JudikaturJustiz3Ob515/51

3Ob515/51 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 1951

Kopf

SZ 24/258

Spruch

Eine Erbschaftsklage setzt nicht die Feststellung der Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens voraus.

Eine Anerbeneinsetzung ist als Einsetzung zum Alleinerben anzusehen, wenn im Zeitpunkt der Testamentserrichtung erbhoffreies Vermögen in größerem Ausmaß nicht vorhanden war.

Entscheidung vom 3. Oktober 1951, 3 Ob 515/51.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Mutter der beiden Kläger starb am 26. Mai 1947 mit Hinterlassung eines Testamentes vom 20. September 1944, in welchem sie den Beklagten zum Anerben bestimmte. Außer dem Hof war ein Nachlaß im Werte von 3260 S vorhanden, dem Passiven von 7331 S gegenüberstanden. Der bestimmte Anerbe wurde mit Zustimmung seiner sechs Geschwister zum Alleinerben erklärt und ihm der Nachlaß zur Gänze eingeantwortet. Als Pflichtteil hatte der Beklagte nach dem Inhalt des Abhandlungsaktes einen Betrag von nicht ganz 4000 S zu bezahlen, an dessen Stelle die Pflichtteilsberechtigten auch bestimmte Mengen Holz begehren konnten.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger 1. die Feststellung, daß das Verlassenschaftsverfahren einschließlich der Einantwortung und der Verbücherung nichtig sei, 2. die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes zu je 1/7 an der Nachlaßliegenschaft, in eventu die Zahlung eines Betrages von je 113.975 S. Das Verlassenschaftsverfahren sei deshalb nichtig, weil es nicht vom bestellten Gerichtskommissär, sondern von dem damals suspendierten Notar Dr. R. durchgeführt worden sei. Den Erben sei auch die unrichtige Rechtsbelehrung erteilt worden, daß der Anerbe Alleinerbe sei. Tatsächlich hätte aber die Anerbenbestimmung keine andere Wirkung als die Einräumung eines Aufgriffsrechtes gehabt. Die gesetzlichen Erben hätten sich daher zu Unrecht mit dem Pflichtteile begnügt. Die Abhandlung sei aber auch deshalb ungültig, weil der Beklagte auch als Bevollmächtigter seiner Schwester eingeschritten sei, obwohl Interessenkollision vorgelegen sei. Die Erben hätten daher ihren gesetzlichen Erbteil in der Höhe von rund 114.000 S zu fordern. Aber selbst wenn es richtig wäre, daß die übrigen gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil gesetzt worden sind, läge eine Pflichtteilsverletzung vor, da sie nach dem Werte des Nachlasses als Pflichtteil je 56.000 S zu erhalten gehabt hätten.

Dem Verfahren haben sich auf der geklagten Seite die Notare Dr. H., der damalige Gerichtskommissär, und Dr. R. als Nebenintervenienten angeschlossen.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren zur Gänze ab. Die Voraussetzungen des § 228 ZPO. seien wohl gegeben, das Feststellungsbegehren sei aber inhaltlich nicht berechtigt. Alle Mängel des Verlassenschaftsverfahrens seien durch die rechtskräftige Einantwortung geheilt. Eine Korrektur sei nur im Wege der Klage nach § 823 ABGB. möglich. Im übrigen seien die vorgebrachten Nichtigkeitsgrunde nicht gegeben. Aber auch das Leistungsbegehren sei verfehlt. Dem geringen erbhoffreien Vermögen ständen weitaus höhere Passiven gegenüber, es müsse daher die Anerbenbestimmung als Einsetzung eines Alleinerben angesehen werden. Für eine Umdeutung zu einem Aufgriffsrecht liege kein Grund vor. Soweit aber die Pflichtteilsergänzung begehrt werde, stehe diesem Begehren das Erbübereinkommen im Verlassenschaftsverfahren entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird geltend gemacht, daß die Nichtanwesenheit des Gerichtskommissärs Dr. H. bei der Verlassenschaftsabhandlung nicht festgestellt worden sei, die Urkunde vom 15. Jänner 1947 über die Aufteilung des Vermögens durch die Erblasserin nicht berücksichtigt worden sei und daß die Werte zur Pflichtteilsberechnung nicht festgesetzt worden seien. Bei den ersten beiden sogenannten Mängeln handelt es sich überhaupt nicht um Mängel des Verfahrens, sondern um eine unrichtige rechtliche Beurteilung und einen sich daraus ergebenden Feststellungsmangel. Die Feststellung des Wertes des Nachlasses erweist sich aber aus rechtlichen Gründen als überflüssig.

