JudikaturJustiz3Ob208/97b

3Ob208/97b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. November 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Volkmar Schicker, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei D***** R*****, nunmehr R***** d. d. *****, vertreten durch Kaan, Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 1 Mio sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 5.Mai 1997, GZ 14 R 71/97g und 72/97d-37, womit dem Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Februar 1997, GZ 30 Nc 104/89-32, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in der Sache mit der Maßgabe bestätigt, daß der Wiedereinsetzungsantrag der verpflichteten Partei gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist zurückgewiesen wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Aufgrund eines von der betreibenden Partei am 4.9.1995 beim Erstgericht eingebrachten Antrages bewilligte dieses mit Beschluß vom 11.10.1995 (ON 30) aufgrund eines ausländischen Exekutionstitels Exekution durch Pfändung des nationalen Anteils von zugunsten der verpflichteten Partei beim internationalen Patentamt in Genf sowie beim österreichischen Patentamt in Wien eingetragenen Markenrechten. Diesen Beschluß bekämpfte die Verpflichtete mit Rekurs und Widerspruch und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der dafür vorgesehenen Fristen. Den gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gerichteten Wiedereinsetzungsantrag wies das Erstgericht mit Beschluß vom 17.2.1997 (ON 32) ab, weil seiner Ansicht nach die Fristversäumnis schon nach den Behauptungen der Verpflichteten ein grobes Verschulden darstelle.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs der Verpflichteten nicht Folge.

Ausgehend von der Rechtslage vor der EO-Novelle 1995 führte es aus, daß der Ausschluß der Wiedereinsetzung gemäß § 58 Abs 2 EO auch für das Widerspruchsverfahren nach § 83 EO aF gelte, weil es sich in erster Instanz um ein Verfahren nach der EO handle, das als Ausnahme von § 62 EO nicht durch Beschluß, sondern durch Urteil beendet werde. Demnach sei die Wiedereinsetzung auch gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist ausgeschlossen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten, mit dem sie in erster Linie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin begehrt, daß ihrem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist Folge gegeben werde; hilfsweise stellt sie Aufhebungsanträge.

