JudikaturJustiz21Ds6/22b

21Ds6/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 31. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Mag. Wagner und Dr. Hofmann als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, AZ D 19/22, über deren Beschwerden gegen die Beschlüsse des Präsidenten des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 3. und 23. März 2022, GZ D 19/22 2, 10, sowie gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 15. März 2022, GZ D 19/22 8, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Präsidenten des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 23. März 2022 (OZ 10) wird zur Klarstellung beseitigt.

Die Beschuldigte wird mit ihrer gegen den bezeichneten Beschluss gerichteten Beschwerde (OZ 16) auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Beschwerden der Disziplinarbeschuldigten * gegen den Beschluss des Präsidenten des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 3. März 2022 (OZ 2) sowie gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 15. März 2022 (OZ 8) werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Zu den Beschwerden gegen die Beschlüsse vom 3. März 2022 (OZ 2) und vom 23. März 2022 (OZ 10):

[1] Über Antrag des Kammeranwalts (OZ 1) beschloss der Präsident des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer am 3. März 2022, Rechtsanwältin Dr. * K* zur Untersuchungskommissärin betreffend den von der Staatsanwaltschaft Graz aus Anlass deren Ermittlungsverfahrens AZ * zur Kenntnis gebrachten (§ 24 Abs 1 DSt) Sachverhalt zu bestellen (OZ 2).

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen am 21. März 2022 erhobene Beschwerde der Disziplinarbeschuldigten (OZ 9) wies der Präsident des Disziplinarrats mit Beschluss vom 23. März 2022 als unzulässig zurück (OZ 10). Diesen bekämpft die Disziplinarbeschuldigte mit „Beschwerde/Rekurs“ vom 11. April 2022 und beantragt, ihrem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (OZ 16).

[3] Über Beschwerden gegen Beschlüsse des Disziplinarrats entscheidet gemäß §§ 46, 56 DSt der Oberste Gerichtshof. Der Beschluss des Disziplinarrats vom 23. März 2022 (OZ 10) vermag daher mangels diesbezüglicher gesetzlicher Entscheidungskompetenz keine Wirkung zu entfalten (RIS Justiz RS0130015 [T1] ) und war solcherart nur zur Klarstellung zu beseitigen (RIS Justiz RS0116270 [insbesondere T3, T8, T9], RS0116267 [insbesondere T16]).

[4] Die Beschwerde der Beschuldigten gegen diesen Beschluss (OZ 16) ist somit ebenso gegenstandslos wie der mit ihr verbundene Antrag.

[5] Die – bei darauf bezogener Antragstellung des Kammeranwalts (§ 22 Abs 3 DSt) und außerhalb eines Vorgehens gemäß § 29 DSt zwingend vorgesehene – Bestellung eines Untersuchungskommissärs (§ 27 Abs 1 DSt; vgl dazu Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 27 DSt Rz 2 ff) ist eine auf Fortgang des Verfahrens gerichtete Verfügung prozessleitender Natur (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO), gegen die gemäß § 58 DSt kein abgesondertes Rechtsmittel offensteht (RIS Justiz RS0123525 [T1], RS0123526 [T3] und RS0133775).

[6] Die – wie dargelegt im Sinn der §§ 46, 56 DSt bislang nicht erledigte – Beschwerde vom 21. März 2022 (OZ 9) gegen die am 3. März 2022 erfolgte Bestellung einer Untersuchungskommissärin (ON 2) war daher zurückzuweisen.

Zu den Beschwerden gegen den Beschluss vom 15. März 2022 (OZ 8):

[7] Am 15. März 2022 fasste der Disziplinarrat über Antrag des Kammeranwalts in den – nicht verbundenen, jeweils gegen Rechtsanwältin * anhängigen – Disziplinarsachen AZ D 19/22 und D 20/22 den (nicht getrennt ausgefertigten) Beschluss, der Disziplinarbeschuldigten als einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 3 Z 1 lit b DSt das Vertretungsrecht vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz und der Staatsanwaltschaft Graz zu entziehen (OZ 8).

[8] Die Anordnung dieser einstweiligen Maßnahme stützte der Disziplinarrat darauf (§ 19 Abs 1 Z 1 DSt), dass die Staatsanwaltschaft Graz in deren Verfahren AZ * gegen die Disziplinarbeschuldigte einen Strafantrag wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingebracht hat. Der diesem Strafverfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist Gegenstand (nur) der Disziplinarsache AZ D 20/22 (vgl OZ 4).

[9] In Bezug auf die Disziplinarsache AZ D 19/22 vertrat der Disziplinarrat hingegen die (zutreffende [vgl 28 Ds 7/19x]) Ansicht, dass die Voraussetzungen nach § 19 Abs 1 Z 1 DSt nicht vorlägen, weil das – die strafrechtliche Prüfung des identen Sachverhalts umfassende – Ermittlungserfahren AZ * der Staatsanwaltschaft Graz gegen Rechtsanwältin * lediglich als Verdächtige (vgl § 48 Abs 1 Z 1 StPO) geführt werde (OZ 8 S 3).

[10] Der Sache nach wurde daher aufgrund des im Disziplinarverfahren AZ D 19/22 in Rede stehenden Disziplinarvergehens eine einstweilige Maßnahme nicht angeordnet.

[11] Soweit sich die Beschwerden der Disziplinarbeschuldigten vom 31. März 2022 (OZ 11) und vom 14. April 2022 (OZ 17) daher in der Disziplinarsache AZ D 19/22 gegen den Beschluss vom 15. März 2022 (OZ 8) richten, waren sie zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführerin mangels Beschwer keine Rechtsmittellegitimation zukommt.