JudikaturJustiz3Ob166/93

3Ob166/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*****gmbH, ***** vertreten durch Dr.Thomas Rohracher, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei A***** GmbH ***** wegen 382.480 S sA, infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28.Mai 1993, GZ 46 R 146/93-38, womit der Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 23.Dezember 1992, GZ E 9750/92-24, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über den von der betreibenden Partei gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs zu entscheiden.

Die Kosten der betreibenden Partei für ihren an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurs werden mit 18.387 S (darin 3.064,50 S Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei führt gegen die verpflichtete Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, zur Hereinbringung der Forderung von 382.480 S sA Fahrnisexekution, in deren Verlauf das Erstgericht die gerichtliche Versteigerung der am 10.12.1991 gepfändeten Gegenstände anordnete. Bei der am 4.12.1992 am Ort der Pfändung durchgeführten Versteigerung wurden mehrere der gepfändeten Gegenstände nicht vorgefunden. Das Erstgericht forderte deshalb die betreibende Partei "in Anwendung der Bestimmung des § 279a EO" auf, binnen 14 Tagen bekanntzugeben, wo sich die Gegenstände befinden, oder andere Anträge zur Durchführung der Versteigerung zu stellen. Wenn die betreibende Partei dies unterlasse, werde das Verkaufsverfahren hinsichtlich dieser Gegenstände gemäß § 200 Z 3, § 282 EO eingestellt. Der Einstellungsbeschluß könne durch Rekurs nicht angefochten werden, die Zustellung des Beschlusses unterbleibe.

Die betreibende Partei gab mit einem am 27.11.1992 beim Erstgericht eingelangten und somit innerhalb der ihr gesetzten Frist eingebrachten Schriftsatz einen Ort bekannt, an dem sich die bei der Versteigerung nicht vorgefundenen Gegenstände befänden, und beantragte zugleich, diese Gegenstände in die "nächste" Auktionshalle zu überstellen.

Das Erstgericht ordnete hierauf Erhebungen darüber an, ob sich die bei der Versteigerung fehlenden Gegenstände an dem von der betreibenden Partei angegebenen Ort befinden und die verpflichtete Partei dort Gewahrsame daran hat.

Nach Vorliegen des Ergebnisses dieser Erhebungen stellte das Erstgericht mit einem jedenfalls der betreibenden Partei zugestellten Beschluß das Verkaufsverfahren bezüglich der bei der Versteigerung nicht vorgefundenen Gegenstände gemäß § 200 Z 3, § 282 EO ein und wies den "Antrag der betreibenden Partei vom 27.11.1992" ab. Es folgerte aus dem Ergebnis der durchgeführten Erhebungen rechtlich, daß sich an dem von der betreibenden Partei angegebenen Ort keine Gegenstände in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befänden. Da derjenige, dem die Gewahrsame zustehe, zur Herausgabe der bei der Versteigerung fehlenden Gegenstände nicht bereit sei und hiezu nicht verhalten werden könne, sei der Antrag der betreibenden Partei zur ordnungsgemäßen Fortsetzung des Verkaufsverfahrens nicht geeignet.

Das Rekursgericht wies den von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs zurück, weil der Beschluß gemäß § 279a EO nicht angefochten werden könne. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist im Interesse der Rechtsentwicklung zulässig und auch berechtigt.

Werden die gepfändeten Gegenstände bei der Versteigerung nicht vorgefunden, so kann dem betreibenden Gläubiger gemäß § 279a EO aufgetragen werden, dem Vollstreckungsorgan binnen einer angemessenen, mindestens vierzehntägigen Frist nach Zustellung der Verständigung bekanntzugeben, wo sich diese Gegenstände befinden. Wenn der betreibende Gläubiger dies unterläßt, ist das Verkaufsverfahren hinsichtlich dieser Gegenstände einzustellen. Die Vorschrift des § 200 Z 3 findet Anwendung. Der Einstellungsbeschluß kann durch Rekurs nicht angefochten werden, die Zustellung des Beschlusses unterbleibt; dies ist im Auftrag bekanntzugeben.

Diese Bestimmung wurde - ebenso wie die im § 280 Abs 2 EO für den Fall der Anordnung des Verkaufes aus freier Hand getroffene vergleichbare Regelung - durch die 6.Gerichtsentlastungsnovelle BGBl 1929/222 geschaffen. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes (298 BlgNR 3.GP 25 ff) geht hervor, daß dies geschah, um einer durch die EForm 259 und 271 niedergelegten, schon seit längere Zeit bestehenden, wegen des Mangels der gesetzlichen Grundlage jedoch stark angefochtenen zur ordnungsgemäßen Beendigung des Exekutionsverfahrens aber unentbehrlichen Praxis die fehlende gesetzliche Grundlage zu geben. Zum EForm 271 und dem hiezu ergangenen § 279a EO wurde außerdem bemerkt, daß die bereits durch 30 Jahre in Geltung stehende Praxis schon vor der Änderung der Exekutionsordnung auf deren §§ 56, 200 Z 3 und 282 gestützt werden könne.

