JudikaturJustiz1Ob380/60

1Ob380/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Februar 1961

Kopf

SZ 34/16

Spruch

Zulässigkeit des Klagebegehrens, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Kläger nach dem Tod des Beklagten einzuwilligen.

Entscheidung vom 8. Februar 1961, 1 Ob 380, 381/60.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die Streitteile haben über die der Klägerin und Widerbeklagten (im folgenden Klägerin genannt) gehörige Liegenschaftshälfte und das auf dieser betriebene Handelsunternehmen Vereinbarungen getroffen, die im Pachtvertrag vom 1. August 1954 und im Zusatzvertrag zum Pachtvertrag vom 31. Juli 1954 ihren schriftlichen Niederschlag gefunden haben. Im ersteren Schriftstück heißt es u. a., daß die Verpachtung bzw. Vermietung mit allen Rechten und Pflichten erfolge, wie sie die Eigentümerin habe, daß der wertgesicherte Pachtzins monatlich 4000 S betrage, daß die Verpachtung auf unbestimmte Zeit erfolge und eine Kündigung nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich sei, daß bei Katastrophenfällen, die keinen Grund zur Kündigung bilden, neue, für beide Teile annehmbare Vereinbarungen zu treffen seien, sowie daß das Warenlager gesondert, übernommen werde. Im Zusatzvertrag zum Pachtvertrag heißt es u. a., daß der ursprünglich vereinbarte Verkauf gegen eine lebenslängliche Rente, um eine Sicherstellung zu haben, in einen Pachtvertrag umgewandelt werde, daß bei Bewährung und Erfüllung aller Vertragspunkte die Klägerin und ihr Gatte schon früher zu einem Verkauf einwilligten, daß aus diesem Grund der Pächterin schon jetzt das Vorkaufsrecht eingeräumt werde, daß der Verpächterin und deren Ehegatten das lebenslängliche Wohnungsrecht eingeräumt werde, daß sich die Verpächterin mit ihrem Ehegatten, sollte es nicht schon vor ihrem Ableben zu einem Verkauf kommen, verpflichte, die Liegenschaftshälfte und das Geschäft nach ihrem Ableben im Erbweg an die Pächterin zu übergeben, daß das diesbezügliche Testament schon jetzt festzulegen sei, daß die Erbzusage rechtsverbindlich sei und im Innenverhältnis eine Schenkung auf den Todesfall beinhalte, die nicht zurückgenommen werden könne, daß der Pachtzins, der eigentlich eine lebenslängliche Rente für die Verpächterin und ihren Ehegatten darstelle, 6500 S monatlich betrage und sich beim Ableben des einen der beiden Ehegatten auf 4000 S monatlich verringere, sowie daß die mit dem Pachtvertrag verbundenen Kosten, Gebühren und Steuern die Pächterin zahle. Spätere Versuche, das in diesem Vertrag vorgesehene Testament zu errichten, führten zu keinem Erfolg.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die ihr im Zusatzvertrag auferlegte Verpflichtung, die Liegenschaftshälfte und das Geschäft nach ihrem Ableben im Erbweg auf die Beklagte zu übertragen, nicht wirksam sei. Im Hinblick auf den von der Beklagten und Widerklägerin (im folgenden Beklagte genannt) eingenommenen Standpunkt, daß der Wille der Parteien nicht auf die Errichtung eines Pachtvertrages, sondern auf die Errichtung eines Leibrentenvertrages auf den Todesfall gerichtet gewesen sei, begehrte sie später auch die Feststellung, daß die vorerwähnte Bestimmung auch keinen Kaufvertrag auf den Todesfall beinhalte.

