JudikaturJustiz3Ob2022/96s

3Ob2022/96s – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, sowie die Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1. W***** GmbH, ***** 2. V***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 915.531,19 sA, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der beklagten Partei und der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28. August 1995, GZ 15 R 68/95-36, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 31.Mai 1994, GZ 9 Cg 198/93s-24, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten wird Folge gegeben; die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Antrag der klagenden Partei auf Zurückweisung der Nebenintervenienten nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Zwischenstreits über den Antrag der klagenden Partei auf Zurückweisung der Nebenintervenienten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt zuletzt Zahlung von S 915.531,19 sA an ungerechtfertigten Skontoabzügen durch die beklagte Partei bei der Schlußrechnung für einen Auftrag, den ihr die Arbeitsgemeinschaft der Nebenintervenienten im Namen und für Rechnung der Z-*****GmbH erteilt habe. Die beklagte Partei sei in der Folge mit allseitiger Zustimmung in alle Rechte und Pflichten der Auftraggeberin eingetreten.

Die beklagte Partei wendete ein, die Skontobeträge seien vereinbarungsgemäß zu Recht einbehalten worden; sie verkündete der "Arbeitsgemeinschaft W***** GmbH/V***** GmbH" den Streit (ON 10); darin brachte die beklagte Partei vor, sie verweigere die Zahlung insbesondere deshalb, weil ihr die Arbeitsgemeinschaft W***** (nunmehr Arbeitsgemeinschaft W*****) als ihre Geschäftsführerin, die als ihre Vertreterin den Werkvertrag mit der klagenden Partei abgeschlossen habe, mitgeteilt habe, daß ein Skonto in der Höhe von 1,5 % der Gesamtauftragssumme bei Einhaltung einer Skontofrist von 30 Tagen bei Teilrechnungen, von 45 Tagen bei der Schlußrechnung ausgehandelt worden sei. Die beklagte Partei gehe also davon aus, daß ein Skonto in Höhe von 1,5 % mit einer Skontofrist von 30 Tagen/45 Tagen vereinbart worden sei. Zur Wahrung der Ansprüche, die der beklagten Partei im Falle ihrer Sachfälligkeit gegen die Arbeitsgemeinschaft W***** zustehen, verkünde sie ihr den Streit und fordere sie auf, ihr in diesem Rechtsstreit die Vertretung zu leisten.

Die Nebenintervenienten traten mit Schriftsatz ON 15 auf Seite der beklagten Partei bei; nach Sachvorbringen zur Frage der Irrtumsanfechtung und den von der beklagten Partei vorgenommenen Abzügen brachten sie vor, klarzustellen sei, daß der Beitritt der Nebenintervenienten unpräjudiziell für eine Regreßhaftung erfolge.

Nachdem die Nebenintervenienten den Schriftsatz in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 31.5.1994 vorgetragen hatten, beantragte die klagende Partei, diesen Beitritt der Nebenintervenienten nicht zuzulassen, weil kein rechtliches Interesse am Verfahrensausgang bestehen könne; die beiden Gesellschaften wären durchaus berechtigt gewesen, ein Skonto nur bei der Hälfte der laut Ausschreibung veranschlagten Zahlungsfristen einzuräumen, eine Regreßberechtigung der Gesellschaften sei ausgeschlossen.

Die beklagte Partei bestritt dies, verwies auf den Inhalt der Streitverkündigung ON 10 und führte insbesondere aus, daß sehr wohl eine Regreßberechtigung der beklagten Partei bestehe, weil die beklagte Partei die beiden Gesellschaften aus dem Titel des Schadenersatzes klagen würde, dies deshalb, weil die beiden Gesellschaften die beklagte Partei dahingehend informiert hätten, daß ein Skonto von 1,5 % bei Zahlungsfristen von 30 Tagen bzw 45 Tagen vereinbart worden sei. Überdies ergebe sich die Berechtigung daraus, daß die Gesellschaften als Geschäftsführer für die beklagte Partei tätig geworden seien.

