitglieder dem Kontrollsystem für das Steirische Kürbiskernöl g.g.A. Dem Verein sind die Marketingplanung sowie Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen und die Herkunfts- bzw Qualitätskontrolle vorbehalten. An die Vertragspartner werden im Zuge eines Kontrollsystems unter anderem Banderolen ausgegeben, die sofort nach dem Abfüllen des Kürbiskernöls an den Flaschen bzw Gebinden anzubringen sind. Die Banderolen weisen die angegriffene Marke sowie das Unionszeichen für geschützte geografische Angaben („g.g.A.“) auf, das die Marke teils verdeckt, sodass sich folgendes Aussehen der Banderole ergibt:

Die Antragstellerin begehrt – gestützt auf § 33a MSchG – die Löschung der angegriffenen Marke, weil sie in Bezug auf die eingetragene Ware weder von der Markeninhaberin noch mit deren Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichnungsmäßig gebraucht werde. Weder die Markeninhaberin noch der Verein verkauften steirisches Kürbiskernöl. Die angegriffene Marke werde in abgewandelter Form verwendet, wobei die Abwandlung darin bestehe, dass das Unionszeichen für geschützte geografische Angaben aufgenommen worden sei. Der Wortbestandteil der Marke sei identisch mit der geschützten geografischen Angabe, beschreibe somit bloß die Ware und trage daher nichts zur Herkunftsfunktion der Marke bei. Die Marke könne allenfalls infolge ihres Bildbestandteils unterscheidungskräftig sein, der allerdings durch die Aufnahme des Unionszeichens für geschützte geografische Angaben in die Banderole stark beeinträchtigt worden sei. Das Unionszeichen ziehe aufgrund seiner markanten Farbgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, und die angegriffene Marke werde im Wesentlichen nur als Gattungszeichen wahrgenommen und verwendet.

Die Antragsgegnerin bestritt die Berechtigung des Löschungsantrags und beantragte die Verhängung eines Entschädigungsbetrags wegen mutwilliger Prozessführung. Der Gestattungsvertrag aus 2006 erlaube dem Verein, die Marke im Geschäftsverkehr für entsprechende Kommunikationsmaßnahmen und für die Vermarktung von Steirischem Kürbiskernöl g.g.A. laut der Spezifikation gemäß VO (EG) Nr 2081/1992 bzw VO (EG) Nr 510/2006 kostenlos zu verwenden. Nur Vertragspartner des Vereins mit gültigen Kontrollverträgen dürften die Marke verwenden, eine gebührenpflichtige Weitergabe an Vertriebspartner sei untersagt. Die Marke verliere durch ihre gemeinsame Verwendung mit dem Unionszeichen für geschützte geografische Angaben nicht an Unterscheidungskraft, dieses habe vielmehr nur einen beschreibenden Charakter, der darauf hinweise, dass die so gekennzeichneten Waren gemäß der Spezifikation für geschützte geografische Angaben hergestellt worden seien. Die Antragsgegnerin sowie ihre Lizenznehmer seien verpflichtet, zur Kennzeichnung ihrer Ware dieses gesetzliche Gütesiegel der EU zu verwenden. Die Benutzung der Marke in der „abgewandelten“ Form schade ihrem kennzeichenmäßigen Charakter nicht.

Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts wies den Löschungsantrag sowie den Antrag auf Verhängung eines Entschädigungsbetrags (letzteren rechtskräftig) ab. Die Marke sei in Österreich über den relevanten Zeitraum für die im Register eingetragene Ware kennzeichnungsmäßig und ernsthaft benutzt worden. Das Unionszeichen für geschützte geografische Angaben werde von den Konsumenten nicht als eigenständige Marke wahrgenommen, sondern vielmehr als ein zusätzlich angebrachter Hinweis auf die Qualität der durch die Marke gekennzeichneten Waren. Die Auftraggeberin habe der Öffentlichkeit durch Informationsmaterialien Zweck und Aufgabe des Unionszeichens für geschützte geografische Angaben näher gebracht und die Konsumenten darüber informiert, dass dieses Zeichen als Gütesiegel zu verstehen sei. Zu berücksichtigen sei, dass das Zeichen gerade für die Ware „Steirisches Kürbiskernöl g.g.A.“ registriert sei. Anbieter dieser Ware seien dazu verpflichtet, das EU Gütesiegel an ihrer Ware anzubringen. Möge dem Konsumenten aufgrund der Benutzung der Marke ausschließlich in Kombination mit dem Unionszeichen für geschützte geografische Angaben auch nicht bewusst sein, dass dieses nicht Bestandteil der registrierten Marke sei, ergebe sich jedoch aus den zahlreichen Unterlagen, in denen das Gütesiegel hervorgehoben und seine Bedeutung erklärt werde, dass die Konsumenten das Gütesiegel als solches erkennen und es nur als Hinweis auf die Qualität des so gekennzeichneten Produkts verstünden. Die eingetragene Marke sei somit auch in ihrer um das Unionszeichen für geschützte geografische Angaben erweiterten Form das Unterscheidungselement. Die Benützung der Marke in Kombination mit dem EU-Gütesiegel beeinflusse ihre Unterscheidungskraft nicht und sei der Benutzung der Marke in der registrierten Form gleichzusetzen. Auch stehe die mögliche Wahrnehmung des Zeichens als Gütesiegel einer markenmäßigen Kennzeichnung nicht entgegen.

