JudikaturJustiz1Ob139/12s

1Ob139/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** M*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, gegen die beklagte Partei E***** S*****, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wegen 19.062,07 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2012, GZ 15 R 57/12f 22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Jänner 2012, GZ 22 Cg 82/11a 17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.187,28 EUR (darin enthalten 197,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Jahr 1979 schenkte die (am 18. 5. 2007 verstorbene) Mutter der Streitteile (im Folgenden Erblasserin) der Beklagten zwei Liegenschaften. Mit dem am 19. 2. 2003 errichteten Testament setzte sie den Sohn der Beklagten zum Alleinerben ein. Den Kläger setzte sie auf den Pflichtteil, wobei sie festhielt, dass er aufgrund anrechenbarer Vorempfänge keine Ansprüche mehr habe. Mit Kaufvertrag vom 16. 12. 2004 verkaufte die Beklagte die ihr geschenkten Liegenschaften um 233.350 EUR. Die Erblasserin hinterließ drei Kinder: die Streitteile und einen weiteren zum Zeitpunkt der Schenkung bereits geborenen Sohn. Im Verlassenschaftsverfahren nahm der Gerichtskommissär das Übernahmeprotokoll am 29. 6. 2007 auf. Eine Abschrift des Testaments vom 19. 2. 2003 wurde auch dem Kläger zugestellt. Mit Einantwortungsbeschluss vom 4. 8. 2008 wurde die Verlassenschaft dem Sohn der Beklagten eingeantwortet. Bereits im Verlassenschaftsverfahren forderte der Kläger die Anrechnung der Schenkung. Am 10. 10. 2008 brachte er gegen den Erben die „Pflichtteilsklage“ ein. Das nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Erben gegen den Masseverwalter fortgesetzte Verfahren endete mit Vergleich vom 23. 5. 2011 (rechtswirksam seit 27. 6. 2011).

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden, am 10. 8. 2011 eingebrachten Klage 19.062,07 EUR als Schenkungspflichtteil.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls in Gang gesetzte dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB sei zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits abgelaufen gewesen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Einfluss eines Verfahrens wegen Zahlung des Pflichtteils gegen den Erben auf die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Geschenknehmer fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Unstrittig ist, dass für den hier geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Ergänzung seines gesetzlichen Pflichtteils durch Anrechnung von Schenkungen (Schenkungspflichtteil) gegen den Beschenkten (§ 951 Abs 1 ABGB) die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB gilt. Streitpunkt ist nur der Zeitpunkt ihres Beginns.