Hierauf verkündete der Erstrichter den Beschluß auf Zulassung der Nebenintervention, den er gemeinsam mit dem Urteil vom 12.12.1994 ausfertigte; laut der (nur) in der schriftlichen Ausfertigung enthaltenen Begründung sei nach dem übereinstimmenden Vorbringen der beklagten Partei und der beiden Nebenintervenienten unter Bedachtnahme auf den festgestellten Sachverhalt das Interventionsinteresse hinlänglich glaubhaft gemacht.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß infolge Rekurses der klagenden Partei dahin ab, daß die Nebenintervention zurückgewiesen wurde. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, der Nebenintervenient müsse sein Interventionsinteresse im Schriftsatz bestimmt angeben. Wie der Kläger brauche auch der Nebenintervenient nur die Tatsachen angeben, aus denen er ein Interesse am Obsiegen einer Partei ableitet. Das Fehlen derartiger Tatsachenbehauptungen führe zwar zur Erteilung eines Verbesserungsauftrags, doch sei im vorliegenden Fall zufolge Zurückweisungsantrags der klagenden Partei über den Beitrittsantrag mündlich verhandelt worden. In dieser Verhandlung habe der Nebenintervenientenvertreter trotz ausdrücklicher Bestreitung des Interventionsinteresses keinerlei Tatsachenvorbringen erstattet. Es bedürfe keiner Befassung mit der Frage, ob und inwieweit das fehlende Tatsachenvorbringen durch Vorbringen der streitverkündenden beklagten Partei substituiert werden konnte, weil auch diese kein Tatsachenvorbringen erstattet habe. Insgesamt lägen damit im erstinstanzlichen Verfahren keine Tatsachenbehauptungen und keine Beweisergebnisse über das Vorhandensein eines Interventionsinteresses auf Seiten der beiden Nebenintervenienten vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht zulässig.

Nach § 21 Abs 1 ZPO kann derjenige, der einen Dritten zur Begründung zivilrechtlicher Wirkungen von einem Rechtsstreit zu benachrichtigen hat (Streitverkündigung), dies durch Zustellung eines Schriftsatzes bewirken. Ein solcher Schriftsatz ist dem Dritten unbeschadet seines Inhaltes ohne Beifügen eines Beschlusses zuzustellen. Mit einer solchen Benachrichtigung kann eine Aufforderung zur Leistung der Vertretung im Rechtsstreit (Nebenintervention) verbunden werden (§ 21 Abs 2 ZPO). Erklärt der Dritte aufgrund einer Streitverkündung, dem Prozeß beizutreten, so ist die Zulässigkeit der Prozeßbeteiligung des Dritten nach den Bestimmungen der ZPO über die Nebenintervention (§§ 17 ff) zu prüfen. Im Zwischenverfahren nach § 18 Abs 2 ZPO sind aber nur der Nebenintervenient und diejenige Prozeßpartei beteiligt, welche die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hatte. Der anderen Prozeßpartei - hier der beklagten Partei -, die gegen die Nebenintervention in erster Instanz nichts vorgebracht hat, steht ein Rechtsmittel gegen den Beschluß erster oder zweiter Instanz nicht zu (JBl 1984, 265; SZ 36/81; Fasching, Kommentar II 219).

Es ist nicht Sache der beklagten Partei, die Interessen der Nebenintervenienten wahrzunehmen. Ein Recht einer Prozeßpartei, die Unterstützung des Nebenintervenienten zu genießen, ist aus der Prozeßordnung nicht abzuleiten. Das Institut der Nebenintervention wird in § 17 Abs 1 ZPO darauf abgestellt, ob eine dritte Person ein rechtliches Interesse daran habe, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege; im Zwischenverfahren über die Zulässigkeit der Nebenintervention geht es also um das rechtliche Interesse des Intervenienten (SZ 36/81).

Der erkennende Senat wird auch durch die Ausführungen der beklagten Partei nicht veranlaßt, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Ebenso wie die Prozeßpartei durch die Streitverkündigung in keiner Weise einen Beitritt des Nebenintervenienten erreichen kann, steht ihr auch kein Recht auf Unterstützung durch den Nebenintervenienten zu. Die Bestimmungen über die Nebenintervention dienen allein dazu, einem Dritten die Beteiligungsberechtigung einzuräumen, wenn ein fremder Prozeß auf seine Rechtssphäre einwirkt; ein Recht einer Partei auf Unterstützung durch den Nebenintervenienten ist hingegen daraus nicht ableitbar (Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozeß 131 mwN).

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei war daher mangels Rechtsmittellegitimation der beklagten Partei zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs der Nebenintervenienten ist zulässig und berechtigt.