Die Beklagte begehrt mit Widerklage die Feststellung, daß sie von der Klägerin die Liegenschaftshälfte und das Geschäft gegen Entrichtung einer auf Lebenszeit der Klägerin und ihres Gatten zu erbringenden, wertgesicherten monatlichen Leistung von 6500 S bzw. (im Fall des Versterbens des einen Eheteiles) von 4000 S unter den im Pachtvertrag und Zusatzvertrag enthaltenen Bedingungen, soweit sie nicht ipso iure ungültig seien, gekauft habe, und zwar mit der Maßgabe, daß das Eigentum erst nach dem Tod der Klägerin übergehe. Außerdem stellt sie das Begehren, die Klägerin zu verurteilen, einzuwilligen, daß nach ihrem Ableben das Eigentumsrecht an der Liegenschaftshälfte für sie (die Beklagte) einverleibt werden könne.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren der Beklagten im wesentlichen Folge. Er wies deren Begehren nur insoweit ab, als sie festgestellt wissen wollte, daß die Errichtung des Kaufvertrages auf den Todesfall unter den im Pachtvertrag und Zusatzvertrag enthaltenen Bedingungen erfolgt sei. Das Feststellungsbegehren der Klägerin wies der Erstrichter ab. Er nahm als erwiesen an, daß ungeachtet des Wortlautes der beiden Schriftstücke der übereinstimmende Parteiwille nicht auf die Errichtung eines Pachtvertrages, sondern auf die Errichtung eines Kaufvertrages gegen Entrichtung des Kaufpreises in Form einer Leibrente gerichtet gewesen sei, wobei das Eigentum erst nach dem Tod der Klägerin und ihres Gatten auf die Beklagte übergehen sollte. Die Form des Pachtvertrages sei nur aus steuerlichen Gründen gewählt worden. Das nach dem Inhalt des Zusatzvertrages von der Klägerin zugunsten der Beklagten zu errichtende Testament sollte nur der Sicherstellung der grundbücherlichen Eigentumsübertragung nach dem Tod der Klägerin dienen. Dem zur Vertragserrichtung zugezogenen Dr. F. sei es infolge mangelhafter juristischer Kenntnisse nicht gelungen, den Parteiwillen in die richtige rechtliche Form zu bringen. Maßgebend sei aber der, wenn auch fehlerhaft erklärte, übereinstimmende Wille der Parteien. Aus diesen Gründen sei das Begehren der Beklagten gerechtfertigt, das Begehren der Klägerin dagegen, soweit diese die Feststellung anstrebe, daß kein Kaufvertrag auf den Todesfall vereinbart worden sei, unberechtigt. Das Begehren der Klägerin, festzustellen, daß die im Vertrag übernommene Verpflichtung zur Errichtung eines Testamentes rechtsunwirksam sei, könne nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein.

Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hob den Ausspruch des Erstrichters über das Klagebegehren der Beklagten unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstrichter eine neuerliche Entscheidung auf. Dagegen gab es der Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens der Klägerin richtete, nicht Folge, bestätigte in diesem Belang das erstrichterliche Urteil als Teilurteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Das Berufungsgericht nahm zu den Ausführungen der Klägerin, mit denen sie die erstrichterlichen Feststellungen über die Absicht der Parteien bei der Vertragserrichtung bekämpft hatte, nicht Stellung, weil es die Aufhebung der erstrichterlichen Entscheidung über das Klagebegehren der Beklagten aus anderen Gründen für erforderlich hielt. Die Beklagte verfolge das Ziel, die zum Erwerb des Eigentums an der Liegenschaft erforderliche einverleibungsfähige Urkunde, deren Ausstellung die Klägerin verweigere, durch ein gerichtliches Urteil über den Inhalt des von ihr behaupteten Kaufvertrages und über die Einwilligung der Klägerin zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten ersetzen zu lassen. Damit aber der Urteilsspruch die beabsichtigte Wirkung hervorrufen könne, müsse der wesentliche Inhalt des Kaufvertrages, der an die Stelle der Urkunde im Sinne des § 26 GBG. 1955 trete und vom Grundbuchsgericht gemäß § 94 GBG. 1955 geprüft werden müsse, im Spruch aufscheinen. Die Beklagte habe aber im Urteilsbegehren nur einzelne Vertragspunkte angeführt und sich im übrigen mit der allgemeinen Wendung begnügt, daß der Vertrag unter den im Pachtvertrag und im Zusatzvertrag enthaltenen Bedingungen geschlossen worden sei. Diese Fassung des Urteilsbegehrens entspreche nicht der Bestimmung des § 226 ZPO. Der Erstrichter hätte daher darauf dringen müssen, daß die Beklagte im Urteilsbegehren alle wesentlichen Vertragspunkte anführe. Darüber hinaus vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß der Beklagten etwas zugesprochen worden sei, was sie gar nicht begehrt habe. Wenn aus einem Vertrag, der neben der Einigung über Ware und Preis noch andere wesentliche Bedingungen enthält, letztere herausgenommen würden, so bedeute dies eine Änderung der den Parteien aus dem Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten. Das Urteil verstoße daher in diesem Belang gegen die Bestimmung des § 405 ZPO. Dies stelle eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit im Sinne des § 477 ZPO. dar. Daß weder die Klägerin noch die Beklagte die Teilabweisung im erstrichterlichen Urteil angefochten hätten, sei ohne Bedeutung, weil das Klagebegehren eine Einheit bilde und nicht in Teilansprüche zerlegt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin und Widerbeklagten und dem Rekurs der Beklagten und Widerklägerin Folge, hob Teilurteil und Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof vermag sich der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß ein die Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes ersetzender Urteilsspruch seinen Zweck nur erfüllen könne, wenn alle Punkte des Vertrages im Urteilsspruch aufscheinen, nicht anzuschließen. Gemäß § 436 ABGB. kann das Eigentum an unbeweglichen Sachen auch auf Grund eines rechtskräftigen Urteiles übertragen werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, braucht der Urteilsspruch, der die Grundlage für die Eigentumseinverleibung bilden soll, den Rechtsgrund nicht zu enthalten (JBl. 1958 S. 548 = EvBl. 1958 Nr. 262). Der Aufnahme der gesamten Vertragspunkte in den Urteilsspruch bedurfte es im vorliegenden Fall umso weniger, als nach dem Akteninhalt nur strittig ist, ob die Parteien entsprechend dem Wortlaut der schriftlichen Festlegung des Vertragsinhaltes einen Pachtvertrag mit der Verpflichtung der Klägerin zur Übergabe des Eigentums an die Beklagte im Erbweg vereinbart haben oder einen Kaufvertrag auf den Todesfall. Was in diesem Belang dem Willen der Parteien entsprach, sollte durch den Ausspruch des erstrichterlichen Urteiles festgestellt werden. Es kann daher nicht gesagt werden, daß der Ausspruch des Erstrichters über die Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe der Aufsandungserklärung seinen Zweck nicht erfüllen könne.

