JudikaturJustiz3Ob15/02f

3Ob15/02f – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Markus P*****, geboren am 21. April 1987, und Daniel P*****, geboren am 30. November 1988, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Josef P*****, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 19. November 2001, GZ 4 R 309/01k 17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 18. Oktober 2001, GZ 2 P 67/01p 14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 21. 4. 1987 geborene Markus und der am 30. 11. 1988 geborene Daniel stammen aus der mit Urteil des Erstgerichts vom 16. 3. 2001 geschiedenen Ehe ihrer Eltern. Noch am selben Tag stellten sie jeweils den Antrag, ihnen die Obsorge für die beiden Kinder allein zu übertragen.

Das Erstgericht gab mit Beschluss vom 18. 10. 2001 dem Antrag der Mutter statt und wies den des Vaters ab. Der Erstrichter, der bereits in der ersten Verhandlung festgestellt hatte, dass über die weitere Betreuung der Minderjährigen kein Einvernehmen mit den Parteien erzielt werden habe können, kam zum Ergebnis, dass die alleinige Zuteilung der Obsorge an die Mutter eher dem Wohl der Minderjährigen entspreche als eine Zuteilung an den Vater.

In seinem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs machte der Vater allein Gründe geltend, die dafür sprächen, dass ihm die Obsorge übertragen werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht diesem Rekurs nicht Folge und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG sei nicht zulässig. In seiner Begründung trat das Rekursgericht im Wesentlichen den Überlegungen und Wertungen des Erstgerichts bei und den im Rekurs gebrauchten Argumenten entgegen.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt der Vater in erster Linie die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht. Nur hilfsweise beantragt er die Abänderung der Entscheidungen iS seines in erster Instanz gestellten Antrags. Darin macht er allein geltend, das Erstgericht habe vor seiner Entscheidung die im § 182e AußStrG angeführten Mittel nicht ausgeschöpft. Es habe nicht gefragt, ob und mit welcher Hilfe die Parteien zu einer gütlichen Einigung gelangen könnten, es habe nicht auf entsprechende Hilfsangebote hingewiesen und es habe den Parteien keine Gelegenheit gegeben, solche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Demnach leide das Rekursverfahren an einem erheblichen Mangel, den das Rekursgericht beheben hätte müssen. Eine höchstgerichtliche Rsp zur erst mit dem KindRÄG 2001 geschaffenen Bestimmung des § 182e AußStrG gebe es noch nicht. Im Interesse der Kinder sei nach Möglichkeit eine Lösung anzustreben, mit dem Ziel einer Vereinbarung über die gemeinsame Obsorge beider Elternteile.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist auf das vorliegende Verfahren bereits der mit Wirkung vom 1. 7. 2001 eingeführte § 177a ABGB anzuwenden. Demnach hat das Gericht, kommt innerhalb angemessener Frist nach Auflösung der Ehe der Eltern eine Vereinbarung nach § 177 ABGB über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes und über die Betrauung mit der Obsorge nicht zustande (oder entspricht sie nicht dem Wohl des Kindes), zu entscheiden, welcher Elternteil künftig allein mit der Obsorge betraut ist, wenn es nicht gelingt, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Zum genannten Zeitpunkt trat auch die (ebenso wie § 177a ABGB mangels anderer Regelungen in den Übergangsbestimmungen des KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135) auch auf bereits eingeleitete Verfahren anzuwendende Bestimmung des § 182e AußStrG in Kraft (Art 18 § 1 Abs 1 KindRÄG 2001). Nach § 182e Abs 1 AußStrG hat das Gericht in allen Pflegschaftsverfahren ( Deixler Hübner , Die neuen familienrechtlichen Verfahrensbestimmungen, in Ferrari/Hopf , Reform des Kindschaftsrechts 115 ff [125]) tunlichst auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien hinzuwirken. Nur für einen Teil dieser Verfahren, insbesondere in solchen, die die Obsorge betreffen, gilt auch die im zweiten Absatz dieser Bestimmung festgelegte Verpflichtung, sich durch Befragung der Parteien ein Bild davon zu machen, ob und mit welcher Hilfe diese zu einer gütlichen Einigung gelangen können, weiters auf entsprechende Hilfsangebote hinzuweisen und den Parteien Gelegenheit zu deren Inanspruchnahme zu geben, sofern hiedurch nicht das Wohl des Minderjährigen beeinträchtigt wird. Nach den EB zur RV des KindRÄG 2001 (296 BlgNR 21. GP, 89) verfolgt § 182e AußStrG das Ziel, gesetzliche Regelungen über die verfahrensrechtliche Anknüpfung der Mediation nach bereits bestehenden gesetzlichen Vorbildern im Pflegschaftsverfahrensrecht zu verankern. Zu Abs 1 wird (aaO) klargestellt, dass die Verpflichtung, wie sich aus der Verwendung des Wortes "tunlichst" ergibt, dahin relativiert wird, dass sie das Gericht nicht trifft, wenn sich klar abzeichnet, dass eine solche Einigung nicht erzielt werden kann (wofür Beispiele angeführt werden).

Dazu ist festzuhalten, dass im vorliegenden Verfahren, wie das Erstgericht protokolliert hat, eine gütliche Einigung (als negative Voraussetzung der Entscheidung nach § 177a Abs 1 ABGB) nicht zustandekam. Wie sich aus der entsprechenden Formulierung ergibt, hat das Erstgericht entsprechend § 182e Abs 1 AußStrG (obwohl zum damaligen Zeitpunkt diese Bestimmung noch gar nicht in Kraft getreten war) eine solche Einigung herbeizuführen versucht. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung, welcher nach den dargelegten Erwägungen der RV keineswegs zu einer Nichtigkeit des Verfahrens führen könnte, wird im Revisionsrekurs ohnehin nicht geltend gemacht.

