JudikaturJustiz3Ob72/22t

3Ob72/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter der Exekutionssache der betreibenden Partei S*, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die verpflichtete Partei St*, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen (richtig:) 114.125,95 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. Februar 2022, GZ 1 R 208/21i 21, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 28. Jänner 2020, GZ 8 E 140/20d 2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Abweisung des Exekutionsantrags betreffend die Exekutionstitel über den Betrag von 4.239,33 EUR (aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 16. August 2004) und über 1.814,96 EUR (aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 19. März 2008) richtet, zurückgewiesen.

II. Soweit der außerordentliche Revisionsrekurs die Exekutionstitel über 27.181,43 EUR (Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. Juli 2004), über 24.710,94 EUR (Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Oktober 2007) und über 10.591,31 EUR (Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 1. September 2008) betrifft, wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

III. Im Übrigen, soweit der Revisionsrekurs sich auf den Exekutionstitel über 45.587,98 EUR (Urteil des Landgerichts Köln vom 11. April 2008) bezieht, wird er gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Mit Antrag vom 15. Jänner 2020 begehrte der Betreibende gegen die Verpflichtete die Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung zur Hereinbringung von vollstreckbaren Forderungen in der Höhe von insgesamt 97.480,35 EUR sA auf den 3/8-tel Anteilen der Verpflichteten an der Liegenschaft EZ *. Als Exekutionstitel führte der Betreibende folgende ausländische Titel an: Das Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. Juli 2004 zu 9 O 355/03 (27.181,43 EUR sA), den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 16. August 2004 zu 9 O 355/03 (4.239,33 EUR sA), das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Oktober 2007 zu 16 O 414/03 (24.710,94 EUR sA), den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 19. März 2008 zu 16 O 414/03 (1.814,96 EUR sA), das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. April 2008 zu 16 O 96/03 (45.587,98 EUR sA), und den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 1. September 2008 zu 16 O 96/03 (10.591,31 EUR sA). Der Betreibende verwies auf die den Titeln jeweils angeschlossenen Bescheinigungen nach Art 54 und 58 EuGVVO sowie auf den Abtretungsvertrag vom 25. März 2019, mit dem St* und C* R* ihre Forderungen aus den genannten Titeln an ihn abgetreten hätten; der Abtretungsvertrag, sämtliche Exekutionstitel und die Bescheinigungen befänden sich bereits beim Erstgericht.

[2] Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Exekutionsantrag ab.

[4] Die Verpflichtete habe bescheinigt, dass sie keinen Wohnsitz im Inland habe und dass ihr die Exekutionsbewilligung weder zugestellt noch – entgegen der Aktenlage – tatsächlich zugekommen sei. Der somit rechtzeitige Rekurs sei berechtigt, weil der Verpflichtete seinen Antrag auf Exekutionstitel gestützt habe, die noch im Anwendungsbereich der EuGVVO alt ergangen seien. Mangels einer Vollstreckbarerklärung seien diese ausländischen Titel daher (derzeit) keine tauglichen Exekutionstitel. Eine Verbesserung komme wegen des bücherlichen Rangs nicht in Betracht. Der Abtretungsvertrag enthalte außerdem keinen Rechtsgrund der Zession und der Exekutionsantrag sei auch deswegen abzuweisen.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Betreibenden wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss wegen Nichtigkeit aufzuheben, im stattgebenden Sinn abzuändern oder (hilfsweise) aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs ist teilweise absolut unzulässig, teilweise ist die Vorlage verfrüht und im Übrigen ist er mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[7] 1. Wird auf Grund mehrerer Exekutionstitel zur Hereinbringung verschiedener Forderungen Exekution geführt, so werden die einzelnen Ansprüche bei Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses gesondert behandelt, auch wenn die dem Titel zu Grunde liegenden Forderungen in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehen (RS0002316). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil der Betreibende seinen Exekutionsantrag auf die fünf näher bezeichneten ausländischen Urteile und Beschlüsse stützte.

Zu I.:

[8] 1.1 Ein Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO (iVm § 78 EO) jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR nicht übersteigt. Auch ein Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht nach § 508 Abs 1 ZPO iVm § 528 Abs 2a ZPO kommt in diesen Fällen nicht in Betracht. Soweit der Revisionsrekurs daher die beiden im Spruch zu I. genannten, jeweils weniger als 5.000 EUR betragenden Forderungen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 16. August 2004 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 19. März 2008 betrifft, ist er daher jedenfalls unzulässig.

Zu II.:

[9] 2.1 Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO iVm § 78 EO ist der Revisionsrekurs unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand – wie hier im Bezug auf die beiden Forderungen aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. Juli 2004, dem Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Oktober 2007 und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 1. September 2008 – an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 ZPO und § 78 EO den Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde.

[10] 2.2 Das Erstgericht wird daher das insoweit als Abänderungsantrag zu wertende Rechtsmittel des Betreibenden (betreffend die drei genannten Exekutionstitel) dem Rekursgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO (iVm § 78 EO und § 528 Abs 2a ZPO) entspricht oder einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Zu III.:

[11] 3.1 Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, ist also sachlich zu erledigen, solange nicht seine Verspätung eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit im Sinn verbleibender Zweifel an der Verspätung wirkt somit zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RS0006965 [insb T17]).

