JudikaturJustiz1Ob558/77

1Ob558/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 1977

Kopf

SZ 50/74

Spruch

Für einen Gastaufnahmevertrag ist die örtliche Zuständigkeitsbestimmung für Bestandstreitigkeiten (§ 83 JN) nicht anzuwenden

OGH 25. Mai 1977, 1 Ob 558/77 (LG KIagenfurt 2 R 632/76; BG Eberndorf C 57/76)

Text

Der Kläger brachte vor, er habe auf Grund einer Bestellung des (in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften) Beklagten für diesen in seinem Hotel in S für die Zeit vom 13. bis 29. August 1976 drei Doppelbettzimmer zum Vollpensionspreis reserviert, doch sei der Beklagte schon am Tage nach seiner Ankunft mit dem Bemerken wieder abgereist, daß ihm alles nicht gefalle. Der Kläger begehrte die Bezahlung des Betrages von 18 054 S, der sich aus dem Vollpensionspreis abzüglich einer 25%igen Eigenersparnis und der vom Beklagten geleisteten Anzahlung ergebe. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes grundete der Kläger auf die §§ 49 Abs. 2 Z. 5 bzw. 7 JN in Verbindung mit den §§ 83 und 88 Abs. 1 JN mit der Begründung, daß der Beklagte den Vertrag in seinem Hotel zu erfüllen und dort Zahlung zu leisten habe und demgemäß auch die Anzahlung an ihn in S geleistet habe. Da nichts anderes vereinbart worden sei, lägen dem Vertrage außerdem die Bestimmungen des Österreichischen Hotelreglements zugrunde, nach welchem das jeweils sachlich zuständige Gericht des Ortes des Beherbergungsbetriebes zuständig sei.

Der Beklagte erhob vor Einlassung in die Hauptsache die Einrede des Mangels der Gerichtsgewalt und der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Prüfung der Frage der Zuständigkeit ein. Es verwarf die erhobenen Einreden der mangelnden sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes sowie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit. Nach Bestandvertrag, sondern ein Gastaufnahmevertrag zustandegekommen. Wenngleich die sachliche Zuständigkeit nicht auf § 49 Abs. 2 Z. 5 JN gegrundet werden könne, so habe sich der Kläger doch mit Recht auf § 49 Abs. 2 Z. 7 JN berufen. Nach dieser Gesetzesstelle gehörten Streitigkeiten zwischen Wirten und ihren Gästen über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Bezirksgerichte. Die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes könne allerdings nicht auf § 83 JN gegrundet werden, weil dieser Gerichtsstand für Klagen eines Hoteliers gegen den Hotelgast auf Zahlung des Pensionspreises nicht gegeben sei. Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit habe der Kläger aber auch den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs. 1 JN für Anspruch genommen. Er habe allerdings die zum Nachweis der Vereinbarung des Erfüllungsortes angebotene Korrespondenz nicht vorgelegt, wohl aber das Österreichische Hotelreglement, nach welchem, gemäß § 11 für alle Streitigkeiten aus dem Gastaufnahmevertrag das für den Beherbergungsbetrieb sachlich und örtlich zuständige Gericht als vereinbart gelte. Der Beklagte habe zwar die Anwendbarkeit des Österreichischen Hotelreglements bestritten, da dieses nur einen Handelsbrauch darstelle und eine ausdrückliche Vereinbarung der Streitteile über seine Anwendung nicht vorliege, doch sei zwischen den Streitteilen ein Gastaufnahmevertrag im Korrespondenzweg zustandegekommen, dem zumindest stillschweigend die Bestimmungen des Österreichischen Hotelreglements zugrundezulegen seien. Damit erscheine der nach § 88 Abs. 1 JN erforderliche urkundliche Nachweis der Vereinbarung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes erbracht. Die inländische Gerichtsbarkeit sei weder durch Vorschrift, Völkerrechtsnorm noch durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze ausgeschlossen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten hinsichtlich der Verwerfung der Einreden des Mangels der Gerichtsgewalt und der sachlichen Unzuständigkeit nicht Folge, gab hingegen dem Rekurs, soweit sich dieser gegen die Verwerfung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit richtete, Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit Folge gab und die Klage zurückwies. Es vertrat die Auffassung, daß die inländische Gerichtsbarkeit immer dann gegeben sei, wenn sie nicht durch eine positive Vorschrift, Völkerrechtsnormen oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausgeschlossen sei. Daß für den vom inländischen Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erfüllung des Gastaufnahmevertrages gegen den im Ausland wohnhaften Beklagten die inländische Gerichtsbarkeit in diesem Sinne gegeben sei, könne nicht zweifelhaft sein. Das Erstgericht habe daher mit Recht die Einrede der (mangelnden) inländischen Gerichtsbarkeit verworfen.