Ein direkter Anspruch gegen den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils (§ 951 Abs 1 ABGB) setzt voraus, dass der Pflichtteil im Nachlass keine Deckung findet (RIS Justiz RS0012941; RS0012963 [T1]; 5 Ob 105/05k mwN). Der Kläger ist der Ansicht, dass aufgrund dieser nur subsidiären Haftung des Beschenkten die dreijährige Verjährungsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Anspruch auch gegen den Erben feststehe, wie durch ein allfälliges Anerkennen nach Anmeldung/Protokollierung der Anrechnung im Verlassenschaftsverfahren oder ein Anerkenntnis oder ein rechtskräftiges Urteil. Für seine Rechtsansicht vermag er allerdings keine gesetzliche Grundlage anzuführen, worauf schon das Berufungsgericht hinwies, ebensowenig Rechtsprechung oder Lehre. Mit dieser Einzelmeinung zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Es ist zwar richtig, dass die hier strittige Frage des Verjährungsbeginns nicht einhellig beantwortet wurde. Der Oberste Gerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung für den hier gegebenen Fall der testamentarischen Erbfolge ausgesprochen, dass der Anspruch nach § 951 Abs 1 ABGB nach Ablauf von drei Jahren nach Kundmachung des Testaments verjähre (4 Ob 222/09i = EFSlg 127.178 mwN). Andere Entscheidungen setzen den Beginn der Verjährung hingegen mit dem Tod des Schenkers an (6 Ob 202/67 = SZ 40/117; 3 Ob 111/07f). Das neue Außerstreitgesetz, BGBl I 2003/111, das nach seinem § 205 auf das Verfahren über die Verlassenschaft nach der Mutter der Streitteile anzuwenden war, ersetzte die Kundmachung des Testaments durch die Errichtung des Übernahmeprotokolls (§ 152 AußStrG). Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zur Geltendmachung des gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs nach der Judikatur mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls (1 Ob 159/10d mwN = RIS Justiz RS0126541 = JBl 2011, 388 [ Minderock ] ). Nach der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 340/97s = RIS Justiz RS0034357 [T1] abgelehnten Ansicht Rabers (Die Verjährung des Anspruchs auf den Schenkungspflichtteil; entwickelt aus ihren Grundlagen [Schluss], JBl 1988, 217 ff) sei für den Beginn der Frist zur Geltendmachung sowohl des Anspruchs nach § 951 Abs 1 ABGB als auch jenes gegen den Nachlass bzw den Erben auf den Zeitpunkt des „Kennenkönnens“ einer anrechenbaren Schenkung abzustellen. Erforderlich seien die erst durch die Testamentseröffnung erworbene Kenntnis des Noterben, wieviel ihm der Erblasser von Todes wegen hinterlassen habe, sowie das Wissen von der anzurechnenden Schenkung, um die Höhe des Nachlasses vermehrt um den Wert des Geschenks zu berechnen und damit die Grundlage für einen Vergleich des ihm letztwillig tatsächlich Hinterlassenen mit dem ihm rechtlich zustehenden Pflichtteil ziehen zu können. In der Regel werde dafür ein Inventar und seine Zugänglichkeit für den Noterben oder wenigstens das eidesstättige Vermögensbekenntnis Voraussetzung sein. Kralik (in Ehrenzweig , System des österreichischen allgemeinen Privatrechts³, Erbrecht 318) lässt die Verjährung zur Geltendmachung des Schenkungspflichtteils frühestens mit Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Erblassers bzw mit der Kundmachung der letztwilligen Verfügung, sollte diese zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein, beginnen. Umlauft (Die Anrechnungen von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht 343) ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 951 Abs 1 ABGB erst mit Annahme der Erbserklärungen (nunmehr: Erbantrittserklärungen) zu Gericht bzw im Fall eines Erbrechtsstreits erst mit dessen rechtskräftigem Abschluss in Gang gesetzt werde. Für eine (nicht § 951 Abs 1 ABGB unterliegende) „Pflichtteilsergänzungsklage“ stellte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 200/06b = RIS Justiz RS0106004 [T1 und T2] auf den rechtskräftigen Abschluss von anhängigen Erbrechtsstreitigkeiten ab, weil die Einbringung der Pflichtteilsergänzungsklage vor diesem Zeitpunkt nach objektiven Gesichtspunkten unvernünftig sei.

Nach dem Außerstreitgesetz 2003 hat die Entscheidung über das Erbrecht nicht mehr in einem streitigen Erbrechtsprozess, sondern im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen (§§ 161 ff AußStrG). Ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss eines im streitigen Verfahren geführten Erbrechtsstreits kam schon deshalb nicht in Betracht. Dass es im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens Auseinandersetzungen um das Erbrecht gegeben hätte, behauptet der Kläger nicht. Er geht vielmehr selbst (in der Revision) davon aus, dass das Testament nie strittig gewesen sei. Die Übernahme des Testaments der im Mai 2007 verstorbenen Erblasserin und die Errichtung des Übernahmeprotokolls erfolgte am 29. 6. 2007. Bereits während des Verlassenschaftsverfahrens, das mit der Einantwortung des Nachlasses an den im Testament eingesetzten Alleinerben mit Beschluss vom 4. 8. 2008 beendet wurde, forderte der Kläger die Anrechnung der Schenkungen der Erblasserin an die Beklagte, was seine Kenntnis von der Tatsache der Schenkung voraussetzte. Anzumerken ist, dass das Inventar, das den reinen Nachlass auswies und ihm die Möglichkeit eröffnete, den gesetzlichen Pflichtteil (ohne Berücksichtigung der Schenkungen) zu berechnen, nach seinem eigenen Vorbringen in seiner Berufung am 19. 6. 2008 errichtet worden war.

Der erst am 10. 8. 2011 eingeklagte Anspruch auf den Schenkungspflichtteil nach § 951 Abs 1 ABGB ist daher verjährt, unabhängig davon, auf welchen in Judikatur und Lehre diskutierten Zeitpunkt des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB man abstellt. Dass der Kläger in der Annahme, sein Pflichtteilsergänzungsanspruch sei im reinen Nachlass gedeckt, zunächst nur gegen den eingeantworteten Erben einen Prozess führte und nach mehrjähriger Verfahrensdauer einen Vergleich schloss, der nach seinen Behauptungen nicht den gesamten Schenkungspflichtteil abdeckte, hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, die nach herrschender Meinung als objektive, von der subjektiven Einschätzung des Noterben der Berechtigung seines Anspruchs unabhängige Frist konzipiert ist (vgl 4 Ob 222/09i mwN; vgl RIS Justiz RS0034211).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Rechtssätze
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