JudikaturJustiz1Ob99/08b

1Ob99/08b – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philipp D*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 19, wegen 5.150 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 2.575 EUR; Rekursinteresse 500 EUR) gegen das Zwischenurteil bzw den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Februar 2008, GZ 5 R 192/07f 14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. August 2007, GZ 16 Cg 194/06v 10, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

I. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die in ihrem Punkt I.2.a und b (Teilurteil) als unangefochten unberührt bleibt, wird in ihrem Punkt I.1. (Zwischenurteil) dahin abgeändert, dass das Ersturteil in seinem Ausspruch über das Leistungsbegehren insoweit wiederhergestellt wird, sodass die Entscheidung über das Leistungsbegehren wie folgt lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig der klagenden Partei 5.150 EUR zuzüglich 4 % Zinsen ab 20. 7. 2006 zu bezahlen, wird abgewiesen".

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. Der Rekurs der beklagten Partei gegen den einen Teil des Feststellungsbegehrens betreffenden Aufhebungsbeschluss (Punkt II.2. der Berufungsentscheidung) wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegen den Kläger war bei einer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB anhängig. Ihm wurde die diversionelle Erledigung des Verfahrens unter anderem durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 40 Stunden angeboten, was er annahm. Die gemeinnützigen Leistungen waren bei einem Tierschutzverein in einem Tierschutzhaus zu erbringen. Am 3. 12. 2005 wurde der Kläger auf dem Gelände des Tierschutzhauses anlässlich der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen von einem Schäferhundmischling in die linke Hand und das rechte Bein gebissen.

Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch von 4.000 EUR Schmerzengeld, 1.000 EUR Verunstaltungsentschädigung und 150 EUR an Kleiderschaden sowie die Feststellung, dass ihm die beklagte Partei für alle künftigen Verletzungsfolgen aus dem Vorfall vom 3. 12. 2005 hafte. Eine Mitarbeiterin des Tierschutzhauses habe ihm aufgetragen, einen Schäferhundmischling zu betreuen und mit diesem spazieren zu gehen. Sie habe den Hund ohne Leine und Maulkorb aus dem Zwinger gelassen und angeordnet, der Kläger möge ihm die Leine anlegen. Das Tier habe völlig unvermittelt und unvorhersehbar mehrfach zugebissen. Die Mitarbeiterin des Tierschutzhauses habe bei der Abwicklung gemeinnütziger Leistungen iSd §§ 90d, 90f StPO hoheitlich gehandelt; die beklagte Partei habe für das Fehlverhalten ihres Organs nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes einzustehen. Die Zuordnung zur Hoheitsverwaltung ergebe sich daraus, dass die im Rahmen der Diversion zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen eine zwangsweise angeordnete Maßnahme mit Strafcharakter darstellten. Es sei bloß die Art der Arbeitsverrichtung, nicht aber der Bestand der Arbeitspflicht als solche vom Kläger beeinflussbar gewesen. Das Fehlverhalten der Mitarbeiterin des Tierschutzhauses sei darin zu sehen, dass sie die Verwahrungspflicht nach § 1320 ABGB vernachlässigt habe.

