JudikaturJustiz3Ob38/93

3Ob38/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A***** Liegenschaftsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Thomas Prader und Dr.Werner Goeritz, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1. Helmut L*****, ***** 2. Herbert R*****, ***** und 3. Gertraud B*****, ***** alle vertreten durch Dr.Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zwecke der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft nach § 352 EO infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22.Jänner 1993, GZ 46 R 1332/92-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 12. November 1992, GZ 11 E 56/92-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Exekutionssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über den Depurierungsantrag der verpflichteten Parteien zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Das Titelgericht bewilligte der betreibenden Partei wider die verpflichteten Miteigentümer nach § 352 EO die Exekution durch gerichliche Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zwecke der Auseinandersetzung. Da die verpflichteten Parteien erklärten, mit den von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen nicht zur Gänze einverstanden zu sein, fand eine Verhandlung statt, in der die verpflichteten Parteien den Antrag stellten, der betreibenden Partei unter Fristsetzung aufzutragen, das auf ihrem 3/16 Anteil in C-LNR 4a "einverleibte Pfandrecht zu tilgen und die Einverleibung der Löschung dieses Pfandrechts durchzuführen".

Das Erstgericht erließ diesen Depurierungsauftrag. Es meinte, daß bei einer ungleichmäßigen Belastung der Liegenschaft dem Teilhaber, dessen Anteil allein belastet sei, der Auftrag zur Tilgung zu erteilen sei.

Das Rekursgericht änderte über den Rekurs der betreibenden Partei den Beschluß in die Abweisung des Antrages ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die ganze Liegenschaft sei mit dem Pfandrecht bis zum Höchstbetrag von S 1,070.600,- zugunsten des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, der 1/4 Anteil des Zweitverpflichteten mit dem Fruchtgenußrecht für Hermine R***** und die 3/16 Anteile der betreibenden Partei mit dem Pfandrecht von S 1.400.000,- sA zugunsten der E*****Bank belastet. Die auf der Liegenschaft haftenden Lasten würden bei der Versteigerung nach § 352 EO und den §§ 272 bis 290 AußStrG nicht berührt. Die Belastung bleibe ohne Rücksicht auf den Betrag des Meistbots, der den Teilhabern ohne Berücksichtigung bestehender Hypotheken zustehe, aufrecht. Wenn nun ein Anteil weit über seinen Wert hinaus belastet sei, müsse der Ersteher die Last in vollem Umfang übernehmen und das Meistbot werde zum Nachteil der anderen Teilhaber geschmälert. Dadurch könne die Versteigerung vereitelt werden, weil kein Anbot zu erwarten sei, wenn etwa die auf einem Anteil haftenden Lasten den Wert des ganzen Gutes übersteigen. In diesem Fall der ungleichen Belastung der einzelnen Anteile sei den Parteien der Auftrag zu erteilen, innerhalb einer Frist die notwendigen Tilgungen und Löschungen zu veranlassen. Mit einem solchen Depurierungsauftrag solle erreicht werden, daß die Belastung keines der Anteile größer sei, als seinem Anteil am geringsten Gebot entspreche. Es müßten daher Pfandrechte nicht zu Gänze zur Löschung gebracht werden, weil die Verringerung der Lasten ausreiche. Der Auftrag dürfe daher nur insoweit erteilt werden, als die Belastung den Betrag übersteige, der den 3/16 Anteil am "Meistbot" übersteige. Das Gericht habe den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien zu wahren. Da ein Antrag auf Erteilung eines Depurierungsauftrages in Ansehung des nur auf dem 1/4 Anteil des zweitverpflichteten einverleibten Fruchtgenußrechts fehle, müsse der Antrag der Verpflichteten abgewiesen werden. Die Parteien könnten im fortzusetzenden Verfahren zweckdienliche Anträge stellen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien ist zulässig (§ 78 EO und § 528 Abs 1 ZPO) und auch berechtigt.

