JudikaturJustiz1Ob525/89

1Ob525/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P***, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, Münichreiterstraße 28, 1130 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Herbert Karl M***, Alleininhaber der prot.Firma Karl M*** Co, Schleifmühlgasse 8, 1043 Wien (6 S 83/87 des Handelsgerichtes Wien), vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen 801.629,76 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. November 1988, GZ 3 R 216/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. Juli 1988, GZ 17 Cg 24/88-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.111 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 7. Mai 1987, 6 S 83/87-2, wurde über das Vermögen des Herbert Karl M*** (folgend: Gemeinschuldner), Alleininhaber der prot.Firma Karl M*** Co, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Gemeinschuldner hatte seit 1978 laufend Steuerverbindlichkeiten in Millionenhöhe (öS). Im Auftrag der Österreichischen Bundesbahnen (folgend: ÖBB) führte der Gemeinschuldner ab 1984 bzw. 1985 bis Ende 1986 Elektroinstallationsarbeiten durch, für welche er die Schlußrechnung Nr. 541 vom 30. Dezember 1986 über 771.270,46 S (abzüglich eines Haftrücklaßbetrages von 33.000 S, den die ÖBB bis auf 13.559,30 S für Mängelbehebungen verbrauchten) und die Schlußrechnung Nr. 539 legte, auf die ein Haftrücklaß von 16.800 S einbehalten wurde. Am 10. April 1987 verständigten die ÖBB den Gemeinschuldner, daß sie über Verlangen des Finanzamtes (für den 4., 5. und 10. Bezirk Wien zur Steuernummer 560/1317) von seinem Forderungsbetrag von 771.270,46 S die gleich hohe Steuerschuld im Kompensationswege abgezogen habe. Dieser Betrag wurde von den ÖBB auch an das Finanzamt überwiesen. Die beiden Haftrücklaßbeträge von 13.559,30 S und 16.800 S wurden im Feber 1988 von den ÖBB auf dasselbe Steuerkonto des Gemeinschuldners überwiesen.