Die Beklagte wendete ein, in der Erbringung von gemeinnützigen Arbeitsleistungen im Rahmen der Diversion sei kein Strafvollzug zu sehen. Weder der Mitarbeiterin noch dem Verein selbst komme Organstellung im Sinne des Amtshaftungsgesetzes zu. Die Einrichtungen, bei denen Verdächtige im Rahmen der Diversion gemeinnützige Leistungen erbringen, übernähmen keine hoheitlichen Aufgaben. Zudem habe der Kläger gegen den Willen der Mitarbeiterin des Tierschutzhauses den Hund selbst anleinen wollen, wodurch sich das Tier offenbar bedrängt gefühlt habe. Außerdem sei der Kläger nur deshalb gebissen worden, weil er zuvor auf den Hund eingetreten habe. Dieser sei bis dahin nicht verhaltensauffällig und dem Kläger überdies von früheren gemeinsamen Ausgängen bekannt gewesen. Ein Fehlverhalten der Mitarbeiterin liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Am 3. 12. 2005 beabsichtigte eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Tierschutzhauses, mit dem Kläger gemeinsam einen Schäferhundmischling auszuführen. Der Kläger kannte den Hund von vorherigen Spaziergängen; das Tier wurde bereits seit einem Jahr im Tierschutzhaus betreut und war in diesem Zeitraum verhaltensunauffällig. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin ließ den Hund - ohne ihn angeleint zu haben - aus dem Zwinger, worauf er im Freigelände herumlief. Wie dem Kläger zuvor angekündigt, näherte sie sich in der Folge dem Tier, um es anzuleinen. In dem Augenblick als sie ihre rechte Hand im Bereich des Halsbandes des Tieres hatte, griff der auf der anderen Seite des Hundes stehende Kläger - ohne dazu aufgefordert worden zu sein - gleichfalls nach dem Halsband, worauf der Hund nach dem Kläger schnappte, ohne diesen vorerst zu verletzen. Aus Angst bzw zur Abwehr reagierte der Kläger mit gegen den Hund gerichteten Tritten und wurde während des anschließenden Versuchs, sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen, mehrfach gebissen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Einrichtung, bei der der Kläger die gemeinnützige Leistung erbrachte, nicht in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden gewesen und demgemäß nicht als Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG zu beurteilen sei. Die Vorgangsweise nach den §§ 90a, 90d und 90e StPO (aF) sei von der absoluten Freiwilligkeit des Verdächtigen zur Erbringung von gemeinnützigen Leistungen geprägt. Diese könnten jederzeit abgebrochen und das Strafverfahren nachträglich eingeleitet oder fortgesetzt werden. Der Kläger sei der Einrichtung nicht „hoheitlich zugewiesen" gewesen; die Tätigkeit der Einrichtung weise keine Affinität zum Strafvollzug auf. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass die Einrichtung der Staatsanwaltschaft über den Fortgang der Leistungserbringung bzw deren Abschluss Mitteilung zu machen und dem Verdächtigen eine Bestätigung über die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen auszustellen habe. Es mangle sowohl an der Organqualität der Einrichtung als auch an einem rechtswidrig und schuldhaften Verhalten der Mitarbeiter derselben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe (Punkt I.1 des Urteilsspruchs). Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 2.575 EUR sA zu zahlen, sowie das Feststellungsbegehren, die Beklagte hafte gegenüber dem Kläger für alle zukünftigen Verletzungsfolgen aus dem Vorfall vom 3. 12. 2005 zu mehr als 50 %, wies es - unangefochten - mit Teilurteil ab (Punkt I.2a und b des Urteilsspruchs). Im Übrigen, also hinsichtlich des Klagebegehrens, es werde festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger für alle künftigen Verletzungsfolgen aus dem Vorfall vom 3. 12. 2005 zur Hälfte hafte, hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurück (Punkt II der Entscheidung). Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 4.000 EUR, jedoch nicht 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Erleide ein Verdächtiger bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten gemäß § 90e Abs 5 StPO (aF) die Bestimmungen der §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes (StVG) dem Sinne nach. Dies spreche eindeutig dafür, dass es sich bei einer diversionellen Maßnahme „um eine von mehreren innerhalb des strafrechtlichen Sanktionssystems" handle und insoweit Hoheitsverwaltung des Bundes vorliege. Ein weiteres Indiz dafür sei, dass gemäß § 90e Abs 3 StPO (aF) der Bund und nicht die Einrichtung, bei der die gemeinnützige Leistung erbracht wurde, neben dem Verdächtigen Dritten gegenüber für vom Verdächtigen zugefügte Schäden haftet. Weiters spreche für das Vorliegen von Hoheitsverwaltung, dass dem Bund eine Regressmöglichkeit gegenüber der Einrichtung oder deren Träger zukommt (§ 90e Abs 4 StPO [aF]). Die Mitarbeiter der Einrichtung seien als Organe des Bundes im Sinne des § 1 Abs 2 AHG anzusehen, weil sie eine Aufgabe zu besorgen hätten, die in einem engen Sachzusammenhang mit der Erreichung der hoheitlichen Zielsetzung, nämlich der Diversion anstelle der Durchführung eines Strafverfahrens stehe. Da die §§ 76 ff StVG einen eigenen Anspruch eines Strafgefangenen nach dem StVG begründen, der nach Art und Umfang den Ansprüchen aus der sozialen Unfallversicherung gleichkomme, sei die zu § 333 ASVG ergangene Rechtsprechung zur Anwendung zu bringen. Dem in Anspruch genommenen Rechtsträger komme das Haftungsprivileg nicht zugute, weshalb dem Verletzten auch Schmerzengeldansprüche gegen den Bund zustehen könnten. Der Mitarbeiterin des Tierschutzhauses sei ein Verschulden insofern vorwerfbar, als sie den Hund ohne Maulkorb und ohne ihn zuvor anzuleinen aus dem Zwinger gelassen habe. Selbst wenn der Hund bereits mehr als ein Jahr verhaltensunauffällig und dem Kläger bekannt gewesen sei, wäre die Einhaltung größerer Sorgfalt geboten gewesen. Den Kläger treffe jedoch ein Mitverschulden, weil er ohne Grund und etwa zeitgleich wie die Mitarbeiterin des Tierschutzhauses das Halsband des Hundes ergriffen habe, wodurch das Tier zweifellos irritiert habe werden müssen. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 sei daher sachgerecht.

