JudikaturJustiz2Ob557/94

2Ob557/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhold M*****, vertreten durch Dr.Clement Achammer und Mag.Martin Mennel, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. Hans-Peter M*****, und 2. Gisela M*****, vertreten durch Dr.Ernst Stolz und D.Sepp Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 3.Mai 1994, GZ 2 R 99/94-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Montafon vom 8.Februar 1994, GZ 1 C 1018/93a-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 7.254,46 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.209,08, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 5.821,25 (darin enthalten S 670,21 an Umsatzsteuer und S 1.800,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Räumung des auf dem Grundbuchskörper EZ ***** GB ***** T***** befindlichen Wochenendhauses (Hütte) und dessen Übergabe an ihn mit der Begründung, die Beklagten würden sein Grundstück titellos benützen. Zwischen seiner Rechtsvorgängerin und den Beklagten sei ein Umgehungsgeschäft abgeschlossen worden; da in Kenntnis der Nichtbewilligung durch die Grundverkehrsbehörde nicht innerhalb angemessener Frist um Genehmigung angesucht worden sei, sei der Vertrag ex tunc nichtig.

Die Beklagten wendeten ein, es sei ein befristeter Pachtvertrag und nicht ein unbefristeter Kaufvertrag abgeschlossen worden, weshalb kein Umgehungsgeschäft vorliege. Die ursprünglich auf den Abschluß eines Kaufvertrages gerichtete Absicht sei fallen gelassen worden. Der Bestandvertrag unterliege nicht den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes. Das auf die angeblich titellose Benützung des Grundstückes gestützte Räumungsbegehren sei schikanös, weil der Vorschlag zum Abschluß eines Pachtvertrages von der Rechtsvorgängerin des Klägers gekommen sei. Auch bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes bestünde nach wie vor ein Schwebezustand, sodaß das Räumungsbegehren verfehlt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es folgenden Sachverhalt feststellte:

Die Rechtsvorgängerin des Klägers, Theresia M*****, verkaufte den Beklagten im Jahre 1970 eine Teilfläche des Grundstückes Nr.***** im Ausmaß von ca. 150 m2 zum Preis von DM 5,-- pro Quadratmeter. Der Erstbeklagte bezahlte am 12.8.1970 den Preis von öS 5.300,--. Die Absicht der Vertragsteile war darauf gerichtet, den Beklagten das Eigentum an der erwähnten Teilfläche zu verschaffen. Sämtlichen Beteiligten war allerdings bekannt, daß ein Kaufvertrag der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurfte, da die Beklagten deutsche Staatsangehörige waren und sind, und daß diese Genehmigung wahrscheinlich nicht erteilt werden würde. Die Beklagten hofften, daß zu einem späteren Zeitpunkt die gesetzliche Möglichkeit der grundbücherlichen Einverleibung ihres Eigentumsrechtes bestehen werde. Bis dahin sollten sie jedenfalls die Liegenschaft nutzen können. Eine einvernehmliche Aufhebung des Kaufvertrages erfolgte nicht.

Der Schwager des Erstbeklagten verfaßte am 30.12.1992 einen vom Erstbeklagten und Josef M***** (dem Ehegatten der damaligen Eigentümerin) unterfertigten Vertrag im Sinne des mündlich Vereinbarten. Es heißt dort unter anderem:

"Vertrag zwischen ... über das im Herbst 1970 von mir käuflich erworbene 150 m2 große Grundstück auf der G*****. Solange das Grundstück für uns im Grundbuch bei dem Gemeindeamt nicht eingetragen werden kann, gilt zwischen den Eheleuten M***** und den Eheleuten M***** ein Pachtvertrag auf 99 Jahre. Eine Pachtzahlung entfällt, da das Grundstück 1970 bereits bezahlt wurde...".

Im Zeitraum 1970 bis 1973 errichteten die Beklagten auf dem Grundstück auf ihre Kosten eine Hütte (Wochenendhaus). Die entsprechenden Bauansuchen wurden von Josef M***** unterfertigt. Seither wird die Hütte samt umliegender Teilfäche (insgesamt etwas weniger als 150 m2) ausschließlich von den Beklagten benutzt. Die restliche Liegenschaft wurde von der Familie M*****, seit etwa 15 bis 20 Jahren durch den Kläger, landwirtschaftlich genutzt.

Nach dem Tod von Theresia M***** im Jahre 1985 wurde der Kläger aufgrund des Übergabsvertrages auf den Todesfall vom 8.10.1976 grundbücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaft.

Bis zu diesem Zeitpunkt war zugunsten des Klägers unter anderem auf der Liegenschaft ein Belastungs- und Veräußerungsverbot grundbücherlich einverleibt.

