JudikaturJustiz3Ob41/95

3Ob41/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Michael J*****, vertreten durch Dr.Stefan Eigl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr.Günther Dobretsberger und Dr.Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1994, GZ 18 R 670/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 5.Juli 1994, GZ 15 C 14/93-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Zuge der von der beklagten Partei zur Hereinbringung der Forderung von S 157.935 sA geführten Fahrnisexekution wurden in der Wohnung des Verpflichteten verschiedene Gegenstände gepfändet; sie sind im Pfändungsprotokoll unter den Postzahlen 1 bis 30 verzeichnet und beschrieben.

Der am 18.7.1978 geborene Kläger erhob mit seiner pflegschaftsbehördlich genehmigten Klage gegen die Exekution Widerspruch, weil er Eigentümer der im Pfändungsprotokoll unter den Postzahlen 1 bis 9 und 11 bis 30 verzeichneten Gegenstände sei. Diese Gegenstände habe seine Mutter mit dem notariellen Schenkungsvertrag vom 29.12.1989 seinem Halbbruder geschenkt. Dieser habe sodann das Eigentum hieran mit dem ebenfalls in Form eines Notariatsakts errichteten, pflegschaftsbehördlich genehmigten Schenkungsvertrag vom 8.3.1993 an ihn übertragen. Die Übergabe sei jeweils durch die Schenkungsverträge und durch die ausdrückliche Erklärung des jeweiligen Geschenkgebers und Geschenknehmers, daß die Gegenstände nunmehr dem Geschenknehmer gehören sollen, erfolgt.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Mutter des Klägers nicht Eigentümerin der in der Klage genannten Gegenstände gewesen sei, weil ihr der Nachlaß nach ihrer Mutter nur an Zahlungsstatt überlassen worden sei und gemäß dem Protokoll über die Todfallsaufnahme nur Hausrat und Wohnungseinrichtungsgegenstände ohne besonderen Wert vorhanden gewesen seien. Sie hätte daher weder dem Halbbruder des Klägers, noch habe dieser dem Kläger das Eigentum an den gepfändeten Gegenständen übertragen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die Exekution bezüglich der im Pfändungsprotokoll unter den Postzahlen 1 bis 9 und 11 bis 30 angeführten Gegenständen für unzulässig zu erklären, ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Am 29.12.1989 schloß die Mutter des Klägers mit dessen Halbbruder in Form eines Notariatsaktes einen Schenkungsvertrag, mit dem sie dem Geschenknehmer diejenigen Gegenstände schenkte, die infolge Erbfolge nach ihrer Mutter auf sie übergegangen sind. Im Schenkungsvertrag wurde festgehalten, daß "die Übergabe bzw Übernahme der geschenkten Gegenstände in den tatsächlichen Besitz und Genuß des Geschenknehmers ... mit heutigem Tag mit Unterfertigung dieses Vertrages" erfolgt. Der Geschenknehmer studierte zur Zeit des Abschlusses des Schenkungsvertrages in Wien, wo er eine kleine Wohnung hatte. Die geschenkten Gegenstände verblieben in der in einem anderen Ort gelegenen Wohnung des Verpflichteten. Der Geschenknehmer kam nur in den Sommerferien in diese Wohnung.

Am 8.3.1993 schlossen der Halbbruder des Klägers und die Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin einen weiteren Schenkungsvertrag in Form eines Notariatsaktes ab, mit dem der Geschenkgeber dem Kläger die in einer Beilage zum Notariatsakt angeführten Gegenstände schenkte. Im Vertrag wird festgehalten, daß "Übergabe und Übernahme der vorstehenden Geschenkobjekte ... bereits erfolgt" sind. Die Beilage zum Notariatsakt enthält zumindest zum Teil die im Pfändungsprotokoll unter den Postzahlen 1 bis 9 und 11 bis 30 verzeichneten Gegenstände.

Weder die Mutter des Klägers noch dessen Halbbruder haben eine ausdrückliche Erklärung dahin abgegeben, daß die Gegenstände nunmehr dem Kläger gehören sollten.

Aufgrund der nicht strittigen Verfahrensergebnisse ist ferner anzunehmen, daß der Kläger der Sohn des Verpflichteten ist und daß er mit seiner Mutter, der Ehefrau des Verpflichteten, in der Wohnung lebt, in der die Gegenstände gepfändet wurden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Kläger zwar einen für den Erwerb des Eigentums tauglichen Grund, aber keine hiefür taugliche Erwerbsart nachgewiesen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung des Klägers und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe als Erwerbsart die ausdrückliche Erklärung, daß die Gegenstände ihm gehören sollten, angeführt; diese Erklärung sei aber nicht erwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil dieses von der im folgenden bezeichneten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; die Revision ist auch berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist allerdings nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil die hiezu erstatteten Ausführungen dem Inhalt nach die rechtliche Beurteilung der Sache betreffen; es wird daher hierauf im folgenden Bedacht zu nehmen sein.

