JudikaturJustiz2Ob288/98m

2Ob288/98m – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E**********, vertreten durch Dr. Werner Leimer, Rechtanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Erwin W*****, und 2. A*****, vertreten durch Rechtsanwälte Strobl Lichtenwagner Partnerschaft OEG in Rohrbach, wegen S 425.409,52 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. April 1998, GZ 6 R 36/98a-84, womit infolge Berufung sämtlicher Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 9. Dezember 1997, GZ 2 Cg 81/95z-75, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S

9.207 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.534,50, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29. 12. 1992 ereignete sich gegen 18.15 Uhr auf der Nebelberger Bezirksstraße ein Verkehrsunfall, an dem eine Pferdekutsche, deren Eigentümer und "Halter" der Kläger war und die von Peter G***** gelenkt wurde, und der vom Erstbeklagten gelenkte und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherte PKW beteiligt waren. Der Kläger war Beifahrer der Kutsche. Eines der eingespannten Pferde stand in seinem Eigentum. Zum Unfallszeitpunkt war es bereits finster.

Der Kläger wurde durch den Unfall verletzt, sein Pferd mußte notgeschlachtet werden. Der Erstbeklagte wurde wegen des Verkehrsunfalles strafgerichtlich verurteilt.

Zur Begründung seines Schadenersatzanspruches brachte der Kläger vor, die Kutsche sei im Schrittempo gefahren. Unmittelbar nach dem Ortsende von Vorderschiffl seien zwei PKW entgegengekommen. Das erste Fahrzeug habe kurz abgeblendet und die Geschwindigkeit etwas reduziert. Hinter diesem sei der Erstbeklagte mit seinem PKW nachgefahren und habe, als das erste Fahrzeug kurz die Geschwindigkeit etwas verminderte, sofort zu überholen begonnen, wobei er mit etwa 100 km/h gefahren sei. Das Pferdegespann sei ordnungsgemäß beleuchtet gewesen. Sowohl der Kläger als auch der zweite Beifahrer hätten jeweils eine Taschenlampe an den seitlichen äußeren Begrenzungen in der Hand gehalten und damit kreisende Bewegungen ausgeführt. Unmittelbar nach dem Überwechseln auf den linken Fahrstreifen sei der Erstbeklagte nahezu ungebremst in das entgegenkommende Pferdegespann gefahren. Ihn treffe das Alleinverschulden, weil er ein unzulässiges Überholmanöver eingeleitet habe. Er sei mit Ablendlicht gefahren und habe eine wesentlich überhöhte Geschwindigkeit eingehalten. Es sei ihm auch ein Aufmerksamkeitsfehler anzulasten, weil der Lenker des vor ihm fahrenden Fahrzeuges das entgegenkommende Fuhrwerk erkannt habe. An der Kutsche sei auch ein weißer Rückstrahler am vorderen Ende der Deichsel angebracht gewesen. Hinsichtlich des fehlenden roten Rücklichts an der Kutsche bestehe weder ein Rechtswidrigkeits- noch ein Kausalzusammenhang, weil der Erstbeklagte mit dem PKW entgegengekommen sei. Da der Kläger nicht Lenker der Kutsche gewesen sei, treffe ihn kein Verschulden am Unfall.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 425.409,52 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Schäden.

Die Beklagten ließen sich aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen. Im übrigen wendeten sie ein, die Pferdekutsche habe keine Beleuchtungseinrichtung aufgewiesen. Nur einer der Mitfahrenden habe mit einer Taschenlampe herumgefuchtelt. Es sei in grob fahrlässiger Weise nicht den Erfordernissen des § 73 StVO entsprochen worden. Diese Bestimmung wende sich an den Eigentümer des Fahrzeuges. Der Kläger habe daher als Halter und als am Lenken Beteiligter das weit überwiegende Verschulden am Zustandekommen des Unfalls zu vertreten. Den Beleuchtungsvorschriften komme eine derartige Gewichtigkeit zu, daß ein Verstoß dagegen eine grobe Fahrlässigkeit darstelle. Die beklagten Parteien wendeten compensando eine Gegenforderung von S 117.025 ein.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung mit S 185.409,52 sA zu Recht bestehe, nicht hingegen die eingewendete Gegenforderung; es verurteilte die beklagten Parteien daher zur ungeteilten Hand, dem Kläger den Betrag von S 185.409,52 samt Zinsen zu bezahlen. Weiters stellte es fest, daß die beklagten Parteien dem Kläger zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall haften und ersatzpflichtig sind, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei auf die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung beschränkt wurde.

Dabei wurden im wesentlichen folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die Nebelberger Bezirksstraße beschreibt in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen von einer Geraden kommend eine Rechtskrümmung mit einer Richtungsänderung von etwa 45 Grad. Die Fahrbahn ist asphaltiert, sie hat eine Breite zwischen 6 m und 6,1 m. In der Fahrbahnmitte befindet sich eine Leitlinie, rechts und links sind Leitpflöcke angebracht. Der Kilometer 4,4 befindet sich in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen etwa 20 m nach dem Ende der Rechtskrümmung. Bis zu diesem Bereich steigt die Fahrbahn mit etwa 3 bis 4 % an. Zum Ortsgebiet hin nimmt die Steigung zu und erreicht dann nach der Ortstafel etwa 7 bis 8 %. Es besteht Sicht von mehr als 200 m vor der Unfallstelle auf den Bereich der Unfallstelle selbst und nach den letzten 100 m vor der Unfallstelle auf rund 100 m in das Ortsgebiet hinein.

Die im Eigentum des Klägers stehende Kutsche war nicht mit zwei Lampen, die nach vorne weiß und nach hinten rot leuchten, ausgestattet. Statt dessen verwendeten der Kläger und ein weiterer Mitfahrer je eine Taschenlampe, und zwar eine nach rechts und eine nach links nach vorne "weisend", als sie die Fahrzeuge entgegenkommen sahen. Sie führten in weiterer Folge damit rechts- und linksseitig kreisende Bewegungen aus. Ob beide Taschenlampen ausreichend funktionsfähig dergestalt waren, daß sie zumindest aus 100 m Distanz für einen annähernden PKW mit Abblendlicht eindeutig erkennbar waren, ist nicht erwiesen. Die sinnhafte Verwendung der zweiten Taschenlampe (aus 100 m erkennbar), ist nicht erwiesen, ganz offensichtlich war sie zu schwach, um als Warnsignal zu dienen. Ansonsten wäre sie ja von den Benützern des ersten entgegenkommenden PKW erkannt worden. Eine gewöhnliche Taschenlampe ist aus 150 m bis 200 m erkennbar, wenn ein PKW vorher abblendet, ist sie immer noch aus 100 m erkennbar.

Die Pferdekutsche wurde von Peter G***** gelenkt, der Kläger und eine weitere Person waren Beifahrer. Die von zwei Pferden gezogene Kutsche fuhr im Schrittempo von etwa 8 km/h von Vorderschiffl in Richtung Julbach, als ein PKW mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h bis 45 km/h (der PKW war defekt) entgegenkam. Dieses Fahrzeug fuhr mit Abblendlicht. Der Lenker nahm im Abblendlichtkegel die Pferde wahr, weiters sah er, daß mit einer Taschenlampe in seine Richtung hin mit schwachem Licht kreisende Bewegungen ausgeführt wurden. Er blendete das Licht kurz auf und sah, daß es sich tatsächlich um Pferde handelte. Er und seine Beifahrerin regten sich darüber auf, daß ein sozusagen "unbeleuchtetes Fuhrwerk" entgegenkomme und wie gefährlich dies sei. Als sich dieser PKW mit der Kutsche auf etwa gleicher Höhe befand, kam es zur Kollision des vom Erstbeklagten gelenkten PKW mit dem Pferdegespann. Der Erstbeklagte näherte sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 95 km/h dem vorhin erwähnten PKW. Er blendete ab und setzte zum Überholen an. Als er sich in etwa in gleicher Höhe, und zwar die vordere Stoßstange seines PKW mit der hinteren Stoßstange des anderen Fahrzeuges, befand, sah er erstmals die Pferde im abgeblendeten Scheinwerferkegel. Er leitete eine Vollbremsung ein, konnte den Unfall aber nicht mehr vermeiden.

Das Pferdegespann, das sich am rechten Fahrbahnrand fortbewegte, hatte eine Breite von ca 1,3 m. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug 47 km/h, die Reaktionseinleitung durch den Erstbeklagten erfolgte ca 62 m vor der späteren Kollisionsstelle und 2,8 Sekunden vor der Kollision. Das Pferdegespann befand sich zum Reaktionszeitpunkt des Erstbeklagten 6 m vor der Kollisionsstelle. Bei einer Fahrgeschwindigkeit des ersten PKW von maximal 45 km/h befand sich dieser zum Zeitpunkt der Reaktionseinleitung ca 30 m vor der Kollisionsstelle bzw ca 32 m vor dem PKW des Erstbeklagten. Betrug die Ausleuchtweite des ersten Fahrzeuges mit Abblendlicht ca 40 m, so wurde gerade zum Reaktionseinleitezeitpunkt des Erstbeklagten das Pferdegespann vom Lichtkegel des ersten Fahrzeuges erfaßt.

Unter Berücksichtigung einer konstanten Überholgeschwindigkeit von 95 km/h bedurfte der Erstbeklagte für den gesamten Überholvorgang einer Strecke von 130 m bis 140 m. Wäre ihm bei seinem Überholmanöver kein Hindernis entgegengekommen, so hätte er dieses durchführen können, es wäre ihm aber nicht mehr möglich gewesen, den PKW vor Beginn des Ortsgebietes auf 50 km/h abzubremsen.

Ausgehend davon, daß das Pferdefuhrwerk für den Erstbeklagten erstmals im Lichtkegel des voranfahrenden Fahrzeuges auftauchte und für ihn erkennbar war, ist eine Reaktionsverzögerung des Erstbeklagten nicht feststellbar.

Es ist nicht erwiesen, daß am vorderen Ende der Deichsel der Kutsche Strahler aufgehängt waren.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, es sei den Aussagen der auf der Kutsche fahrenden Personen nicht zu glauben, daß sie tatsächlich zwei Taschenlampen benützten, wobei bei beiden die Batterien so stark waren, daß sie entsprechend Licht abgaben. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß eine funktionsfähige Taschenlampe vorhanden war, aber nicht feststehe, ob sie auf 100 m bzw 200 m Distanz erkennbar war, während die zweite Taschenlampe nicht genügend Leuchtkraft besaß, um überhaupt als Signal erkannt zu werden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, das Fuhrwerk sei nicht entsprechend § 73 StVO beleuchtet gewesen. Dieser Bestimmung sei nur insoweit zumindest teilweise entsprochen worden, als zumindest mit einer Taschenlampe, die Licht abgegeben habe, der entgegenkommende Verkehr aufmerksam gemacht worden sei. Die Vorschrift des § 73 StVO richte sich an den Halter des Wagens. Dazu komme, daß der Kläger gewußt habe, daß keine sachgemäße Beleuchtung des Fuhrwerkes vorhanden gewesen sei, "sodaß auf alle Fälle § 1304 ABGB im Zusammenhang mit dem Lenker zum Tragen komme". In diesem Sinne sei, weil zumindest Licht einer Taschenlampe vorhanden gewesen sei und der entgegenkommende Verkehr damit gewarnt habe werden können, vom Alleinverschulden des Erstbeklagten auszugehen. Dieser habe dem Kläger daher den Schaden von S 185.409,52 zu ersetzen.

Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, daß es die Klagsforderung mit S 105.204,76 und die Gegenforderung als mit S 47.326 als zu Recht bestehend feststellte. Es verurteilte daher die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 57.878,76 sA und stellte deren Haftung für die Hälfte aller künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 29. 12. 1992 fest. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 367.530,76 und auf Feststellung der Haftung für die weitere Hälfte aller künftigen Schäden wurde abgewiesen. Es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht verwies es auf § 73 StVO, wonach zur Beleuchtung eines Fuhrwerkes zwei Lampen zu verwenden seien, die beide nach vorne weiß und nach hinten rot leuchten. Die Lichter müßten deutlich erkennbar sein und die Breite des Fahrzeuges erkennen lassen; sie könnten auch an der Ladung angebracht werden, wenn dies zweckmäßiger sei. Am vorderen Ende der Deichsel seien weiße oder gelbe Rückstrahler beweglich aufzuhängen, die im Scheinwerferlicht einer 25-Watt-Lampe auf 150 m sichtbar seien. Die Beleuchtungseinrichtungen und Rückstrahler müßten in einem solchen Zustand gehalten werden, daß sie voll wirksam seien. Gemäß § 70 Abs 3 StVO habe der Besitzer des Fuhrwerkes dafür zu sorgen, daß es nur im vorschriftsmäßigen Zustand in Betrieb genommen werde. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit den Argumenten in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung sei abzuleiten, daß dieses hinsichtlich einer Taschenlampe davon ausgegangen sei, daß sie zwar funktionsfähig war, aber nicht feststehe, ob sie auf 100 m bzw 200 m Distanz erkennbar war und mit dieser Taschenlampe von einem in der Kutsche Mitfahrenden kreisende Bewegungen ausgeführt wurden; die zweite Taschenlampe habe nicht genügend Leuchtkraft besessen, um überhaupt als Signal erkannt zu werden. Aus der rechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit der Frage der Anbringung von Rückstrahlern an der Deichsel ergebe sich, daß das Erstgericht zum Ausdruck bringen habe wollen, es gehe davon aus, daß solche Rückstrahler nicht vorhanden waren. Es sei also anzunehmen, daß am Fuhrwerk nur eine Taschenlampe verwendet wurde, die eine solche Leuchtkraft hatte, daß sie vom Lenker des entgegenkommenden PKW, der vor dem Erstbeklagten fuhr, auf eine nicht feststellbare Distanz wahrgenommen werden konnte und daß die Rückstrahler am vorderen Ende der Deichsel fehlten. Damit stehe fest, daß die Beleuchtung des Fuhrwerkes in zweifacher Hinsicht nicht ausreichend war, weil zwei nach vorne gerichtete Lampen nicht vorhanden und auch die beweglichen weißen oder gelben Rückstrahler am vorderen Ende der Deichsel nicht angebracht waren. Es liege somit ein Verstoß gegen § 73 Abs 1 und 4 StVO vor. Damit sei aber auch dem Kläger als Besitzer der Kutsche ein Verstoß gegen die Bestimmungen der StVO vorzuwerfen, weil er dem Lenker das Fuhrwerk in unvorschriftsmäßigem Zustand zum Betrieb bei Dunkelheit überlassen habe (§ 70 Abs 3 StVO). Im Überlassen der nicht ausreichend für das Fahren bei Dunkelheit ausgestatteten Kutsche an den Lenker liege somit auch ein Mitverschulden des Klägers, das dadurch noch an Bedeutung zunehme, daß er selbst, der um diese mangelhafte Ausstattung des Fuhrwerkes gewußt habe, auf diesem mitgefahren sei.

