JudikaturJustiz1Ob664/87

1Ob664/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. September 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Schobel, Dr. Hofmann und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Robert F***, Heeresbeamter, 2.) Annemarie F***, Fabriksarbeiterin, beide Edelsbach Nr. 97, beide vertreten durch Dr. R. Horst Löffelmann, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei Johanna S***, Landwirtin, Kaag Nr. 51, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Duldung der Staubfreimachung eines Weges (Streitwert S 25.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1987, GZ 5 R 6/87-82, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 29. September 1986, GZ 2 C 23/86-67, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird insoweit, als es das Begehren der klagenden Parteien, die beklagte Partei sei schuldig, die Staubfreimachung (Asphaltierung) des zwischen den Grundstücken 607/1 und 671 der KG Kaag verlaufenden Weges in der Breite von ca. drei Metern zu dulden, abwies, dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 10.542,94 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 822,09 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 147 KG Edelsbach mit dem Wohnhaus Edelsbach Nr. 97. Die Beklagte ist Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 114 und EZ 165 je KG Kaag. Zur Liegenschaft EZ 114 KG Kaag gehört das Grundstück 671, zur Liegenschaft EZ 165 das Grundstück 607/1. Zwischen diesen Grundstücken führt von der Landesstraße ein ca. drei Meter breiter, geschotteter Fahrweg zum Grundstück des Alois und des Anton A*** und von dort zum Wohnhaus der Kläger, wo der Weg endet. Den Klägern wurde von der Beklagten mit Vereinbarung vom 22. Juli 1971 das "uneingeschränkte Fahrrecht" auf dem Weg eingeräumt. Beim Lokalaugenschein am 21. Mai 1986 war nach starkem Regen am Vortag der feine, an der Oberfläche des Weges liegende Schotter auf einer Länge von ca. 100 m abgeschwemmt; zur Nachschotterung müssen 4 m3 Feinschotter aufgebracht werden. Am Weg war viel Grobschlag vorhanden, wodurch das Befahren mit Fahrzeugen erschwert wird. Nach jedem starken Regen muß eine Nachschotterung erfolgen, weil der Feinschotter abgeschwemmt wird. Bei großen Niederschlagsmengen werden auch die tiefen Querfurchen, welche von den Klägern zur Verhinderung des Abschwemmens des Feinschotters angebracht wurden, nach kurzer Zeit mit Schottermaterial gefüllt, das dann über die gesamte Weglänge bis zur Landesstraße und von dort in einen Bach abgeschwemmt wird. Bei Aufbringung einer Asphaltdecke käme es zu keinem Abschwemmen des Schotters. Auch die Schneeräumung würde dadurch erleichtert. Bei einer groben Straßenoberfläche, wie sie eine Schotterstraße notwendigerweise aufweist, bewegt sich der Schneeräumschild stark nach oben und unten, wodurch die Schneeräumung beeinträchtigt wird. Die Querfurchen tragen zu einer weiteren Auf- und Abwärtsbewegung des Räumschildes bei. Es kommt dabei auch zu Ausrissen des Weges, was ein Einebnen des Weges im Frühjahr samt Nachschotterung erforderlich macht. Bei der Zufuhr von Dünger zum Anwesen der Beklagten kam es im November 1984 zu einer Verunreinigung der Fahrbahn, die dann vom Sohn der Beklagten oberflächlich gereinigt wurde. Bei einer stärkeren Verschmutzung durch Stallmist, wie sie auch im November 1984 gegeben war, ist eine sachgemäße Reinigung nur durch Abspritzen mit hohem Druck möglich, wodurch wieder der Feinschotter abgeschwemmt wird. Bei der von den Klägern beabsichtigten Asphaltierung würde die Fahrbahnoberfläche höchstens um 10 cm erhöht werden. Die Asphaltbreite müßte der Wegbreite angepaßt werden, die schon derzeit vorhandenen Bankette links und rechts der Fahrbahn müßten hergestellt, die angrenzenden Böschungen könnten im derzeitigen Zustand belassen werden. Auch der Wasserabfluß könnte so verbleiben wie bisher, es müßten nur die offenen Straßengräben mit Halbschalen ausgelegt werden, wodurch der Abfluß des Wassers bzw. die Reinigung der Abflußrinne gewährleistet wäre. Um den Wasserabfluß von der Fahrbahn zu verstärken, wären Querrinnen aus Stahlblech empfehlenswert. Der Weg weist bereits einen Frostkoffer auf, der Feinschotter müßte vor der Asphaltierung entfernt, sodann wieder aufgebracht, der Weg eingeebnet und nach dem Walzen die Asphaltdecke aufgebracht werden. Die Asphaltierung wäre mit keinen Kosten für die Beklagte verbunden. Die Arbeit würde im Rahmen des Förderungsprogrammes des Landes Steiermark ausgeführt werden; die Kammer für Land- und Forstwirtschaft würde die damit verbundenen Maßnahmen, auf die die Kläger keinen weiteren Einfluß hätten, durchführen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur das Begehren der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Staubfreimachung (Asphaltierung) des entlang der Grenzen zwischen den Grundstücken 607/1 und 671 je KG Kaag in der Natur verlaufenden Weges in einer Breite von drei Metern zu dulden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Servitutsrechte dürften grundsätzlich nicht ausgedehnt, sie müßten vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt, also schonend ausgeübt werden. Bei einer ungemessenen Dienstbarkeit, wie sie hier gegeben sei, entscheide das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes; nur eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstückes sei unzulässig. Eine solche erhebliche Mehrbelastung läge nur vor, wenn die Beschaffenheit des Weges, z.B. dessen Breite oder die Befestigung, geändert werden müßte. Dies sei hier nicht der Fall. Die Asphaltierung des Weges werde keine Belastung, sondern eine Begünstigung des dienenden Gutes mit sich bringen. Eine Ausweitung des Verkehrs sei nicht zu befürchten, weil der Weg beim Grundstück der Kläger ende; die Kläger, die den Weg stets mit Personenkraftwagen befahren hätten, hätten auch nicht die Absicht, diese Art der Benützung zu ändern.