JudikaturJustiz3Ob251/07v

3Ob251/07v – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Karl K*****, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Wildmoser, Koch Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Rechtsunwirksamkeit einer Abberufung als Vorstandsmitglied und 147.925,49 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Juni 2007, GZ 12 R 8/07v 26, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. Jänner 2007, GZ 31 Cg 33/05a 17, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war Vorstandsmitglied der beklagten AG. Auf einer Liegenschaft einer 100 % Tochter der beklagten Partei wurde nicht nur deren Salinenbetrieb, sondern aufgrund eines Abbauvertrags auch ein Schotterwerk eines dritten Unternehmers (im Folgenden Schotterunternehmen) geführt. Der Abbauvertrag enthält eine Kündigungsmöglichkeit wegen Eigenbedarfs der beklagten Partei. Zur Errichtung einer dritten Lagerhalle wegen einer geplanten Produktionsausweitung benötigte die beklagte Partei das Gelände des Schotterunternehmens. Der Kläger (für das Geschäftsressort Technik zuständig) arbeitete mit dem Schotterunternehmen und der Liegenschaftseigentümerin ein Projekt dahin aus, dass Ersteres auf eine andere Grundstücksfläche umgesiedelt, also nicht wegen Eigenbedarfs der beklagten Partei gekündigt wird, holte „von den Behörden die erforderlichen Bescheide und Bewilligungen" ein (Erstgericht S 9) und ließ eine Aufteilung der Absiedelungskosten von 1,3 bis 1,5 Mio EUR zwischen der Tochtergesellschaft, dem Schotterunternehmen und der beklagten Partei „noch offen" (Erstgericht S 11 f). Dabei übersah er die schon erwähnte Kündigungsmöglichkeit wegen Eigenbedarfs, die (im Revisionsverfahren unstrittig) zu einer für die beklagte Partei kostenlosen Absiedelung des Schotterunternehmens führen könnte.

Der Kläger wurde wegen grober Pflichtverletzung mit Aufsichtsratsbeschluss vom 16. März 2005 abberufen (§ 75 Abs 4 AktG) und auch aus dem Angestelltenverhältnis entlassen (Außerstreitstellung S 2 des Erstgerichts). Nachgeschoben wurde ein weiterer Abberufungsbeschluss des Aufsichtsrats wegen eines in der außerordentlichen Hauptversammlung der beklagten Partei vom 11. April 2005 ausgesprochenen Vertrauensverlustes. Dieser Aufsichtsratsbeschluss wurde dem Kläger erst mit der Klagebeantwortung zugestellt. Laut Anstellungsvertrag endet das Dienstverhältnis des Klägers automatisch mit dem Erlöschen der Vorstandsfunktion (P XI.3. des Anstellungsvertrags Beilage ./A).

Das Erstgericht wies das auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung vom 16. März 2005 sowie der Abberufung wegen Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung (Letzteres ein Eventualbegehren) gerichtete Begehren ab und gab dem Leistungsbegehren auf Zahlung von 147.925,49 EUR sA statt. Es verneinte eine grobe Pflichtverletzung des Klägers infolge Übersehens der Eigenbedarfsklausel im Abbauvertrag mit dem Schotterunternehmen, bejahte aber die Wirksamkeit des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung. Die Entlassung sei aus den gleichen Gründen wie die Abberufung wegen grober Pflichtverletzung nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und wies infolge Berufung der beklagten Partei auch das Zahlungsbegehren ab. Es lastete dem Kläger eine grobe Sorgfaltsverletzung iSd § 75 Abs 4 AktG an, weil er bei seiner Projekterstellung weder die Vorstandskollegen noch den Aufsichtsrat informiert habe (insbesondere über die nicht unerhebliche Kostenbelastung: Berufungsgericht S 12) und als „Technikvorstand" ohne hinreichende rechtliche Kenntnisse einen Fachmann hätte beiziehen müssen anstatt dem Schotterunternehmen „die Tragung eines bei Eigenbedarfskündigung nicht anfallenden Anteils an den Übersiedlungskosten von 1,3 bis 1,5 Mio EUR in Aussicht" zu stellen (Berufungsgericht S 14).

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels relevierter erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

I.1. Die Bejahung eines die Abberufung des Klägers als Vorstandsmitglied rechtfertigenden grob fahrlässigen Managementfehlers ist eine nach den festgestellten Umständen des Einzelfalls vertretbare Rechtsansicht, die auch nicht aus den Gründen der Einzelfallgerechtigkeit über eine außerordentliche Revision aufgegriffen werden muss (RIS Justiz RS0110182). Die Nichtbefassung des Aufsichtsrats in wichtigen Angelegenheiten (wie sie auch im Anstellungsvertrag in P IV. angeführt sind) zählt zu den groben Pflichtverletzungen (1 Ob 11/99w = SZ 72/90). Die Abberufungsgründe sind in § 75 AktG nur demonstrativ aufgezählt (RIS Justiz RS0110181).

2. Die gerügte Aktenwidrigkeit zum Thema einer in Aussicht gestellten Kostenbeteiligung der beklagten Partei durch den Kläger ist nicht entscheidungswesentlich, weil unstrittig feststeht, dass der Kläger in Unkenntnis der Eigenbedarfsklausel mit den Beteiligten über eine noch offene Kostenaufteilung gesprochen, also entsprechende Erwartungen des Schotterunternehmens geweckt hat. Die Revisionsausführungen zum Thema der Kündigungsfrist des Abbauvertrags sowie zum Umstand, dass das Schotterunternehmen bislang die Liegenschaft noch nicht geräumt habe, sind unschlüssig, weil sie den Kläger trotz allfälliger Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts von der zuvor begangenen Nachlässigkeit nicht entlasten können. Dass der beklagten Partei durch den Kläger zumindest tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten mit ihrem Vertragspartner (dem Schotterunternehmen) entstanden sind (bereits bezahlte Projektkosten) und noch entstehen können, liegt auf der Hand.

