JudikaturJustiz1Ob5/06a

1Ob5/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Ingrid G*****, und 2. Dr. Eva G*****, beide vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** a.s., *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 18.168,21) sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Juni 2005, GZ 36 R 411/05s 106, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 11. Jänner 2005, GZ 6 C 112/02k 98, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin ist Eigentümerin, die Zweitklägerin Mieterin einer Wohnung in Wien. Die Beklagte betreibt ein Atomkraftwerk (AKW) in der slowakischen Republik, etwa 150 km von Wien entfernt. Der Betrieb des Atomkraftwerks wurde von der slowakischen staatlichen Aufsichtsbehörde genehmigt. Ausländern kam im Genehmigungsverfahren keine Parteistellung zu.

Die Klägerinnen begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die konkrete Gefährdung ihres Lebens bzw. ihrer Gesundheit durch radioaktive Immissionen, die durch die hohe Unfall und Störfallgefahr des AKW in absehbarer Zukunft und mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen, zu unterlassen; die Beklagte sei weiters schuldig, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass das Eigentum der Erstklägerin bzw. die obligatorischen Rechte der Zweitklägerin nicht durch das AKW derart konkret gefährdet werden, dass durch die hohe Unfall und Störfallgefahr des Atomkraftwerks in absehbarer Zukunft und mit einiger Wahrscheinlichkeit die ortsübliche Nutzung durch radioaktive Immissionen wesentlich beeinträchtigt wird. Das AKW stelle bei Betrieb eine akute Gefährdung dar; ein schwerer Unfall sei wahrscheinlich. Es sei bei diesem Kraftwerk erstmals der Versuch unternommen worden, einen Reaktor russischer Bauart mit westlicher Leittechnik auszurüsten. Dies sei ein risikoreiches Unterfangen mit unabschätzbaren Konsequenzen. Das größte Sicherheitsproblem liege darin, dass das AKW über kein Volldruck Containment verfüge. Dabei handle es sich um eine Betonhülle, die den gesamten Primärkreislauf eines Druckwasserreaktors umschließe. Westliche Atomexperten erachteten ein solches Containment als Notwendigkeit. Bei einem Störfall könnte dadurch der Austritt von radioaktiver Strahlung idR verhindert werden. Ein Containment schütze auch vor äußeren Gefahren wie zB Flugzeugabstürzen. Da das AKW über kein Containment verfüge, komme der Integrität des Primärkreises, in dem das radioaktive Kühlmittel eingeschlossen sei, besondere Wichtigkeit zu. Renommierte Institutionen für Reaktorsicherheit aus Deutschland und Frankreich hätten daher für ein Kernkraftwerk gleichen Bautyps in Deutschland Maßnahmen zur Nachrüstung auf westlichen Standard empfohlen. Im AKW der Beklagten seien bei weitem nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden, die für das deutsche Kraftwerk vorgeschlagen worden seien. Statt eines Volldruck Containments verfüge das AKW über ein Druckabbausystem, dessen Wirkungsweise ungetestet sei, jedenfalls aber keinem Flugzeugabsturz standhalte. Es sei nicht nachgewiesen, dass das implementierte Druckraumsystem in der Lage sei, den bei einem großen Leck zu erwartenden Druck- und Temperaturbelastungen standzuhalten. Das Druckraumsystem sei nicht gegen äußere Einwirkungen (Flugzeugabsturz, Erdbeben, externe Explosionen) geschützt. Auch der Feuerschutz sei unzureichend. Die Kraftwerksturbinen seien so angeordnet, dass sie bei einem Schaden wichtige Leitungen zerstören könnten. Die Wand des Reaktors neige zur Versprödung. Durch Materialermüdung träten Risse und Lecks auf. Als Doppelblockanlagen verfügten zwei Reaktoren nur über ein gemeinsames Notsystem. Das AKW sei nicht ausreichend gegen Erdbeben gesichert. Während des Baustopps bei Errichtung des AKW (1991 bis 1996) seien keine entsprechenden Konservierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen der bereits fertiggestellten Teile getroffen worden. Aufgrund der geographischen Verteilung des nuklearen Risikos sei Wien bei entsprechender Wetterlage von nuklearen Immissionen bedroht, die das ortsübliche Ausmaß übersteigen und zu einer akuten Gefährdung von Eigentum, Leib, Leben und Gesundheit führen könnten. Das Abwarten einer Rechtsverletzung hätte einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zur Folge. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus den §§ 364, 16 ABGB. Die Anforderungen an die Unmittelbarkeit der Gefahr seien umso geringer anzusetzen, je höherwertig und schutzwürdiger die bedrohten Rechtsgüter seien. Die slowakische Genehmigung für den Betrieb des AKW entfalte keine Tatbestandswirkung iSd § 364a ABGB.

