JudikaturJustiz1Ob611/94

1Ob611/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silvia H*****, vertreten durch Dr. Dieter H. Gradwohl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria K*****, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1994, GZ 41 R 311/94 14, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4. Jänner 1994, GZ 6 C 1582/92 7, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin kündigte der Beklagten ihre von dieser benützte Eigentumswohnung in Wien Mariahilf zum 31.12.1992 auf und begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Räumung dieser Wohnung; die Beklagte bezahle seit Jahren weder Mietzins noch Betriebskosten.

Die Beklagte wendete ein, der Rechtsvorgänger der Klägerin habe ihr mit gerichtlichem Vergleich vom 12.5.1965 das lebenslange unentgeltliche Wohnungsrecht eingeräumt; sie stellte gleichzeitig den Zwischenantrag auf Feststellung, daß ihr an dieser Wohnung ein solches Recht zustehe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach über den Zwischenantrag auf Feststellung aus, daß der Beklagten „gegenüber“ dem Rechtsvorgänger der Klägerin an der Wohnung „ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht“ zustehe.

Während die Klägerin die Aussprüche über ihre Aufkündigung und ihr Räumungsbegehren unangefochten in Rechtskraft erwachsen ließ, erhob die Beklagte gegen den Ausspruch über den Zwischenantrag auf Feststellung Berufung und beantragte die Abänderung dieser Entscheidung dahin, daß der Beklagten an der Wohnung ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zustehe.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung zurück. Es führte aus, ein Zwischenantrag auf Feststellung sei zulässig, wenn er für das Hauptbegehren präjudiziell sei und in seiner Tragweite über den anhängigen Prozeß hinausgehe, also einen prozeßökonomischen Zweck erfülle. Sei über das Klagebegehren rechtskräftig abgesprochen, fehle dem erhobenen Zwischenantrag die Präjudizialität, weil kein Rechtsstreit (mehr) anhängig sei, für den der Antrag präjudiziell sein könnte. Das Vorliegen der Präjudizialität sei als Prozeßvoraussetzung auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfen. Sei die Entscheidung über den Zwischenantrag in das Endurteil aufgenommen worden, könne die beschwerte Partei die Entscheidung über den Antrag nur dann ohne gleichzeitige Anfechtung der Entscheidung über das Klagebegehren bekämpfen, wenn diese Entscheidung infolge von Rechtsmitteln anderer Prozeßbeteiligter noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Der beklagten Partei fehle daher mangels Bekämpfung des angefochtenen Urteils in der Hauptsache die Beschwer, weil der Zwischenantrag für die Entscheidung nicht mehr präjudiziell sei und damit den Charakter einer Prozeßvoraussetzung verloren habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Bedeutung des Zwischenantrags über den konkreten Rechtsstreit hinausreiche, weil stets die prozessuale Unselbständigkeit dieses Antrags zu beachten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den berufungsgerichtlichen Beschluß gerichtete Rekurs der Beklagten ist zwar jedenfalls zulässig (§ 519 Abs. 1 Z 1 ZPO; Kodek in Rechberger , ZPO Rz 3 hiezu), aber nicht berechtigt.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist gemäß § 236 Abs. 1 (§ 259 Abs. 2) ZPO seine gänzliche oder teilweise Präjudizialität für die Entscheidung über das Klagebegehren; diese (besondere) Prozeßvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen (RZ 1989/55 mwN; Rechberger in Rechberger aaO § 236 Rz 5 mwN). Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über das Klagebegehren darf daher das Verfahren über den Zwischenantrag auf Feststellung nicht mehr fortgesetzt werden, ein solcher Antrag ist vielmehr weil seine gesetzlich gebotene Präjudizialität für den Rechtsstreit ein für allemal weggefallen ist ohne jede weitere materielle Prüfung zurückzuweisen (RZ 1989/55; SZ 51/142 ua; zuletzt wieder 2 Ob 32/93; Fasching , Komm III 127, 133; derselbe, LB 2 Rz 1087). Soweit die Beklagte dagegen vorbringt, ihrem Zwischenantrag komme über den anhängig gewesenen Rechtsstreit hinaus rechtliche Bedeutung zu, übersieht sie, daß die Zulässigkeit des Zwischenantrags fehlt bzw. weggefallen ist, wenn nur eine der beiden Voraussetzungen also die Präjudizialität für den anhängigen Rechtsstreit und das Erfordernis der weiterreichenden Bedeutung, die zusammen an die Stelle des rechtlichen Interesses im Sinne des § 228 ZPO treten nicht gegeben ist ( Rechberger aaO mwN aus der Rechtsprechung).

Daraus folgt, daß die Beklagte den Ausspruch über den Zwischenantrag auf Feststellung nur dann hätte wirksam anfechten können, wenn die Entscheidung über das Klagebegehren von der Klägerin bekämpft worden wäre. Wird nur die Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung angefochten, ist die Berufung daher unzulässig, weil der Prozeß dadurch, daß die Hauptsachenentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist, beendet ist ( Fasching , Komm. III 136; derselbe , LB 2 aaO). Die Unzulässigkeit der Berufung folgt schon aus der Überlegung, daß die Beklagte bestenfalls eine Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz dahin hätte erwirken können, daß der Zwischenantrag in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung als (nunmehr) unzulässig zurückgewiesen wird; ein Rechtsschutzinteresse an einer solchen Entscheidung kann sie aber nicht mit Erfolg ins Treffen führen, sodaß ihr schon aus diesen Erwägungen jede Beschwer abzusprechen ist.

Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht die Berufung zurückgewiesen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.