Da der Kläger kein Rechtsmittel ergriff, ist das Teilurteil (Punkt I.2a und b) in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil (Punkt I.1 des Spruchs) ist zulässig und berechtigt; der Rekurs (die mangelnde Bezeichnung als solchen schadet nicht) gegen den Aufhebungsbeschluss (Punkt II. des Spruchs) ist unzulässig.

I. Die diversionelle Erledigung ist in den §§ 90a ff StPO (aF) bzw 198 ff StPO idF des StrafprozessreformG (StPRefG), BGBl I 2004/19, geregelt. § 90a StPO (aF) bzw § 198 StPO (nF) sehen vor, dass der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung (vorläufig) zurückzutreten hat, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 StPO aF (nunmehr Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO) nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrags oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen oder die Bestimmung einer Probezeit oder einen (außergerichtlichen) Tatausgleich aus spezial- oder generalpräventiven Gründen nicht geboten erscheint, und es sich nicht um eine Tathandlung handelt, die in die Zuständigkeit des Schöffen oder Geschworenengerichts fällt, keine schwere Schuld des Verdächtigen vorliegt, und die Tat den Tod eines Menschen nicht zur Folge gehabt hat.

1. Nach dem Standpunkt des Klägers ergibt sich die Zuordnung zur Hoheitsverwaltung daraus, dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Rahmen der Diversion dem - ausschließlich der Hoheitsverwaltung zugehörigen - Strafvollzug zuzuordnen sei. Betrachtet man die wesentlichen Merkmale der Diversion sowie die Regelungen zu deren praktischen Durchführung, hält diese Ansicht einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Unter Diversion versteht man die Beendigung des Strafverfahrens ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen. Im Regelfall sind damit von diesem freiwillig akzeptierte Reaktionen verbunden, mit denen den kriminalpolitischen Zielen einer Spezial- und Generalprävention zum Durchbruch verholfen wird ( Schroll in WK StPO, Vor §§ 90a - 90m Rz 2). Als Voraussetzung für einen Verfolgungsverzicht durch den Staatsanwalt wird dem Beschuldigten ein bestimmtes Verhalten (Zahlung eines Geldbetrags, außergerichtlicher Tatausgleich, unentgeltliche Erbringung gemeinnütziger Leistungen) abverlangt. Zu einer gemeinnützigen Leistung muss sich der Beschuldigte gegenüber dem Staatsanwalt oder einem beauftragten, in der Sozialarbeit erfahrenen Vermittler (§ 90d Abs 4 StPO aF bzw § 201 Abs 4 iVm § 29b BewHG) freiwillig verpflichten, woraufhin mit der ausgewählten Einrichtung Kontakt aufgenommen wird. Stimmt auch die Einrichtung der konkreten Zuweisung des Beschuldigten zu, ist die Grundlage für eine vorläufige Verfahrensbeendigung gegeben ( Miklau / Schroll , Diversion [1999], 78). Nach Ablauf der Frist, innerhalb derer die Leistungen zu erbringen sind, hat der Verdächtige oder der gemäß § 29b BewHG zwischengeschaltete Vermittler unverzüglich nachzuweisen, dass der Beschuldigte die gemeinnützige Leistung vollständig erbracht und zusätzlich den Schaden gutgemacht oder sonst zum Folgenausgleich beigetragen hat (§ 90d Abs 3 und 4 aF bzw § 201 Abs 3 und 4 StPO). Zu diesem Zweck hat die Einrichtung, in welcher der Beschuldigte gearbeitet hat, ihm oder dem Vermittler eine Bestätigung auszustellen, die der auftragserteilenden Justizstelle vorzulegen ist (§ 90d Abs 4 letzter Satz StPO aF bzw § 201 Abs 4 letzter Satz StPO). In der Erbringung gemeinnütziger Leistungen soll die Bereitschaft des Beschuldigten zum Ausdruck gebracht werden, für die Tat einzustehen ( § 90d Abs 2 StPO aF bzw § 201 Abs 2 StPO). Diversion bildet lediglich einen Teil des strafrechtlichen Reaktionsspektrums; sie fungiert als Sanktionsersatz und soll als Alternative zur förmlichen Strafe nur in bestimmten Strafverfahren und nicht bei allen Beschuldigten zum Tragen kommen.