Das Berufungsgericht gab dem Löschungsantrag statt und sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu mit einem Lizenzvertragssystem verbundenen Individualmarken höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu C 689/15, Gözze , setze die ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung einer Marke voraus, dass diese Gewähr dafür biete, dass alle mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden seien, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden könne. Habe eine Individualmarke hingegen nur die Funktion eines Gütezeichens und nicht die Funktion zu garantieren, dass die Waren aus einem einzigen Unternehmen stammen, liege keine der Funktion als Herkunftshinweis entsprechende Benützung vor.

Nach diesen Grundsätzen sei eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens der Antragsgegnerin als Marke zu verneinen. Aus der Vertragslage zwischen der Markeninhaberin und dem Verein könne nicht abgeleitet werden, dass der Verbraucher darüber informiert werde, dass die gekennzeichnete Ware unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sei, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden könne, weil die Anbringung des Zeichens auf den Waren nur die Funktion eines Gütezeichens habe. Die Organisation und die Art der Benutzung des Zeichens erfülle somit nicht die Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware zu garantieren. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Individualmarke als Gütezeichen verwendet und auch so vom Verbraucher/Endabnehmer wahrgenommen werde. Der Verbraucher/Endabnehmer sehe im Zeichen nur einen Hinweis für eine bestimmte, kontrollierte Qualität und/oder ein Herstellungsverfahren, das örtlich eingegrenzt sei. Er wisse aber, dass die Ware von mehreren (vielen) Unternehmen, die auch für die Qualität verantwortlich gemacht werden könnten, erzeugt und auch im eigenen Namen vertrieben werde. Die Zuordnung/Verknüpfung zu einem einzigen Unternehmen, nämlich der Antragsgegnerin oder auch dem nutzungsberechtigten Verein, könne durch diese Art der Verwendung nicht hergestellt werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Löschungsantrag abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1.1. Nach § 33a Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tag der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt wurde.

1.2. Eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung setzt voraus, dass die Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion als Ursprungsgarantie eingesetzt wird (RIS Justiz RS0123519 [T1]; zur Herkunftsfunktion der Marke vgl RS0118396; EuGH C 40/01, Ansul BV , Rn 43; EuGH C 259/02, La Mer , Rn 27).

2. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, hat der EuGH erst jüngst in der Entscheidung C 689/15, Gözze , zur Nutzung einer Individualmarke, deren Verwendung im Rahmen eines Lizenzsystems Dritten gestattet worden ist, zu Art 15 VO (EG) 207/2009 (UMV) ausführlich Stellung genommen. Anlassfall dieser Entscheidung war eine Individualmarke, die vom Markeninhaber nicht selbst verwendet, sondern über Lizenzverträge Dritten zur Verfügung gestellt wurde. Die lizenzierten Unternehmer verwendeten die Marke ihrerseits als Gütesiegel, um die von der Markeninhaberin kontrollierte Qualität der in ihren Waren verarbeiteten Produkte zu kennzeichnen. Der EuGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass die Benutzung einer Individualmarke in einer Weise, die zwar die Zusammensetzung oder die Qualität der Waren oder Dienstleistungen gewährleistet, den Verbrauchern aber nicht garantiert, dass die Waren oder Dienstleistungen aus einem einzigen Unternehmen stammen, unter dessen Kontrolle sie hergestellt oder erbracht werden und das infolgedessen für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann, keine der Funktion als Herkunftshinweis entsprechende Benutzung ist (Rn 45).

