JudikaturJustiz4Ob195/00f

4Ob195/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klaus E*****, vertreten durch Dr. Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 193.848,-- S sA, über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Mai 2000, GZ 4 R 119/00g-82, mit dem die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2000, GZ 8 Cg 119/97v-72, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird die Sachentscheidung über die Berufung des Klägers aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt von der Beklagten primär auf Grund eines Beratungs-/Werkvertrags das vereinbarte Entgelt. In Erwiderung auf Einwendungen der Beklagten stützte er das Klagebegehren auch auf Schadenersatz nach § 87 UrhG, weil die Beklagte sein urheberrechtlich geschütztes Werk (Planungs-/Finanzierungsstudie) ohne seine Zustimmung verwendet (an Behörden übermittelt) habe.

Das Erstgericht befand in seinem Urteil vom 6. 2. 2000 (ON 72) die Klageforderung zum Teil, die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung der Beklagten für nicht berechtigt und sprach dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens einen Teil der Klageforderung (und anteilige Prozesskosten) zu. Das Urteil wurde dem Vertreter des Klägers am 3. 3. 2000 (jenem der Beklagten am 6. 3. 2000) zugestellt. In der Folge fasste das Erstgericht von Amts wegen (ein Parteiantrag ist nicht aktenkundig) den als "Urteilsergänzung" übertitelten Beschluss vom 17. 3. 2000 (ON 73), mit dem es ohne mündliche Verhandlung das Urteil ON 72 (auf der letzten Seite im vorletzten Absatz) folgendermaßen "ergänzte":

"In ON 5 Pkt 14 und 15 hat der Kläger zwar gemeint, die Beklagte müsse seine Honorarnote schon deshalb bezahlen, weil sie sein urheberrechtlich geschütztes Werk vereinbarungswidrig verwendet habe. Mit der Verwendung der Studie beim Land Tirol und der Stadt Kitzbühel war indes der Kläger einverstanden. Deshalb war die Studie allgemein verständlich zu halten. Diese Auftragsprämisse ergab letztlich auch den vom Gericht anerkannten - relativ hohen - Stundenaufwand. Was schließlich die Replik der verspäteten Mängelrüge anlangt, so lag eine Verfristung weder nach § 377 HGB (Werkvertrag) noch nach § 933 ABGB (die Studie betraf eine unbewegliche Sache) vor. Ohnehin durfte der Kläger nur die laut Auftrag geleisteten Stunden verrechnen.

Gründe:

Das Urteil (wohl gemeint: der Erstrichter) legt Wert auf eine gestraffte Darstellung. Aus einem offensichtlichen Versehen heraus unterblieben jedoch obige - dem Kapitel rechtliche Beurteilung zugehörige - Ausführungen."

Dieser Beschluss wurde den Parteien(vertretern) am 24. 3. 2000 zugestellt.

Während die Beklagte ihre Berufung gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils am 30. 3. 2000 zur Post gab, überreichte der Klagevertreter die Berufung gegen den klageabweislichen Teil des Ersturteils erst am 14. 4. 2000.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als verspätet zurück. Der erstinstanzliche Beschluss sei weder eine Ergänzung des Urteils im Sinn des § 423 ZPO, noch eine Urteilsberichtigung im Sinn des § 419 ZPO. Demnach sei er nach den Bestimmungen der ZPO unzulässig, wäre als nichtig anzusehen und könne jedenfalls keinen Einfluss auf den Lauf der Berufungsfrist nehmen. Eine Ergänzung des Urteils im Sinne des § 423 ZPO hätte vorausgesetzt, dass ein Anspruch, über den zu entscheiden gewesen wäre, übergangen oder ein Kostenbegehren nicht oder nur unvollständig erledigt worden wäre; beides sei nicht der Fall. Für den Standpunkt des Klägers wäre auch dann nichts zu gewinnen, wenn ein eigentliches Ergänzungsurteil vorläge. Ein solches sei nämlich wie ein Endurteil selbständig anfechtbar. Da das Ergänzungsverfahren einen selbständigen Streitgegenstand betreffe, beeinflusse es das Rechtsmittelverfahren hinsichtlich des ursprünglichen Urteils grundsätzlich nicht.