Wesentliches Charakteristikum der Diversion ist, dass keine mit Zwangsgewalt durchsetzbare staatliche Entscheidung vorliegt, sondern es dem Beschuldigten offen steht, dem „Anbot" der Staatsanwaltschaft nicht zu entsprechen. Der belastende Charakter der vom Beschuldigten erwarteten Leistung resultiert nicht daraus, dass ihm ein staatliches Organ diese Maßnahme gegen seinen Willen aufbürden würde. Vielmehr unterwirft sich der Beschuldigte dieser freiwillig. Das „Anbot" des öffentlichen Anklägers eröffnet dem Beschuldigten also lediglich eine zusätzliche Verfahrensoption. Es kommt ihm auch jederzeit die Möglichkeit zu, die Einleitung bzw Fortsetzung des Strafverfahrens zu verlangen. Die Erbringung der gemeinnützigen Leistung ist mit staatlichen Mitteln nicht durchsetzbar. Als Konsequenz des Entschlusses des Beschuldigten, die gemeinnützigen Leistungen doch nicht erbringen zu wollen, ergibt sich die Fortführung des Strafverfahrens. Der Freiwilligkeitsaspekt aller Diversionslösungen ist praktisch, dogmatisch und kriminalpolitisch von fundamentaler Bedeutung (RV zur Strafprozessnovelle 1999, 1581 BlgNR 20. GP 17).

Um die praktische Durchführbarkeit der Diversion zu gewährleisten, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Fragen der Haftung im Zusammenhang mit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Rahmen der Diversion einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. In § 90e Abs 3 bis 5 StPO aF bzw § 202 Abs 3 bis 5 StPO regelte er die Haftung des Beschuldigten im Verhältnis zur Einrichtung und gegenüber Dritten sowie die dem Beschuldigten gegenüber dem Bund bei Unfällen oder (Berufs )Erkrankungen zukommenden Ansprüche:

a) Fügt der Beschuldigte bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder - wenn sie nicht selbst Rechtspersönlichkeit hat - deren Träger einen Schaden zu, so soll er grundsätzlich einem Dienstnehmer gleichgestellt werden. Daher soll das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) zur Anwendung gelangen, demzufolge für den Umfang der Haftung richterliches Mäßigungsrecht und für „entschuldbare Fehlleistungen" ein Haftungsausschluss besteht.

b) Zur Frage der Haftung für Schäden, die ein Beschuldigter einem Dritten zufügt, wird in der Regierungsvorlage zur Strafprozessnovelle 1999 (1581 BlgNR 20. GP 31) ausgeführt, dass zwar die einem Beschuldigten bei Verrichtung gemeinnütziger Leistungen zugewiesenen Tätigkeiten in der Regel eine geringe Schadensgeneigtheit aufweisen werden, infolge der fortschreitenden Technisierung Gefahrenquellen für Schäden bei der Arbeitsverrichtung jedoch nicht auszuschließen seien. Damit den Beschuldigten nicht bei geringen Fehlleistungen im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit unverhältnismäßig belastende Haftungsfolgen treffen, soll neben ihm auch der Bund nach den Schadenersatzregelungen des ABGB für Schäden haften, die Dritten entstanden sind. Im Verhältnis zwischen Bund und Beschuldigtem solle wiederum das DHG sinngemäß zur Anwendung gelangen, sodass - je nach Inanspruchnahme - wechselseitiger Regress, abhängig von der Schwere des Verschuldens des Beschuldigten, und richterliches Mäßigungsrecht zur Anwendung gelangen könnten. Die Einrichtung oder deren Träger soll ferner dem Dritten nicht unmittelbar haften, sondern vom Bund nur im Regressweg und nur insoweit in Anspruch genommen werden können, als ihnen (ihren Vertretern) grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz anzulasten sei.

c) Erleidet der Beschuldigte bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so sollen die Bestimmungen der §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes „dem Sinne nach" gelten. In der Regierungsvorlage wird dazu ausgeführt, diese Regelung solle sicherstellen, dass der Beschuldigte im Fall eines bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen erlittenen Unfalls oder einer dabei hervorgerufenen Krankheit Versicherungsschutz genieße (1581 BlgNR 20. GP, 32).