[12] 3.2 Der Revisionsrekurswerber behauptet selbst nicht, dass die Verpflichtete zum Zeitpunkt der Zustellung der erstinstanzlichen Bewilligung der Exekution einen Wohnsitz im Inland gehabt hätte. Wenn er meint, die Verpflichtete habe wegen der Sicherstellung der Exekution im Grundbuch Kenntnis vom Exekutionsverfahren gehabt, so übersieht er, dass selbst die (bloße) Akteneinsicht – und daher ebenso eine allfällige Kenntnis von einem Verfahren oder einer Entscheidung – die Zustellung nicht ersetzen kann (vgl RS0006064). Das Rekursgericht hat hier als bescheinigt angenommen, dass der Verpflichtete den Beschluss entgegen der Aktenlage, laut der die Empfängerin die Sendung persönlich behoben haben sollte, nicht tatsächlich zugekommen ist. An der Rechtzeitigkeit ihres Rekurses ist daher nicht zu zweifeln und die Entscheidung des Rekursgerichts insofern nicht zu beanstanden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zeigt der Revisionsrekurs in diesem Zusammenhang nicht auf.

[13] 4.1 Soweit der Betreibende seinen Antrag auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. April 2008 zu 16 O 96/03 stützt, handelt es sich um ein Titelverfahren, das vor dem 10. Jänner 2015 eingeleitet wurde. Daher ist die EuGVVO 2000 anzuwenden (Art 66 Abs 1 EuGVVO 2012). Eine – wie der Revisionsrekurswerber meint – Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts ist in diesem Punkt nicht erkennbar. Ebenso wenig wird in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen.

[14] 4.2 Auf Basis eines Exekutionstitels, der noch im Anwendungsbereich der EuGVVO aF erging, kann in Österreich erst nach Vollstreckbarerklärung Exekution geführt werden. Aus § 2 Abs 2 EO aF ergibt sich nämlich im Umkehrschluss, dass Titel aus anderen Mitgliedstaaten, die einer Vollstreckbarerklärung bedürfen, inländischen Titeln nicht gleichgestellt sind (vgl 3 Ob 58/17a). Die Bescheinigungen nach den Art 54 und Art 58 EuGVVO können eine Vollstreckbarerklärung nicht ersetzen, weil diese Bestimmungen auf den Exekutionstitel nicht anwendbar sind. Auch in diesem Punkt ist die Entscheidung des Rekursgerichts damit nicht korrekturbedürftig.

[15] 5.1 Grundsätzlich können Mängel des Exekutionsantrags dann nicht iSd § 54 Abs 3 EO zum Gegenstand eines Verbesserungsverfahrens gemacht werden, wenn die Möglichkeit einer Rangverschiebung besteht (RS0002312; RS0105081). Seit der im Grundbuchsverfahren durch die mit 1. Jänner 2009 geschaffene Verbesserungsmöglichkeit gemäß § 82a GBG (GBNov 2008, BGBl I 2008/100) kann auch im Liegenschaftsexekutions-verfahren grundsätzlich eine rangwahrende Verbesserung erfolgen. Nach § 82a Abs 2 GBG ist es als verbesserbares Formgebrechen insbesondere anzusehen, wenn dem Antrag eine für die Erledigung erforderliche Urkunde nicht oder, falls dies vorgeschrieben ist, nicht in Urschrift angeschlossen ist. Nach § 82a Abs 2 zweiter Satz GBG können allerdings Urkunden nur nachgereicht werden, wenn sie bereits im Zeitpunkt des ersten Einlangens des Antrags in der Form errichtet waren, die für die begehrte Eintragung erforderlich ist. Gleiches muss daher ebenso im Exekutionsverfahren gelten, weil auch hier verhindert werden muss, dass sich der Gläubiger einen Rang sichert und die Urkunde (etwa eine Vollstreckbarkeitsbestätigung) erst während des Verbesserungsverfahrens einholt (vgl 3 Ob 155/09d = RS0125469; dazu auch Jakusch in Angst / Oberhammer , EO 3 § 54 Rz 54 f). Eine bereits vorhandene, nur nachzureichende Vollstreckbarerklärung des vorgelegten Titels behauptet der Betreibende nicht. Der vom Erstgericht insoweit erteilte Verbesserungsauftrag ist unbefolgt geblieben.

[16] 5.2 Da der Betreibende selbst nicht behauptet, für den Exekutionstitel (Urteil des Landgerichts Köln vom 11. April 2008 zu 16 O 96/03 über 45.587,98 EUR) einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt (bzw ein Exequatur-Verfahren geführt) zu haben, erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob der Abtretungsvertrag iSd § 9 EO hinreichend ist, um seine Berechtigung zur Exekutionsführung zu rechtfertigen.

[17] 6. Insgesamt vermag der Revisionsrekurs damit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.