Einem Erfolg des auf Ausstellung der Aufsandungsurkunde gerichteten Leistungsbegehrens würde aber auch nicht etwa der Umstand im Wege stehen, daß die Verbücherung erst nach dem Tod der Klägerin zu erfolgen hätte, da nichts darauf hindeutet, daß auch die Ausstellung der zum Eigentumsübergang erforderlichen Urkunden auf diesen Zeitpunkt hinausgeschoben werden sollte. Daß die Verbücherung erst nach dem Tod der Klägerin erfolgen soll, wird im Urteilsbegehren ohnehin mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Es bestehen daher - sofern eine Verpflichtung vorliegt - keine Bedenken dagegen, daß die Klägerin schon jetzt dazu verhalten wird, ihre Einwilligung hiezu zu erteilen (vgl. DREvBl. 1942 Nr. 180; Klang 2. Aufl. IV 632 zu § 956 ABGB. bei Anm. 25), zumal hiedurch ein neuer, nach dem Tod der Klägerin gegen deren Erben anzustrengender Prozeß vermieden werden kann.

Es kann aber auch die Meinung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß der Erstrichter im Hinblick auf die oben angeführte Teilabweisung des Feststellungsbegehrens der Beklagten die den Parteien aus dem Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verändert habe. Durch diese Teilabweisung, die lediglich deshalb erfolgte, weil dem Erstrichter der diesbezügliche Teil des Feststellungsbegehrens zu unbestimmt erschien, wurde an dem nach dem Akteninhalt im übrigen unbestrittenen Vertragsinhalt nichts geändert. Es kann daher auch von einer Überschreitung des Klagebegehrens im Sinne des § 405 ZPO. nicht gesprochen werden. Im übrigen ist die Teilabweisung von keiner Seite angefochten worden und damit der Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanzen entzogen.

Daß sich der Eigentümer einer Sache im Weg eines entgeltlichen Vertrages wirksam verpflichten kann, das Eigentum erst im Zeitpunkt des Todes zu übertragen, entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (vgl. SZ. XXVII 105, SZ. XXII 2, SZ. XXIII 8, SZ. XXIII 182, SZ. XXIII 227; Klang a. a. O. 630; Weissberger in NotZ. 1954 S. 52 f.).

Ob das Klagebegehren der Beklagten begrundet ist, kann aber noch nicht beurteilt werden, weil das Berufungsgericht zufolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung, daß das Urteil in der vorliegenden Fassung keinesfalls seinen Zweck erfüllen könnte und außerdem über das Klagebegehren hinausgehe, mit einer Aufhebung vorgegangen ist, ohne zu den Berufungsausführungen der Klägerin, mit denen sie die erstrichterlichen Feststellungen über den Vertragsinhalt bekämpfte, Stellung zu nehmen. Es ist daher der maßgebliche Sachverhalt noch nicht endgültig festgestellt.

Schließlich kann auch der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht beigetreten werden, der Klägerin fehle ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß die von ihr übernommene Verpflichtung zur Übergabe der Liegenschaftshälfte und des Geschäftes im Erbweg auf die Beklagte keinen Kaufvertrag auf den Todesfall bedeute, weil es auf der Hand liege, daß eine solche Vertragsbestimmung keinen Kaufvertrag auf den Todesfall darstellen könne. Die gegenständliche vertragliche Bestimmung kann ebenso wie die Vertragsbestimmung, die der Klägerin die Errichtung eines Testamentes zur Pflicht macht, nur im Zusammenhalt mit dem sonstigen Vertragsinhalt verstanden werden. Es kann weder der Beklagten noch der Klägerin das rechtliche Interesse abgesprochen werden, durch gerichtliches Urteil feststellen zu lassen, ob entgegen dem Wortlaut der Beilagen ein Pachtverhältnis mit einer - rechtlich unwirksamen - Verpflichtung zur Errichtung eines Testamentes bestimmten Inhaltes oder ein Kaufvertrag mit bis auf den Todesfall hinausgeschobenem Eigentumsübergang begrundet wurde. Es hängt demnach auch die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin von der vom Berufungsgericht erst vorzunehmenden Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstrichters ab, weshalb auch das angefochtene Teilurteil aufzuheben war.