Während - wie oben ausgeführt - bei der Diversion der belastende Charakter der vom Beschuldigten erwarteten Leistung nicht daraus resultiert, dass ihm ein staatliches Organ diese Maßnahme gegen seinen Willen aufbürden würde, sondern der Beschuldigte die Erbringung dieser Leistung freiwillig auf sich nimmt, begründet der Strafvollzug ein besonderes öffentlich rechtliches Gewaltverhältnis zwischen dem Bund und dem Strafgefangenen, das durch das Strafvollzugsgesetz geregelt wird und dessen Anwendung ausschließlich in den Bereich der Hoheitsverwaltung fällt (RIS Justiz RS0050066). Alle im Zusammenhang mit dem Freiheitsentzug stehenden Handlungen und Unterlassungen des Justizwachepersonals erfolgen in Ausübung der Hoheitsverwaltung (1 Ob 27/95 = SZ 69/132). Der Entzug der Freiheit bewirkt, dass den Bund zahlreiche Verpflichtungen treffen, die sonst dem privaten Verantwortungsbereich jedes Einzelnen zuzuordnen sind, als Folge der Zuweisung eines Zwangsaufenthalts aber hoheitliche Verpflichtungen werden (RIS Justiz RS0049813; Schragel AHG3 Rz 118). Als Ausfluss dieser Fürsorgepflicht sind Strafgefangene gemäß den §§ 76 f StVG gegen Unfall und Krankheit versichert. Eine gewisse Fürsorgepflicht des Bundes in Ansehung der Strafgefangenen besteht weiters im Zusammenhang mit den diesen zugewiesenen Arbeiten (SZ 69/132). Auch die Zuweisung von Arbeit an Strafgefangene sowie deren organisatorische Gestaltung und Entlohnung stellt einen Teil des öffentlich rechtlichen Gewaltverhältnisses dar (SZ 73/8).

Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ist für den vorliegenden Fall Folgendes abzuleiten:

Hätte sich der Kläger als Strafgefangener Verletzungen infolge rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens eines im Strafvollzug tätigen Organs - etwa eines Justizwachebeamten oder auch eines privaten Arbeitgebers, dem er im gelockerten Vollzug von der Strafvollzugsbehörde zur Arbeitsleistung zugewiesen wurde (SZ 69/132) -, zugezogen, würde die sich aus dem StVG ergebende umfassende Fürsorgepflicht nicht nur zu einer Haftung des beklagten Rechtsträgers für die in den §§ 76 bis 84 StVG geregelten Leistungen (Heilbehandlung, Unfallrente etc) führen, sondern bestünde daneben grundsätzlich auch dessen Haftung für Schmerzengeldansprüche und Ansprüche wegen Verunstaltung (vgl RIS Justiz RS0031603 für den Bereich von Dienstunfällen Wehrpflichtiger), wie schon das Berufungsgericht ausführlich und korrekt dargelegt hat, weshalb insoweit auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.

Anders verhält es sich bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Rahmen der Diversion:

