JudikaturJustiz1Ob2119/96s

1Ob2119/96s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adelheid M*****, vertreten durch Dr.Johannes Ehrenhöfer und Dr.Wilhelm Häusler, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Land Niederösterreich, vertreten durch Dr.Reinhard Schäfer, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten Wiener T*****, vertreten durch Dr.Ulrike Christine Walter, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 3,279.640,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 24. Jänner 1996, GZ 14 R 160/95-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St.Pölten vom 31.März 1995, GZ 1 Cg 427/93-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 12.4.1984 verfügte die Bezirkshauptmannschaft W***** (in der Folge Bezirksverwaltungsbehörde) die Beschlagnahme von 54 Hunden, die im Eigentum der Mutter der Klägerin standen. Die Tiere wurden dem Nebenintervenienten in Verwahrung gegeben. Mit Bescheid vom 21.2.1985 gab die Niederösterreichische Landesregierung der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Mutter der Klägerin nicht Folge. Dagegen wurde weder eine Verfassungs- noch eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben. Der Bescheid ist nach wie vor aufrecht.

Mit Bescheid vom 30.5.1984 erklärte die Bezirksverwaltungsbehörde die beschlagnahmten Hunde für verfallen. Aufgrund mehrerer Rechtsmittel, die die Mutter der Klägerin dagegen erhob, wurde die Verfallserklärung vom 30.5.1984 letztlich - nach dreimaliger Befassung des Verwaltungsgerichtshofs - , und zwar mit Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde vom 16.6.1988 aufgehoben. Mit Bescheid dieser Behörde vom 7.9.1988 wurden die beschlagnahmten Hunde abermals für verfallen erklärt. Im Zuge des daraufhin abgeführten Rechtsmittelverfahrens - neuerlich unter Einschaltung des Verwaltungsgerichtshofs - wurde auch diese Verfallserklärung beseitigt, und zwar mit zwei Bescheiden der NÖ. Landesregierung vom 5.7.1990. Mit Schreiben vom 26.7.1990 begehrte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin nach ihrer Mutter, die am 19.4.1989 verstorben war und deren Nachlaß der Klägerin mit Einantwortungsurkunde vom 18.9.1989 eingeantwortet worden war, die Herausgabe der 54 Hunde. Die Bezirksverwaltungsbehörde beantwortete dieses Begehren dahin, daß eine Rückgabe der Hunde nicht mehr möglich sei.

Die Klägerin begehrte von der klagenden Partei Schadenersatz im Gesamtbetrag von S 3,279.640,--; hilfsweise erhob sie das Begehren auf Ausfolgung der beschlagnahmten 54 Hunde samt Nachzucht. Es sei der beklagten Partei vorzuwerfen, daß sie dem Nebenintervenienten die Hunde übergeben habe, ohne für deren sichere Verwahrung und Wiederauffindung zu sorgen. Die Hunde seien anläßlich der Beschlagnahme nicht an Hand ihrer Tätowiernummern registriert worden. Der Zeitwert der Hunde betrage S 1,826.500,--, der "verlorene Ertragswert" S 1,453.140,--.

Die beklagte Partei wendete ein, daß es dem Verwahrer der Tiere - dem Nebenintervenienten - nicht mehr möglich sei, festzustellen, welche der beschlagnahmten Hunde noch in seiner Verwahrung seien. Ein Großteil der Tiere sei bereits verschieden. Die Tierhalterin habe eine Kennzeichnung der Tiere unterlassen, die nachteilige Folge der mangelnden Unterscheidbarkeit habe sie sich deshalb selbst zuzuschreiben. Für den Fall des Bestehens eines Schadenersatzanspruchs sei der unterschiedliche Wert der Tiere und deren natürliche Alterung zu berücksichtigen. Die Mutter der Klägerin habe die Beschlagnahme der Hunde durch ein Rechtsmittel beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft.