Die Beklagte, die sich am Beweisverfahren nicht beteiligte, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das AKW sei bereits in Betrieb genommen worden und habe bisher störungsfrei gearbeitet. Von einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung durch Immissionen könne keinesfalls die Rede sein; es bestehe daher kein vorbeugender Unterlassungsanspruch. Das Urteilsbegehren sei unbestimmt und unzulässig. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Handlungen oder Unterlassungen die Klägerinnen von der Beklagten forderten.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, die Gefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit der Klägerinnen durch radioaktive Immissionen aus dem AKW zu unterlassen sowie durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass radioaktive Immissionen auf die Wohnungen der Klägerinnen unterbleiben. Es traf folgende weitere Feststellungen:

Die Werkstoffkennwerte der Schweißnähte des Reaktordruckbehälters liegen unterhalb der Norm jener Länder mit hohem Sicherheitsstandard. Die Einhaltung der genormten Werkstoffkennwerte soll gewährleisten, dass für den Reaktordruckbehälter Materialien in einer Qualität verwendet werden und Schweißnähte in einer Art ausgeführt sind, dass für die gesamte geplante Nutzungsdauer des Druckbehälters von 30 Jahren ein Schaden am Reaktordruckbehälter (konkret: das Bersten des Druckbehälters) ausgeschlossen werden kann. Das Bersten des Reaktordruckgefäßes hätte den Austritt von radioaktiven Materialien unkontrollierbaren Ausmaßes zur Folge. Ein Bersten ist durch andere Sicherheitssysteme, auch durch ein Volldruckcontainment, nicht kompensierbar. Es ist nicht feststellbar, dass die Nichteinhaltung der internationalen Standards während der gesamten Betriebsdauer des AKW ohne Auswirkung auf die Festigkeit des Reaktordruckgefäßes bleibt.

Die Analyse zur Sprödbruchfestigkeit des Druckgefäßes entspricht nicht der internationalen Norm. Es ist nicht feststellbar, dass das Druckgefäß eine Sprödbruchfestigkeit in einem Ausmaß aufweist, dass ein Bersten des Reaktordruckgefäßes während der geplanten Betriebsdauer von 30 Jahren ausgeschlossen werden kann.

Das AKW verfügt über kein Volldruckcontainment nach westlichem Standard, d.h. über keine Stahlbetonhülle, die gewährleistet, dass bei Auftreten von Störfällen Radioaktivität nicht nach außen dringen kann. Das AKW hat ein Confinement, das aber einem „Auslegungsstörfall" nicht standhalten würde. Allerdings verfügt es als Sicherheitssystem über ein Druckabbausystem (bubble contenser). Nicht feststellbar ist, dass dieses Druckabbausystem sich derzeit in einem solchen Zustand befindet, dass - in Verbindung mit dem Confinement - bei einem Störfall ein Austritt von radioaktiven Stoffen - vergleichbar einem Volldruckcontainment - verhindert werden kann.

Druckführende Leitungen der beiden Blöcke sind räumlich nicht separiert nebeneinander verlegt bzw. angebracht, was die Gefahr mit sich bringt, dass bei Auftreten von Schäden an den Leitungen dies zu einer Beschädigung der daneben geführten Leitungen führen kann. Der westliche Standard besteht in der räumlichen Separierung der Anlagenteile oder der Verlegung der Leitungen in Betonkanälen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Nichteinhaltung dieses westlichen Standards (nämlich: Druck führende Leitungen zu separieren bzw. gesondert abzusichern) Auswirkungen auf das Ausmaß des Austritts von radioaktiven Substanzen im Störfall hat.

Mangels Vorliegens eines Volldruckcontainments ist das AKW gegen Flugzeugabstürze sowie gegen sonstige externe Einwirkungen ungesichert. Es ist nicht feststellbar, welche Schutzvorkehrungen getroffen wurden, um Abstürze oder sonstige externe Übergriffe von vornherein über dem Gebiet des Atomkraftwerkes zu verhindern (Frühwarnsystem) oder im Fall eines Absturzes den Austritt von radioaktiven Stoffen in großem Ausmaß zu verhindern.

Eine westlichen Standards vergleichbare Absicherung gegen Turbinenbruch („Turbinenzerknall") liegt nicht vor, was bedeutet, dass bei einem Turbinenzerknall einzelne Bruchstücke sensitive Anlagenteile treffen und beschädigen und insbesondere die Stromversorgung gefährden können. Der Ausfall der Stromversorgung kann zu einer Beeinträchtigung bzw. zu einem Ausfall des Kühlsystems führen; dies könnte in weiterer Konsequenz dazu führen, dass der Reaktor schmelzen und nach Explosionen Radioaktivität in großem Ausmaß unkontrolliert austreten könnte. Es ist nicht feststellbar, dass die mangelhafte Absicherung gegen Turbinenzerknall keine Auswirkungen auf die Betriebssicherheit von Anlagenteilen, so insbesondere die Stromversorgung und die Kühlung hat.

Der Brandschutz im AKW entspricht dem internationalen Standard. Defekte in der Ausgestaltung des Blitzschutzes oder des Schutzes gegen elektromagnetische Impulse sowie Abweichungen vom internationalen Standard sind nicht feststellbar.

Es ist nicht feststellbar, mit Erdbeben welcher maximalen Stärke in Standortnähe des AKW zu rechnen ist. Das AKW wurde noch nicht nach neuen Berechnungsmethoden daraufhin untersucht, welcher Erdbeschleunigung es standhalten würde. Eine Abweichung vom früheren Standard, demgemäß ein AKW einer Erdbeschleunigung von 0,1 standhalten muss, ist nicht feststellbar. Dass das AKW einem am Standort möglichen Erdbeben nicht standhielte, ist nicht feststellbar.