Zur Zulässigkeit vertritt die Rechtsmittelwerberin die Auffassung, daß der Rechtsmittelausschluß des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht vorliege (und daher zu Recht das Rekursgericht keinen dem entsprechenden Zulassungsausspruch getätigt habe), weil in Wahrheit keine konformen Entscheidungen vorlägen. Während das Rekursgericht die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vertrete, habe das Erstgericht den Antrag als unberechtigt abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes könne sich die zweite Instanz in der Frage, ob die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist des § 83 Abs 2 EO nicht zulässig sei, auf keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes stützen. Auch wenn nach der herrschenden Meinung das Widerspruchsverfahren in erster Instanz nach den Bestimmungen der EO zu führen sei, handle es sich dabei um einen Prozeß im Sinne des § 58 Abs 2 EO, weil es ebenso wie die Klagen nach §§ 35, 36 und 37 EO zu einem Urteil führe. Auch das Rechtsschutzziel sei zum Teil dasselbe wie in den genannten Klagen, nämlich die Unzulässigerklärung der Exekutionsführung. Maßgeblich sei auch, daß dem Urteil im Widerspruchsverfahren eine erweiterte Rechtskraftwirkung in dem Sinn zukomme, daß auch die weitere Exekutionsführung mit dem der Exekutionsbewilligung zugrundeliegenden Titel für alle Zukunft verhindert werde. Es sei demnach sachlich dem Oppositionsverfahren vergleichbar. Durch die Regelung, daß nach den Bestimmungen der ZPO mit Urteil zu entscheiden und ab dem erstinstanzlichen Urteil auch nach den Bestimmungen der ZPO zu verhandeln sei, werde den Voraussetzungen des § 58 Abs 2 EO Genüge getan.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend geht die Revisionsrekurswerberin (wie offenbar auch schon das Rekursgericht) davon aus, daß entgegen dem sich aus dem Spruch der Rekursentscheidung ergebenden Anschein in Wahrheit keine vollbestätigende Entscheidung vorliegt. Anders als das den Wiedeinsetzungsantrag der Verpflichteten meritorisch behandelnde Erstgericht brachte nämlich das Rekursgericht in seiner Begründung zum Ausdruck, daß es den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist nach § 83 EO idF vor der EO-Novelle 1995 für unzulässig hielt. Demnach liegen aber in Wahrheit divergierende Entscheidungen vor (3 Ob 53/94, 8 Ob 2076/96v und 3 Ob 2155/96z; Fasching LB2 Rz 2017). Richtig ist auch, daß die im Revisionsrekurs angeführte Rechtsfrage bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beantworten war. Es kann auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, wegen des Zeitablaufs seit Inkrafttreten der EO-Novelle 1995, in diesem Bereich würde sich diese Frage in Zukunft nicht mehr stellen. Gerade Wiedereinsetzungsanträge können unter Umständen noch lange nach Einbringung des Exekutionsantrages eingebracht werden, weil ja die Frist des § 148 Abs 2 ZPO erst mit Wegfall des die Versäumung verursachenden Hindernisses beginnt.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Vorweg ist noch klarzustellen, daß die Widerspruchsfrist des § 83 Abs 2 EO aF unter anderem dann nicht gilt, wenn sich der Widerspruch auf den im § 81 Z 4 EO genannten Grund stützt, also einen Verstoß der zu vollstreckenden Entscheidung gegen den ordre public geltend macht. Dies trifft auf die Punkte 21 bis 25 des Schriftsatzes ON 31 zu. Demnach entspricht die in den Gründen der Rekursentscheidung zum Ausdruck kommende Zurückweisung des Wiedeinsetzungsantrages insoweit jedenfalls dem Gesetz, weil die Verpflichtete diesbezüglich die Widerspruchsfrist gar nicht versäumt haben kann.

Im übrigen findet nach § 58 Abs 2 EO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Exekutionsverfahren nicht statt, ausgenommen sind lediglich die im Laufe eines Exekutionsverfahrens oder aus Anlaß desselben sich ergebenden Prozesse, die nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung zu verhandeln und zu entscheiden sind. Entscheidend ist demnach, ob das erstinstanzliche Verfahren über einen Widerspruch gegen eine Exekutionbewilligung aufgrund eines ausländischen Exekutionstitels als Exekutionsverfahren oder als Prozeß im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen ist.

Schon in der E SZ 13/13 = AnwZ 1931, 132 = ZBl 1931/154 hielt der Oberste Gerichtshof im Widerspruchsverfahren (die damals) achttägige Rekursfrist der EO für anwendbar. Nach der E 3 Ob 20/72 handelt es sich bei der Entscheidung über den Widerspruch (in Form eines Urteils) um einen Teil des Exekutionsverfahrens. Auch in der E EvBl 1962/216 = JBl 1962, 98 (Matscher) sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß sich das erstinstanzliche Verfahren nach den Bestimmungen der EO richte. Das war auch in der Lehre weitgehend unbestritten (Hoyer/Loewe in Heller/Berger/Stix 885 f; Holzhammer, ZwangsvollstrR3 86; Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren2 Rz 263).

In jüngster Zeit hat allerdings Bajons (in Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 111 f) die Auffassung vertreten, über Widersprüche gegen ausländische Exekutionsbewilligungen sei "im Sinne der ZPO zu verhandeln". Unter Berufung auf Matscher (ZZP 103 [1990], 320 f) lehrt sie, daß es sich bei der, wenn auch nur inzidenter erfolgenden Anerkennung ausländischer Exekutionstitel um eine Zivilsache im Sinn des Art 6 Abs 1 EMRK handle. Bei verfassungskonformer Auslegung, die geboten sei, sei § 58 Abs 2 EO im Widerspruchsverfahren nicht anzuwenden.