In der schon vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl 1969/146 hat der Oberste Gerichtshof zu der Fassung der Versteigerungsbedingungen bei verschiedener Belastung der einzelnen Liegenschaftsanteile der Erteilung eines Depurierungsauftrages und den Folgen der Nichtbefolgung auf den Fortgang der Versteigerung nach § 352 EO zur Durchsetzung des Anspruches auf Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums Stellung genommen. Er billigte den Auftrag an die Parteien, alle Pfandrechte samt Nebengebühren, soweit sie das auf ihren Anteil entfallende geringste Gebot übersteigen, auf ihre Kosten zu tilgen oder diese Tilgung durch Gelderlag sicherzustellen und dies unter Berechnung der Sicherstellungssumme nachzuweisen. Auch wenn ein solcher Auftrag einen Antrag der Partei voraussetzt, so trifft die Überlegung des Rekursgerichtes nicht zu, das Fehlen eines Antrags auf Depurierung auch in Ansehung des auf dem 1/4 Anteil des Zweitverpflichteten haftenden Fruchtgenußrechtes müsse zur Abweisung des Antrags der Verpflichteten führen. Das Verfahren nach § 352 EO ist ein Exekutionsverfahren; für die Durchführung der Versteigerung kommen jedoch die §§ 272 bis 280 AußStrG zur Anwendung. Die Prüfung und Feststellung der Versteigerungsbedingungen hat nicht nach den Vorschriften der EO zu erfolgen, die Parteien können sich auf ihren Inhalt einigen; nur mangels Einigung sind sie vom Exekutionsgericht festzustellen (SZ 25/313; SZ 48/41; JBl 1986, 723 = MietSlg 38.044 ua). Diese Autonomie der Parteien ist deshalb unbedenklich, weil nicht nur die Pfandrechte sondern auch alle übrigen dinglichen Rechte und Lasten und die hierauf erworbenen Rechte den Berechtigten ohne Rücksicht auf den Kaufpreis erhalten bleiben; sie müssen vom Ersteher übernommen werden (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 14 zu § 843 und Rz 11 zu § 847; Heller - Berger - Stix 2542; SZ 48/72 ua). Nach § 277 Abs 2 AußStrG muß im Edikt ua der Ausrufspreis angegeben und ausdrücklich bemerkt werden, daß den auf das Gut versicherten Gläubigern ihr Pfandrecht ohne Rücksicht auf den Verkaufspreis vorbehalten bleibe. Es findet auch keine Verständigung der Gläubiger statt. Der Ausrufspreis ist ohne Bedachtnahme auf die Hypotheken festzusetzen, die auf der Liegenschaft haften. Um die Bieter darüber nicht im Zweifel zu lassen, muß im Edikt bestimmt werden, ob sich der Ersteher den Gesamtbetrag der Lasten vom Meistbot abziehen kann oder nicht, ob er also die Lasten in oder ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat. Soweit die Lasten nicht durch das Meistbot gedeckt sind, müssen sie ohne Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden, weil die Lage der Buchberechtigten nicht verschlechtert werden darf (Heller - Berger - Stix 2542; SZ 39/90; SZ 48/41). Der Gefahr, daß die übrigen Miteigentümer bei der gerichtlichen Feilbietung der Liegenschaft durch die Erzielung eines wegen der ungleichen Belastung nur eines Anteils dem Verkehrswert ihrer Miteigentumsanteile nicht entsprechenden Meistbots geschädigt werden könnten, ist durch die Bestimmung eines entsprechend hoch angesetzten Ausrufspreises, durch Erteilung eines Depurierungsauftrages oder durch Wertausgleich Rechnung zu tragen (5 Ob 554/81).

Daraus folgt, daß vor einer Entscheidung über den Antrag der Verpflichteten, der betreibenden Partei die Depurierung aufzutragen, geklärt werden muß, in welchem Umfang das Betragspfandrecht aufrecht ist und den 3/16 Anteil am Ausrufungspreis übersteigt, vor allem wird aber klarzustellen sein, ob der Ersteher die auf der ganzen Liegenschaft und auf einzelnen Anteilen haftenden Lasten in Anrechnung oder ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat und ob der Ausrufspreis sonst so hoch angesetzt werden müßte, daß dann kein Anbot zu erzielen wäre, weil nur dann der Auftrag ergehen kann, die notwendigen Tilgungen und Löschungen zu veranlassen (vgl Heller - Berger - Stix 2542 f). Dies hat das Rekursgericht zutreffend erkannt. Allenfalls wird dem Antrag nur eingeschränkt stattzugeben sein. Die sofortige Abweisung deshalb, weil nicht auch ein Auftrag zur Depurierung des mit dem Fruchtgenuß belasteten Anteils beantragt wurde, ist nicht zulässig. Es steht den Parteien frei, von einer solchen Depurierung Abstand zu nehmen, weil immer dann, wenn keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen oder eine Benachteiligung Dritter nicht zu besorgen ist, die Parteien die Versteigerungsbedingungen einvernehmlich gestalten können.

Es ist daher nach Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen, das die für die Entscheidung über den Depurierungsantrag maßgeblichen Umstände mit den Parteien zu erörtern und zu erheben haben wird, bevor erneut über den Antrag entschieden werden kann.

Rechtssätze
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