JudikaturJustiz3Ob201/53

3Ob201/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. April 1953

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wahle als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernard, Dr. Deutsch, Dr. Bistritschan und Dr. Kisser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara S*****, Besitzerin in Suetschach, vertreten durch Dr. Otto Messiner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1) Method W*****, 2) Rochus W*****, beide Besitzer in Suetschach, Nr. *****, vertreten durch Dr. Alexander Sadila, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Nichtbestehens einer Dienstbarkeit und Unterlassung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1953, GZ 2 R 85/53-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Ferlach vom 15. Dezember 1952, GZ C 131/52-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Baufläche 21 EZ 32 der Kat. Gem. S*****. Über dieses Grundstück führt ein Weg, der seit langem mit Pferdefuhrwerken befahren wurde. Die Klägerin brachte vor, dass die Beklagten über diesen Weg auch mit Lastkraftwagen führen; das zu dulden sei sie nicht verpflichtet. Sie beantragte daher die Feststellung, dass den Beklagten ein Recht, mit Lastkraftwagen auf diesem Weg zu fahren, nicht zustehe und verurteilte die Beklagten zur Unterlassung solcher Fahrten.

Die Beklagten haben eingewendet, dass seit jeher an der fraglichen Stelle ein öffentlicher Weg bestünde, über den seit mehr als 30 Jahren mit Lastkraftwagen gefahren würde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, es sei das Recht, über den Hof der Klägerin mit Pferdefuhrwerk zu fahren, durch den 30jährigen Gebrauch ersessen worden. Es werde zwar seit längerer Zeit auch mit Lastkraftwagen dort gefahren, doch könne nicht festgestellt werden, dass dies durch 30 Jahre oder länger der Fall sei. Die Beklagten hätten daher eine Dienstbarkeit, mit Lastkraftwagen über den Weg zu fahren, nicht ersessen. Gegen das Urteil des Erstgerichtes erhoben die beklagten Parteien Berufung. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel statt und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Der Aufhebungsbeschluss wird von der Klägerin mit Rekurs bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht begründet.

Die klagende Partei wendet gegen die vom Berufungsgericht angeordnete Untersuchung der Frage, ob der fragliche Weg ein öffentlicher sei, und gegen die angeordnete Lösung dieser Frage als Vorfrage zunächst ein, dass die beklagten Parteien die Öffentlichkeit des Weges im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet hätten. Damit setzt sich aber die klagende Partei in einen offenkundigen Widerspruch zu ihren eigenen Ausführungen in der Berufungsbeantwortung ONr 16. In der Berufungsbeantwortung führte die klagende Partei aus, dass die Einwendung der Beklagten lediglich dahin ging, dass es sich um einen öffentlichen Weg handelt. Von einer Servitut sei überhaupt nicht die Rede gewesen, es zeige auch die gesamte Beweisführung, dass die Beklagten das Vorliegen eines öffentlichen Weges behaupten. Der Umstand, dass das fragliche Stück der Erdoberfläche im Eigentum der klagenden Partei steht, schließt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, den Bestand eines öffentlichen Weges nicht aus. Dies ergibt sich für Kärnten schon aus § 38 Abs 1 Punkt 1 Satz 2 des Landesgesetzes vom 21. 5. 1890, LGBl Nr 17. Nur nebenbei sei bemerkt, dass im Privateigentum stehende Teile der Erdoberfläche nicht nur durch eine seit unvordenklicher Zeit allgemein geübte Benutzung (Gemeingebrauch), sondern auch durch Widmung die Eigenschaft eines öffentlichen Weges erhalten können. Eine ohne Zustimmung des Grundeigentümers vorgenommene Widmung wäre möglicherweise anfechtbar, nicht aber absolut nichtig. Es ist daher mit der Feststellung des Eigentums der Klägerin die Frage nach der Öffentlichkeit des Weges noch nicht beantwortet.

Aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 5. 2. 1947, von dem im Übrigen aus den Akten nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob er im Verfahren erster Instanz verlesen wurde, lassen sich sichere Anhaltspunkte weder in der Richtung der Öffentlichkeit des Weges noch des Mangels dieser Eigenschaft gewinnen. Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ XX/8 und SZ IX/194 ausgesprochen hat, hat das Gericht in einem Negatorienstreit, wenn die beklagte Partei einwendet, dass ein Weg öffentlich sei oder Gemeingebrauch hieran bestehe, diese Frage als Vorfrage ohne Rechtskraft zu lösen, falls hierüber noch keine rechtskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt. Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung erweist sich daher als notwendig. Sollte diese Verfahrensergänzung das Ergebnis haben, dass der Weg als ein öffentlicher anzusehen ist, und sollten die Beklagten ihr Benutzungsrecht nur auf die Öffentlichkeit des Weges gründen, wird die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen sein. Das Berufungsgericht hat aber auch das erstinstanzliche Urteil aus dem Grunde aufgehoben, weil für den Fall als die Beklagten einen Privatrechtstitel behaupten sollten, die Frage zu klären sei, ob eine nach § 484 ABGB unzulässige Erweiterung einer Dienstbarkeit oder nur eine für den Eigentümer des dienenden Grundstückes unschädliche Änderung der Benützung anzunehmen ist. Auch in dieser Hinsicht muss die Aufhebung des erstrichterlichen Urteils gebilligt werden. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 13. 11. 1952, 3 Ob 690/52, ausgesprochen hat, kann in dem Befahren eines Weges mit Lastkraftwagen anstatt mit Pferdefuhrwerken an sich noch keine unzulässige Erweiterung einer Servitut im Sinne des § 484 ABGB erblickt werden. Wie es in dieser Entscheidung heißt, sei der Eigentümer des herrschenden Grundstückes nicht gehalten, einen landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise, also mit animalischer Kraft und nicht mit Motorenkraft zu führen.

Aus diesen Erwägungen musste dem Rekurs der Erfolg versagt werden. Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.