Bei einem Normalbetrieb des AKW ist eine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit und des Eigentums der Klägerinnen nicht gegeben. Wettersituationen, in denen östlicher Wind vorherrscht und Regenwolken aus dem Gebiet des Standorts des AKW nach Wien treiben und es zu Regenfällen kommt, kommen vor.

Insgesamt stehe - wegen der nicht bewiesenen Einhaltung internationaler Standards - fest, dass von einem erhöhten Störfallrisiko auszugehen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die slowakische Betriebsanlagengenehmigung sei keine solche nach § 364a ABGB, weil es sowohl an der ausreichenden Verfahrensbeteiligung von Inländern, als auch an der materiellen Gleichwertigkeit der ausländischen Genehmigung mangle. Das Klagebegehren sei daher im Hinblick auf § 364 Abs 2 ABGB zu prüfen. Die Klägerinnen hätten die Gefährdung bewiesen, da nach dem festgestellten Sachverhalt ein Störfall möglich sei. Da die Sicherheitseinrichtungen hinter dem internationalen Standard zurückblieben, treffe die Beklagte die Beweislast dafür, dass die Gefährdung nicht konkret genug sei. Dieser Beweis sei ihr nicht gelungen.

Das Berufungsgericht verwarf die Anfechtung wegen Nichtigkeit, gab der Berufung der Beklagten im übrigen Folge und änderte die Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigenden Betrag und sprach die Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus. Das Klagebegehren sei nach österreichischem Recht zu beurteilen. Vorbeugende Unterlassungsklagen seien danach nur dann gerechtfertigt, wenn dem Kläger ein Eingriff in seine Rechtssphäre unmittelbar und konkret drohe. Unter der konkreten Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung seien greifbare Anhaltspunkte für ein künftiges rechtswidriges Verhalten zu verstehen. Die bloß theoretische Möglichkeit einer Begehung genüge nicht. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Erstbegehungsgefahr vorlägen, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Die Gefahr künftiger Rechtsverletzung als materielle Anspruchsvoraussetzung sei vom Kläger zu beweisen. Eine vorbeugende Unterlassungsklage stehe somit dann zur Verfügung, wenn bei einem AKW wegen dessen mangelhafter Sicherheitseinrichtungen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ein mit einem Austritt radioaktiver Substanzen verbundener Störfall befürchtet werden müsse. Der Ansicht, dass das Rechtsschutzbedürfnis nach einer Unterlassungsklage mit der Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes wachse, also die Unmittelbarkeit der Gefährdung teilweise durch ihr Ausmaß substituiert werden könne, sei nicht zu folgen. Die Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes könne nicht Grundlage für die Beurteilung der Beweislastverteilung sein. Gemäß dem Grundsatz der „subjektiven Günstigkeit der Norm" habe jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Nur für den Fall, dass sich die Frage nach der für den Rechtsstandpunkt günstigen Norm nicht zweifelsfrei beantworten lasse, sei von der Nähe zum Beweis auszugehen. Dass der Eingriff in ihre Rechtssphäre unmittelbar (in absehbarer Zeit) und konkret (mit einiger Wahrscheinlichkeit) drohe, sei daher von den Klägerinnen zu beweisen. Ihnen obliege es, jene Umstände, die für die spezifisch geforderte Gefährdung ursächlich seien, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Dieser Beweis sei jedoch nicht erbracht worden, da lediglich nicht auszuschließen sei, dass die Nichteinhaltung der westlichen Standards zu einer Erhöhung des Risikos geführt habe. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der Beweislastverteilung im Falle einer vorbeugenden Unterlassungsklage bei grenzüberschreitenden Immissionen sowie hinsichtlich der Subsumierbarkeit von ausländischen Betriebsanlagengenehmigungen unter § 364a ABGB keine Judikatur des Höchstgerichts vorliege.

Die dagegen erhobene Revision der Klägerinnen ist zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass die Frage der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte bereits abschließend beantwortet wurde. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, in der auch die internationale Unzuständigkeit geltend gemacht worden war, verworfen. Da gegen diese Entscheidung gemäß § 519 Abs 1 ZPO kein Rechtsmittel mehr in Betracht kommt, hat die Beklagte konsequenter Weise auch davon Abstand genommen, diese Frage neuerlich aufzuwerfen. Wurde das Vorliegen eines in der Berufung geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds vom Berufungsgericht (unbekämpfbar) verneint, ist auch eine amtswegige Überprüfung im Revisionsverfahren ausgeschlossen (vgl nur die Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 69).

