JudikaturJustiz2Ob129/20i

2Ob129/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des N***** K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch Dr. Thomas Hofer Zeni, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Juli 2020, GZ 43 R 208/20m 267, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Der Betroffene beantragte, die gerichtliche Erwachsenenvertretung durch eine Rechtsanwältin zum Zweck der Eintragung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch seinen Sohn zu beenden, hilfsweise die gerichtliche Erwachsenenvertretung auf diesen zu übertragen.

[2] Die Vorinstanzen wiesen diese Anträge ab. Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen zeigt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[3] 1. Der Umstand, dass ein Angehöriger des Betroffenen sich bereit findet, dessen gesetzliche Erwachsenenvertretung zu übernehmen, könnte nur dann iSd § 246 Abs 3 Z 3 ABGB zum Wegfall der Voraussetzung für die Bestellung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung nach § 271 ABGB führen, wenn dieser Angehörige eine hinreichende Eignung zum Erwachsenenvertreter aufweist.

[4] 2. Bei der Beurteilung der Eignung (§ 243 ABGB) der als Erwachsenenvertreter einzusetzenden Person ist auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (vgl 5 Ob 59/19s mwN). Zur Annahme einer Interessenkollision genügt bereits ein objektiver Tatbestand (vgl RS0048982 [T1]); subjektive Gründe in der Person des in Aussicht genommenen Erwachsenenvertreters sind nicht erforderlich. Bei bestehenden Hinweisen auf solche Interessengegensätze reicht aber bereits eine mögliche Interessenkollision, sofern sie auch nur wahrscheinlich ist (vgl 2 Ob 164/16f; RS0049104 [T9]), aus, um der Eignung eines nahen Angehörigen als Erwachsenenvertreter entgegenzustehen (vgl auch 5 Ob 59/19 s [„nicht ganz unwahrscheinlich“]). Die gebotene gerichtliche Kontrolle des Erwachsenenvertreters ändert daran nichts. Ob eine Interessenkollision im dargelegten Sinn zu befürchten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (10 Ob 317/00s).

[5] 3. Eine Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung auf eine andere Person hat nach § 246 Abs 3 Z 2 ABGB dann zu erfolgen, wenn der Vertreter verstorben ist, nicht die erforderliche Eignung aufweist, durch die Vertretung unzumutbar belastet wird oder es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert. Diese neue Rechtslage gewährleistet weder eine Übertragung allein aufgrund einer Wunschäußerung der betroffenen Person, noch eine freie Auswahl des (gerichtlichen) Erwachsenenvertreters (vgl RS0132245; 8 Ob 164/18b; 7 Ob 49/20m mwN). Der in § 274 Abs 1 ABGB angeordnete Vorrang der Vertretung durch nahe Angehörige alleine kann zu keiner Übertragung der Erwachsenenvertretung führen (vgl 7 Ob 49/20m).

[6] 4. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die (damalige) Sachwalterschaft lange Zeit von verschiedenen (anderen) Familienangehörigen ausgeübt wurde und es dabei zu gravierenden Missständen in der Vermögensverwaltung des Betroffenen kam, weil keine klare Trennung zwischen den Vermögenssphären der Familienangehörigen und des Betroffenen vorgenommen wurde. Durch die nunmehrige gerichtliche Erwachsenenvertreterin konnten Schulden rückgeführt und ein Räumungsverfahren abgewendet werden.

[7] Wenn die Vorinstanzen im Anlassfall unter Bedachtnahme darauf, dass zwischen dem mit seiner Familie im Haushalt des Betroffenen lebenden Sohn und der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin laufend Vereinbarungen bezüglich der wechselseitigen Beteiligung an Aufwendungen getroffen werden und der Sohn aufgrund seiner angespannten Einkommenssituation bereits in der Vergangenheit darum ersuchen musste, ihm die Zahlung der vereinbarten monatlichen Kostenbeiträge für die gemeinsamen Wohn und Lebenshaltungskosten zu erlassen, eine auch künftig wahrscheinliche Interessenkollision angenommen haben, so ist dies nicht zu beanstanden. Die Ansicht des Rekursgerichts, es lägen weder die Voraussetzungen für eine Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung noch für eine Umbestellung der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin vor, hält sich somit im Rahmen der erörterten Rechtslage.