JudikaturJustiz3Ob370/97a

3Ob370/97a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Mag. Bernhard E*****, vertreten durch Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, wider die verpflichtete Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Johannes Dörner und Dr.Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 7,225.542,-- samt Anhang, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 17. Oktober 1997, GZ 4 R 317/97k-34, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 4.Juni 1997, GZ 2 E 4289/96t-24 (vorher 23) teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird, soweit er die Aufhebung der teilweisen Zurückweisung der Einwendungen der verpflichteten Partei durch das Rekursgericht bekämpft zurückgewiesen.

Im übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Auf der zu versteigernden Liegenschaft EZ 13 KG Warnblick befindet sich im Lastenblatt an erster Stelle (TZ 698/1922) die Dienstbarkeit des Wasserbezuges und der Wasserleitung zugunsten der Stadtgemeinde Deutschlandsberg, daran schließt die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens mit allen Fahrzeugen, Viehtreibens über die Grundstücke 213, 215/3 zugunsten des Eigentümers der Grundstücke 207/12, 198/5; sodann folgt ein Pfandrecht mit dem Höchstbetrag von S 520.000 zugunsten der Steirischen Raiffeisenbank in Graz regGenmbH sodann findet sich in C07 33 die Dienstbarkeit des Gehens, Fahrens mit allen Fahrzeugen und Reitens über die Grundstücke 215/3, 213, 207/9, 207/6, 207/5, 28, 207/1, 205, 201, 203 und 200 für den Eigentümer des Grundstückes 198/1 intabuliert (Pkt 5 des Kaufvertrages vom 28.1.1993). Daran schließt das Pfandrecht des betreibenden Gläubigers an.

Mit Beschluß vom 15.4.1997 (ON 18) gab das Erstgericht nach Einholung eines Schätzgutachtens, in dem der Sachverständige ausführte, die Dienstbarkeiten Wasserleitung, Gehen und Fahren hätten nur geringe Bedeutung für die Verkehrswertabteilung, den Schätzwert der in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaft des Verpflichteten mit S 5,950.000 und den Wert des Zubehörs mit S 385.192 bekannt und räumte den Benachrichtigten die Möglichkeit ein, sich vor Festsetzung des Schätzwerts binnen 14 Tagen dazu zu äußern.

Am 9.6.1997 langten Erinnerungen/Einwendungen des Verpflichteten gegen den Schätzwert beim Erstgericht ein (ON 21). Mangels eines entsprechenden Postaufgabevermerks, aber auch eines Vermerks, daß der Schriftsatz, der in der Mitte einen deutlichen Knick aufweist, persönlich überreicht worden sei, ist im Zweifel davon auszugehen, daß dieser am 8.6.1997 somit innerhalb der gesetzten Frist zur Post gegeben wurde. In diesem Schriftsatz machte der Verpflichtete geltend, daß der Schätzwert ohne Zubehör richtigerweise mit S 8 Mio festgestellt werden müßte. Insbesondere wandte sich der Verpflichtete gegen die Annahme des Sachverständigen, daß im Hinblick auf den Schweinestallneubau eine Überkapazität vorliege; der Sachverständige hätte, was den Bodenwert angeht, die aus Vergleichskaufverträgen ermittelten Quadratmeterpreise aufwerten müssen und allgemein die Quadratmeterpreise zu niedrig angesetzt; eine wenige Jahre zuvor renovierte Kapelle sei überhaupt nicht bewertet worden; der Kapitalisierungszinssatz sei nicht ausreichend begründet worden, ebensowenig die Gewichtung von Sachwert zu Ertragswert im Verhältnis von 2 : 1.

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 4.6.1997 (früher ON 23, nunmehr ON 24) die Einwendungen des Verpflichteten gegen den vorläufig bestimmten Schätzwert "teilweise zurück" und setzte den Wert der Liegenschaft "endgültig" mit S 6,100.000, den des Zubehörs mit S

385.192 fest und bestimmte die Gebühren des Sachverständigen für die Gutachtensergänzung mit S 3.000.