Da die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das Klagebegehren sei nach österreichischem materiellen Recht zu beurteilen, im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt wird, muss darauf nicht ausführlicher eingegangen werden. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht die Immissionsabwehrklage nach § 364 Abs 2 ABGB dem § 31 IPRG unterstellt. Nach dessen Abs 2 sind die rechtliche Gattung der Sachen und der Inhalt dinglicher Rechte an körperlichen Sachen nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen befinden. Das nationale Recht ist demnach dazu berufen, die Grenzen der Eigentümerbefugnisse im Hinblick auf inländische Liegenschaften abzustecken. Nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB umfasst das Eigentum an Liegenschaften auch das Recht auf Untersagung bestimmter Immissionen. Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass damit zugleich die Befugnisse des Eigentümers des „störenden" Grundstücks zumindest in dem Sinn berührt werden, dass er mit seinem Eigentum allenfalls nicht in jeder ihm genehmen Weise verfahren darf, so steht in dieser Konfliktsituation doch nicht die Freiheit der Eigentumsausübung des Emittenten im Vordergrund, sondern die Frage, was ein anderer - nachteilig betroffener - Liegenschaftseigentümer dulden muss (vgl nur Verschraegen in Rummel³ II/6, § 31 IPRG Rz 40 mit Literaturnachweisen). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass derjenige, der ins Ausland hinüberwirkt, die Folgen dieses Handelns, also Rechtsgüterverletzungen im Ausland, in Betracht ziehen und auch prüfen muss, ob er nicht am Erfolgsort einen dort unerlaubten Eingriff begeht und einen dort nach der geltenden Rechtsordnung ungerechtfertigten Erfolg herbeiführt, wogegen der Geschädigte auf den Schutz seiner Güter nach den am Verletzungsort geltenden Vorschriften vertrauen kann und daher nach dem Recht des Ortes zu schützen ist, an dem er sich befindet (7 Ob 64/72; SZ 54/64 ua). Ausdrücklich wurde auch ausgesprochen, dass die Klage eines Liegenschaftseigentümers auf Abwehr einer Immission Ausfluss der Ausübung eines dinglichen Rechts (Eigentum) an einer unbeweglichen Sache ist (1 Ob 221/02k).

Soweit die Klägerinnen nicht nur die Unterlassung der Beeinträchtigung ihres Eigentums bzw ihres Bestandrechts, sondern darüber hinaus auch ihres Lebens bzw ihrer Gesundheit begehren, könnte fraglich sein, ob sie damit ein Rechtsschutzziel anstreben, das über den Schutz nach § 364 Abs 2 ABGB hinausgeht. Dagegen spricht, dass sie auch das weitere Unterlassungsbegehren auf die Gefahr der (radioaktiven) Beeinträchtigung ihrer Wohnungen stützen. In diesem Fall wäre die Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch bereits unmittelbar in § 364 Abs 2 ABGB zu erblicken, da das Verbot, fremde Liegenschaften durch ortsunübliche Immissionen zu beeinträchtigen, auch den Zweck hat, Gesundheitsschäden der Eigentümer dieser Liegenschaften hintanzuhalten. Sollte das Begehren auf Unterlassung der Gefährdung von Leben und Gesundheit hingegen insofern weiter zu verstehen sein, als davon auch die Gefährdung in der weiteren Umgebung ihrer Wohnungen - die Klägerinnen erwähnen etwa die Bedrohung der Stadt Wien im Fall eines schweren Unfalls im AKW - erfasst sein soll, ergebe sich die Anwendung österreichischen materiellen Rechts aus einer sinngemäßen Anwendung des § 23 Abs 1 AtomHG 1999, der anordnet, dass außervertragliche Ansprüche auf Ersatz eines in Österreich eingetretenen, durch ionisierende Strahlung verursachten Schadens auf Verlangen des Geschädigten nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Geht man davon aus, dass das erkennbare Ziel dieser Vorschrift darin liegt, dem Betroffenen auf dessen Wunsch das Schutzniveau der österreichischen Rechtsordnung für aus dem Ausland zugefügte Nachteile zu sichern, spricht viel dafür, diesen Gedanken auch auf den im österreichischen Recht unter bestimmten Voraussetzungen gewährten präventiven Rechtsschutz in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage zu übertragen. Auch derjenige, der nicht bereits geschädigt ist, sondern eine bevorstehende Schädigung durch ionisierende Strahlung in Österreich verhindern möchte, soll dabei auf das (materiellrechtliche) Schutzniveau der österreichischen Rechtsordnung zurückgreifen können. Dass die Klägerinnen im vorliegenden Verfahren ein ausreichendes Verlangen nach der Anwendung österreichischen Rechts gestellt haben, ist nicht zweifelhaft, haben sie ihre Ansprüche doch schon im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf Normen des ABGB gestützt.

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass auch im Anwendungsbereich der vorbeugenden Unterlassungsklage die Klägerinnen nach allgemeinem Grundsatz die rechtsbegründenden Tatsachen der für sie „günstigen Norm" (hier: eine konkrete und unmittelbar drohende Gefahr) zu beweisen haben. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Kläger bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen (jüngst etwa 6 Ob 226/05m). Es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass die Unterschreitung international anerkannter technischer Standards bei einer potentiell gefährlichen Anlage zu einer (systemwidrigen) Beweiserleichterung bzw. Beweislastumkehr zu Gunsten der Klägerinnen führen sollte. Auch die engere Beweisnähe der Beklagten führt nicht zu einer Beweislastumkehr, da die subjektive Günstigkeit der Norm für die Klägerinnen hier unzweifelhaft ist. Faktische Beweisschwierigkeiten rechtfertigen als solche nicht ein Abrücken von den allgemeinen Prinzipien der Beweislastverteilung. Auch lässt die Abweichung von international anerkannten technischen Standards nicht prima facie den Schluss auf eine (deutlich) erhöhte Gefährlichkeit der Anlage zu, da es hier gerade an dem für den Anscheinsbeweis erforderlichen typischen Erfahrungszusammenhang mangelt.

Zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB hat der Kläger sein Eigentumsrecht und die Einwirkung zu beweisen, der Beklagte hingegen die Zulässigkeit seiner Einwirkung (vgl nur Oberhammer in Schwimann3 § 364 ABGB Rz 22). Aus dieser Judikatur lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Klägerinnen lediglich eine (abstrakte?) Gefahr zu beweisen hätten, während die Beklagte unter Beweis stellen müsste, dass die Gefährdung nicht in absehbarer Zukunft bzw nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit drohe (idS aber Kerschner, Abwehrklagen gegen grenznahe Atomkraftwerke, RdU 2003/73 Pkt. D.). Anspruchsbegründend wirkt nur eine konkrete Gefahr. Der dabei vorauszusetzende Gefahrenbegriff impliziert bereits, dass die Gefährdung unmittelbar und konkret droht. Er lässt sich daher nicht auf zwei Stufen der Anspruchsprüfung mit unterschiedlicher Beweislastverteilung aufspalten.

Die hier entscheidende Rechtsfrage ist somit nicht (primär) eine solche der Beweislast. Die Revisionswerberinnen gehen ohnedies davon aus, dass sie die „erhöhte Wahrscheinlichkeit" eines Störfalls zu beweisen haben. Zu klären sind somit die materiellrechtlichen Voraussetzungen, die bei Erstgefahr einen Unterlassungsanspruch begründen, insbesondere wann in Fällen wie dem vorliegenden ein Eingriff ausreichend konkret und unmittelbar droht.

Den Ausführungen der Revisionswerberinnen liegt auch eine unzulässige Gleichsetzung des Beweismaßes mit dem Ausmaß der (materiellrechtlich geforderten) Gefährlichkeit zu Grunde. Die zur Annahme eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Gefährlichkeit bezeichnet den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem damit zu rechnen ist, dass unmittelbar eine tatsächliche Gefährdung (hier: der Austritt radioaktiver Strahlung) eintreten werde. Das Beweismaß ist hingegen der vom Richter bei der Beweiswürdigung geforderte Überzeugungsgrad. Die Frage des erforderlichen Beweismaßes bezieht sich somit darauf, mit welcher Sicherheit der Richter davon ausgehen muss, dass die spezifisch erforderliche Gefährlichkeit vorliegt. Mangels einer speziellen Regelung ist hierbei das allgemeine Beweismaß des § 272 Abs 1 ZPO anzuwenden. Daraus folgt aber nicht, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad einer tatsächlichen Gefährdung (konkret: eines gefährlichen Störfalls des AKW) einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch begründet.

Grundsätzlich rechtfertigt die bloße Drohung einer Rechtsverletzung nur unter besonderen Umständen die vorbeugende Unterlassungsklage, wenn nämlich ein dringendes „Rechtsschutzbedürfnis" des Bedrohten dies verlangt, weil das Abwarten einer Rechtsverletzung zu einer nicht wieder gut zu machenden Schädigung führen würde (5 Ob 375/60 = SZ 33/130; RIS Justiz RS0009357). Die Rechtsprechung geht insofern von einer Interessenabwägung aus, als einerseits eine „unübersehbare Zahl vielleicht überflüssiger Prozesse" zu vermeiden ist, anderseits aber dem Bedrohten bei einem „dringenden Rechtsschutzbedürfnis" (im materiellrechtlichen Sinn) auch präventiv das Instrument der Unterlassungsklage zur Verfügung stehen soll. Dabei ist schon die drohende Gefährdung der Rechtsgüter der Ehre oder des wirtschaftlichen Rufs ausreichend (6 Ob 226/05m). Umso mehr muss dies gelten, wenn die (höherwertigen) Rechtsgüter des Lebens oder der Gesundheit bedroht sind. Der erkennende Senat teilt im Grundsatz auch die in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz (JBl 1987, 577) vertretene Auffassung, dass das „Rechtsschutzbedürfnis" nach einer vorbeugenden Unterlassungsklage mit der Bedeutung des bedrohten Rechtsguts wächst, die Unmittelbarkeit der Gefährdung also teilweise durch ihr (drohendes) Ausmaß substituiert werden kann. Bei der Beurteilung der Frage, ob nach den Umständen des Einzelfalls die ernste Besorgnis einer Gefährdung vorliegt, sind deren Eintrittswahrscheinlichkeit, das Ausmaß der zu erwartenden Rechtsgutverletzung und die Bedeutung des bedrohten Rechtsguts im Sinn eines beweglichen Systems zu berücksichtigen. Je wertvoller das (potentiell) bedrohte Rechtsgut ist, desto eher ergibt eine Interessenabwägung, dass der potentielle Schädiger auch Handlungen zu unterlassen hat, die nur mit einiger Wahrscheinlichkeit den schädlichen Erfolg herbeiführen können (vgl auch E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht [2006] 203 ff).

