JudikaturJustiz1Ob47/07d

1Ob47/07d – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin ***** L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die Antragsgegner 1) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, und 2) Wasserverband G***** A*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen §§ 60 ff WRG (hier: Bewilligung der Wiedereinsetzung) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 20. Dezember 2006, GZ 35 R 87/06a-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 16. Oktober 2006, GZ 6 Nc 10016/02y-17 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt von der Erstantragsgegnerin, in eventu vom Zweitantragsgegner, eine „vorläufige Enteignungsentschädigung" gemäß § 117 Abs 4 WRG wegen der Durchleitung eines Kanalstrangs durch ihr Grundstück, und zwar für die Vergangenheit EUR 165.205,- und für die Zukunft EUR 11.070,- p.m. s.A..

Das Erstgericht wies den Antrag in Bezug auf die Erstantragsgegnerin ab und in Bezug auf den Zweitantragsgegner zurück. Den dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs wies es als verspätet zurück und den in der Folge eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag wies es ab. Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, ihrem „seinerzeitigen Wiedereinsetzungsantrag" stattzugeben. Das Rechtsmittel sei aus Gründen der Rechtssicherheit und zur gebotenen Klarstellung zulässig, weil das Rekursgericht sowohl Fehler bei der Fristberechnung als auch solche bei der Fristvormerkung offenbar generell als wiedereinsetzungsschädliche juristische Kunstfehler erachte, ohne aber dabei zu differenzieren, ob der falsche Fristvormerk aus intellektuell beeinflussbarer Unkenntnis, Irrtum oder einem Überwachungsfehler heraus oder aber - wie hier - wegen einer einmaligen, dem freien Willensentschluss entzogenen Unaufmerksamkeit beim Ablesen einer an sich richtig berechneten Frist unterlaufen sei.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist - zwar nicht jedenfalls, aber dennoch - unzulässig.

1. Gemäß § 21 AußStrG 2005 sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ausgenommen § 154, sinngemäß anzuwenden, wenn der aus der Versäumung einer Frist oder Tagsatzung entstehende Rechtsnachteil nicht durch ein Rechtsmittel oder einen neuen Antrag abgewendet werden kann. Nicht erfasst vom Verweis sind die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittelverfahren (geregelt im vierten Teil der ZPO), sodass - abgesehen von der Sonderregel des § 153 ZPO - zB § 528 Abs. 2 Z 2 ZPO, wonach gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz über die Verweigerung der Wiedereinsetzung ein Revisionsrekurs unzulässig ist, nicht zur Anwendung kommt (Fucik/ Kloiber, AußStrG [2005] § 21, Rz 2).

An den verfehlten Ausspruch des Rekursgerichts, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (RIS-Justiz RS0107859). Da der Entscheidungsgegenstand (bei weitem) den Betrag von EUR 20.000,-

übersteigt, hat in jedem Fall eine Prüfung nach § 62 Abs 1 AußStrG - betreffend das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - stattzufinden.

2. Ob die Wiedereinsetzung nicht zu bewilligen ist, weil es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt, ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS-Justiz RS0116535). Ein Wiedereinsetzungswerber hat sich ein Verschulden seines Rechtsvertreters wie eigenes Verschulden anrechnen zu lassen (RS0036729, vgl. RS0111777). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (RS0036784).

Die Vorinstanzen haben bei der Beurteilung der Frage, ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorliege, keinen Unterschied darin gesehen, ob ein Rechtsanwalt sich bei der Fristberechnung (rechtlich) geirrt oder bei der Eintragung ins Vormerkbuch einen Fehler gemacht bzw. unter Zuhilfenahme des Juristenkalenders die Frist falsch abgelesen hat. Im Lichte des strengen Maßstabes von § 1299 ABGB erfülle ein Fehler durch den Rechtsanwalt sowohl bei der Fristberechnung als auch bei der Fristvormerkung den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit. Diese Sichtweise ist im Hinblick auf den nach ständiger Rechtsprechung gegebenen erhöhten Sorgfaltsmaßstab bei beruflichen Parteienvertretern (siehe dazu Gitschthaler in Rechberger, ZPO3, § 146 Rz 16) jedenfalls vertretbar. Die Antragstellerin zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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