Der Kläger ging zunächst vom Bestehen eines rechtswirksamen Pachtvertrages mit den Beklagten aus. Erst im Zuge eines Strafverfahrens stieß er auf die schriftliche Vereinbarung vom 30.12.1972.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, es handle sich beim Vertrag vom 30.12.1972 um ein Umgehungsgeschäft. Die Gültigkeit eines solchen sei nach jenen Bestimmungen zu beurteilen, die das tatsächlich beabsichtigte Geschäft betreffen. Mangels Befassung der Grundverkehrsbehörde sei die Frage der Nichtigkeit des gegenständlichen Vertrages daher noch in Schwebe, sodaß die Räumungsklage verfrüht eingebracht sei. Jede der Parteien müsse sich um die Genehmigung bemühen. Ein Rückforderungsanspruch des Klägers würde dem Grundsatz der Vertragstreue widersprechen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn; es bewertete den Streitgegenstand mit über 50.000,-- S und erklärte die Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Parteien mit dem Vertrag vom 30.12.1972 jenen wirtschaftlichen Erfolg erzielen wollten, den sie mit dem Kaufvertrag nicht erreichen konnten; dies deshalb, weil ihnen bewußt war, daß die Beklagten als deutsche Staatsangehörige wahrscheinlich keine grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Eigentumserwerb erhalten. Es liege daher - entgegen der Ansicht der Beklagten - ein Umgehungsgeschäft vor.

Der Oberste Gerichtshof habe wohl in der Entscheidung EvBl 1988/10 ausgeführt, daß ein Umgehungsgeschäft nicht strenger sanktioniert werden könne, als das Geschäft, das mit dem Umgehungsgeschäft vermieden werden sollte. Wenn das umgangene Geschäft nicht nichtig, sondern bis zur Versagung der Bewilligung der Grundverkehrsbehörde nur aufschiebend unwirksam sei, müsse dies auch für das Umgehungsgeschäft gelten. In SZ 62/42 sei allerdings ausgeführt worden, daß ein Vertrag von Anfang an nichtig sei, wenn die Parteien die grundverkehrsbehördliche Zustimmung gar nicht beantragen wollten, weil sie wußten, daß diesem Vertrag nicht zugestimmt werde. In der Entscheidung EvBl 1988/10 sei es allerdings um die Anwendung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes gegangen. Nach diesem könne die Grundverkehrsbehörde auch von Amts wegen ein Rechtsgeschäft genehmigen oder nicht. Nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz könne eine Entscheidung der Behörden aber nur aufgrund eines Antrages erfolgen. Ein solcher Antrag sei aber erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, nämlich am 3.3.1994, vom Kläger eingebracht worden. Wenngleich es grundsätzlich nur des Antrages einer Partei bedürfe, setzten sowohl das alte GVG, LGBl 18/1977 idF LGBl 63/1987, als auch das neue GVG LGBl 61/1993, das Vorliegen eines schriftlichen Vertrages voraus. Bei Fehlen eines solchen müsse der Antrag von beiden Parteien unterfertigt sein. Im Hinblick auf die Antragsverpflichtung beider Parteien vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß die Überlegungen des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung EvBl 1988/10 im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kämen, weil der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung offenbar davon ausgegangen sei, daß die Tatsache, daß die Vertragsparteien eine Befassung der Grundverkehrsbehörden vermeiden wollten, nicht die Behörde hinderte, dennoch ein Umgehungsgeschäft anzunehmen und es so zu behandeln, wie es in Wahrheit beabsichtigt war. Nach dem Vorarlberger GVG könne aber die Behörde nicht von Amts wegen über ein Umgehungsgeschäft entscheiden. Aufgrund der Absicht der Parteien, nicht um eine Genehmigung anzusuchen und des Umstandes, daß mit einer Befassung der Behörden vor Änderung des Gesetzes nicht zu rechnen ist und war, widerspreche es dem Zweck der grundverkehrsbehördlichen Bestimmungen, wenn sich eine Partei auf den Schwebezustand berufen könnte. In einem solchen Fall müßte der Vertrag als von Anfang an nichtig angesehen werden. Der Oberste Gerichtshof habe auch in der Entscheidung vom 26.3.1987, 7 Ob 552/87, zum Ausdruck gebracht, daß gegen das Vorarlberger GVG verstoßende Vereinbarungen nichtig seien und daß dies auch für das Umgehungsgeschäft gelte.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es liege kein Umgehungsgeschäft vor, mit dem Vertrag vom 30.12.1972 hätten die Parteien nicht jenen wirtschaftlichen Erfolg erzielen wollen, den sie mit dem Kaufvertrag nicht erreichen konnten; nach dem klaren Bewußtsein beider Vertragsteile sei ein Pachtvertrag auf 99 Jahre abgeschlossen worden.

