JudikaturJustiz3Ob34/58

3Ob34/58 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 1958

Kopf

SZ 31/21

Spruch

§ 778 ABGB. gilt auch für Adoptionen; er betrifft Testamente, Kodizille und Erbverträge.

Erbverträge zugunsten Dritter sind dem österreichischen Rechte fremd.

§ 1254 ABGB. hindert nicht Verfügungen, durch welche der andere Gatte gegenüber dem Vertragsstande nicht benachteiligt wird.

Entscheidung vom 13. Februar 1958, 3 Ob 34/58.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Am 26. April 1937 schlossen die Ehegatten Franz und Margarete S. einen Ehe- und Erbvertrag, in dessen Punkt 4 es u. a. heißt: "Im Falle des Vorablebens bei der Liegenschaft S. ohne Hinterlassung von erbberechtigten Nachkommen wird bestimmt, daß der überlebende Ehegatte auf Grund des hiemit errichteten und angenommenen Erbvertrages zu drei Vierteln und zum letzten Viertel auf Grund des wechselseitigen Testamentes Alleinerbe ist. Im Falle des Vorablebens des Ehegatten Franz S. ohne Hinterlassung von erbberechtigten Nachkommen hat die Ehegattin als Erbsentfertigung ein Legat von bar 2000 S zu erhalten. Als Alleinerbe wird in diesem Falle ein eheliches Kind seines Bruders Felix S, eingesetzt. Falls nichts anderes bestimmt ist, soll das älteste Kind als Erbe berufen sein."

Der Kläger ist der älteste Sohn des Felix S. Am 30. Juni 1952 adoptierten die Ehegatten S. die am 5. Jänner 1938 geborene Beklagte mit der Verpflichtung, sie in allem eigenen ehelichen Kindern gleichzuhalten. Am gleichen Tage errichtete Franz S. ein Testament, in welchem er die Bestimmung des Erbvertrages, daß für den Fall seines kinderlosen Ablebens vor seiner Ehegattin das älteste Kind seines Bruders Felix S. Erbe seines Nachlasses sein sollte, aufhob und statt dessen bestimmte, daß er seine Adoptivtochter Paula S. (die Beklagte) zu seiner Universalerbin einsetze. Die sonstigen Bestimmungen des Erbvertrages sollten bis auf weiteres in Kraft bleiben. Sofern die Verfügung, daß ein eheliches Kind seines Bruders Felix S. die Liegenschaft übernehmen solle, als Bestimmung des Anerben und Hofübernehmers aufgefaßt werden sollte, sollte auch diese Berufung als widerrufen und unwirksam gelten. Franz S. ist am 2. Juli 1953 vor seiner Ehegattin gestorben. Der Nachlaß wurde auf Grund des Testamentes vom 30. Juni 1952 der Beklagten eingeantwortet.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe der Liegenschaft mit der Behauptung, daß unter erbberechtigten Kindern nach dem Willen der vertragschließenden Teile nur die leiblichen Kinder zu verstehen gewesen seien. Auf Grund des Erbvertrages zugunsten Dritter sei er Alleinerbe. In dieser Vertragsbestimmung sei auch eine vertragliche fideikommissarische Substitution gelegen (§ 617 ABGB.).

Die Beklagte wendete ein, daß die Erbeinsetzung eines Dritten im Erbvertrag nur die Bedeutung eines Testamentes habe. Dieses Testament sei widerrufen worden. Das Begehren sei auch im Hinblick auf § 778 ABGB. abzuweisen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Beide Gerichte führten zur Begründung aus:

Nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung habe die Erbeinsetzung Dritter in einem Erbvertrag nur die Wirkung einer letztwilligen Verfügung. Das Erbrecht des Dritten beruhe nicht auf dem Vertrag, sondern auf dem im Erbvertrag mitenthaltenen Testament, welches widerrufen werden könne. Dieses Testament sei durch das nachfolgende Testament widerrufen worden. Eine fideikommissarische Substitution könne schon deshalb nicht vorliegen, weil es an einem Vorerben mangle. Es brauche daher auf die Frage nicht eingegangen zu werden, ob unter "erbberechtigten Kindern" im Erbvertrag nur die leiblichen Kinder zu verstehen seien, wie der Kläger behaupte. Das Erstgericht verwies auch noch auf § 778 ABGB.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird ausgeführt, daß es seit der Novellierung des § 881 ABGB. echte Verträge zugunsten Dritter gebe, daher auch solche Erbverträge. Die Erbeinsetzung des Klägers hätte nur durch einen Vertrag in Form eines Notariatsaktes widerrufen werden können. Punkt 4 stelle im Zweifel auch eine fideikommissarische Substitution dar. Das Verfahren sei mangelhaft, da die Beweise über die Behauptung des Klägers nicht durchgeführt worden seien, unter erbberechtigten Kindern seien nur leibliche Kinder zu verstehen. Es sei aktenwidrig, daß die Verfügung der Eheleute S. durch das spätere Testament rechtsgültig widerrufen worden sei.

Es ist unnötig, auf die von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen. Feststeht, daß die Ehegatten S. am 26. April 1937 einen Erbvertrag errichtet haben. In diesem Zeitpunkt hatten sie keinen Noterben. Am 30. Juni 1952 adoptierten sie die Beklagte. Als Adoptivkind ist die Beklagte Noterbin. Selbst wenn es richtig wäre, daß unter den im Erbvertrag genannten erbberechtigten Nachkommen nur die leiblichen Kinder, nicht aber Wahlkinder zu verstehen wären, gilt hier die Bestimmung des § 778 ABGB., wonach die Anordnungen des letzten Willens - mit hier nicht interessierenden Ausnahmen - gänzlich entkräftet werden, wenn ein kinderloser Erblasser erst nach Erklärung seines letzten Willens einen Noterben erhält. Dadurch werden nicht nur Testamente und Kodizille, sondern auch Erbverträge betroffen, weil auch diese letztwillige Anordnungen sind. Der Erbvertrag ist daher durch die Adoption der Beklagten entkräftet worden (GlU. 1974). Schon aus diesem Gründe fehlt dem Kläger ein Erbrechtstitel.

Auch für den Fall, als man sich der Rechtsmeinung des Klägers anschließen und entgegen der herrschenden Lehre und Rechtsprechung einen Erbvertrag zugunsten Dritter zulassen würde, wäre für den Kläger nichts gewonnen. Gemäß § 1254 ABGB. kann der Erbvertrag zum Nachteil des anderen Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen werden. Daraus folgt, daß Verfügungen, durch welche der andere Gatte gegenüber dem Vertragsstande nicht benachteiligt wird, wirksam sind. Die Einsetzung des Klägers konnte also jederzeit widerrufen werden, wenn dadurch nur die Rechte der Ehegattin nicht berührt wurden. Das ist aber hier geschehen, weil im späteren Testament alle übrigen Bestimmungen des Erbvertrages ausdrücklich aufrechterhalten wurden. Die Bestimmung des § 1254 ABGB. ist übrigens ein Beweis dafür, daß dem österreichischen Recht Erbverträge zugunsten Dritter fremd sind.