Der Nebenintervenient wendete insbesondere ein, daß viele der beschlagnahmten Tiere bereits bald nach deren Übergabe in seine Verwahrung verstorben seien. Die Tiere seien zum Teil anderen Personen zur Verwahrung übergeben worden; diesbezügliche Aufzeichnungen seien nicht mehr vorhanden.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Das Amtshaftungsbegehren müsse erfolglos bleiben, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beschlagnahme der Hunde beim Verwaltungsgerichtshof nicht angefochten habe. Der Beschlagnahmebescheid sei nach wie vor in Geltung. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Herausgabe der Tiere derzeit überhaupt noch möglich sei. Die Mutter der Klägerin habe es auch unterlassen, die Tiere vor oder unmittelbar nach der Beschlagnahme entsprechend zu kennzeichnen. Dieser Umstand mache eine Identifikation der Tiere unmöglich, weshalb auch aus diesem Grund das Amtshaftungsbegehren nicht gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz als Teilurteil insoweit, als ein Teilbetrag von S 1,453.140,-- (Ertragswert aus der Hundezucht) abgewiesen wurde; im übrigen änderte es die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, daß es mit Zwischenurteil das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 1,826.500,-- samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagszustellung zu bezahlen, als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt. Die Beschlagnahme von Gegenständen sei das prozessuale Mittel zur Sicherung der Strafe des Verfalls. Falle der Zweck der Beschlagnahme, also die Sicherung des Verfalls, weg, etwa durch Einstellung des Verfahrens, so sei sie aufzuheben, und die Sachen seien zurückzustellen, allenfalls sei Ersatz in Geld zu leisten. Demnach wäre die Bezirksverwaltungsbehörde nach Behebung des Ausspruchs - über den Verfall mit Bescheiden vom 5.7.1990 - verpflichtet gewesen, den Beschlagnahmebescheid vom 12.4.1984 von Amts wegen aufzuheben und die beschlagnahmten Hunde herauszugeben. Die Beschlagnahme stelle eine vorläufige Maßnahme dar, sodaß die Verwahrung so erfolgen müsse, daß eine Wiederausfolgung der in Beschlag genommenen Gegenstände (Hunde) nach Beendigung dieser Maßnahme möglich sein müsse. Das Vorgehen der beklagten Partei und des von ihr mit der Verwahrung beauftragten Nebenintervenienten widerspreche der gesetzlichen Regelung und sei demnach rechtswidrig. Der Hinweis auf die tierquälerische Haltung der Hunde reiche für die Annahme eines mangelnden Verschuldens der beklagten Partei nicht aus; es sei demnach von einem schuldhaften Vorgehen der beklagten Partei auszugehen. Die Rechtssache sei nur dem Grunde nach entscheidungsreif, weil der Wert der Hunde zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten ausgefolgt werden sollen, nicht festgestellt worden sei. Demnach sei mit Zwischenurteil die grundsätzliche Haftung der beklagten Partei festzustellen. Ein "Ertragswert" könne der Klägerin nicht zugesprochen werden, weil die Beschlagnahme und die damit verbundene Unterbrechung der Züchtung bis zum 5.7.1990 nicht rechtswidrig gewesen sei. Die beklagte Partei sei nur zur ordnungsgemäßen Verwahrung, nicht aber zur Aufrechterhaltung eines Zuchtbetriebs verpflichtet gewesen. Über das Eventualbegehren könne nicht entschieden werden, weil das Klagebegehren nicht zur Gänze abgewiesen worden sei.

Die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 39 Abs 1 VStG kann die Behörde zur Sicherung des Verfalls die Beschlagnahme von Gegenständen anordnen, wenn der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliegt, für die der Verfall dieser Gegenstände als Strafe vorgesehen ist. Die Beschlagnahme ist also das prozessuale Mittel zur Sicherung der Strafe des Verfalls. Sie beseitigt lediglich die Verfügungsmöglichkeit des Eigentümers, nicht jedoch dessen Eigentum an der beschlagnahmten Sache. Der beschlagnahmte Gegenstand ist zurückzustellen, wenn das Strafverfahren eingestellt oder die Strafe des Verfalls nicht verhängt wird (Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II Anm 4 zu § 39 VStG; Mannlicher/Quell, Verwaltungsverfahren8 Anm 1, 5 und 8 zu § 39 VStG; Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6 Rz 852). Sofern eine Rückgabe der zu Unrecht beschlagnahmten Sache nicht mehr möglich ist, ist dafür entsprechender Ersatz in Geld zu leisten (Mannlicher/Quell aaO Anm 8; Walter/Mayer aaO). Diese bereits vom Gericht zweiter Instanz vertretene Rechtsansicht wird vom Revisionswerber zwar nicht in Zweifel gezogen, die beklagte Partei vertritt jedoch die Ansicht, der im Jahre 1984 erlassene und in Rechtskraft erwachsene Beschlagnahmebescheid müsse erst von der Verwaltungsbehörde von Amts wegen aufgehoben werden - wozu diese Behörde auch verpflichtet sei - , ehe das Gericht Schadenersatz aus dem Titel der Amtshaftung zuerkennen könne. Mit diesem Einwand kann der beklagte Rechtsträger nicht gehört werden: Er kann sich zur Abwendung des deshalb gegen ihn erhobenen Amtshaftungsanspruchs nicht darauf berufen, daß von seinem Organ ein formell notwendiger Verfahrensschritt - rechtswidrigerweise - unterlassen wurde, sodaß der hier zu beurteilende Beschlagnahmebescheid noch aufrecht ist. Dies würde bedeuten, daß es in der Macht einer Verwaltungsbehörde stünde, von Gesetzes wegen aufzuhebende Bescheide durch rechtswidriges Verhalten (Unterlassen einer entsprechenden Bescheiderlassung) in Geltung zu belassen, um allenfalls gerechtfertigte Schadenersatzansprüche aus dem Titel der Amtshaftung hintanzuhalten. Eine solche Vorgangsweise wäre abermals rechtswidrig; der in der Verfassung verankerte Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung kann dagegen - im Amtshaftungsverfahren - nicht erfolgreich ins Treffen geführt werden.

Soweit die beklagte Partei schließlich überhaupt bezweifelt, daß die Beschlagnahme aufzuheben sei, ist sie neuerlich darauf zu verweisen, daß die Beschlagnahme nur zur Sicherung des Verfalls von Gegenständen vorgesehen ist und, wenn ihr Zweck (Sicherung des Verfalls) wegfällt, aufgehoben werden muß: Der Verfall der Hunde wurde aber letztlich beseitigt.

Das Schadenersatzbegehren der Klägerin aus dem Titel der Amtshaftung erweist sich demnach im mit Zwischenurteil des Gerichts zweiter Instanz festgestellten Umfang dem Grunde nach tatsächlich als berechtigt; die Erhebung eines solchen Amtshaftungsanspruchs ist auch zulässig (SZ 67/7).

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 393 Abs 4 ZPO.