Der Kläger focht die von der beklagten Partei zur Befriedigung eines Abgabenrückstandes des Gemeinschuldners durchgeführte Aufrechnung mit Forderungen des Gemeinschuldners gegen die ÖBB im Betrag von 801.629,76 S aus allen möglichen - allerdings nicht näher angeführten - Anfechtungsgründen nach den §§ 28 ff KO an, weil der beklagten Partei im Aufrechnungszeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil die von ihr vorgenommene Aufrechnung den Bestimmungen der §§ 19 und 20 KO entspreche und anfechtungsfest sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei sei gemäß § 1441 Satz 2 ABGB zur Aufrechnung der privatrechtlichen Schuld der ÖBB gegenüber dem Gemeinschuldner mit ihrer weit höheren Steuerforderung gegen diesen berechtigt gewesen; an der Anfechtungsvoraussetzung der Inkongruenz der Zahlung fehle es. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und billigte die aus § 1441 Satz 2 ABGB abgeleitete Berechtigung der beklagten Partei zur Aufrechnung ihrer privaten Verbindlichkeit (der ÖBB) mit öffentlich-rechtlichen Forderungen (des Fiskus) und erachtete keinen der nach dem Parteivorbringen denkbaren Anfechtungstatbestände als verwirklicht. Schon mit dem Abschluß der Werkverträge zwischen dem Gemeinschuldner und den ÖBB in den Jahren 1984/1985 sei die Aufrechnungslage zwischen der (noch bedingten und nicht fälligen) Werklohnforderung des Gemeinschuldners und den bereits bestehenden Steuerforderungen des Fiskus geschaffen worden, weil Werklohnforderungen bereits mit dem Abschluß der Werkverträge und nicht erst mit der Fertigstellung des Werkes oder der Legung der Schlußrechnung entstünden. Die für die Beurteilung maßgebliche Aufrechnungslage sei außerhalb der für eine erfolgreiche Anfechtung nach den §§ 30 oder 31 KO vorgesehenen Fristen entstanden. Die von der beklagten Partei vorgenommene Aufrechnung wäre daher auch im Konkurs des Gemeinschuldners möglich und unterliege nicht schon deshalb, weil sie vor der Konkurseröffnung erfolgt sei, der Anfechtung im Konkurs.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger behauptet, die beklagte Partei (Finanzverwaltung) habe den ÖBB die Steuerschuld des Gemeinschuldners "abgetreten" und erst damit die Aufrechnungslage (in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners) geschaffen, da die ÖBB und die beklagte Partei (als Finanzverwaltung) verschiedene Rechtssubjekte seien. Dies trifft aber nicht zu: Durch § 1 Abs 1 BundesbahnG BGBl. 1969/137 (Überschrift: Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen") wurde aus den Betrieben und sonstigen Vermögenschaften des Bundes, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes vom Bundesministerium für Verkehr und verstaatlichte Unternehmungen, Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen, verwaltet wurden, der Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" gebildet, der einen Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes darstellt. Gemäß § 1 Abs 2 BundesbahnG betreibt der Bund die Geschäfte des Wirtschaftskörpers unter der Firma "Österreichische Bundesbahnen" ("ÖBB"); es finden auf ihn dabei die für Kaufleute geltenden Rechtsvorschriften Anwendung. In den Materialien (1038 BlgNR 11. GP) wurde klargestellt, daß ein Wirtschaftskörper im Sinne einer in Finanzierung und Organisation den Grundsätzen kaufmännischer Betriebsführung entsprechenden, im Budget gegenüber der Hoheitsverwaltung gesondert behandelten ökonomischen Einheit des Bundes geschaffen wurde. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die ÖBB nach wie vor kein selbständiges Rechtssubjekt darstellen, sondern lediglich den Bund unter einer Firma (ÖBB) und als Kaufmann bezeichnen (1 Ob 25/81; 1 Ob 13/77). Zwischen dem Bund als Inhaber und Betreiber der Firma "ÖBB" und der beklagten Partei als Träger der Hoheits-(etwa Finanz-)verwaltung besteht daher Parteiidentität. Der vom Gericht zweiter Instanz dargelegten Auffassung, daß es sich bei Forderungen der Finanzverwaltung und den Verbindlichkeiten der ÖBB jeweils gegenüber demselben Dritten um aufrechenbare Forderungen handle, ist beizupflichten. Die in § 1441 Satz 2 ABGB nur zugunsten des Bundes vorgesehene Ausnahmeregelung, daß der Gläubiger einer Staatskasse mit einer Schuld gegenüber einer anderen Staatskasse nicht aufrechnen kann, steht der im vorliegenden Fall von der beklagten Partei vorgenommenen Aufrechnung nicht entgegen; es ist auch gleichgültig, ob die Forderungen privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art sind, wenn nur die sonstigen Aufrechnungsvoraussetzungen vorliegen (EvBl 1976/33; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 21 zu § 1441; Honsell in Schwimann, ABGB, Rz 8 zu § 1441; Ehrenzweig-Mayrhofer Schuldrecht3 I 606 je mwH). Zur Bewirkung der Aufrechnung bedurfte es daher lediglich einer Aufrechnungserklärung, nicht aber einer Abtretung oder Übertragung der öffentlichrechtlichen Steuerforderung des Bundesschatzes an die ÖBB zum Zwecke ihrer aufrechnungsweisen Geltendmachung. Die vorgenommene Aufrechnung ist auch gemäß den §§ 19, 20 KO zulässig und wirksam. Gemäß § 19 Abs 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß die Aufrechnungslage zwischen der Werklohnforderung des Gemeinschuldners an die ÖBB und der Steuerforderung des Bundesschatzes schon mit Abschluß der Werkverträge (in den Jahren 1984, 1985) entstanden war, weil der Anspruch des Werkunternehmers auf den Werklohn bereits mit dem Abschluß des Werkvertrages entsteht, während sich § 1170 ABGB nur mit der Fälligkeit des Werklohnes befaßt (JBl 1987, 582; JBl 1986, 321 je mwH). Da die zur Aufrechnung herangezogene Gegenforderung der beklagten Partei schon vor Abschluß der Werkverträge entstanden war, erweist sich die von der beklagten Partei vorgenommene Aufrechnung der Werklohnschuld (der ÖBB) gegen die Steuerforderung (des Bundesschatzes) als zulässig. Es kann keinen Unterschied machen, ob diese Aufrechnung erst im Konkurs oder bereits vor Konkurseröffnung erklärt wurde (RZ 1989, 5; 8 Ob 511/88).

Allerdings kann eine an sich im Konkurs zulässige Aufrechnung immer noch wegen Vorliegens eines Anfechtungstatbestandes nach den §§ 28 ff KO angefochten werden (SZ 40/35; Bartsch-Pollak3 I 114; Petschek-Reimer-Schiemer 487 f; König, Anfechtung nach der KO, Rz 353, 354; 8 Ob 511/88; 1 Ob 719/83). Bestimmend für die anfechtungsfeste Wirksamkeit der Aufrechnung ist die Entstehung der Aufrechnungslage; auf diesen Zeitpunkt ist die Aufrechnungserklärung rückzubeziehen und nach diesem Zeitpunkt sind auch die Kenntnis oder die verschuldete Unkenntnis der Insolvenz, der Benachteiligungs- oder der Begünstigungsabsicht oder sonstiger Anfechtungsvoraussetzungen zu beurteilen (RZ 1989, 5; 8 Ob 511/88; König aaO Rz 352).

Die in der Revision aufrechterhaltenen Anfechtungstatbestände wegen Begünstigung (§ 30) und wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 KO) kommen schon wegen Ablaufs der im § 30 Abs 2 KO vorgesehenen Jahres- und der im § 31 Abs 4 KO vorgesehenen Halbjahresfrist vor Konkurseröffnung nicht zum Tragen, weil die Aufrechnungslage - spätestens - durch Abschluß der Werkverträge in den Jahren 1984/85 geschaffen wurde. Die von der beklagten Partei (unter der Firma ÖBB) vorgenommene Aufrechnung mit offenen Steuerforderungen gegen den Gemeinschuldner erweist sich damit als anfechtungsfest.

Die Revision des Klägers bleibt daher erfolglos.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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