Wie sich aus dem Wesen der Diversion als Sanktionsersatz ergibt, kommt den im Rahmen der Diversion erbrachten gemeinnützigen Leistungen kein Strafcharakter zu. Zum Unterschied vom Strafvollzug besteht keine Arbeitspflicht. Der Kläger konnte vielmehr den Bestand der Pflicht als solche (also das „ob") beeinflussen. Bei Erbringung der gemeinnützigen Leistungen stand er in keinem - für den Strafvollzug charakteristischen - öffentlich rechtlichen Gewaltverhältnis zur Beklagten. Da die sich aus einem solchen Gewaltverhältnis ansonsten ergebende besondere Fürsorgepflicht des Bundes fehlt, hatte der Gesetzgeber Vorsorge zu treffen, um einen Beschuldigten bei Erbringung von gemeinnützigen Leistungen vor allenfalls weitreichenden Haftungsfolgen gegenüber der Einrichtung und gegenüber Dritten zu schützen; zugleich hatte er eine Regelung zu schaffen, um das Risiko einer bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen aufgetretenen Erkrankung oder eines dabei erlittenen Unfalls abzudecken. Dass der Gesetzgeber Letzteres gesetzestechnisch durch den Verweis auf bestimmte Regelungen des StVG bewirkt hat, lässt keine Schlussfolgerung darauf zu, die Diversion doch als Teil eines (hoheitlichen) Strafvollzugs anzusehen, sondern erklärt sich wie aus der Regierungsvorlage eindeutig zu entnehmen ist - nur daraus, dass Rahmenbedingungen zu schaffen waren, die die praktische Durchführbarkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Rahmen der Diversion sicherstellen sollten. So liegt es auf der Hand, dass die Umsetzung des Diversionskonzepts durch den Verweis auf die §§ 76 ff StVG eher gewährleistet erscheint, als wenn der Gesetzgeber der Einrichtung die Pflicht auferlegt hätte, selbst jeden Beschuldigten, der bei ihr gemeinnützige Leistungen erbringt, bei einem gesetzlichen (oder privaten) Versicherungsträger gegen Unfall und Krankheit zu versichern und die daraus resultierenden Kosten zu tragen. Zufolge des Wesens der Diversion als Alternative zum Strafvollzug und als Sanktionsersatz kann die Erbringung gemeinnütziger Leistungen und deren organisatorische Gestaltung demnach nicht als Teil des durch einen Strafvollzug begründeten öffentlich rechtlichen Gewaltverhältnisses zwischen dem Beschuldigten und dem Bund gesehen werden.

2. Unbeschadet dieses Ergebnisses wäre Hoheitsverwaltung dennoch anzunehmen, wenn der Gesetzgeber die im Rahmen der Diversion erbrachten gemeinnützigen Leistungen ausdrücklich dem Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet bzw der Einrichtung als beliehenem Unternehmen die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben übertragen hätte ( Schragel aaO Rz 29). Auch dies ist nicht der Fall:

