JudikaturJustiz4Ob232/06f

4Ob232/06f – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eduard M*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber, Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L.-HSG RechtsanwaltsgmbH in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert 21.000 EUR) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2006, GZ 3 R 83/06k-19, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. April 2006, GZ 21 Cg 105/05h-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gerichtete Rekurs der Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - nicht zulässig:

1. Der Kläger begehrt festzustellen, dass ihm die Beklagte für alle künftigen Folgen einer Fehlbehandlung nach einem Unfall hafte. Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab; das Berufungsgericht verneinte die Verjährung. Der Kläger als medizinischer Laie habe auf Grundlage des zunächst eingeholten Privatgutachtens weder auf die Fehlbehandlung zurückzuführende Dauerfolgen erkennen können, noch mit dem Eintritt künftiger, durch die Fehlbehandlung verursachter Schäden (Spätfolgen) rechnen müssen. Insbesondere habe sich die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Operation erst im Zuge des Vorprozesses durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben. Die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen der bis dahin nicht voraussehbaren Spätfolgen habe daher erst mit Zustellung des zweiten Gutachtens begonnen und sei im Zeitpunkt der Klageeinbringung noch nicht verstrichen gewesen. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass „eine erhebliche Rechtsfrage darin zu erblicken ist, ob auch im Falle der Anwendung der sog. gemäßigten Einheitstheorie bei gegebener Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage mit ihrer Einbringung bis zur Vorhersehbarkeit künftiger Teilschäden zugewartet werden darf".

2. Das Berufungsgericht nimmt damit auf die Rechtsprechung Bezug, wonach die dreijährige Verjährungsfrist nicht vor Eintritt eines ersten (Teil )Schadens (Primärschadens) zu laufen beginnt. Um der Verjährung schon vorhersehbarer weiterer Teilschäden vorzubeugen, muss der Geschädigte aber auch ein Feststellungsbegehren erheben; keines Feststellungsbegehrens bedarf es daher, wenn weitere Schäden bei objektiver Betrachtung nicht vorhersehbar sind (stRsp 2 Ob 2019/96t = SZ 69/55; 10 Ob 84/04g = SZ 2005/6 mwN). Die mangelnde Vorhersehbarkeit schließt nicht aus, dass ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung zu bejahen ist, weil es dafür genügt, dass weitere Schäden nicht mit Sicherheit (oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) auszuschließen sind (s 2 Ob 162/05w; 4 Ob 46/06b). Es gibt daher Grenzfälle, in denen ein Begehren auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden erhoben werden kann, weil ein rechtliches Interesse zu bejahen ist, aber nicht erhoben werden muss, um die Verjährung abzuwenden (2 Ob 180/66 = EvBl 1966/473; 8 Ob 594/89).

3. Ob die Verjährungsfrist auch für Ansprüche aus künftigen Schäden zu laufen begonnen hat, hängt damit davon ab, ob die Schäden vorhersehbar waren. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der - vom Fall krasser, hier nicht vorliegender und auch gar nicht behaupteter Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt.