JudikaturJustiz2Ob133/98t

2Ob133/98t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gesellschaft *****, vertreten durch Dr. Walter Nimführ, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei L***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Hans Schaumüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 143.422,40 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 1998, GZ 4 R 255/97s-14, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. September 1997, GZ 2 Cg 30/97d-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte hat die Klägerin mit der Einschaltung einer Firmenpräsentation in der von dieser hergestellten "Oberösterreichischen W*****" beauftragt und 20 Exemplare dieses Buches bestellt. Neben dem Text sollten zwei Fotografien, auf denen ein Küchenblock und ein nostalgischer Herd zu sehen sind, in den Artikel eingearbeitet werden. Die Beklagte hatte nur zwei Dias zur Verfügung, auf denen der Küchenblock und der Herd zwar fotografisch einwandfrei dargestellt waren, der Küchenblock stand jedoch auf einer Holzpalette und der nostalgische Herd auf einer unregelmäßig ausgeschnittenen Unterlage. Die bei der Beklagten für das Marketing zuständige Angelika M***** schilderte einer Angestellten der Klägerin, welche Bildunterlagen zur Verfügung standen und erkundigte sich, ob diese noch bearbeitet werden könnten. Sie erhielt von dieser Angestellten die Auskunft, sie solle die Bildunterlagen übersenden, und diese würden von der Klägerin geprüft; soferne etwas nicht in Ordnung sei, werde die Klägerin die Beklagte benachrichtigen. Angelika M***** verstand diese Auskunft so, dass die Klägerin die Retuschierung (der auf den Lichtbildern sichtbaren Unterlagen der Herde) auf beiden Dias vornehmen werde. Auf einem den Dias beigelegten Begleitschreiben wurde zusätzlich vermerkt "sollte die Bild- bzw Diaqualität für Sie nicht verwendbar sein, bitten wir um Ihre Benachrichtigung". In den der Beklagten von der Klägerin übersandten Layoutentwürfen waren die Bilder nie dargestellt, sondern nur als Platzhalter zu sehen. Dem Mitarbeiter der klagenden Partei, der die Herstellung des Layouts vornahm, fiel zwar auf, dass der Küchenblock auf einem Holzsockel abgebildet war und er hielt auch die Aufnahme des nostalgischen Herdes auf dem abgebildeten Untergrund nicht für optimal, sah sich jedoch nicht veranlaßt, von sich aus Retuschierungen der Bilder vorzuschlagen. Die Abbildungen in den farbigen Exemplaren der Wirtschaftschronik zeigen den Küchenblock, der selbst einen Metallsockel hat, auf einer Holzpalette stehend, die ganz offensichtlich nichts mit dem Küchenblock zu tun hat. Der nostalgische Herd ist auf einer Unterlage abgebildet, die aussieht, als wäre sie aus mehreren schlecht ausgeschnittenen unregelmäßigen Papierstücken zusammengefügt, die jemand schlampig auf eine schwarze Unterlage, von der ebenfalls noch ein Eck zu sehen ist, gelegt hat. Insgesamt erwecken die beiden Darstellungen den Eindruck, dass die abgebildeten Geräte notdürftig aus dem Lager hervorgeholt wurden.

Der Geschäftsführer der Beklagten sah die Abbildungen in der Chronik erstmals, als er die fertigen Ausgaben der Chronik erhielt und teilte daraufhin der Klägerin mit, die in Rechnung gestellten Leistungen nicht zu bezahlen. Die Buchexemplare könnten wieder abgeholt werden. Weiters rügte die Beklagte die Unterlassung der Retuschierung.

Mit der am 13. 2. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Bezahlung des vereinbarten Entgeltes und brachte hiezu im Wesentlichen vor, die Ausführung des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Werkes sei vereinbarungsgemäß in hervorragender und für alle Betrachter ansprechenden Weise erfolgt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Auftrag sei nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Da die Veröffentlichung des Bildmaterials nicht in der von der Beklagten gewünschten und in Auftrag gegebenen Form erfolgt sei, hafte der erbrachten Leistung insgesamt ein wesentlicher Mangel an. Daher werde Wandlung geltend gemacht.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von S 71.711,20 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 71.711,20 sA ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Fotografische Mängel im engeren Sinn schieden von vornherein aus, weil schon auf den ersten Blick erkennbar sei, dass es sich um scharfe und richtig belichtete professionelle Aufnahmen auf großem Filmformat handle; andere Schwachpunkte als die mit dem Küchenblock mitfotografierte Holzpalette und die unregelmäßig ausgeschnittene und faltenbildende Unterlage unter dem nostalgischen Herd seien offenkundig auszuschließen. Die Klägerin habe allein schon deshalb den von der Beklagten im Schreiben vom 27. 6. 1996 erwähnten Fall der nicht verwendbaren Diaqualität im Sinne eines Begehrens nach Retuschierung oder sonstiger geeigneter Bearbeitung aufzufassen gehabt; dies müsse umsomehr gelten, wenn man die offenkundige hohe Druckqualität der Oberösterreichischen W***** und speziell den einleitenden Text der Präsentation "L*****" würdige, die mit den Worten beginne "Die Philosophie eines Unternehmens - Qualität und Innovation stehen bei L***** an oberster Stelle". Ein Unternehmen, welches laut Einschaltungstext die Qualität geradezu zur Unternehmensphilosophie zu erheben bestrebt sei, wolle mit beinahe dilettantisch wirkenden Abbildungen noch dazu auf den beiden ersten Seiten ihrer Firmenpräsentation nicht an die Öffentlichkeit gehen, was die Klägerin nach Treu und Glauben auch nicht annehmen hätte dürfen. Für diese rechtliche Beurteilung erachte der erkennende Senat eine hinreichende Tatsachengrundlage selbst ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens aus der Werbebranche für gegeben. Die Mängelfreiheit des Werkes iSd § 932 ABGB sei am so ermittelten Vertragsinhalt zu messen und nicht daran, ob die Präsentation trotz abgebildeter Holzpalette und unregelmäßig ausgeschnittener Ofenunterlage nicht doch ein gewisses Maß an positiver Werbewirksamkeit entfalte. Es könnten daher die Erwägungen, ob potentielle Kunden der Beklagten die Mängel in den Abbildungen wahrnähmen und welche Rückschlüsse sie vermutlich zögen, beiseite gelassen werden.

Über Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Das Berufungsgericht begründete dies damit, dass einerseits zu der von Fasching (Lehrbuch2 Rz 856) vorgenommenen Auslegung des § 364 ZPO, das Gericht könne sein Fachwissen auch ohne Zustimmung der Parteien benützen und daher von einem Sachverständigen absehen, noch keine höchstgerichtliche Judikatur bekannt sei; andererseits könne auch bei der Beurteilung der Werbewirksamkeit von Fotos auf keine unmittelbar passende Judikatur des Obersten Gerichtshofes zurückgegriffen werden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei, die zulässig und berechtigt ist:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Frage, welche Wirkung eine Werbeaussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen (ecolex 1995, 497 - PM Privatmarkt; WBl 1993, 337 - "Reichweiten-Rekord" uva). Wo hingegen dem Richter die erforderliche Erfahrung fehlt, sieht es die Rechtsprechung als notwendig an, dass zur Beurteilung der Frage, welche Wirkung eine bestimmte Werbung auf die interessierten Verkehrskreise, beispielsweise auf ein bestimmtes Fachpublikum hat, Beweise aufgenommen werden; es handelt sich dann um eine Tatfrage (ÖBl 1995, 272 - Kanalverbaugeräte). Die Heranziehung von Erfahrungssätzen zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung von Rechtsätzen bedarf keiner Zustimmung der Parteien (RIS-Justiz RS0040663). Aber auch außerhalb des Wettbewerbsrechtes kann der Richter zur Beurteilung von Rechtsfragen und zur Konkretisierung unbestimmter Gesetzesbegriffe seine allgemeine Lebenserfahrung einsetzen (zuletzt etwa 2 Ob 207/99a). Dagegen gestattet § 364 ZPO dem Richter in Fällen, in welchen der Gegenstand zu seiner Beurteilung fachmännische Kenntnisse erfordert oder in welchen das Bestehen von geschäftlichen Gebräuchen in Frage kommt, ohne Zuziehung von Sachverständigen zu entscheiden, wenn die eigene Fachkunde oder das eigene Wissen der Richter diese Zuziehung überflüssig macht und die Parteien zustimmen. Diese Bestimmung ermöglicht daher dem Richter - ausreichende Fachkenntnisse vorausgesetzt - die Lösung von Tatfragen.

Die hier zur Beurteilung anstehende Frage, ob die von der Klägerin für die Beklagte vorgenommene Werbeeinschaltung zufolge der unprofessionellen Übertragung (unterlassener Retuschierung der provisorischen Unterlagen) beigestellter, an sich aber von der technischen Qualität entsprechender Lichtbilder jeglichen Werbewertes entbehrt, ist eine Tatfrage, die sich nicht mit der Frage nach der Wirkung von Werbeaussagen auf die angesprochenen Verkehrskreise deckt. Eine Beurteilung als Rechtsfrage im Sinne der im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze ist somit nicht möglich. Eine Beurteilung im Rahmen der in § 364 ZPO dem Richter eingeräumten Möglichkeit, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, kommt aber schon deshalb nicht in Frage, weil entsprechende Fachkenntnisse des entscheidenden Senats nicht aktenkundig sind. Damit fehlt es hier aber an - nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gewinnbaren - Feststellungen darüber, ob das Werk im Sinne des § 1168a ABGB misslungen ist oder ein wesentlicher oder unwesentlicher Mangel im Sinne des § 1167 ABGB vorliegt, sodass auch noch nicht beurteilt werden kann, ob die Klägerin den Anspruch auf Werklohn gänzlich verloren hat (vgl Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 35 zu § 1168a), oder aber die Beklagte Wandlung oder nur Preisminderung verlangen kann (§ 1167 ABGB). Da die Beklagte aber die Lichtbilder beigestellt hat, die die unprofessionellen Unterlagen der abgebildeten Geräte enthalten, ist auch noch auf Folgendes Bedacht zu nehmen:

Gemäß § 1168a ABGB ist der Unternehmer, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder unmittelbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers mißlingt, für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Werkunternehmer also eine Untersuchungs- und Hinweispflicht. Er hat die vom Werkbesteller beigebrachten Stoffe auf ihre Tauglichkeit für den konkreten Erfolg zu untersuchen und für den Fall der Untauglichkeit oder Gefährlichkeit des Stoffes oder der Anweisung für das herzustellende Werk dem Werkbesteller seine Bedenken mitzuteilen und ihn zu warnen. Rechtsfolge einer Warnpflichtverletzung durch den Unternehmer ist bei völligem Misslingen des Werks der Verlust des Anspruchs auf Entgelt; der Unternehmer ist überdies verpflichtet, den weitergehenden Schaden zu ersetzen (Krejci aaO mwN). Ist ein Mangel auf unrichtige Anweisungen oder auf untauglichen Stoff des Bestellers zurückzuführen, dann ist der Unternehmer nur gewährleistungspflichtig, wenn er seine Warnpflicht verletzt hat (Rebhahn in Schwimann, ABGB2 Rz 31, 36 zu § 1165, Rz 16 zu § 1167, Rz 32 zu § 1168a).

Wesentlich ist der den ordentlichen Gebrauch hindernde oder doch erheblich erschwerende Mangel. Bei der erforderlichen Abwägung ist neben der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Werkes auch die Unzumutbarkeit des Mangels für den Besteller aus sonstigen Gründen zu berücksichtigen. Es können auch die immateriellen Interessen von Bedeutung sein. Der Besteller, der sich ein Werk gewünscht hat, das seinen Intentionen entspricht, hat Anspruch auf Respektierung seiner Wünsche. Insofern kann zB eine abweichende Farbgebung relevant sein, auch wenn sie objektiv den Wert des Werkes nicht beeinträchtigt. In diesem Rahmen sind auch bloße sogenannte Schönheitsfehler beachtlich. Läßt sich jemand ein - insbesondere auch mit Rücksicht auf optische Qualität - besonders kostspieliges Werk errichten, kommt selbstverständlich auch der Ästhetik eine gewisse Werksfunktion zu (7 Ob 131/99m). Bereits in früheren Entscheidungen sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass auch - wenn der Gebrauch in der Erweckung eines ästhetischen Eindrucks liegt - nach den Kriterien wie sie bei Rechtsmängel anzuwenden sind, vorzugehen ist (SZ 41/9; SZ 55/29).

Im vorliegenden Fall liegt die Ursache des allfälligen Misslingens oder eines allfälligen Mangels zwar in den von der Beklagten beigestellten Lichtbildern. Die Klägerin, der als fachkundiger Unternehmerin im Verlags- und Werbewesen die Mängel der Lichtbilder erkennen hätte müssen, hat die Beklagte nicht rechtzeitig gewarnt, obwohl ihren Leuten die nunmehr beanstandeten Mängel aufgefallen sind. Unter diesen Umständen hat sie somit eine schuldhafte Warnpflichtverletzung zu vertreten, weshalb sie - im Fall gänzlichen Misslingens - keinen Anspruch auf den Werklohn hat, oder - im Fall von Mangelhaftigkeit - gewährleistungspflichtig ist. Machen die Mängel das Werk unbrauchbar, dann steht der Beklagten das Wandlungsrecht zu. Sind die Mängel aber nicht wesentlich, dann kann sie nur Preisminderung geltend machen (§ 1167 ABGB).

Zur Klärung der aufgezeigten Fragen waren daher in Stattgebung der Berufung der Beklagten die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.