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das erwähnte Begehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig. Mit der Aufbringung einer Asphaltdecke sei eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit verbunden, zumal die Arbeit nicht von den Klägern ausgeführt, sondern von der Kammer für Land- und Forstwirtschaft veranlaßt werde. Die Kläger könnten damit auch nicht dafür einstehen, daß die Staubfreimachung nur auf eine solche Weise ausgeführt werde, daß eine Mehrbelastung des dienenden Grundstücks damit nicht verbunden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision der Kläger kommt Berechtigung zu. Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürfen Servituten nicht erweitert werden; sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt, d.h. schonend ausgeübt werden. Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten ist in billiger Weise zu lösen (MietSlg. 35.047; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 484; SZ 55/125). Der Umfang einer Wegeservitut richtet sich nach der Kulturgattung und der Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstücks im Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit (SZ 55/125; MietSlg. 30.053; EvBl. 1963/83 u.a.). Bei ungemessenen Dienstbarkeiten entscheidet nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis, doch bestehen auch hier Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (SZ 55/125; MietSlg. 30.053, 29.055; Klang in seinem Kommentar2 II 564). Es soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden (MietSlg. 35.047). Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (SZ 55/125; MietSlg. 29.055; Klang a. a.O. 564). Eine erheblich schwerere Belastung des dienenden Gutes und damit eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SZ 55/125) insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beschaffenheit eines Weges, etwa dessen Breite oder Befestigung, geändert werden soll, um seine, wenn auch einem Bedürfnis des Berechtigten entsprechende Benützung zu ermöglichen. Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, ist jedoch eine Mehrbelastung des dienenden Grundstückes mit der Asphaltierung des Weges nicht verbunden, auch nicht durch die dem Berufungsgericht so wesentlich erscheinende Bauführung, auch wenn sie die Auskleidung der ohnehin vorhandenen offenen Straßengräben mit Halbschalen und die Herstellung von Reinigungsschächten erfordert; diese Maßnahmen sind weniger belastend als das häufige Abschwemmen des Schotters. Eine Ausweitung des Verkehrs ist nicht zu befürchten, da der in Rede stehende Weg beim Grundstück der Kläger endet. Es ist auch nicht hervorgekommen, daß die Kläger die Absicht hääten, die Benützungsart des Weges auf eine Weise zu ändern, mit der eine Mehrbelastung des dienenden Grundstückes verbunden wäre, etwa den Weg künftig vorwiegend mit Lastkraftwagen und nicht wie bisher mit Personenkraftwagen zu befahren. Die Aufbringung des Asphaltbelages erfordert auch keine Verbreiterung oder (erstmalige) Befestigung des Weges, weil der Weg auch derzeit schon mit Schotter befestigt ist und nur die Asphaltdecke aufgetragen werden soll. Andererseits bringt die Aufbringung des Asphaltbelages Vorteile insofern, als die nach starken Regenfällen stets erforderlichen Nachschotterungen entbehrlich werden und die Reinigung des Weges bei Verschmutzung und im Winter erleichtert wird. Die Vermeidung des Abschwemmens von Schotter bringt der Beklagten sogar Vorteile. Der Oberste Gerichtshof pflichtet daher der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei, daß unter den gegebenen Umständen eine der fortgeschrittenen technischen Entwicklung Rechnung tragende Staubfreimachung des Weges, die keine unzumutbare Belastung des dienenden Gutes mit sich bringt, keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinne des § 484 ABGB darstellt (vgl. MietSlg. 33.041). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Asphaltierung nicht in der vom Sachverständigen dargestellten Art erfolgen werde, bestehen nicht. Gegen eine von den Klägern gar nicht geforderte Erweiterung der Dienstbarkeit, z.B. durch Verbreiterung des Weges im Zuge der erforderlichen Straßenbauarbeiten, könnte sich die Beklagte im Rechtsweg zur Wehr setzen.

Demzufolge ist der außerordentlichen Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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