3.1. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem vom EuGH entschiedenen vergleichbar: Die Antragsgegnerin stellt die angegriffene Marke über einen Verein einer großen Zahl an Produzenten steirischen Kürbiskernöls zur Verfügung, die sich in Lizenzverträgen verpflichten, die vorgegebenen Produktionskriterien für der geschützten geografischen Angabe „Steirisches Kürbiskernöl“ entsprechende Öle unter Kontrolle der Antragsgegnerin einzuhalten. Im Gegenzug sind die Produzenten berechtigt, die Marke auf ihren eigenen Erzeugnissen anzubringen.

3.2. Zutreffend ist das Berufungsgericht bei diesem Sachverhalt zum Ergebnis gelangt, dass unter diesen Umständen die angegriffene Marke nicht entsprechend ihrer Hauptfunktion als Garantie für die Herkunft der Erzeugnisse aus einem einzigen Unternehmen, sondern als bloße Gewährleistung einer bestimmten Produktqualität benutzt wird, was für eine ernsthafte kennzeichenmäßige Nutzung nicht ausreicht (vgl idS auch Majchrzak , ÖBl 2017, 289), zumal § 33a MSchG richtlinienkonform nach (dem Art 15 UMV entsprechenden) Art 16 der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) zu interpretieren ist (vgl 4 Ob 203/17g).

3.3. Den Ausführungen der Revision zur geschützten geografischen Angabe ist entgegen zu halten, dass das Berufungsgericht dem Löschungsantrag nicht deshalb stattgegeben hat, weil durch das zusätzlich angebrachte Rundsiegel mit dem Aufdruck „Geschützte geografische Angabe“ eine vom Registerstand abweichende, nicht mehr kennzeichnende Benutzung (vgl dazu RIS Justiz RS0121289) vorgelegen sei, sondern weil sie nicht ihrer Hauptfunktion entsprechend als Ursprungsgarantie verwendet wurde. Die Frage der betrieblichen Kennzeichnungsfunktion des Unionszeichens für geschützte geografische Angaben ist daher im gegebenen Zusammenhang ohne Relevanz.

3.4. Ebenso irrelevant ist der Einwand der Revisionswerberin, anders als nach dem der Entscheidung C 689/15, Gözze , zugrundeliegenden Sachverhalt habe sie sich hier die Kontrolle des Endprodukts vorbehalten. Denn wie sich aus der unstrittigen und daher dem Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden (vgl RIS Justiz RS0121557 [T3]) Urkunde Beilage ./I zu ./5 ergibt, bezieht sich die Kontrollfunktion der Antragstellerin nicht einmal auf eine bestimmte Qualität des Produkts, sondern nur auf die Einhaltung der gemäß VO (EG) 510/2006 iVm VO (EG) 1263/96 festgelegten Produktspezifikationen der g.g.A. „Steirisches Kürbiskernöl“. Damit erfüllt die Marke allenfalls die Voraussetzungen einer Verbandsmarke (vgl § 62 Abs 4 MSchG), wobei allerdings eine Umschreibung nicht in Betracht kommt (PBl 1980, 30; Salomonowitz in Kucsko/Schuhmacher , marken.schutz² § 11 Rz 14; vgl auch Zemann , ecolex 2017, 1001).

3.5. Weshalb die Rechtsprechung des EuGH nicht für Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten solle – wie von der Revisionswerberin vertreten –, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere aus § 16 MSchG ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass insoweit zu differenzieren wäre.

3.6. Das im Rechtsmittel vorgetragene Argument, die bekämpfte Rechtsprechung ziehe die Löschung einer Vielzahl anderer Marken nach sich, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Revisionswerberin ist nicht in ihrem bloß auf der Rechtsbeständigkeit anderer Marken beruhenden Vertrauen geschützt, wonach ihr Lizenzmodell den Anforderungen des § 33a MSchG entspreche. Darüber hinaus muss mit einer – hier ohnehin nicht vorliegenden – Änderung der Rechtsprechung stets gerechnet werden (vgl RIS Justiz RS0109026 [T1], [T2]). Der Löschungsantrag ist daher gerechtfertigt, weshalb die angefochtene Entscheidung zu bestätigen war.

4. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 50, 41 ZPO und § 23a RATG (Erhöhung der Entlohnung im elektronischen Rechtsverkehr für „weitere Schriftsätze“ von 2,10 EUR).

Rechtssätze
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