Wenn bei Verwirklichung der Gefahr - etwa durch radioaktive Immissionen - eine ernste und nachhaltige Gefährdung von Leben und Gesundheit des Bedrohten zu erwarten wäre bzw die ortsübliche Benützung eines Grundstücks langandauernd erheblich beeinträchtigt würde, sind die Voraussetzungen einer Unterlassungsklage wegen Erstbegehungsgefahr nicht restriktiv zu beurteilen. Dem Bedrohten kann schon bei einem weniger hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nicht zugemutet werden, einen Eingriff in seine Rechtssphäre abzuwarten, wenn derartig schwerwiegende und irreversible Folgen zu erwarten sind. Die bloß hypothetische Denkmöglichkeit einer Rechtsgutverletzung ist jedoch in keinem Fall hinreichend; dies schon allein deshalb, weil auch die Einhaltung der höchstmöglichen Sicherheitsvorkehrungen bei potentiell gefährlichen Anlagen einen Unfall nicht absolut auszuschließen vermag. Dies wird von den Klägerinnen auch nicht gefordert.

Es ist somit zu beurteilen, ob die von dem AKW ausgehende Gefährlichkeit bereits eine unzulässige Bedrohung der Rechtsgüter der Klägerinnen darstellt oder im Sinn eines - niemals gänzlich zu vermeidenden - Restrisikos hingenommen werden muss. Als Richtschnur für das zulässige Maß der Gefährlichkeit einer Anlage kann grundsätzlich auf technische Standards zurückgegriffen werden, die in öffentlich rechtlichen Vorschriften normiert sind. Sofern keine weiteren gefahrenerhöhenden Umstände vorliegen, wird bei Erfüllung solcher Standards das Vorliegen eines unzulässig hohen Risikos idR zu verneinen sein; dieser Gedanke liegt ua auch der Regelung des § 364a ABGB zu Grunde. Auf die Einhaltung bestimmter technischer Leitlinien kann aus dem Titel des Nachbar- bzw. Persönlichkeitsrechts jedoch nicht gedrungen werden. Die Nichteinhaltung bestimmter technischer Standards begründet daher per se noch keinen Unterlassungsanspruch. Ein solcher besteht vielmehr nur dann, wenn die Nichteinhaltung zu einem deutlich erhöhten Gefährdungspotential der Anlage führt.

Zur Frage der heranzuziehenden technischen Standards ist zu bedenken, dass Anlagen, mit denen zum Zweck der Energieversorgung elektrische Energie durch Kernspaltung erzeugt werden kann, gem § 1 AtomsperrG 1978 in Österreich nicht errichtet bzw. in Betrieb genommen werden dürfen. Auf Grund dieses umfassenden Verbots existieren in Österreich keine gesetzlich normierten Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke. Es spricht daher nicht dagegen, jene Standards heranzuziehen, die in Staaten mit ähnlicher Wirtschafts und Gesellschaftsstruktur (wie zB Deutschland) normiert sind. Unter Berücksichtigung der im AtomsperrG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, dass Atomkraftwerke schon als solche ein Sicherheitsrisiko darstellen, das der österreichischen Bevölkerung erspart bleiben soll, hat die Orientierung jedenfalls an Standards zu erfolgen, die international ein hohes Sicherheitsniveau festlegen.

Bei Vorliegen eines allgemein hohen Betriebsrisikos bzw einer besonderen Unfallgeneigtheit einer Anlage muss mit einem Störfall jederzeit gerechnet werden. Das Vorliegen der Voraussetzung, dass die Gefährdung zeitlich „unmittelbar" drohe, ist daher zu bejahen, sofern eine gegenüber dem erwähnten Standard deutlich erhöhte Gefährdungswahrscheinlichkeit gegeben ist. Soweit der Mangel der Anlage in einer gegenüber anerkannten Standards geringeren Lebensdauer technischer Module begründet ist, ist einerseits deren allfällige (einfache) Austauschbarkeit und andererseits vor allem auch zu berücksichtigen, wie lange die Anlage bereits in Betrieb ist und ob sich das mit der Alterung verbundene Risiko bereits in naher Zukunft auswirken kann.

Aus dem von den Revisionswerberinnen bemühten Begriff der „Rechtsberühmung" lässt sich für diesen Fall hingegen nichts gewinnen. Die Beklagte nimmt schließlich nicht für sich in Anspruch, sie sei berechtigt, die Klägerinnen durch radioaktive Immissionen zu gefährden. Sie bestreitet vielmehr ein ins Gewicht fallendes Gefährdungspotential. Auch im in der Revision erwähnten Verfahren zu 6 Ob 209/00d ging es (nur) darum, dass der dort Beklagte sich berühmte, zum Eingriff in das Eigentum eines anderen berechtigt zu sein. Hier jedoch ist nicht - wie etwa regelmäßig im Wettbewerbsrecht die Gefahr einer vorsätzlichen, sondern die einer fahrlässigen Rechtsgutbeeinträchtigung zu prüfen. Die Beklagte berühmt sich nicht eines Rechts zum Eingriff in die Spähre der Klägerin, sondern vertritt vielmehr den Standpunkt, ein solcher Eingriff sei nicht ernstlich zu besorgen.

Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass ein (vorbeugender) Unterlassungsanspruch dann zu bejahen wäre, wenn feststünde, dass auf Grund der Konstruktion oder des Zustands des AKW gegenüber Anlagen "westlichen" Standards ein deutlich erhöhtes Risiko eines Störfalls besteht, durch den die Wohnungen der Klägerinnen in einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Weise durch radioaktive Strahlung beeinträchtigt würden. Dass die Tatsachengrundlage insoweit vom Erstgericht noch zu verbreitern sein wird, wird noch näher dargelegt werden.

Zuvor ist aber noch auf den - vom Erstgericht verworfenen und vom Berufungsgericht für unerheblich angesehenen - Einwand der Beklagten einzugehen, ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB sei schon deshalb ausgeschlossen, weil das AKW als eine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB zu betrachten sei. Schon für den rein innerstaatlichen Bereich entspricht es der herrschenden Rechtsprechung (SZ 48/15; SZ 55/172; 2 Ob 222/02i; 4 Ob 137/03f = SZ 2003/78 ua), dass nicht jede behördliche Genehmigung den Unterlassungsanspruch ausschließt, sondern dies nur für Genehmigungen auf Grund eines Verfahrens gilt, in dem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch in gleich wirksamer Weise vorgesehen ist wie im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung. Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin können Informationspflichten zwischen Nachbarstaaten auf Grund eines bilateralen Abkommens die Bedachtnahme auf die Interessen potentiell gefährdeter österreichischer Liegenschaftseigentümer im slowakischen Bewilligungsverfahren nicht ersetzen. Vor allem übersieht die Beklagte, dass § 364a ABGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich von österreichischen Behörden erteilte Genehmigungen im Auge hat und eine in der Revisionsbeantwortung angesprochene „materielle Gleichwertigkeit" eines slowakischen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens überhaupt nur für Betriebe in Betracht kommen könnte, die - in vergleichbarer Weise - auch in Österreich genehmigt werden könnten. Gerade dies trifft auf ein Atomkraftwerk aber nicht zu, weil § 1 AtomsperrG 1978 den Betrieb derartiger Anlagen in Österreich - gerade wegen ihrer potentiellen Gefährlichkeit - generell verbietet. Die § 364a ABGB zu Grunde liegende Wertung, den nachteilig betroffenen Grundeigentümern im (inländischen) öffentlichen Interesse und im Interesse der (inländischen) Volkswirtschaft zusätzliche Belastungen und Nachteile aufzuerlegen (SZ 51/114; SZ 54/64), kommt für Anlagen, die in Österreich gar nicht genehmigt werden können, von vornherein nicht in Betracht. Warum dem österreichischen Gesetzgeber zu unterstellen wäre, den Eigentümern inländischer Liegenschaften die aus der Anwendung des § 364a ABGB resultierende Eigentumsbeschränkung ausschließlich im Interesse einer fremden Volkswirtschaft und ausländischer öffentlicher Interessen auferlegen zu wollen, vermag auch die Revisionsgegnerin nicht einmal ansatzweise zu begründen. Geht man richtigerweise davon aus, dass der Regelung des § 364a ABGB ausschließlich die Abwägung unterschiedlicher innerstaatlicher Interessen zu Grunde liegt, muss die Berufung der Beklagten auf eine slowakische behördliche Genehmigung des AKW ins Leere gehen. Schließlich ist dem österreichischen Gesetzgeber auch nicht zu unterstellen, einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch sogar für Fälle ausschließen zu wollen, in denen die typischen Folgen übermäßiger Immissionen durch Geldersatz gar nicht ausgeglichen werden können, wie etwa bei (erheblicher) Gefährdung von Leben oder Gesundheit (vgl auch Eccher in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, § 364a ABGB, Rz 4 unter Berufung auf Koziol/Welser I12, 257). Da sich die Beklagte richtigerweise auch nicht auf die völkerrechtliche Zulässigkeit der Beeinträchtigung eines Nachbarstaats und dessen Bewohnern durch (übermäßige) radioaktive Immissionen beruft, kann auch dahingestellt bleiben, inwieweit die Frage des Bestehens, des Inhalts und der Rechtswirkungen einer behördlichen Genehmigung für den Betrieb eines AKW (allein) Sache der zuständigen nationalen Behörde des Betreiberstaats ist (vgl Rn 71 f der Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH vom 11. 1. 2006 in der Rechtssache C 343/04). Die ernstliche Gefahr einer radioaktiven Kontaminierung durch einen Störfall muss keinesfalls hingenommen werden.