Überdies habe der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, Umgehungsgeschäfte seien nicht schon wegen der rechtswidrigen Umgehungsabsicht nichtig; das Umgehungsgeschäft unterliege nur jener Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden sei. Sei das umgangene Rechtsgeschäft bis zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Bewilligung nur aufschiebend bedingt, so müsse dies auch für das Umgehungsgeschäft gelten. Dieses sei in seiner rechtlichen Wirkung solange in Schwebe, bis die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt werde, daß es keiner Genehmigung bedürfe. Wie sich aus den im Rechtsmittelverfahren von beiden Parteien vorgelegten Urkunden ergebe, hätten beide Streitteile nunmehr um grundverkehrsbehördliche Genehmigung angesucht, eine Entscheidung der Behörde stehe derzeit noch aus. Es wäre wenig zweckmäßig, wenn nach einem klagsstattgebenden Urteil die Grundverkehrsbehörde das Rechtsgeschäft genehmigen würde.

Unrichtig sei auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Grundverkehrsbehörde nur über Antrag beider Parteien Feststellungen über die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes treffen könnte. Da der von beiden Seiten unterschriebene Vertrag vom 30.12.1972 vorliege, sei eine beiderseitige Antragstellung entbehrlich.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich richtig:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend sind die Vorinstanzen von der Anwendbarkeit österreichischen Rechtes ausgegangen (siehe SZ 62/42 mwN).

Für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes ist kennzeichnend, daß die Parteien, um den Zweck der Gesetzesumgehung zu erreichen, vielfach rechtliche Wirkungen in Kauf nehmen, die ihren wahren wirtschaftlichen Zwecken nicht entsprechen; anders ist aber der angestrebte Erfolg, die Umgehung des Gesetzes, nicht zu erreichen. Wollen die Parteien das Gesetz umgehen, sind sie gezwungen, die tatsächlichen Verhältnisse so zu manipulieren, daß der Sachverhalt dem Gesetz nicht mehr unterstellt werden kann. Die Parteien versuchen, bestimmten, für sie ungünstigen Rechtssätzen durch Umgestaltung (Manipulation) des Sachverhaltes auszuweichen (SZ 60/158 = EvBl 1988/10 mwN). Der Umstand, daß zwischen den Parteien ein Bestandvertrag abgeschlossen wurde, weil sie die Verschaffung von Eigentum für unerreichbar hielten, steht sohin der Annahme eines Umgehungsgeschäftes nicht entgegen (SZ 60/158; MietSlg 31.096).

Ein Geschäft, wodurch das Erfordernis der behördlichen Genehmigung beim Grundwerb durch Ausländer umgangen werden soll, ist aber nach jüngster, nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 60/158; JBl 1989, 780; MietSlg 41.046; SZ 63/50; SZ 64/56; AnwBl 1993, 190 ua) nicht schon wegen der rechtswidrigen Umgehungsabsicht im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB nichtig, sondern unterliegt der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Geschäft anzuwenden ist. Ist das in Wahrheit beabsichtigte Geschäft nur genehmigungsbedürftig, ist es im allgemeinen in seinen rechtlichen Wirkungen solange in Schwebe, bis die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt wird, daß es keiner Genehmigung bedarf (SZ 64/56 mwN). Das Rechtsgeschäft ist hingegen von Anfang an nichtig, wenn die Parteien die grundverkehrsbehördliche Zustimmung gar nicht beantragen wollen, weil sie wissen, daß dem Vertrag nicht zugestimmt wird (SZ 62/42; SZ 64/56). Dabei muß allerdings feststehen, daß die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werden kann (8 Ob 636/90). Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu, weil nicht gesagt werden kann, ob die Vorarlberger Grundverkehrsbehörde überhaupt eine Umgehung zwingender Rechtsvorschriften annehmen wird (vgl den Sachverhalt, der der Entscheidung SZ 60/158 zugrundeliegt). Die Frage der Genehmigungsfähigkeit und der Genehmigungspflicht eines Vertrages ist im übrigen nicht vom Gericht, sondern allein von der Grundverkehrsbehörde zu beurteilen (8 Ob 605/88, zum Teil veröffentlicht in MietSlg 41.046). Die vom Kläger erhobene Räumungsklage ist daher verfrüht, sein während des Schwebezustandes erhobener Rückforderungsanspruch widerspricht dem Grundsatz der Vertragstreue (MietSlg 41.046). Die Frage der Antragslegitimation nach dem Vorarlberger GVG ist im vorliegenden Fall nicht weiter zu prüfen, da selbst dann, wenn es eines beiderseitigen Antrages bedürfte, jede der Vertragsparteien die andere zum Antragstellung verhalten hätte können, weil die Parteien die Pflicht haben, an der Herbeiführung des Bedingungseintritts mitzuwirken (Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 897).

Es war sohin in Stattgebung der Revision der beklagten Parteien das Klagebegehren abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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