JudikaturJustiz1Ob92/17m

1Ob92/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* Z*, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F* GmbH, *, vertreten durch die Rudeck – Schlager Rechtsanwalts KG, Wien, und 2. I* P*, vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien W. * Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Mag. Tanja Cukon, Rechtsanwältin in Wien, wegen 29.880 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2017, GZ 14 R 4/17m 29 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Juni 2017), mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Oktober 2016, GZ 18 Cg 17/16a 18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit 4.023,65 EUR (darin 670,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig der zweitbeklagten Partei die mit 1.829,16 EUR (darin 304,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte ursprünglich Schadenersatz wegen eines Sturzes am Friedhof G* sowohl von der Erstbeklagten als Liegenschaftseigentümerin als auch von der Zweitbeklagten. Zu deren Haftung brachte sie in der Klage vor, diese sei von der Erstbeklagten mit der Schneeräumung und Streuung der Wege des Friedhofs betraut worden; gegen sie sei ein Strafverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen schweren Körperverletzung eingeleitet, aber gemäß § 201 Abs 1 StPO iVm § 199 StPO unter Auferlegung gemeinnütziger Leistungen vorläufig eingestellt worden. Nachdem die Erstbeklagte der Nebenintervenientin (als Friedhofsverwalterin) den Streit verkündet und für den Fall eines Prozessverlusts Regressansprüche angekündigt hatte, brachte sie in der Tagsatzung vom 6. 4. 2016 vor, dass die Zweitbeklagte Angestellte der Nebenintervenientin sei. Nachdem die Nebenintervenientin ihren Streitbeitritt auf Seiten der Beklagten erklärt hatte, erklärte die Klägerin in der Tagsatzung vom 10. 10. 2016 die Bezeichnung der Zweitbeklagten auf die Firma der Nebenintervenientin ändern zu wollen. Nach dem Inhalt der Klage sei für die Beklagten erkennbar gewesen, dass die Klägerin neben der Erstbeklagten die Verwalterin des Friedhofs habe klagen wollen. Die Zweitbeklagte und die Nebenintervenientin sprachen sich gegen die beantragte „Änderung der Parteienbezeichnung“ aus, weil es unzulässig sei, eine andere Person zu belangen. Die Zweitbeklagte sei Angestellte der mit der Friedhofsverwaltung betrauten Nebenintervenientin und habe bei dieser unter anderem die Aufgabe, sich um Fragen der Räumung zu kümmern. Die Klägerin brachte daraufhin – ersichtlich eventualiter – vor, die Zweitbeklagte habe es gegenüber der Nebenintervenientin vertraglich übernommen, den Winterdienst am Friedhof zu organisieren und zu überwachen. Sie hafte der Klägerin dafür, dass sie am Vorfallstag nicht für eine ausreichende Streuung der Hauptwege gesorgt habe.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung ab. Die Klägerin habe in der Klage die Zweitbeklagte namentlich bezeichnet und vorgebracht, es handle sich um jene Person, gegen die ein Strafverfahren geführt worden und die von der Erstbeklagten mit der Schneeräumung betraut gewesen sei. Der Klage sei nicht zu entnehmen gewesen, dass die Klägerin den Friedhofsverwalter habe klagen wollen. Ein Parteiwechsel, bei dem ein von der Klägerin ursprünglich nicht beabsichtigtes Rechtssubjekt in das Prozessrechtsverhältnis eingeführt würde, sei unzulässig.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Bezeichnung der Zweitbeklagten auf die Nebenintervenientin berichtigte; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO sei es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteienbezeichnung auf jene Person richtig gestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage das Klagebegehren in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erhoben worden ist. Bei Unklarheiten, die bei objektiver Betrachtung der Klagsangaben als solche erkennbar seien, sei der gesamte Inhalt der Klageschrift heranzuziehen. Prozesspartei sei diejenige, deren Parteistellung sich aus dem Vorbringen und dem Begehren der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ergebe. Entscheidend sei, dass auch für den „tatsächlich“ (gemeint: namentlich) in Anspruch Genommenen ersichtlich ist, wen ein Rechtsverhältnis betrifft, wenn der Kläger in der Klage auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis Bezug nimmt; auch in solchen Fällen könne auf die richtige Partei geschlossen werden. Im vorliegenden Fall lasse sich dem Klagsvorbringen eindeutig entnehmen, dass die Klägerin jenes Rechtssubjekt in Anspruch nehmen wollte, das von der Erstbeklagten als Eigentümerin der Liegenschaft mit der Schneeräumung der Friedhofswege beauftragt war. Dies sei auch der Zweitbeklagten erkennbar gewesen, die im Verfahren vorgebracht habe, nicht sie, sondern die Nebenintervenientin sei Friedhofsverwalterin und kontrolliere die Wege regelmäßig. Es habe daher auch die Zweitbeklagte aufgrund der Klagserzählung wissen müssen, wen die Klage betreffen soll. Damit liege eine Klagsänderung trotz Einbeziehens eines anderen Rechtsobjekts nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der – rechtsmittellegitimierten (RIS Justiz RS0107893; zuletzt 6 Ob 136/15s) – Nebenintervenientin, die nunmehr im Verfahren (auch) als beklagte Partei behandelt werden soll, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts zulässig und auch berechtigt.