Dem Rekursgericht ist einzuräumen, daß seine Entscheidung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht, die zu dem mit § 279a EO vergleichbaren § 280 Abs 2 EO ergangen ist. In der Entscheidung RZ 1974, 47 hat der Oberste Gerichtshof nämlich unter Hinweis auf die Entscheidung ZBl 1932/68 und andere, allerdings nicht näher bezeichnete Entscheidungen die Auffassung vertreten, daß ein Einstellungsbeschluß, der formal als solcher nach § 280 Abs 2 vierter Satz EO anzusehen sei, auch bei etwaiger Fehlerhaftigkeit nicht angefochten werden könne. Diesselbe Auffassung hat er ferner noch in den - nicht veröffentlichten - Entscheidungen 3 Ob 173/77 und 3 Ob 135/84 - dort jedoch nur obiter - vertreten. Sie wird mit Einschränkungen auch von Heller-Berger-Stix (II 1832 f) geteilt. Eine etwas abweichende Ansicht hat der Oberste Gerichtshof in der - ebenfalls nicht veröffentlichten - Entscheidung 3 Ob 113/83 vertreten, in der er die Zurückweisung des Rekurses durch das Gericht zweiter Instanz nur deshalb gebilligt hat, weil der Antrag des betreibenden Gläubigers inhaltsleer gewesen und deshalb ein wirksamer Antrag gar nicht gestellt worden sei. Die Einstellung des Verkaufsverfahrens habe damit auch formell dem Gesetz entsprochen, weshalb der Rechtsmittelausschluß des § 280 Abs 2 EO zum Tragen komme.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß es nicht darauf ankommt, welche gesetzliche Grundlage das Exekutionsgericht im Auge gehabt und zur Begründung seiner Entscheidung angeführt hat. Dabei handelt es sich um einen Teil der rechtlichen Beurteilung der Sache. Maßgebend und zu prüfen ist vielmehr, ob die vom Exekutionsgericht und in der Folge vom Rekursgericht angewendeten Gesetzesstellen auch tatsächlich anzuwenden sind.

In den §§ 279a und 280 Abs 2 EO ist die Einstellung des Verkaufsverfahrens für den Fall vorgesehen, daß der betreibende Gläubiger die ihm aufgetragene Bekanntgabe des Ortes, an dem sich die zu versteigernden Gegenstände befinden, oder die ihm aufgetragene Namhaftmachung von Käufern unterläßt. Der Gesetzgeber denkt dabei ganz offensichtlich daran, daß der betreibende Gläubiger auf den Auftrag des Exekutionsgerichtes überhaupt nicht reagiert. Nur in diesem Fall ist es gerechtfertigt, ihn vom Einstellungsbeschluß nicht zu verständigen, weil er zwingend mit der Einstellung rechnen muß. Stellt der betreibende Gläubiger hingegen einen Antrag und wird dieser abgewiesen, so wäre es nicht sachgerecht, wenn von der Zustellung des abweisenden Beschlusses abgesehen werden dürfte, zumal der gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendende § 428 Abs 1 ZPO vorschreibt, daß der Beschluß zu begründen ist. Es kann aber nicht angenommen werden, daß es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wenn die Begründung des Beschlusses der hievon betroffenen Partei nicht zur Kenntnis gebracht wird. Schon dies zeigt, daß die Regelungen des § 279a und § 280 Abs 2 EO für solche Fälle offensichtlich gar nicht gedacht sind.

Ein weiterer Hinweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus den bereits bezogenen Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 6.Gerichtsentlastungsnovelle, weil dort die Meinung vertreten wird, daß die bestehende Praxis schon durch die §§ 56 und 200 Z 3 EO gedeckt sei. Es kann also angenommen werden, daß der Gesetzgeber an den in diesen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen festhalten wollte. Stellt der betreibende Gläubiger einen - wenn auch möglicherweise ungerechtfertigten - Antrag auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens, so kann aber weder im Sinn des § 200 Z 3 EO davon ausgegangen werden, daß er von der Fortsetzung der Exekution absteht, noch kann er im Sinn des § 56 Abs 3 EO als der Einstellung des Verkaufsverfahrens zustimmend behandelt werden.

Heller-Berger-Stix (aaO) ist allerdings zuzustimmen, daß bei diesem Verständnis der gesetzlichen Bestimmungen der Einstellungsbeschluß nur dann unanfechtbar ist, wenn er ohnedies zu Recht erging, und daß dies den Rechtsmittelausschluß praktisch bedeutungslos macht. Den Gesetzesmaterialien ist aber kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß der Gesetzgeber etwas anderes beabsichtigt hat, zumal der Zweck der Gesetzesänderung nur darin bestand, eine eindeutige gesetzliche Grundlage für die schon bestehende Praxis zu schaffen. Daß nach dieser Praxis das Verkaufsverfahren auch eingestellt wurde, wenn ein Fortsetzungsantrag des betreibenden Gläubigers vorlag, ist den vorhandenen Unterlagen nicht zu entnehmen. Heller-Berger-Stix sehen im übrigen selbst für fehlerhafte Beschlüsse Ausnahmen von der Unanfechtbarkeit vor (aaO 1832), ohne aber zu begründen, warum der Rekurs gerade in diesen und nicht auch in anderen Fällen der Fehlerhaftigkeit zulässig sein sollte.