Nur gegen den Ausspruch, daß die Liegenschaft (zuzüglich des Wertes des Zubehörs) unter Zurückweisung der Einwendungen bloß mit S 6,100.000 anstatt mit S 8 Mio bewertet wurde, richtete sich der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Verpflichteten. Hilfsweise beantragte er, den angefochtenen Beschluß insofern aufzuheben, als darin die auf eine Bewertung der Liegenschaft mit S 8 Mio abzielenden Einwendungen der verpflichteten Partei gegen das Schätzungsgutachten zurückgewiesen und die Liegenschaft anstatt mit S 8 Mio mit nicht mehr als S 6,100.000 (zuzüglich des Zubehörs) bewertet wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht, das aussprach, daß der angefochtene Beschluß insoweit als unangefochten aufrecht zu bleiben habe, als das Zubehör mit S 385.192 bewertet und die Gebühren des Sachverständigen mit S 3.000 bestimmt worden seien, diesem Rekurs teilweise Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichtes im übrigen, somit in dessen Aussprüchen auf Zurückweisung der von der verpflichteten Partei gegen den Schätzwert erhobenen Einwendungen und auf Bewertung der Liegenschaft des Verpflichteten mit S 6,100.000 auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Rekurs zulässig sei.

In seiner Begründung wies das Rekursgericht darauf hin, daß im Hinblick auf die Änderungen der EO durch das LBG (BGBl 1992/150) die Unterscheidung zwischen "vorläufigem" und "endgültigem" Schätzwert weggefallen sei. Es erachtete die Begründung des Sachverständigengutachtens, was die Gewichtung des Sachwerts gegenüber dem Ertragswert angehe, ebenso für unzureichend wie, was den gewählten Kapitalisierungszinsfuß betrifft.

Außerdem führte es aus, daß das Sachverständigengutachten insofern unvollständig sei, als darin zu den auf der Liegenschaft lastenden Dienstbarkeiten C-LNR 1, 2 und 33 nicht Stellung genommen werde. Dieser Mangel sei deshalb vom Rekursgericht aufzugreifen, weil es von Amts wegen dafür zu sorgen habe, daß ein Gutachten inhaltlich vollständig erstattet werde. Bestimmte Mängel bei der Stoffsammlung bedürften keiner Rüge, sondern seien aus der Rechtsrüge aufzugreifen. Daran ändere auch nichts, daß der Rekurswerber weder in seinen Einwendungen noch im Rechtsmittel dazu ausdrücklich etwas vorbringe.

Der Rekurs sei deswegen zulässig, weil eine oberstgerichtliche Entscheidung dazu, inwieweit Mängel des Gutachtens aus Anlaß eines Rekurses gegen die Schätzwertfestsetzung ungeachtet der Bestimmung des § 144 EO von Amts wegen aufzugreifen seien, wenn gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen, etwa über die Begründungspflichten, verstoßen werde, fehle.

Diese Entscheidung bekämpft der Verpflichtete mit seinem auf unrichtige rechtliche Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Nichtigkeit gestützten Rekurs, mit dem er die Abänderung dahingehend anstrebt, daß die Liegenschaft mit S 8 Mio zuzüglich des Wertes des Zubehörs bewertet werde. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß insoweit aufzuheben, als die Einwendungen des Verpflichteten gegen das Schätzungsgutachten zurückgewiesen und die Liegenschaft anstatt mit S 8 Mio mit nicht mehr als S 6,1 Mio bewertet.