In der Sache ist davon auszugehen, daß sich die in der Klage genannten Gegenstände in der Wohnung befinden, in der sich neben dem Verpflichteten sowohl der Kläger als auch seine Mutter aufhalten. Die Sachen stehen also in der gemeinsamen Gewahrsame der Veräußerin und des Erwerbers. In einem solchen Fall ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine besondere Übergabe nicht zu erwarten, sondern es genügt eine einverständliche Erklärung, daß der Mitbenützer Eigentümer sein solle (EF 20.121; SZ 41/37; SZ 31/161; SZ 20/188; vgl Spielbüchler in Rummel2, Rz 5 zu § 426; Pimmer in Schwimann, Rz 3 zu § 426; Klang in Klang2 II 317). Es überträgt daher schon der Abschluß des Verfügungsgeschäftes das Recht (vgl SZ 37/43).

Ohne Bedeutung ist für den Eigentumserwerb entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Meinung, ob das Eigentum auf den Halbbruder des Klägers übergegangen ist. Wurde eine Sache auf mehrere Personen durch Vertrag, wenngleich ohne Übergabe, übertragen, genügt für den Eigentumserwerb des letzten Übernehmers nämlich, daß er mit Zustimmung seiner Vormänner (wenn auch in ihrer Abwesenheit) die Sache in seine physische Verfügungsmacht übernimmt (SZ 26/147).

Zu prüfen bleibt allerdings noch, welche Bedeutung es hat, daß die Mutter des Klägers nach den Verfahrensergebnissen zur Zeit des Abschlusses des ersten Schenkungsvertrages nicht Eigentümerin der zum Nachlaß ihrer Mutter gehörenden Sachen war. Aus dem vom Erstgericht in der mündlichen Verhandlung verlesenen Verlassenschaftsakt ergibt sich nämlich, daß nach der Großmutter des Klägers gemäß § 72 Abs 2 AußStrG eine Verlassenschaftsabhandlung nicht eingeleitet wurde. Dies bedeutet, daß die Mutter des Klägers nicht Eigentümerin der Nachlaßgegenstände geworden ist, weil hiefür die Einantwortung des Nachlasses erforderlich gewesen wäre. Sie ist aber als zur Erbschaft Berufene als Besitzerin im Sinn des § 372 ABGB anzusehen (SZ 27/37; SZ 23/242). War die Mutter des Klägers zur Zeit des Abschlusses des mit seinem Halbbruder geschlossenen Schenkungsvertrages nicht Eigentümerin der zum Nachlaß ihrer Mutter gehörenden Gegenstände, konnte sie dem Halbbruder des Klägers das Eigentum hieran auch nicht übertragen und es konnte auch der Kläger auf Grund des mit seinem Halbbruder geschlossenen Schenkungsvertrages das Eigentum an den darin angeführten Gegenständen nicht erwerben, soweit sie zum Nachlaß der Großmutter des Klägers gehörten. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen fehlt daher auch ein tauglicher Grund, durch den der Kläger bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz das Eigentum an den zum Nachlaß seiner Großmutter gehörenden Gegenstände erwerben hätte können. Dies schadet aber nicht.

Aus den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes läßt sich ableiten, daß der Kläger den von seiner Mutter im Sinn des § 372 ABGB ausgeübten Besitz erworben hat. Für die Übertragung des Besitzes gilt nämlich dasselbe, was zur Übertragung des Eigentums gesagt wurde. Auch hiefür ist dann, wenn sich die Sache in der gemeinsamen Gewahrsamen des Übertragenden und des Erwerbers des Besitzes befindet, eine besondere Übergabe nicht erforderlich, sondern es genügt die Willenseinigung für den Besitzübergang (Spielbüchler in Rummel2 Rz 5 zu § 426 ABGB unter Hinweis auf die angeführte Rechtsprechung). Ebenso ist auch in diesem Zusammenhang ausreichend, daß der letzte Besitzer den Erwerb des Besitzes auf die Zustimmung seines Vorgängers in Besitz zurückführen kann, wobei hiefür gegebenenfalls auch die Zustimmung von Zwischenmännern unabhängig davon genügt, ob sie selbst Besitzer waren. Diese Zustimmung ist hier aber auf Grund der Schenkungsverträge anzunehmen. Warum es, wie die Vorinstanzen meinen, noch einer zusätzlich zum Schenkungsvertrag abgegebenen Erklärung des Besitzers bedurft hätte, ist nicht zu erkennen.

Der Anspruch aus dem gemäß § 372 ABGB vermuteten Eigentum steht bei der Exszindierungsklage dem Eigentum gleich, soweit der Besitzer den Besitz nicht vom Verpflichteten abgeleitet hat (JUS Z 1993/1268; EvBl 1993/50). Es ist dem Klagebegehren daher stattzugeben, wenn der Kläger den Besitz im Sinne der angeführten Gesetzesstelle dartut, zumal sich dieser Klagsgrund aus seinem Tatsachenvorbringen ableiten läßt und daher beachtlich ist. Die Lösung der Frage, ob dieser Besitz gegeben ist, hängt jedoch davon ab, welche der in der Klage genannten Gegenstände zum Nachlaß der Großmutter des Klägers gehörten und welche hievon in der Folge den Gegenstand beider Schenkungsverträge bildeten. Hiezu fehlen aber Tatsachenfeststellungen, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben waren.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.