In diesem Zusammenhang ist ferner zu bedenken, daß der betreibende Gläubiger bei Einstellung des Verkaufsverfahrens zufolge der vorgesehenen Anwendung des § 200 Z 3 EO nicht nur daran gehindert ist, vor Ablauf eines halben Jahres seit der Einstellung eine neue Versteigerung zu beantragen, sondern daß sein an den gepfändeten Gegenständen erworbenes Pfandrecht oft - so wie im übrigen auch hier - gemäß § 256 Abs 2 EO erlischt, weil die Frist von einem halben Jahr, nach deren Ablauf er eine neue Versteigerung beantragen darf, erst endet, wenn seit dem Tag der Pfändung bereits ein Jahr vergangen ist (vgl Heller-Berger-Stix II 1708, 1841 f). Auch wegen dieser für den betreibenden Gläubiger unter Umständen sehr nachteiligen Rechtsfolge kann ohne einen eindeutigen Hinweis aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber ein Rechtsmittel auch gegen Beschlüsse ausschließen wollte, in denen die Entscheidung davon abhing, ob ein vom betreibenden Gläubiger gestellter Antrag auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens gerechtfertigt ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes und dessen Entstehungsgeschichte ergibt sich aber ein Anhaltspunkt gerade für das Gegenteil. Im übrigen hat schon Kralik (in RZ 1927, 119) mit Recht darauf hingewiesen, daß es zweckmäßiger und gerechter ist, wenn dem betreibenden Gläubiger die Möglichkeit bleibt, den Verkauf jederzeit und nicht erst nach sechs Monaten wieder aufzunehmen, und wenn sein Pfandrecht bei der Verteilung auch ohne Anmelden zu berücksichtigen ist (vgl hiezu Heller-Berger-Stix II 1862 f). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, die Einstellung des Verkaufsverfahrens auf jene Fälle zu beschränken, in denen dies dem Willen des betreibenden Gläubigers entspricht.

Zusammenfassend ist der erkennende Senat daher der Meinung, daß die Voraussetzungen für die Einstellung des Verkaufsverfahrens auf Grund des § 279a EO oder auf Grund des § 280 Abs 2 EO nur erfüllt sind, wenn der betreibende Gläubiger auf den Auftrag des Exekutionsgerichtes überhaupt nicht reagiert hat. Nur in diesem Fall kann daher die Zustellung des Einstellungsbeschlusses unterbleiben und es kann dieser Beschluß nicht angefochten werden. Stellt der betreibende Gläubiger hingegen einen auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens gerichteten Antrag, so kommt die unanfechtbare Einstellung nicht mehr in Betracht. Es ist über diesen Antrag zu entscheiden; der hierüber ergehende Beschluß ist gemäß § 64 Abs 1 EO im Fall der Abweisung dem betreibenden Gläubiger, sonst aber beiden Parteien zuzustellen und ist jedenfalls anfechtbar. Soweit aus der früheren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes etwas anderes abzuleiten ist, vermag sie der erkennende Senat nicht aufrecht zu erhalten.

Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß im Fall der Abweisung des auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens gerichteten Antrags des betreibenden Gläubigers die Einstellung nicht erforderlich ist, um die vom Gesetzgeber durch die Regelung der §§ 279a und 280 Abs 2 EO angestrebte ordnungsgemäße Beendigung des Exekutionsverfahrens zu erreichen. Der in diesen Bestimmungen vorgesehene Auftrag an den betreibenden Gläubiger ist nämlich nur zweckmäßig, um zu klären, ob sein Pfandrecht gemäß § 256 Abs 2 EO erloschen ist. Hiefür ist die Einstellung aber nicht erforderlich, weil infolge der Abweisung des Antrags auch ohne sie feststeht, daß der betreibende Gläubiger das Verkaufsverfahren nicht gehörig fortgesetzt hat (vgl zu all dem Kralik in RZ 1927, 117, insbes 119).

Hier hat die betreibende Partei einen zur Fortsetzung des Verkaufsverfahrens dienenden Antrag gestellt, weshalb die Voraussetzungen für die Anwendung des § 279a EO somit nicht gegeben sind und der in dieser Bestimmung vorgesehene und in Übereinstimmung damit im ersten Beschluß des Erstgerichtes bekanntgegebene Rechtsmittelausschluß nicht zum Tragen kommt. Da auch sonst kein Hindernis für die Anfechtung des erstgerichtlichen Beschlusses besteht, hat das Rekursgericht den Rekurs der betreibenden Partei zu Unrecht zurückgewiesen.

Der Ausspruch über die Kosten des an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurses der betreibenden Partei beruht auf § 74 EO.

Rechtssätze
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