Zur Begründung führt der Verpflichtete aus, daß er sich insbesondere dadurch beschwert erachte, daß das Rekursgericht seinen Rekursantrag offenkundig überschritten habe, indem es die Aufhebung im weiteren Umfang als begehrt verfügt habe. Obwohl nämlich die betreibende Partei den erstinstanzlichen Beschluß nicht angefochten habe, habe das Rekursgericht von Amts wegen auf den Umstand Bedacht genommen, daß der Sachverständige keine Aussagen zu den auf der Liegenschaft lastenden Dienstbarkeiten getroffen habe. Es sei aber keinesfalls die Intention des Verpflichteten gewesen, mit seinem Rechtsmittel die Herabsetzung des Schätzwertes zu erreichen. Die Überschreitung der durch den Sachantrag gezogenen Entscheidungsbefugnis bewirke den Nichtigkeitsgrund des § 405 ZPO, jedenfalls aber einen Verfahrensmangel im Sinne der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Bekämpft werde auch die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die vom Sachverständigen durchgeführte Bodenbewertung sei ebenso wie die wertmindernde Berücksichtigung der Überkapazitäten bei den Schlachtverarbeitungs- und Kühllagerräumen als ausreichend begründet ansah. Dabei übersehe das Rekursgericht, daß nicht nur das Sachverständigengutachten, sondern auch die aufgrund desselben getroffene Entscheidung des Erstgerichtes zu begründen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich auch gegen die Aufhebung der seine Einwendungen gegen den Schätzwert zurückweisenden Entscheidungsteil des erstgerichtlichen Beschlusses richtet, schon deshalb unzulässig, weil der Verpflichtete dadurch nicht beschwert ist. Da es sich bei den "Einwendungen" nach der nunmehr geltenden Rechtslage in Wahrheit nur um eine Äußerung im Sinn des § 55 Abs 1 EO handelt, nicht aber um einen Rechtsbehelf, hat das Rekursgericht nicht nur zu Recht die verfehlte Entscheidung des Erstgerichtes diesbezüglich aufgehoben, der Verpflichtete, der sich mit einem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß dagegen auch ausdrücklich gewandt hat, ist durch die (im Ergebnis ersatzlose) Beseitigung dieses Ausspruches nicht beschwert, sodaß insoweit sein Rekurs zurückzuweisen war.

Im übrigen ist aber der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig aber nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit ergibt sich daraus, daß die Frage der Teilrechtskraft eines Beschlusses nach § 144 EO bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen war. Außerdem ist das Rekursgericht was die Belastung C07 1 und 2 betrifft von der Entscheidung des Obersten Gerichthofes 3 Ob 2063/96w = Jus Z 2228 = SZ 69/204 abgewichen.

Wie das Rekursgericht in der Begründung seiner Entscheidung anführte, hat der Verpflichtete die erstinstanzliche Entscheidung nur insoweit angefochten, als damit die Liegenschaft bloß mit S 6,100.000 anstatt mit S 8 Mio bewertet wurde. Außer dem Verpflichteten hat keine andere Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes Rekurs erhoben. Daraus folgte aber entgegen der Ansicht der Rekurswerberin nicht, daß damit dessen Entscheidung bis zur Festsetzung eines Schätzwertes von S 6,100.000 in Teilrechtskraft erwachsen wäre (und damit Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründen würde, soweit diese, was einen S 6,100.000 nicht übersteigenden Wert der Liegenschaft betrifft, den erstgerichtlichen Beschluß aufhob).

Richtig ist zwar, daß trat zwischenzeitig keine Sachverhaltsänderung ein (vgl dazu Heller (Trenkwalder EO3 455; Pollak, System2 980); das Erstgericht bei seiner neuerlichen Entscheidung das Verbot der reformatio in peius zu beachten haben wird (vgl dazu Fasching, LB2 Rz 1746 und 1747). Zwar besteht in Lehre und Rechtsprechung Einigkeit darüber, daß aus § 466 ZPO (allenfalls auch § 505 Abs 3 ZPO: Fasching aaO Rz 1746 und 1748) die Verpflichtung der Rechtsmittelgerichte zur Wahrung der Teilrechtskraft abzuleiten ist, deren Verletzung Nichtigkeit bewirkt (Kodek in Rechberger Rz 1 zu § 462 ZPO; Fasching aaO Rz 1749). Auch wenn im vorliegenden Fall eine Geldsumme als Schätzwerte einer Liegenschaft bestimmt wurde, liegt einer jener Fälle vor, bei denen wegen eines untrennbaren Sachzusammenhanges die Wahrung der Teilrechtskraft nicht erforderlich ist (RIS Justiz RS 0041347). Es liegt einer jener Fälle vor, in denen der unangefochten gebliebene Teil nur scheinbar formell, inhaltlich aber nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen konnte, weil es keinen selbständigen "Teilschätzwert" der gesamten Liegenschaft gibt (Kodek in Rechberger Rz 3 zu § 462 ZPO). Im Zwangsversteigerungsverfahren kann es für eine bestimmte Liegenschaft eben nur einen Schätzwert als wahren und nicht bloß fiktiven Wert geben. Das Rekursgericht hat daher zutreffend, den gesamten Beschluß mit dem der Schätzwert der Liegenschaft bestimmt wurde, aufgehoben.