Schon nach dem Wortlaut des § 235 Abs 5 ZPO kommt eine Berichtigung der Parteibezeichnung nur in Frage, wenn nach dem Inhalt der Klage „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise“ das Klagebegehren gegen eine bestimmte Person erhoben wird, die aber in der Klage unrichtig bezeichnet wurde (vgl dazu auch ErläutRV 669 BlgNR 15. GP 52; RIS Justiz RS0039378 ua). Regelmäßig ist eine Änderung der Parteibezeichnung dann ausgeschlossen, wenn im Berichtigungsweg ein bestehendes und beklagtes Rechtssubjekt gegen ein anderes, bisher nicht beklagtes Rechtssubjekt ausgetauscht werden soll (RIS Justiz RS0039530 [T1]), wobei die Existenz zweier Rechtssubjekte für einen (unzulässigen) Parteiwechsel, die Existenz nur eines aber für eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung spricht (RIS Justiz RS0039297). Bei der Prüfung der Frage, ob eine unzulässige Parteiänderung oder eine zulässige Berichtigung der Parteibezeichnung vorliegt, ist daher dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn – wie hier – ein Rechtssubjekt mit der vom Kläger gewählten Parteibezeichnung tatsächlich existiert (RIS Justiz RS0039731). Diesen strengen Maßstab legt das Gesetz in der Weise fest, dass der vom Kläger tatsächlich gewollte Beklagte aus dem Inhalt der Klage „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise“ ermittelbar ist.

Dies ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichts im vorliegenden Verfahren nicht der Fall. Richtig ist zwar, dass die Klägerin vorgebracht hat, die Zweitbeklagte sei von der Erstbeklagten mit der Schneeräumung und Streuung der Wege betraut worden. Schon das Erstgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klage das weitere Vorbringen enthält, gegen die Zweitbeklagte sei ein Strafverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen schweren Körperverletzung eingeleitet – und vorläufig eingestellt – worden. Damit kann es aber keinesfalls als „völlig unzweifelhaft“ angesehen werden, dass die Klägerin ausschließlich jene Person – als zweitbeklagte Partei – in Anspruch nehmen wollte, die tatsächlich mit der Betreuung der Wege betraut war. Ebenso konnte es ihr durchaus in erster Linie darum gehen, jene (natürliche) Person in Anspruch zu nehmen, gegen die wegen des Verdachts der fahrlässigen schweren Körperverletzung ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, zumal mit einer strafgerichtlichen Verantwortlichkeit durchaus auch die zivilrechtliche Schadenshaftung einhergehen kann. Die Richtigstellung der Parteibezeichnung findet aber dort ihre Grenze, wo es um den Mangel der Sachlegitimation geht; dieser kann nicht im Wege der Berichtigung beseitigt werden (RIS Justiz RS0035266). War es für die Klägerin unklar, welche (natürliche oder juristische) Person mit der Wegebetreuung bzw mit der Friedhofsverwaltung betraut war, hätte sie dies durch zielführendere Recherchen durchaus klären können. Nahm sie stattdessen die – auch strafgerichtlich verfolgte – intern zuständige Angestellte der Nebenintervenientin in Anspruch, hat sie sich für eine potentiell haftende Person als (Zweit )Beklagte entschieden. Dies kann nicht durch den Versuch einer „Berichtigung der Parteibezeichnung“ korrigiert werden.

Damit ist der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Klägerin hat der Nebenintervenientin, die sich erfolgreich dagegen gewehrt hat, als Beklagte ins Verfahren hineingezogen zu werden, die ihr in diesem Zwischenstreit entstandenen Verfahrenskosten zu ersetzen. Auch der Zweitbeklagten steht für ihre erfolgreiche Beteiligung am Zwischenstreit (vgl RIS Justiz RS0035319; RS0039313 [T11]) Kostenersatz zu.

Rechtssätze
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