Diesen Erwägungen vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Wie Bajons selbst (110 f) darlegt, war das Widerspruchsverfahren vor der EO-Novelle 1995 nur unvollständig geregelt, sodaß es jedenfalls im Hinblick auf das LGVÜ eines gesetzgeberischen Eingriffes bedurfte. Abgesehen davon, daß eben aus der EO in der alten Fassung gerade nicht hervorgeht, daß es sich beim Widerspruchsverfahren (in erster Instanz) um einen Zivilprozeß handelt, wie sich aus dem Klammerzitat in § 83 Abs 2 EO, das sich nur auf das Berufungsverfahren bezieht, ergibt, kann die Geltung der ZPO schon in erster Instanz aus der nach Rechtsprechung und Lehre (EvBl 1968/242; 3 Ob 140/72; Hoyer/Loewe aaO, 887) vertretenen erweiterten Rechtskraftwirkung der Entscheidung über den Widerspruch im Zusammenhang mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht abgeleitet werden. Art 6 Abs 1 EMRK gilt nämlich in Österreich nur nach Maßgabe des von Österreich anläßlich der Ratifikation erklärten Vorbehaltes. Demnach werden die Bestimmungen des Art 6 mit der Maßgabe angewendet, daß die in Art 90 B-VG idF von 1929 festgelegten Grundsätze über die Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt werden (siehe VfSlg 11.569 und 11.855). Nach dieser Verfassungsbestimmung darf das einfache Gesetz Ausnahmen von den Prinzipien der Mündlichkeit und der Volksöffentlichkeit vorsehen, nicht aber das Prinzip als solches abändern (Mayer, Bundes-VerfassungsR2, 270; 4 Ob 236/97b). Demnach schließt dieser Vorbehalt die Anwendung von Art 6 Abs 1 EMRK, soweit er die Öffentlichkeit betrifft und sich diese auf die einfach gesetzliche Rechtslage bezieht, die von Art 90 B-VG erfaßt ist, jedenfalls dann praktisch aus, wenn die die Öffentlichkeit ausschließende Bestimmung schon zum Zeitpunkt der Einlegung des Vorbehalts in Kraft stand (EuMR vom 26.4.1995 [Fischer] = ÖJZ 1995, 633; Ermacora, Menschenrechte in Österreich Rz 519). Daher führt auch eine verfassungskonforme Auslegung von § 83 Abs 2 EO aF nicht dazu, daß die dort verlangte mündliche Verhandlung auch öffentlich sein müsse. Noch weniger kann aber gesagt werden, daß Art 6 EMRK die Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen würde. Dies wird auch in der Lehre und in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen nicht vertreten (vgl Frowein/Peukner EMRK-Kommentar2). Auch Schlosser (EuGVÜ Rz 17 zu Art 36) lehrt bloß, daß die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch bei Zustellung in einen anderen Vertragsstaat nicht gegen Art 36 Abs 2 Z 2 EuGVÜ verstoße, sofern sie nicht allein damit begründet werde, daß der Wohnsitz des Schuldners weit entfernt liege. Nach der neuen Rechtslage sind ohnedies die §§ 431 ff ZPO auf das Widerspruchsverfahren anzuwenden (3 Ob 87/97h).

Daß aber das Verfahren nach der EO an sich die Verfahrensgrundsätze des Art 6 Abs 1 EMRK verletzen würde, trifft nicht zu.

Der Gesetzestext spricht somit eindeutig für die von der bisherigen Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung, daß in erster Instanz die Bestimmungen der EO anzuwenden sind und damit auch der Ausschluß nach § 58 Abs 2 EO. Im Spruch war die Unzulässigkeit der Wiedereinsetzung durch die dem entsprechende Zurückweisung des Antrages zum Ausdruck zu bringen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO iVm § 78 EO.