Was nun die angebliche Unvollständigkeit des

Sachverständigengutachtens im Punkte der auf der Liegenschaft

lastenden Dienstbarkeiten angeht, hat das Rekursgericht zunächst

übersehen, daß sich der Sachverständige in seinem schriftlichen

Gutachten (AS 74 unten) sehr wohl zu diesen geäußert, ihnen aber nur

geringe Bedeutung für die Verkehrswertableitung beigemessen hat, was

offenbar so zu verstehen ist, daß dadurch keine meßbare Verringerung

des Verkehrswertes bewirkt wird, Darüberhinaus aber war es dem

Rekursgericht aufgrund der Bestimmung des § 144 EO für die

Belastungen C07 1 und 2 überhaupt verwehrt, diesen Umstand, den der

Verpflichtete in erster Instanz nicht geltend gemacht hat,

aufzugreifen. Wie der erkennende Senat in seiner E 3 Ob 2063/96w =

Jus Z 2228 = SZ 69/204 ausführlich dargelegt hat, ist § 144 letzter

Satz EO keineswegs (wie nach verschiedenen Lehrmeinungen) bloß als Bekräftigung des Neuerungsverbotes im Rekursverfahren aufzufassen, sondern geht darüber hinaus. Im Rahmen des § 144 EO darf das Rekursgericht auch Tatsachen, die sich aus Beweisergebnissen ergeben oder sonst von Amts wegen zugrundezulegen wären, nicht berücksichtigen, wenn sie der Rekurswerber bei seiner Einvernehmung zum Schätzwert nicht vorgebracht hat.

Anders liegt der Fall für die Dienstbarkeit C07 33 diese folgt im Rang dem ersten Pfandrecht nach. Während bei den Belastungen C07 1 und 2 die § 143 Abs 2 EO anzuwenden ist, hätte hier nach der zwingenden Vorschrift des § 143 Abs 1 EO eine dreifache Bewertung vorgenommen werden müssen: Ermittlung des Wertes mit der Belastung, Ermittlung des Wertes ohne Belastung und Ermittlung des Wertes der Last (RV 333 BlgNR 18. GP). Da der Grundbuchsstand aktenkundig ist und die Vorschrift des § 143 Abs 1 EO von Amts wegen zu beachten ist, hatte das Rekursgericht diesen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens auch ohne Rüge von Seiten des Rekurswerbers aufzugreifen.

Soweit allerdings im Rekurs die Ansicht der zweiten Instanz bekämpft wird, daß die Bodenbewertung im Gutachten des Sachverständigen ausreichend begründet sei, versucht der Rekurswerber bloß unzulässigerweise einen bereits vergeblich mit seinem Rekurs gerügten Verfahrensmangel erster Instanz in dritter Instanz geltend zu machen (Kodek in Rechberger Rz 1 zu § 528 ZPO mit Nachweisen).

Wenn er schließlich auch noch im Rekurs an den Obersten Gerichtshof die Annahme eines zu niedrigen Quadratmeterpreises durch das Erstgericht bekämpft, ist ihm entgegenzuhalten, daß das Rekursgericht in diesem Punkt die Tatsachenrüge des Verpflichteten als nicht stichhaltig angesehen hat. Die Anfechtung der Beweiswürdigung vor dem Obersten Gerichtshof, der nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, ist jedoch unzulässig (Kodek aaO mN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 40 ZPO iVm § 78 EO.

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