Als Aktenwidrigkeit wird die Feststellung gerügt, im Verlassenschaftsprotokoll sei ein Übereinkommen oder ein Vergleich geschlossen worden. Kein Wort im Abhandlungsakte deute auf irgendeinen Vergleich. Abgesehen davon, daß es sich hiebei um eine rechtliche Beurteilung und nicht um eine tatsächliche Feststellung handelt, sprechen die Kläger in dem Schreiben ihres Vertreters vom 5. November 1950 selbst von einem Erbübereinkommen. Diese angebliche Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor. Die weiter geltend gemachte Aktenwidrigkeit, daß das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, die Kläger seien bei der Wertberechnung vom heutigen Werte ausgegangen, ist aus rechtlichen Gründen bedeutungslos.

Das Berufungsgericht hat den festgestellten Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt. Die Klage stellt sich im Leistungshauptbegehren als Erbschaftsklage nach § 823 ABGB. dar. Diese Erbschaftsklage setzt eine rechtskräftige Einantwortung voraus. Um mit dieser Klage durchzudringen, besteht kein Bedürfnis, die Nichtigkeit des Verlassenschaftsverfahrens festzustellen. Im Gegenteil, im Falle der Nichtigkeit des Verlassenschaftsverfahrens wäre das Leistungsbegehren abzuweisen. Wesentlich für die Erbschaftsklage ist nur die Feststellung, daß der Kläger Erbe ist.

Gerade diese Feststellung wird aber in der Klage nicht begehrt. Die Voraussetzung des § 228 ZPO. für das Feststellungsbegehren liegt nicht vor.

Dieses Feststellungsbegehren ist aber auch sachlich nicht gerechtfertigt. Der Zweck des Verlassenschaftsverfahrens ist, den Nachlaß dem mutmaßlichen Erben einzuantworten. Eine neue Abhandlung findet nicht statt, auch wenn nach der Einantwortung eine letztwillige Verfügung entdeckt wird oder die Einantwortung an den Erben sich aus anderen Gründen als rechtsirrig erweist (§ 180 AußstrG.). Durch die Rechtskraft der Einantwortung werden Mängel des Abhandlungsverfahrens geheilt, es sei denn, daß sie eine absolute Nichtigkeit begrunden, wie z. B. wenn einer Person eingeantwortet worden wäre, die nicht berufen ist oder die keine Erbserklärung abgegeben hatte (3 Ob 136/51). Eine solche Nichtigkeit liegt aber nicht vor. Die tatsächlichen Verfahrensmängel wären durch die Rechtskraft der Einantwortung geheilt. Dies gilt sowohl für die angeblich unrichtige Rechtsbelehrung als auch für den Fall, als der bestellte Gerichtskommissär die Abhandlung nicht selbst durchgeführt hätte. Die Ausführungen der Revision über die angeblichen strafrechtlichen Tatbestände zeigen nur, daß sich die Kläger über diese Tatbestände nicht völlig im klaren sind. Ebenso verfehlt sind die Ausführungen über § 292 Abs. 2 ZPO. Denn die Kläger bekämpfen nicht eine unrichtige Beurkundung, sondern eine nach ihrer Meinung unrichtige Verfügung. Die Kläger sind sich auch über den Unterschied zwischen Erbrechtsklage und Erbschaftsklage nicht im klaren, vermengen die beiden Begriffe und kommen aus diesem Gründe zu unhaltbaren Ergebnissen. Dies beweist die Zitierung von Sperl, S. 838, welche Stelle nur von der Erbrechtsklage handelt und für die Erbschaftsklage bedeutungslos ist. Wie bereits ausgeführt, verlangt die Erbschaftsklage nicht die Vernichtung der Einantwortung, sondern setzt eine rechtskräftige Einantwortung voraus; denn Beklagter bei der Erbschaftsklage ist der Erbschaftsbesitzer, der die Erbschaft im Wege der Einantwortung erlangt hat. Wesentlich ist der Erbschaftsklage nur die Feststellung des Erbrechtes des Klägers, welche Feststellung deshalb erforderlich ist, da sonst dem Leistungsbegehren die Einantwortung entgegenstunde.