Wenngleich die Diversion dem Strafrechtswesen als Ausdruck einer geänderten Auffassung von den Aufgaben des Strafrechts zugehört, bedeutet dies noch nicht, dass alle damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten der Hoheitsverwaltung zugerechnet werden müssen. Obwohl das auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen gerichtete „Anbot" des Staatsanwalts sowie dessen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Organisation zur Ermöglichung solcher Leistungen unzweifelhaft (noch) in Vollziehung der Gesetze erfolgt, kann der weitere Zusammenhang durch vom Gesetz determinierte selbstständige und abgrenzbare Akte unterbrochen werden ( Schragel aaO Rz 84). Diese Unterbrechung ist ab jenem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem der Beschuldigte das „Anbot" des Staatsanwalts auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen angenommen hat, weil es nunmehr allein seiner Initiative überlassen bleibt, im Rahmen der Diversion eine das Strafbedürfnis befriedigende Lösung zu erreichen. Die Funktion bzw Tätigkeit der Einrichtung besteht dabei im Wesentlichen nur darin, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um dem Beschuldigten die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen zu ermöglichen, diesen anzuleiten und seine Leistungen entgegenzunehmen; diese Tätigkeit ist von der - immer hoheitlich erfolgenden - Tätigkeit der Staatsanwaltschaft klar abzugrenzen. Lediglich die der Einrichtung zukommende Befugnis, eine Bestätigung auszustellen, aus deren Inhalt sich die (vollständige) Erbringung der gemeinnützigen Leistung ergibt, könnte auf das Setzen hoheitlicher Handlungen hindeuten. Nach der Zielsetzung des § 90d Abs 4 letzter Satz StPO aF bzw des § 201 Abs 4 letzter Satz StPO ist diese Befugnis jedoch eher mit der sich aus der Fürsorgepflicht ergebenden Verpflichtung eines Arbeitgebers vergleichbar, einem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Dienstzeugnis auszufolgen. Für diese Sichtweise spricht, dass das Gesetz nicht der Einrichtung selbst die Aufgabe übertrug, der auftragserteilenden Justizstelle diese Bestätigung im direkten Weg zu übersenden bzw zu berichten, sondern es beim Beschuldigen oder Vermittler liegt, nach Ablauf der gesetzten Frist unverzüglich nachzuweisen, dass der Beschuldigte die gemeinnützige Leistung erbracht und zusätzlich den Schaden gutgemacht oder sonst zum Tatfolgenausgleich beigetragen hat. Allein zu diesem Zweck hat die Einrichtung, bei der der Beschuldigte gearbeitet hat, diesem oder dem Vermittler die Bestätigung auszustellen, die an die auftragserteilende Justizstelle übersendet wird ( Miklau/Schroll aaO, 79). Das Recht, einen Vorschlag oder eine Empfehlung darüber abzugeben, dass das Strafverfahren endgültig einzustellen oder doch einzuleiten oder fortzuführen sei, kommt der Einrichtung nicht zu; die Entscheidung über den endgültigen Rücktritt von der Verfolgung oder die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens liegt weiterhin allein in der vollen Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft. Davon, dass die Einrichtung die Staatsanwaltschaft bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben - konkret bei der Entscheidung über den Rücktritt von der Verfolgung oder die Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens (§ 90d Abs 5 StPO aF bzw § 201 Abs 5 StPO) - entlastet oder in diese Tätigkeit eingebunden ist, kann somit nicht gesprochen werden. Dies vermag auch der Umstand nicht zu ändern, dass die Tätigkeit der Einrichtung nicht allein dem privaten Interesse des Beschuldigten, sondern zugleich dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung und Abwicklung diversioneller Maßnahmen dient und ihr insofern eine „Doppelfunktion" zukommt. Die hoheitliche Zielsetzung liegt letztlich gerade darin, dass hoheitliches Handeln - nämlich die Einleitung bzw die Fortsetzung des Strafverfahrens - unterbleiben kann. Dem Wesen der Diversionsmaßnahmen entsprechend wurde die Aufgabe, den Beschuldigten die faktische Möglichkeit zur Erbringung der von ihnen erwarteten Leistungen zu geben, aus dem Bereich der Vollziehung ausgeschieden und der Einrichtung als einem außenstehenden Dritten unter eigener Verantwortung übertragen. Damit in Einklang steht der Umstand, dass die Einrichtung, bei der der Beschuldigte seine Leistungen erbringen will, diese nicht aufgrund gesetzlicher Verpflichtung entgegennehmen muss, sondern deren Mitarbeitern das Recht zusteht, die konkrete Zuweisung des Beschuldigten abzulehnen (§ 90d Abs 2 StPO aF bzw § 201 Abs 2 StPO, § 29b Abs 2 BewHG). Nur in jenen Fällen, in denen ein Interesse der Einrichtung bzw deren Träger besteht, die von einem Beschuldigten erbrachten Leistungen den von ihr verfolgten gemeinnützigen Zwecken zu Gute kommen zu lassen, wird sie ihre Zustimmung erteilen.

Die Tätigkeit der Einrichtungen erfolgt somit nicht in Vollziehung der Gesetze; mangels Betrauung mit der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben ist eine Einbindung von Einrichtungen als beliehene öffentlich rechtliche Unternehmen in den Bereich hoheitlicher Vollziehung zu verneinen. Ist die Voraussetzung der Zuordnung zum Bereich der Hoheitsverwaltung nicht erfüllt, sind weder die Einrichtung noch deren Mitarbeiter Organe iSd § 1 Abs 2 AHG.

Auf die Frage, ob der Mitarbeiterin des Tierschutzhauses, die dem Kläger den Hund übergab, als Organ iSd § 1 Abs 2 AHG ein haftungsbegründendes Verhalten vorwerfbar ist, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

Dies führt zur Abänderung des Zwischenurteils des Berufungsgerichts (vorbehaltlich seines bereits in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teils) im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils bezüglich des Leistungsbegehrens.

II. Soweit sich das insoweit als Rekurs zu wertende Rechtsmittel gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet, mit dem dieses das erstgerichtliche Urteil zum Teil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen ist, ist es unzulässig:

Gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts der Rekurs nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dabei ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Ein derartiger Ausspruch wurde vom Berufungsgericht nicht gesetzt; dessen ungeachtet richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten auch gegen den Aufhebungsbeschluss. Fehlt aber im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ein Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, ist ein Rechtsmittel dagegen - auch ein außerordentlicher Rekurs - jedenfalls unzulässig ( Kodek in Rechberger 3 § 519 ZPO Rz 18; Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 55; jeweils mwN).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
4