Das Rekursgericht billigt auch die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ungerechtfertigt sei, weil nach § 49 Abs. 2 Z. 7 JN Streitigkeiten zwischen Wirten und ihren Gästen über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Bezirksgerichte gehören.

Es treffe auch zu, daß der Gerichtsstand des § 83 JN zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht herangezogen werden könne, weil dieser Gerichtsstand nur für Bestandstreitigkeiten gelte, daher für Streitigkeiten aus mietähnlichen Verhältnissen nicht anzuwenden sei, insbesondere nicht für die Klage eines Hoteliers gegen den Hotelgast aus dem Gastaufnahmevertrag.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger vertritt die Auffassung, daß der Gerichtsstand des § 83 Abs. 1 JN gegeben sei und führt dazu aus, daß der Vertrag zwischen den Beklagten und ihm in der Hauptsache ein Bestandvertrag sei, weil die Zimmervermietung das Wesentliche des ganzen Geschäftes darstelle. Es sei rechtlich verfehlt zu sagen, daß es sich bei einem Vertrag wie dem gegenständlichen nur um einen mietähnlichen Vertrag handeln würde.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Pensionsvertrag, den der Hotelier mit seinem Gast abschließt, gewiß auch Element des Bestandvertrages enthält, allein neben der Wohnung wird dem Gast auch die Verpflegung gewährt und für seine Bedienung gesorgt. Insgesamt entsteht dadurch ein Vertragstypus, der materiellrechtlich gewiß in manchen Beziehungen nach den Normen des ABGB über den Bestandsvertrag behandelt werden kann. Aber durch das Zusammenwirken dieser verschiedenen Elemente erhält der Vertrag einen eigenartigen Charakter, so daß er als ein Vertrag sui generis behandelt werden muß. Weder nach dem Werte der verschiedenen Leistungen noch nach dem Vertragszweck tritt die Wohnungsmiete derart in den Vordergrund, daß es gerechtfertigt wäre, einen solchen Vertrag in formeller Hinsicht, nämlich hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage, den Bestandverträgen gleichzusetzen.

Gegen eine solche Gleichsetzung spricht nicht nur der Sprachgebrauch, sondern auch die Unterscheidung der Bestandverhältnisse vom Recht der Gastaufnahme in § 49 Abs. 2 Z. 5 und 7 JN. In § 83 Abs. 1 JN ist nur von den im § 49 Abs. 2 Z. 5 JN genannten Bestandverträgen die Rede, nicht aber von den im § 49 Abs. 2 Z. 7 JN genannten Beherbergungsverträgen, so daß nicht unterstellt werden kann, daß durch § 83 Abs. 1 JN auch die letztgenannten Verträge erfaßt werden sollten. Die Bestimmung des § 83 JN über die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes, in dessen Sprengel der Bestandgegenstand liegt, gestattet keine ausdehnende Auslegung. Da sie nur für Bestandstreitigkeiten bestimmt ist, muß ihre Anwendbarkeit für Streitigkeiten aus mietähnlichen Verhältnissen (Gastaufnahmevertrag) abgelehnt werden (MietSlg. 2688, 19 513 u. a.).

Rechtssätze
7