II. Der Revisionswerber zeigt zwar grundsätzlich richtig auf, dass das Vorliegen eines Abberufungsgrundes noch nicht notwendigerweise einen wichtigen Grund für die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Anstellungsvertrags bedeuten muss (vgl 9 ObA 28/07v). Anderes gilt jedoch dann, wenn nach einer vereinbarten Klausel des Anstellungsvertrags die Abberufung mit der Auflösung des Dienstverhältnisses des Vorstandsmitglieds zeitgleich gekoppelt wurde. Zu diesem Thema führt der Revisionswerber nur unsubstanziiert ins Treffen, dass die Koppelung „nach ständiger Lehre und Rechtsprechung unzulässig und rechtsunwirksam" sei. Mit einem derart kursorischen Vorbringen wird mit der außerordentlichen Revision eine erhebliche Rechtsfrage aber nicht zur Darstellung gebracht. Dazu hätte es konkreter Ausführungen zur Widerlegung folgender in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze bedurft, mit denen die angefochtene Berufungsentscheidung aber im Einklang steht:

1. Aus der gesetzlichen Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft (§ 70 Abs 1 AktG) ist zu folgern, dass der mit der Organstellung in zeitlicher Hinsicht meist gekoppelte Anstellungsvertrag des einzelnen Vorstandsmitglieds mangels persönlicher Abhängigkeit kein Arbeitsvertrag (Dienstvertrag nach dem ABGB), sondern ein sogenannter „freier Dienstvertrag" ist ( Pfeil in Schwimann ³, § 1151 ABGB Rz 34 mwN). Selbst Verweisungen im Vorstandsvertrag auf Bestimmungen des AngG führen noch nicht zur Bejahung eines Dienstverhältnisses nach Angestelltenrecht (vgl RIS Justiz RS0027953). Insbesondere dessen Vorschriften über Kündigungstermine und Kündigungsfristen sind nicht anzuwenden (9 ObA 292/88; 9 ObA 99/91). Ein ausnahmsweise doch vorliegendes arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis hätte der Kläger zu behaupten und zu beweisen gehabt (9 ObA 2003/96s = SZ 69/103). Zu diesem Thema führt die Revision nichts aus.

2. Auf freie Dienstverträge sind nur jene arbeitsrechtlichen Normen, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen, analog anwendbar (RIS Justiz RS0021758), also die Kündigungsmodalitäten des ABGB (9 ObA 54/97z = SZ 70/52; 9 ObA 15/03a). Einem Anspruch auf Kündigungsentschädigung steht jedoch die im Anstellungsvertrag vereinbarte, an die Abberufung als Vorstandsmitglied gekoppelte gleichzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags entgegen, weil der freie Dienstvertrag in diesem Fall nicht einseitig aufgelöst, sondern vereinbarungsgemäß durch den Eintritt der auflösenden Bedingung (Abberufung) beendet wurde (9 ObA 292/88 unter Hinweis auf die E 9 ObA 160/87 = SZ 61/92).

3. Zum offenbar auf Sittenwidrigkeit gestützten Einwand der Unwirksamkeit der Koppelungsklausel ist mangels jeglicher konkreter Revisionsausführungen nur Folgendes auszuführen:

Mit der Klausel wurde vereinbart, dass mit dem Widerruf der Bestellung zum Vorstand automatisch auch der Anstellungsvertrag erlischt, also ohne Kündigung oder Entlassung. Dies wird im Schrifttum unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit und Teilnichtigkeit dort als Problem erachtet, wenn dem Abberufungsgrund kein Verschulden des abberufenen Vorstandsmitglieds zugrunde liegt ( Runggaldier/Schima , Rechtsstellung von Führungskräften, 181 f; Mosler , Arbeitsrechtliche Aspekte der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers, wbl 2002, 49 [54]; Schima , Beendigung von Vorstandsrechtsverhältnissen, ecolex 2006, 456 [460]), wie dies etwa beim Abberufungsgrund des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung der Fall sein kann. Kein Missverhältnis der Interessenlagen wäre hingegen gegeben, wenn der Abberufungsgrund ohnehin auch das Gewicht eines Entlassungsgrunds hätte ( Runggaldier/Schima aaO mwN). Das Berufungsgericht hat die festgestellte Pflichtwidrigkeit des Klägers in diesem Sinn qualifiziert. Wenn der Revisionswerber dagegen sachlich nichts vorträgt, also keine Gründe für eine unterschiedliche Bewertung des Verschuldens anführt und insbesondere nicht einmal ausführt, welche dienstvertraglichen Tätigkeiten er nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand auszuüben hätte und weshalb die Fortsetzung seiner Arbeitstätigkeit trotz der festgestellten Pflichtwidrigkeit für die beklagte Partei auch zumutbar wäre, ist er auf die grundsätzliche Vertragsfreiheit bei der inhaltlichen Gestaltung eines freien Dienstvertrags eines Vorstandsmitglieds einer AG sowie darauf zu verweisen, dass Vorstandsmitglieder sich von sozial schwachen Arbeitnehmern grundlegend unterscheiden und selbst in der Lage sind, sich „eine standesgemäße Rechts und Einkommensposition am Verhandlungstisch zu verschaffen" (9 ObA 261/02a mwN). Koppelungsklauseln können daher nur ausnahmsweise aus vom abberufenen Vorstandsmitglied darzulegenden Gründen nach einem umfassenden Vergleich der wechselseitigen Interessenlagen als sittenwidrig qualifiziert werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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