Unabhängig davon sei dem Kläger auch eine Sorgfaltswidrigkeit gegenüber seinem eigenen Eigentum und seiner körperlichen Unversehrtheit anzulasten, weil er es geduldet habe, daß der Lenker die nicht ausreichend beleuchtete Kutsche in Betrieb und er an dieser Fahrt als Insasse der Kutsche teilnahm.

Im übrigen müsse sich der Kläger auch das Mitverschulden des Lenkers anrechnen lassen. In der Rechtsprechung sei bereits mehrfach ausgeführt worden, daß dem Beifahrer das Verschulden des Lenkers, dem er sich anvertraut habe, im Verhältnis zu einem dritten Haftpflichtigen dann anzulasten sei, wenn er von der Fahruntauglichkeit des Lenkers wußte oder wissen hätte müssen. Dies müsse auch gelten, wenn der Beifahrer in Kenntnis der ungenügenden Ausstattung eines Fuhrwerkes bzw der ungenügenden Beleuchtung sich dennoch auf die Fahrt auf einer solchen Kutsche einlasse.

Zur Frage des Ausmaßes des dem Kläger anzulastenden Mitverschuldens führte das Berufungsgericht aus, primäre Unfallsursache sei die mangelhafte Beleuchtung der Kutsche gewesen. Es stehe außer Zweifel, daß der Erstbeklagte das Fuhrwerk, wäre dieses vorschriftsmäßig beleuchtet gewesen, aus einer größeren Entfernung wahrnehmen und sich darauf einstellen hätte können. Dieser Umstand allein lasse die Annahme eines überwiegenden Verschuldens des Erstbeklagten nicht gerechtfertigt erscheinen, vielmehr sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt. Daß der Erstbeklagte das Überholmanöver unmittelbar vor Beginn des Ortsgebietes eingeleitet habe und es nicht mehr möglich gewesen wäre, das Fahrzeug davor auf eine Geschwindigkeit von 50 km/h abzubremsen, könne ihm nicht angelastet werden, weil ein Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle.

Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Lösung der Frage, ob dem Beifahrer, Eigentümer und "Halter" eines Fuhrwerkes, das nicht den Bestimmungen des KFG unterliege, aufgrund des Umstandes, daß dieses Fuhrwerk nicht entsprechend beleuchtet war, ein Mitverschulden anzulasten sei, eine über den vorliegenden Rechtsstreit hinausreichende Bedeutung zukomme.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klagsforderung als mit S 210.409,52 als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend festgestellt werde und die beklagten Parteien dazu verurteilt würden, ihm den Betrag von S 210.409,52 samt Zinsen zu bezahlen, und daß dem Feststellungsbegehren zur Gänze Folge gegeben werde.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, das Berufungsgericht lasse die Feststellungen des Erstgerichtes, wonach auch mit der einen Taschenlampe der entgegenkommende Verkehr gewarnt werden konnte, außer Betracht. Die gegenständliche Kollision wäre auch erfolgt, wenn die Beleuchtung dem § 73 StVO genau entsprochen hätte. Zudem weiche das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Verschuldensteilung ab. Im Falle der Entscheidung ZVR 1982/17 habe der Oberste Gerichtshof eine Verschuldenteilung von 3 : 1 zu Gunsten eines einen unbeleuchteten Handwagen Schiebenden vorgenommen. Im vorliegenden Fall sei aber das Verschulden des Erstbeklagten noch wesentlich gravierender, weil er bei eingeschaltetem Abblendlicht mit nahezu 100 km/h gefahren sei und auch noch ein Überholmanöver ohne ausreichende Sicht durchgeführt habe. Schließlich müsse er sich ein allfälliges Verschulden des Lenkers der Kutsche nicht anlasten lassen, weil die Kutsche kein Fahrzeug im Sinne des KFG und daher das EKHG nicht anwendbar sei. Überdies sei nicht der Lenker der Kutsche sein Gehilfe gewesen, sondern er, der eine Taschenlampe kreisend hielt, Gehilfe des Kutschenlenkers.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 1 Z 21 StVO ist ein Fahrzeug, das nach seiner Bestimmung durch Menschen oder Tiere fortbewegt wird, ein Fuhrwerk. Zur Beleuchtung eines solchen sind gemäß § 73 Abs 1 StVO zwei Lampen zu verwenden, die beide nach vorne weiß und nach hinten rot leuchten. Die Lichter müssen deutlich erkennbar sein und die Bereite des Fahrzeuges erkennen lassen; sie können auch an der Ladung angebracht werden, wenn dies zweckmäßiger ist. Gemäß § 73 Abs 4 StVO sind am vorderen Ende der Deichsel eines Fuhrwerkes weiße oder gelbe Rückstrahler beweglich aufzuhängen, die im Scheinwerferlicht einer 25-Watt-Lampe auf 150 m sichtbar sind. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB (ZVR 1982/17; ZVR 1989/72 ua). Wenn der Gesetzgeber zur Abwendung typischer Gefahren (hier: Fahrt mit Fuhrwerk bei Nacht) ganz bestimmte Verhaltensweisen vorschreibt, so kann sich derjenige, der dieses Schutzgesetz verletzt, nicht damit rechtfertigen, daß er andere Abwehrmaßnahmen getroffen habe, es sei denn, er tut dar, daß derselbe Schaden auch bei normgemäßen Verhalten eingetreten wäre (ZVR 1978/285). Daß derselbe Schaden auch bei normgemäßen Verhalten eingetreten wäre, ist hier nicht hervorgekommen.

Grundsätzlich richtet sich die Vorschrift des § 73 StVO an den Lenker des Fuhrwerkes. Gemäß § 70 Abs 3 StVO hat aber der Besitzer eines Fuhrwerkes dafür zu sorgen, daß es nur im vorschriftsmäßigen Zustand in Betrieb genommen wird. Durch diese Bestimmung wird auch der Besitzer des Fuhrwerkes Adressat der Vorschriften über die Beleuchtung. Auch bei § 70 Abs 3 StVO iVm § 73 StVO handelt es sich um eine Schutzvorschrift, der für die Verkehrssicherheit besondere Bedeutung zukommt. Es stellt daher ein erhebliches eigenes Mitverschulden des Klägers dar, wenn er schuldhaft gestattete, daß das nicht ausreichend beleuchtete Fuhrwerk in Betrieb genommen wurde. Dazu kommt, daß er selbst an dieser Fahrt teilgenommen hat, obwohl er um die mangelhafte Ausstattung des Fuhrwerkes wußte. Es ist daher nicht so, daß dem Kläger das Verschulden seines Gehilfen (des Lenkers) anzulasten wäre, vielmehr führt sein eigenes erhebliches Mitverschulden dazu, daß der Schaden zu teilen ist. Auch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Teilung im Verhältnis 1 : 1 bestehen nach Ansicht des erkennenden Senates im Hinblick auf die Bedeutung der Vorschriften über die Beleuchtung für die Verkehrssicherheit keine Bedenken (vgl ZVR 1988/72). Die in der Revision zitierte Entscheidung ZVR 1982/17 steht damit nicht im Widerspruch. Es ist zwar richtig, daß in dieser Entscheidung eine Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Gunsten des einen unbeleuchteten Handwagen schiebenden Klägers vorgenommen wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde aber nur vom Kläger angefochten, weshalb ihm der Oberste Gerichtshof, ohne gegen das Verbot der reformatio in peius zu verstoßen, keine höhere Mitverschuldensquote anlasten konnte.

Der unberechtigten Revision war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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