Nach § 18 Abs 1 ZPO kann die Nebenintervention unter bestimmter Angabe des (rechtlichen: § 17 Abs 1 ZPO) Interesses am Sieg einer der Prozeßparteien in jeder Lage des Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Nach § 18 Abs 2 ZPO kann jede Prozeßpartei jedoch einen Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten stellen, worüber sodann nach vorhergehender mündlicher Verhandlung zwischen dem Bestreitenden und dem Intervenienten durch Beschluß zu entscheiden ist; der Fortgang des Hauptverfahrens wird hiedurch nicht gehemmt; der Intervenient ist aber (§ 18 Abs 3 ZPO) bis zur rechtskräftigen Zurückweisung der Nebenintervention dem Hauptverfahren zuzuziehen (SZ 45/141 ua).

Hat eine der Hauptparteien die Zurückweisung des Nebenintervenienten beantragt, muß dieser sein rechtliches Interesse am Obsiegen derjenigen Partei, der er beigetreten ist, bestimmt angeben und bescheinigen. Das Gericht entscheidet daraufhin mit Beschluß, ob dem Zurückweisungsantrag stattgegeben und die Nebenintervention zurückgewiesen wird oder ob der Zurückweisungsantrag abgewiesen wird (Fasching, Lehrbuch2, Rz 402). Dabei darf die Zulassung des Nebenintervenienten aus anderen als den von ihm vorgebrachten Tatsachen nicht abgeleitet werden (ZVR 1978/40; EvBl 1967/10; ZBl 1934/189; 6 Ob 714, 715/87).

Ein derartiges konkretes Vorbringen zur Begründung ihres Interventionsinteresses haben die Nebenintervenienten zwar bisher nicht erstattet. Im Beitrittsschriftsatz führten sie nach einem ausführlichen Vorbringen in der Sache selbst nur aus, daß "der Beitritt als Nebenintervenienten unpräjudiziell für eine Regreßhaftung erfolgt"; dem kann nicht eindeutig entnommen werden, daß eine derartige Haftung der Nebenintervenienten gegenüber der beklagten Partei - wie sie in der Streitverkündigung der beklagten Partei dargestellt wurde - besteht.

Das Erstgericht bejahte jedoch bei dieser Sachlage das Interventionsinteresse der Nebenintervenienten und ließ die Nebenintervention zu. Dem Tagsatzungsprotokoll kann keine Begründung des mündlich verkündeten Beschlusses entnommen werden; in der gemeinsam mit dem Urteil vorgenommenen Ausfertigung des Beschlusses wird das Interventionsinteresse aus dem festgestellten Sachverhalt abgeleitet. Mit dieser Begründung weicht das Erstgericht offensichtlich von der bei der Verkündung des Beschlusses den Parteien mitgeteilten Begründung ab, weil damals vor Durchführung des hiefür erforderlichen Beweisverfahrens diese Feststellungen überhaupt nicht getroffen werden konnten. Der bei der Verkündung als bescheinigt angenommene Sachverhalt, aus dem sich das rechtliche Interesse der Nebenintervenienten am Obsiegen der beklagten Partei ergibt, ist in der Beschlußausfertigung nicht wiedergegeben.

Eine - von den Nebenintervenienten im Revisionsrekurs nach Zulassung der Nebenintervention in erster Instanz rechtzeitig geltend gemachte - Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt jedoch darin, daß das Erstgericht es nach dem Inhalt des Protokolles unterlassen hat, überhaupt mit den Rechtsmittelwerbern zu verhandeln. Das Erstgericht hätte die bisher unterlassene Überprüfung, ob die Nebenintervenienten konkretes Tatsachenvorbringen erstattet haben, aus dem sich ihr Interventionsinteresse ergibt, nachholen und den Nebenintervenienten zur Erstattung eines entsprechenden Vorbringens in tatsächlicher Hinsicht auffordern müssen. Dies unterließ es offenbar aus der Fehlbeurteilung heraus, daß sich der Zwischenstreit zwischen den Parteien des Hauptverfahrens abspiele. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Nebenintervenienten aufzufordern haben, ein konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten, aus dem sich ihr Interventionsinteresse ergibt, und dieses Vorbringen - soweit die Tatsachen nicht außer Streit stehen - zu bescheinigen. Erst dann werden die Voraussetzungen für eine mangelfreie, vom Erstgericht neuerlich vorzunehmende Beschlußfassung über die Zulässigkeit der Nebenintervention gegeben sein.

Nach Rechtskraft dieses Beschlusses ist der Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, der erst dann über die von der beklagten Partei und den Nebenintervenienten eingebrachten außerordentlichen Revisionen entscheiden kann (vgl SZ 45/141; EvBl 1960/281).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
4