JudikaturJustiz1Ob32/98g

1Ob32/98g – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Harold Schmid und Mag.Helmut Schmid, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Mag.Rochus L*****, vertreten durch Dr.Rudolf Pototschnig und Dr.Hans Winkler, Rechtsanwälte in Villach, wegen Eigentumseinverleibung (Streitwert S 650.000, ) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21.November 1997, GZ 4 R 184/97d 21, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach den getroffenen Feststellungen ist von einem Kalkulationsirrtum des Beklagten auszugehen, weil sich die Parteien sowohl über den Verkauf der gesamten Liegenschaft als auch den Preis einig waren. Allerdings irrte der Beklagte über die seiner Preisvorstellung zugrunde gelegte Quadratmeterzahl. Die Anwendung des § 871 ABGB auf den Kalkulationsirrtum ist dann gerechtfertigt, wenn die fehlerhafte Kalkulation auf beiden Seiten gleichermaßen nicht nur offengelegt wurde, sondern nach den getroffenen Feststellungen Einvernehmen darüber bestand, daß das Geschäft gerade unter Zugrundelegung dieser Kalkulation zustandekommen soll. In diesem Fall ist der adäquat kausale Irrtum einer Vertragspartei über die wesentlichen Elemente der Preisbildung Geschäftsirrtum (JBl 1998, 178; 1 Ob 377/97s), ohne daß es darauf ankäme, ob die Art der Kalkulation (hier: Berechnung nach Quadratmetern) für die andere Partei von Bedeutung ist. Von einem Geschäftsirrtum ist hier auszugehen, weil einerseits der Quadratmeterpreis in den Verkaufsgesprächen von beiden Seiten als Richtschnur herangezogen sowie die Quadratmeteranzahl im Kaufvertrag festgeschrieben wurde und es andererseits - ähnlich wie beim Wohnungskauf (SZ 53/108; 1 Ob 377/97s) - der Lebenserfahrung entspricht, daß der Preis einer Liegenschaft nicht unmaßgeblich durch die Größe des Kaufobjekts bestimmt wird. Der Fall der wegen Irrtums über die Grundstücksgröße unrichtigen Berechnung des Kaufpreises für eine Liegenschaft stellt geradezu das Schulbeispiel eines zur Vertragsanpassung berechtigenden unwesentlichen Geschäftsirrtums dar (vgl den fast identischen Sachverhalt bei Koziol/Welser, Grundriß I10, 130).

"Durch den anderen Teil veranlaßt" ist der Irrtum im Sinne des § 871 ABGB auch dann, wenn er nicht vom Vertragspartner selbst, sondern innerhalb ihres Aufgabenbereichs von einer Person hervorgerufen wurde, die für den Vertragsgegner bei Vertragsabschluß oder bei dessen Vorbereitung tätig war (SZ 47/148; SZ 67/136 u.a.). Daß die Äußerung des die Verkaufsverhandlungen führenden Architekten, Kaufgegenstand wären (nur) zwei Grundstücke, der Klägerin zuzurechnen ist, bestreitet diese in der Revision nicht mehr. Entgegen ihrer Ansicht ist der Architekt, der hier auch die Funktion eines Maklers ausübte, insoweit als Sachverständiger anzusehen, als er in der Lage sein muß, aus einer Mappenkopie die erforderlichen Erkenntnisse zu schöpfen. Insoweit hat er den Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu gewährleisten. Berücksichtigt man weiters, daß der Architekt von sich aus den Beklagten wegen des Verkaufs der Liegenschaft kontaktiert hat, tritt ein allfälliges eigenes Verschulden des Beklagten jedenfalls derart in den Hintergrund, daß die bisherige Rechtsprechung (MietSlg 36.076; SZ 51/144; SZ 36/22 u.a.), es sei für die Irrtumsanfechtung ohne Belang, ob dem Irrenden selbst Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ohne weiteres angewendet werden kann (kritisch nur für den Fall des überwiegenden Verschuldens des Irrenden: JBl 1988, 783; 6 Ob 2103/96z). Es muß daher nicht mehr näher darauf eingegangen werden, daß der Irrtum dem Gehilfen der Klägerin darüberhinaus infolge Offenlegung der Kalkulation durch den Beklagten bei Aufwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte jedenfalls auffallen müssen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Vertragsanpassung nur dann möglich ist, wenn der Gegner im Zeitpunkt des Kontrahierens hypothetisch den Willen gehabt hätte, gegebenenfalls auch zu den Bedingungen, die der andere Teil nunmehr durchzusetzen bestrebt ist, abzuschließen (SZ 53/108; SZ 54/88; 7 Ob 554/89; 1 Ob 2012/96 f). Der Beklagte hat auf AS 103 ausdrücklich vorgebracht, die Klägerin hätte den Vertrag auch zu einem der nun bekannten Quadratmeteranzahl entsprechenden höheren Preis abgeschlossen. Die Klägerin hat - auch in der Revision - in Zusammenhang mit dem von den Vorinstanzen festgestellten Preislimit immer nur vorgebracht, daß für sie wegen ihrer festen Preiskalkulation die genaue Quadratmeteranzahl völlig unerheblich gewesen sei. Sie hat jedoch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Forderung des Beklagten nach Vertragsanpassung (allenfalls auch Vertragsaufhebung) sei berechtigt, unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Feststellung des hypothetischen Parteiwillens unbekämpft gelassen. Auf diese Frage ist daher bei Prüfung des außerordentlichen Rechtsmittels nicht weiter einzugehen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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