Das Erstgericht hat eine Reihe von Sicherheitsmängeln bzw Abweichungen von internationalen Standards festgestellt und daraus die weitere Feststellung abgeleitet, dass „von einem erhöhten Störfallrisiko auszugehen" sei. Die Beklagte hat in ihrer Berufung die erstgerichtlichen Feststellungen über bestimmte Abweichungen von „internationalen" bzw „westlichen" Standards bekämpft und statt dessen jeweils die Feststellung begehrt, eine derartige Abweichung könne nicht festgestellt werden. Sollten diese Behauptungen zutreffen, wäre die Rechtssache im klageabweisenden Sinn spruchreif, weil - wie dargelegt - bei der Einhaltung hoher („westlicher") Sicherheitsstandards ein Unterlassungsanspruch nicht bestünde. Da sich das Berufungsgericht wegen seiner abweichenden Rechtsansicht mit der Beweisrüge der Beklagten nicht befasst hat, wird es dies im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich im Zusammenhang mit den einzelnen „Gefahrenbereichen" im Ersturteil nur negative Feststellungen über die möglichen Konsequenzen der genannten Schwachstellen bzw die Formulierung, es sei nicht auszuschließen, dass in bestimmten Bereichen die Nichteinhaltung westlicher Standards Auswirkungen auf das Ausmaß des Austritts von radioaktiven Substanzen im Störfall hat, finden. Feststellungen über das Ausmaß (die Wahrscheinlichkeit) der Gefahr eines (die Klägerinnen beeinträchtigenden) Störfalls bzw über die Risikoerhöhung gegenüber Atomkraftwerken „westlicher" Bauart wurden nicht getroffen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann daraus allerdings nicht der Schluss gezogen werden, die Klägerinnen wären ihrer Beweislast für das Vorliegen einer unmittelbar und konkret drohenden Gefahr nicht nachgekommen, beruhen doch die zahlreichen Negativfeststellungen ersichtlich auf der (unzutreffenden) Rechtsansicht des Erstgerichts, die Klägerinnen hätten nur das Abweichen von „westlichen" Standards zu beweisen, wogegen die Beklagte den Beweis zu führen hätte, dass daraus keine Risikoerhöhung resultiert. Das Erstgericht hat auch keineswegs festgestellt, dass eine deutlich erhöhte Gefährlichkeit nicht festgestellt werden könne, sondern vielmehr nur generell ein „erhöhtes Störfallrisiko" angenommen, ohne dies jedoch ausreichend zu quantifizieren. Damit liegt aber jedenfalls ein Feststellungsmangel im Sinne einer für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreichenden Tatsachengrundlage vor. Wie bereits dargelegt wurde, kommt ein Unterlassungsanspruch nur in Betracht, wenn den Klägerinnen der Beweis gelingt, dass auf Grund der von „westlichen" Standards abweichenden Bauweise des AKW das Risiko einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Wohnungen sowie ihrer Gesundheit durch einen Störfall deutlich erhöht ist. Dies wird im fortzusetzenden Verfahren allenfalls zu ermitteln sein, wobei auch festzustellen sein wird, wie sich die bereits festgestellten Abweichungen unter welchen Umständen nachteilig auf den sicheren Betrieb des AKW und in weiterer Folge auf die Klägerinnen - auswirken können. Ob dafür - wie die Revisionsgegnerin meint - die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich ist, ist von den Tatsacheninstanzen zu beurteilen.

Sollte sich nach den Ergebnissen des ergänzten Verfahrens der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen als berechtigt erweisen, wird darauf Bedacht zu nehmen sei, dass der von den Klägerinnen formulierte Urteilsantrag teilweise Elemente enthält, die nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind, und andererseits erkennbar über das nach dem gesamten Inhalt des Vorbringens ersichtliche Rechtsschutzziel hinausgeht. Nach dem reinen Wortlaut des im Hinblick auf ihr Leben und ihre Gesundheit erhobenen Unterlassungsbegehrens wäre der Beklagten jede Einwirkung unabhängig vom Aufenthaltsort der Klägerinnen - sogar auf slowakischem Staatsgebiet - verboten, was diese jedoch in Wahrheit gar nicht anstreben; sie berufen sich vielmehr nur auf eine Gefährdung an ihrem Wohnort (bzw in ihrer Wohnung). Andererseits geht die vom Erstgericht im ersten Rechtsgang gewählte Formulierung insoweit über das Klagebegehren hinaus, als der Beklagten schlechthin jede radioaktive Immission verboten wird, obwohl sich die Klägerinnen ausdrücklich nur auf solche Immissionen beziehen, die durch einen Störfall drohen. Zutreffend hat das Erstgericht die im Urteilsantrag enthaltene Einschränkung auf „in absehbarer Zukunft und mit einiger Wahrscheinlichkeit drohende" Einwirkungen nicht in den Urteilstenor aufgenommen; diese Kriterien sind vielmehr (materiellrechtliche) Voraussetzungen für einen - allgemeiner zu formulierenden - Unterlassungstitel. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dem Störer durchaus aufgetragen werden, die nachteiligen Einwirkungen eines Störfalls „durch geeignete Vorkehrungen" zu verhindern; stets ist es allein ihm überlassen, zu bestimmen, auf welche Weise er die Beeinträchtigung ausschließt (vgl nur 2 Ob 656/87 = SZ 61/278 = JBl 1989, 239; 8 Ob 255/98b; jeweils mwN), er darf nur den gefährlichen Zustand nicht unverändert aufrecht erhalten.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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