Dagegen behauptet darin der Vater erstmals, die Vorinstanzen hätten gegen § 182e Abs 2 AußStrG verstoßen. Zu Recht leitet er aus diesem behaupteten Verstoß nicht eine Nichtigkeit der Verfahren der Vorinstanzen ab. Dass der Gesetzgeber der Norm ein derartiges Gewicht geben wollte, dass eine Nichtigkeitssanktion gerechtfertigt wäre, ergibt sich aus den Materialien (aaO 89 f) nicht. Insbesondere aus der Einschränkung der Verpflichtung im letzten Halbsatz, "sofern hiedurch nicht das Wohl des Minderjährigen beeinträchtigt wird", ergibt sich, dass ebenso wie nach Abs 1 nur eine relative Verpflichtung besteht. Auch wenn (in Abs 2 fehlt die Einschränkung "tunlichst" wie in Abs 1) eine unbedingte Pflicht anzunehmen ist, sich einerseits ein Bild von der Möglichkeit einer gütlichen Einigung zu machen und andererseits auf entsprechende Hilfsangebote wie Mediation hinzuweisen und den Parteien Gelegenheit zu deren Inanspruchnahme zu geben, weshalb von einer unbedingten Verpflichtung auszugehen ist, der die Vorinstanzen nach der Aktenlage nicht nachgekommen sind, ist die Verletzung dieser Verpflichtung nicht mit Nichtigkeit bedroht. Derartiges wurde auch in den bisherigen literarischen Äußerungen nicht vertreten (vgl etwa Deixler Hübner aaO 124 f; Feil , Verfahren außer Streitsachen Ergänzungsband, Anmerkungen zu § 182e AußStrG). Hopf/Weitzenböck (Schwerpunkte des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 2001 in ÖJZ 2001, 485 ff [493]) sprechen im Zusammenhang mit der Entscheidung über das Besuchsrecht sogar bloß davon, das Gericht könne, je nach Bereitschaft der Beteiligten, diesen die Mediation zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung "anbieten".

Verfahrensverstöße begründen nur dann eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn sie abstrakt geeignet sind, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen ( Kodek in Rechberger 2 § 471 ZPO Rz 6; RIS Justiz RS0043027 [zu § 503 Z 2 ZPO]; 8 ObA 261/98k = immolex 1999/147 [Iby] = WoBl 2001/35 uam). Die Erheblichkeit des Mangels in diesem Sinn ist vom Rechtsmittelwerber darzulegen ( Kodek , aaO). Diese Grundsätze gelten auch für das Rekursverfahren in Außerstreitsachen, seit mit der WGN § 15 AußStrG an § 503 ZPO angeglichen wurde (vgl ua RIS Justiz RS0030748).

Im vorliegenden Fall macht nun aber der Revisionsrekurswerber gar nicht geltend, dass die Entscheidung der Vorinstanzen sachlich unrichtig wäre, er behauptet auch nicht, im Fall der Einhaltung der Verpflichtungen des § 182e Abs 2 AußStrG wäre das Erstgericht zu einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung gekommen. Selbst wenn man das Unterbleiben einer Entscheidung wegen gütlicher Einigung der Eltern auch als eine andere Entscheidung iS der Lehre und Rsp ansehen könnte, wäre für den Rechtsmittelwerber nichts gewonnen, versucht er doch gar nicht erst darzulegen, dass auch nur er selbst, geschweige denn die Mutter zu einer einvernehmlichen Lösung iS einer gemeinsamen Obsorge beider Elternteile bereit gewesen wären, hätte das Erstgericht alle Möglichkeiten in dieser Richtung ausgeschöpft. Mit der bloßen Behauptung, es sei nach Möglichkeit im Interesse der Kinder eine Lösung mit dem Ziel der Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile anzustreben, kann der Revisionsrekurswerber die abstrakte Eignung der vom Erstgericht unterlassenen Schritte, eine andere Lösung herbeizuführen, nicht ausreichend behaupten.

Damit zeigt sich aber auch, dass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Rechtsmittel nicht schon deshalb scheitern müsste, weil (über die Rsp hinaus, wonach vom Gericht zweiter Instanz verneinte Mängel erster Instanz nicht mehr vom Obersten Gerichtshof zu überprüfen sind: RIS Justiz RS0030748) iSd Entscheidung 10 Ob 223/00t (wie im Zivilprozess) auch im Außerstreitverfahren vor dem Rekursgericht gar nicht beanstandete angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht vor den Obersten Gerichtshof gebracht werden könnten. Würde man dieser Ansicht grundsätzlich folgen, könnte dem Revisionsrekurs auch nicht unter dem Aspekt ein Erfolg beschieden sein, dass die genannten Einschränkungen im Pflegschaftsverfahren nach der Rsp jedenfalls dann nicht anzuwenden sind, wenn das die Interessen des Kindeswohles erfordern (RIS Justiz RS0050037 [T 4]; zuletzt 7 Ob 114/01t und 7 Ob 165/01t). Dem Revisionsrekurs sind nämlich auch keinerlei Erwägungen zu entnehmen, aus denen abzuleiten wäre, die Bemühungen iSd § 182e AußStrG würden wegen des Kindeswohls ungeachtet dessen erforderlich sein, dass die Durchführung etwa eines Mediationsverfahrens eine endgültige Lösung der Obsorgefrage jedenfalls noch weiter hinausschieben würde und im Fall des Scheiterns der Bemühungen erst wieder eine gerichtliche Entscheidung notwendig wäre, die in zwei Instanzen überprüft werden könnte.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.