Eine Berichtigung im Sinne des § 419 ZPO hätte zur Voraussetzung gehabt, dass ein Schreib- und Rechnungsfehler oder eine offenbare Unrichtigkeit des ursprünglichen Urteils berichtigt worden wäre. Da eine Berichtigung nur offenbare Fehler beseitige, berühre sie den eigentlichen Urteilsinhalt nicht und könne auch nicht den Umfang der Rechtskraftwirkung des Urteils ändern. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht im Urteil übersehen, dass das Klagebegehren auch auf einen anderen Rechtsgrund gestützt worden sei. Es habe aus diesem Grund jegliche diesbezügliche Begründung unterlassen. Dies könne nicht als mangelhafter Ausdruck eines an sich sonst klaren Willens des Erstgerichts angesehen werden; vielmehr deckten sich der Wille und die Erklärung des Erstgerichts und liege damit ein Gerichtsfehler vor, dessen Berichtigung nicht nach § 419 ZPO möglich sei. Im Übrigen wäre auch dann, wenn der Beschluss des Erstgerichts auf Urteilsergänzung noch als zulässige Berichtigung anzusehen wäre, für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen. Zwar beginne nach der Rechtsprechung die Rechtsmittelfrist gegen das berichtigte Urteil erst mit der Zustellung der berichtigten Entscheidung neu zu laufen, dies gelte aber dann nicht, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben hätte können. Im vorliegenden Fall habe der Kläger keinen Zweifel über das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts haben können, auch wenn die Begründung dafür unterblieben sei, weshalb sein Einwand (richtig: seine Klagebehauptung), die Beklagte müsse die Honorarnote schon deshalb begleichen, weil sie das urheberrechtlich geschützte Werk des Klägers vereinbarungswidrig verwendet habe, nicht erfolgreich sei. Eine neue Tatsachenfeststellung, mit welcher der "wirkliche Inhalt des richterlichen Ausspruchs" im Urteil geändert worden wäre, sodass bei zulässiger Berichtigung tatsächlich eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen hätte, könne dem Beschluss auf "Urteilsergänzung" nicht unterstellt werden, werde doch ausdrücklich angeführt, dass die Ergänzung dem Kapitel "rechtliche Beurteilung" zugehöre. Der Satz "mit der Verwendung der Studie beim Land Tirol und der Stadt Kitzbühel war indes der Kläger einverstanden" müsse daher als Prämisse der rechtlichen Beurteilung ohne Tatsachensubstrat angesehen werden und könne demnach den Kläger nicht belasten. Wegen Ablaufs der von der ursprünglichen Urteilszustellung an laufenden Berufungsfrist sei die Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässige Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Mit dem von ihm so genannten "Urteilsergänzungsbeschluss" hat das Erstgericht zunächst ohne Änderung des Urteilsspruchs die im Urteil vom 6. 2. 2000 (möglicherweise versehentlich) unterlassene Begründung für das Nichtvorliegen eines auf § 87 UrhG gegründeten Schadenersatzanspruchs nachgetragen, sich dabei allerdings nicht auf die rechtliche Beurteilung der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen beschränkt, sondern - im Sinne der zutreffenden Rekursausführungen, entgegen dem Standpunkt der Vorinstanz(en) - auch die zusätzliche Feststellung getroffen, der Kläger habe der Verwendung seines Gutachtens (seiner Studie) durch die Beklagte vor den genannten Ämtern zugestimmt. Andererseits hat das Erstgericht in diesem Beschluss aber auch die Begründung für die mangelnde Verspätung des Verfristungseinwands der Beklagten nachgeholt. Wenngleich nach der im Grunde zutreffenden Ansicht der Vorinstanz weder ein berichtigungsfähiger Urteilsmangel im Sinn des § 419 ZPO, noch die Voraussetzungen (insbesondere ein Parteienantrag) für eine Urteilsergänzung gemäß § 423 ZPO vorgelegen sein mochten, kann doch im vorliegenden Fall nicht übersehen werden, dass beide Parteien den ihnen am 24. 3. 2000 zugestellten Beschluss des Erstgerichtes nicht bekämpften, weshalb dieser Beschluss in Rechtskraft erwuchs und ungeachtet der mangelnden gesetzlichen Deckung in den §§ 419 und/oder 423 ZPO letztlich doch eine "Berichtigung/Ergänzung" des Urteils ON 72 bewirkte. Da aber nach der Rechtsprechung die Rechtsmittelfrist erst dann beginnt, wenn die Parteien volle Klarheit über den Inhalt der Entscheidung haben (1 Ob 392/97x mwN; uva), begann für den Kläger hier die Berufungsfrist erst mit der Zustellung des "Ergänzungs-/Berichtigungsbeschlusses" am 24. 3. 2000 (eine berichtigte Urteilsausfertigung wurde gar nicht zugestellt) zu laufen. Die Berufung des Klägers ist demnach nicht verspätet, weshalb sie vom Berufungsgericht in der Sache zu behandeln sein wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.