Zutreffend hat das Berufungsgericht aber auch ausgeführt, daß eine unrichtige Rechtsbelehrung nicht erteilt wurde. Gemäß § 9 des Gesetzes BGBl. Nr. 85/1947 sind letztwillige Anordnungen über den Erbhof als wirksam anzusehen, wenn sie mit dem nunmehr geltenden Rechte in Einklang zu bringen sind. Wie die Materialien zu diesem Gesetz ausführen, wird die letztwillige Bestimmung eines Anerben, wenn der Nachlaß im wesentlichen nur aus dem Erbhof besteht, als Einsetzung eines Universalerben im Sinne des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches auszulegen sein. Nur wenn erbhoffreies Vermögen im größeren Ausmaß vorhanden wäre, werde der bestimmte Anerbe in der Regel ein Erbe sein, dem hinsichtlich des Hofes ein Aufgriffsrecht zukommt, entsprechend dem Kärntner oder Tiroler Höferecht. Nur war hier außer dem Hof kein Vermögen vorhanden, da den sonstigen Aktiven - wenn man sie nicht überhaupt als Zubehör des Erbhofes betrachten wollte - weitaus höhere Passiven gegenüberstanden. Der Nachlaß bestand daher im wesentlichen aus dem Erbhof. Daß zur Zeit der Testamentserrichtung andere Voraussetzungen gegeben gewesen wären, wurde gar nicht behauptet. Bestand aber der Nachlaß nur aus dem Erbhof, so wurde der bestimmte Anerbe mit Recht als Alleinerbe angesehen. Dagegen spricht auch nicht die Beilage E, die nichts gegen die Annahme der Einsetzung eines Alleinerben enthält. Es liegt daher in diesem Falle kein Grund vor, die Anerbenbestimmung in ein Aufgriffsrecht umzudeuten.

Ist aber der Beklagte Alleinerbe, dann ist der Leistungsanspruch, soweit er die Herausgabe des gesetzlichen Erbteiles in natura oder als Entschädigungsbetrag begehrt, unberechtigt.

Die Kläger verlangen auch die Hälfte des von ihnen errechneten gesetzlichen Erbteils aus dem Titel der Pflichtteilsverkürzung. Diesem Begehren steht aber das im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens geschlossene Erbübereinkommen entgegen, nach welchem sich die Geschwister dahin geeinigt haben, daß jeder Pflichtteilsberechtigte 3994.90 S zu bekommen habe, statt welchen Betrages er auch eine bestimmte Menge Holz verlangen könne. Wenn die Revision darzutun versucht, daß hier ein Übereinkommen über die Höhe des Pflichtteiles nicht vorliege, so ist dies verfehlt. Dieses Vorbringen widerspricht den Parteiaussagen der Kläger, aus denen wohl zu entnehmen ist, daß nicht nur die Art der Berichtigung der Pflichtteile, sondern auch deren Höhe festgelegt werden sollte. Auf das dort enthaltene Vorbringen, der Beklagte habe sich auch zur Lieferung weiterer Holzmengen und anderer Naturalien verpflichtet, braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, da mit dieser Klage nicht die Lieferung von Naturalien, sondern Geld begehrt wurde und die Kläger nicht einmal behaupten, daß ihnen im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens ein höherer Geldbetrag zugestanden wurde. Bei diesem Erbübereinkommen handelt es sich um einen Vergleich, weil zweifelhafte Rechte, nämlich die Pflichtteilsrechte, deren Höhe mangels Schätzung des Nachlasses nicht feststand, bereinigt werden sollten. Die Kläger können nunmehr einen höheren Pflichtteil nicht begehren.