JudikaturJustiz2Ob650/84

2Ob650/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Dr. Gottfried I*****, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, wider den Erlagsgegner Dr. Otto I*****, unbekannten Aufenthalts, wegen Erlags eines Betrags von 20.000 S, infolge Revisionsrekurses des Erlegers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 21. August 1984, GZ 3 R 220/84 15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. Mai 1984, GZ 14 Nc 309/83 7, abgeändert wurde, folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Beschluss

gefasst:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse des Rekursgerichts und des Erstgerichts werden aufgehoben. Das Erstgericht wird nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung zu fällen haben.

Text

Begründung:

Zur Begründung seines am 22. 12. 1983 beim Erstgericht eingelangten Antrags auf Genehmigung eines Erlags von 20.000 S zugunsten des Erlagsgegners hatte der Erleger vorgebracht, die im § 1425 ABGB geforderten Voraussetzungen seien gegeben, weil der Erlagsgegner unbekannten Aufenthalts sei und sich wahrscheinlich in der Republik Südafrika aufhalte. Es lägen auch noch andere Gründe in der Unklarheit der Rechtslage vor. Durch die Flucht ins Ausland habe der Erlagsgegner die Deviseninländereigenschaft verloren, weil er sich mehr als 6 Monate im Ausland aufhalte.

Mit Schriftsatz vom 17. 1. 1984 teilte der Erleger mit, es bestehe die Gefahr, dass ehemalige Rechtsanwälte des Erlagsgegners unter Verwendung alter Vollmachten den Erlag realisierten. Gegen den Erlagsgegner sei ein Antrag auf Konkurseröffnung eingebracht worden, weshalb die Gefahr bestehe, dass ein ehemaliger Rechtsanwalt des Erlagsgegners begünstigt werde, wenn unter Verwendung einer alten Vollmacht die Auszahlung des Erlagsbetrags erschlichen werde. In diesem Fall würde die Republik Österreich, die Gerichtsgebührenforderungen gegen den Erlagsgegner hat, einen unwiederbringlichen Schaden erleiden. Es werde daher beantragt, den Erlag nur an den zu bestellenden Abwesenheitskurator oder im Fall der Konkurseröffnung an den Masseverwalter auszufolgen.

Mit einem am 5. 3. 1984 von Rechtsanwalt Dr. Hanns F. Hügel eingebrachten Schriftsatz wurde beantragt, den Erlag dem Erlagsgegner in der Form auszufolgen, dass er auf das Konto des Dr. Hügel überwiesen werde. Dr. Hügel berief sich auf eine zu 9 E 841/81 des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz erliegende Vollmacht. Diese Vollmacht befindet sich zwar nicht im Akt, wohl aber die beglaubigte Photokopie der beglaubigten Photokopie einer Rechtsanwalt Dr. Hanns F. Hügel erteilten Vollmacht, die als Unterschrift „Dr. Otto I*****“ und ein Aktenzeichen 17 Cg 170/81 aufweist und nicht datiert ist.

Das Erstgericht wies den Ausfolgungsantrag mit der Begründung ab, der Erleger habe den Betrag unter der Bedingung erlegt, dass der Erlag an den zu bestellenden Abwesenheitskurator auszufolgen wäre. Ein Ausfolgungsantrag von einem Abwesenheitskurator sei jedoch nicht eingelangt. Von anderen Personen könnte die Ausfolgung des Betrags nicht begehrt werden.

Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Ausfolgungsantrag bewilligt wurde. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die Ausfolgung eines gemäß § 1425 ABGB erlegten Geldbetrags an den Gläubiger könne nur dann erfolgen, wenn die vom Erleger im Erlagsantrag näher ausgeführten Voraussetzungen erfüllt seien, oder wenn der Erleger zustimme. Im vorliegenden Fall habe der Erleger im Erlagsantrag den Erlag mit unbekanntem Aufenthalt des Erlagsgegners begründet. Die weiters angeführte ungeklärte Rechtslage sei im Antrag nicht konkretisiert worden. Zu prüfen sei daher nur, ob die im Erlagsantrag angeführte Voraussetzung der Abwesenheit des Gläubigers noch aufrecht bestehe, wobei auf die erst nachträglich vom Erleger gesetzten Bedingungen nicht einzugehen sei. Abwesenheit des Gläubigers, ohne einen Vertreter zu hinterlassen, begründe den Annahmeverzug iSd § 1419 ABGB und berechtige den Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung. Die Bestellung eines Kurators für Abwesende finde dann nicht statt, wenn dieser seinen „ordentlichen Sachwalter“ (Bevollmächtigten, gesetzlichen Vertreter) zurückgelassen habe. Diese letztgenannte Voraussetzung sei nach erfolgter Hinterlegung eingetreten, das Erstgericht habe den Kurator seines Amtes enthoben, nachdem dem Gericht bekanntgeworden sei, dass der Erlagsgegner einen Bevollmächtigten zurückgelassen habe. Die einzige im Erlagsantrag konkret angeführte Bedingung der unvertretenen Abwesenheit des Gläubigers sei also weggefallen, sodass der Ausfolgungsantrag in Stattgebung des Rekurses habe bewilligt werden müssen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Erlegers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Ausfolgungsantrag abgewiesen werde. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben oder den Ausfolgungsantragsteller auf den Rechtsweg zu verweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Erleger vertritt in seinem Revisionsrekurs die Ansicht, die Vollmacht ohne Datum bei unbekanntem Aufenthalt des Vollmachtgebers sei bedenklich. Wenn die Vollmacht vom Erlagsgegner stamme, müsse sie zu einem ganz anderen Zweck als zur Empfangnahme des Gerichtserlags erteilt worden sein. Dr. Hanns F. Hügel verzögere durch verschiedenste Eingaben die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Erlagsgegner, um sich des Gerichtserlags vor Konkurseröffnung zu bemächtigen. Eine Zustimmung des Erlegers zur Ausfolgung an Dr. Hanns F. Hügel liege nicht vor. Dr. Otto I***** sei am 23. 6. 1983 geflüchtet, halte sich seither unbekannt im Ausland, wahrscheinlich in Südafrika auf und sei daher Devisenausländer geworden. Gemäß § 4 Abs 2 DevG dürfe wohl zugunsten eines Ausländers bei Gericht erlegt werden. Nach § 4 Abs 1 DevG dürfe ein Inländer im Inland aber nur mit Zustimmung der Nationalbank Zahlungen an einen Ausländer oder zugunsten eines Ausländers an einen Inländer leisten oder aushändigen. Eine devisenverkehrsbehördliche Genehmigung für die Erfolglassung an Dr. Hügel liege nicht vor. Der Antrag des Dr. Hügel enthalte entgegen der Vorschriften des § 75 ZPO nicht den Wohnort des Erlagsgegners.

Soweit sich der Revisionsrekurswerber dagegen wendet, dass die von Dr. Hügel vorgelegte Vollmacht als ausreichend angesehen wurde, sind seine Ausführungen nicht berechtigt. Die Datierung einer Vollmacht ist grundsätzlich nicht erforderlich (EvBl 1967/183). In der Vollmacht wird Dr. Hügel unter anderem ermächtigt, Geld oder Geldeswert zu beheben und in Empfang zu nehmen. Ob Dr. Hügel im Innenverhältnis vom Vollmachtgeber ermächtigt wurde, den Erlag zu beheben, ist nicht zu prüfen. Der Umstand, dass der Vollmachtgeber unbekannten Aufenthalts ist, hat auf die Wirksamkeit der Vollmacht keinen Einfluss. Nicht zielführend ist auch der Hinweis auf ein angeblich bevorstehendes Konkursverfahren. Solange der Konkurs nicht eröffnet ist, kann der Erlagsgegner die Ausfolgung des Erlags begehren. Nicht berechtigt sind auch die Rechtsmittelausführungen über einen Verstoß gegen § 75 ZPO. Diese Vorschrift dient der einwandfreien Identifizierung der Parteien ( Fasching , Zivilprozeßrecht, Rdz 321). Die genaue Anschrift ist auch wegen der Notwendigkeit der Zustellung erforderlich (ZfV 1976/890, S 320; Fasching aaO). Im vorliegenden Fall bestehen an der Identität des Erlagsgegners jedoch keine Zweifel; Zustellungen haben ohnedies an den ausgewiesenen Vertreter zu erfolgen.

Auf den im Schriftsatz vom 17. 1. 1984 gestellten Antrag, den Erlag nur einem Abwesenheitskurator oder Masseverwalter auszufolgen, ist keine Rücksicht zu nehmen, weil derartiges im Erlagsantrag nicht zur Voraussetzung für eine Ausfolgung des Erlags gemacht wurde.

Dem Revisionsrekurs kann jedoch aus folgenden Gründen Berechtigung nicht abgesprochen werden:

Entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts begründete der Erleger den Erlagsantrag nicht nur mit dem unbekannten Aufenthalt des Erlagsgegners, sondern auch damit, dass der Erlagsgegner die Eigenschaft eines Deviseninländers verloren habe. Die Devisenausländer Eigenschaft des Gläubigers ist aber ein wichtiger Grund zum Erlag iSd § 1425 ABGB (JBl 1950, 15). Die Frage, ob der Erlagsgegner Devisenausländer ist und in welchem Staat er seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat wurde jedoch nicht geprüft. Da das Gericht gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluss haben, von Amts wegen zu untersuchen hat, erweist sich das Verfahren erster Instanz als ergänzungsbedürftig.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren Dr. Hügel aufzufordern haben, alle notwendigen Angaben zu machen, die zur Klärung der Frage notwendig sind, ob der Erlagsgegner Devisenausländer ist und ob diese Eigenschaft (unter Berücksichtigung der generellen Genehmigungen der Nationalbank) einer Ausfolgung entgegensteht.