JudikaturJustiz1Ob13/84

1Ob13/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schubert, Dr. Hofmann und Dr. Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf K*****, vertreten durch Dr. Harald Gerl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Richard Kaan, Rechtsanwalt in Graz, wegen 200.000 S sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Februar 1984, GZ 3 R 14/84-17, womit das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 10. November 1983, GZ 5 Cg 479/82-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Fischereiberechtigter im M***** von der Wehranlage der beklagten Partei in A***** bis zur ehemaligen alten S***** einschließlich des Ober- und Unterwasserkanals auf den im Eigentum der beklagten Partei stehenden Grundstücken ***** Katastralgemeinde K*****. Mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 1. Dezember 1924, und 18. November 1931 wurde der Österreichische Alpine-Montan AG, der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, die wasserrechtliche Bewilligung zum Antrieb für das Elektrizitätswerk auf dem Grundstück ***** Katastralgemeinde K***** erteilt. Das Turbinenhaus auf dem vorgenannten Grundstück trennt den Ober- und Unterwasserkanal. Mit Schreiben vom 22. Februar 1982 wandte sich die beklagte Partei an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung und teilte mit, dass durch die Errichtung eines Casing-Tubing-Werks der Ober- und Unterwasserkanal geschlossen und ein Schüttkörper eingebracht werden müsse. Die beklagte Partei ersuchte um Löschung der Fischereirechte. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung leitete ein Verfahren wegen Auflassung der Wasserkraftanlage der beklagten Partei ein. In der Verhandlung vom 14. April 1982, zu der der Kläger nicht geladen wurde, erklärte der Vertreter der beklagten Partei, dass an eine gänzliche Einstellung des Betriebs der Wasserkraftanlage nicht gedacht und beabsichtigt sei, in drei Jahren eine Änderung der Wasserkraftanlage durchzuführen; auf das bestehende Wasserrecht werde daher nicht verzichtet. Über das Ansuchen der beklagten Partei wurde nicht entschieden. Die beklagte Partei hat den Ober- und Unterwasserkanal zugeschüttet.

Der Kläger begehrt den Betrag von 200.000 S sA und brachte vor, dass er durch Zuschütten des Ober- und Unterwasserkanals in seinem Fischereirecht geschädigt worden sei. Das von der Zuschüttung betroffene Gerinne weise eine Länge von 700 m und eine Breite von 6 bis 8 m auf; es habe sich durch guten Fischbestand ausgezeichnet. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Beim Fischereirecht in Werkskanälen handle es sich um zugewachsene Vorteile, die bei Wegfall keinen Anspruch auf Entschädigung begründen. Für den Fall der Auflassung einer Wasserbenutzungsanlage sehe das Wasserrechtsgesetz keinen Anspruch des Fischereiberechtigen auf Entschädigung vor. Im Übrigen sei in das Fischereirecht des Klägers nicht eingegriffen worden, weil das Wasser zwar nunmehr nicht durch den Werkskanal, aber im ursprünglichen Bett der Mürz fließe. Es handle sich um ein nicht interessantes Fischwasser. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. § 29 WRG verpflichte im Falle der Auflassung des Wasserbenützungsrechts den Wasserbenutzungsberechtigten zur Wiederherstellung des früheren Zustands; das Vorgehen der beklagten Partei sei daher nicht rechtswidrig. Es sei demnach nicht entscheidend, dass der Kläger dem Wasserrechtsverfahren nicht beigezogen worden sei, weil sich durch die Erhebung von Einwendungen gegen die Auflassung des Wasserbenutzungsrechts und die Zuschüttung des Ober- und Unterwasserkanals an der mangelnden Rechtswidrigkeit nichts geändert hätte.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sei nicht strittig, dass dem Kläger das Fischereirecht an dem der beklagten Partei gehörenden Ober- und Unterwasserkanals zustehe. Nach ständiger Rechtsprechung sei das Fischereirecht ein selbstständiges dingliches Recht, das nach den allgemeinen Vorschriften über den Besitz und Erwerb von Privatrechten ersessen und erworben werden könne. Im vorliegenden Fall handle es sich weder um ein mit dem Eigentum an der Liegenschaft, über die der Ober- und Unterwasserkanal führe, verbundenes Fischereirecht noch um ein solches, das mit dem Eigentum an einer anderen Liegenschaft verbunden sei, sondern um eine unregelmäßige Dienstbarkeit. Dieses Fischereirecht des Klägers, das sich auf den Ober- und Unterwasserkanal bezogen habe, habe die beklagte Partei bei ihren Maßnahmen und Vorkehrungen zu respektieren. Durch das Zuschütten des Ober- und Unterwasserkanals habe die beklagte Partei in das Privatrecht des Klägers eingegriffen und dessen Ausübung in diesem Bereich vereitelt. Dass die beklagte Partei im Rahmen ihrer Eigentümerbefugnisse zum Zuschütten des Kanals berechtigt gewesen sei, habe sie nicht der Bedachtnahme auf die dem Kläger zustehenden Fischereirechte enthoben, in die sie durch ihre Handlungsweise rechtswidrig eingegriffen habe. Mit der Auflassung von Wasserbenützungsrechten habe dies nichts zu tun. Allerdings habe die Wasserrechtsbehörde deren Erlöschen festzustellen und auszusprechen, ob der Wasserbenutzungsberechtigte seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder welche sonstigen Vorkehrungen er zu treffen habe. Der Fischereiberechtigte sei aber nach allgemeinen Privatrechtsgrundsätzen vor einer Beeinträchtigung seiner Rechte geschützt. Eine zu seinem Nachteil erfolgende künstliche Veränderung des Wasserlaufs, insbesondere durch völliges Zuschütten, müsse er nicht entschädigungs- und ersatzlos hinnehmen. Es sei auch nicht richtig, dass selbst im Falle des Erlöschens von Wasserbenützungsrechten der Wasserbenutzungsberechtigte schlechthin zur Wiederherstellung des früheren Zustands verpflichtet. sei. Dem § 29 WRG sei eine derartige unbedingte Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustands nicht zu entnehmen. Die beklagte Partei habe demnach durch das Zuschütten des Ober- und Unterwasserkanals schuldhaft und rechtswidrig in das Privatrecht des Klägers eingegriffen. Im fortgesetzten Verfahren werde zu klären sein, ob und in welchem Umfang dem Kläger dadurch ein Schaden erwachsen sei, den die beklagte Partei zu ersetzen habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluss des Berufungsgerichts erhobenen Rekurs der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Der Kläger macht einen Anspruch wegen Beeinträchtigung des Fischereirechts im Ober- und Unterwasserkanal im Werksgelände der beklagten Partei geltend. Unbestritten ist, dass dem Kläger das Fischereirecht nicht nur in der Mürz, sondern auch im Ober- und Unterwasserkanal zusteht. Gemäß § 2 Abs 2 Stmk FischereiG 1964, LGBl 1964/330, (nunmehr FischereiG 1983; LGBl 1983/33), kann das Fischereirecht nach den allgemeinen Vorschriften über den Erwerb und Besitz von Privatrechten erworben und besessen werden. Zur Entscheidung von Streitfällen sind die ordentlichen Gerichte berufen. Das Fischereirecht ist, da es im vorliegenden Fall nicht mit dem Eigentum an einer Liegenschaft verbunden ist, als unregelmäßige, aber veräußerliche und vererbliche Dienstbarkeit zu behandeln; als solche stellt es ein selbständiges dingliches Recht dar (SZ 51/160; SZ 47/88; SZ 47/59; SZ 46/82; Klang in seinem Kommentar2 II 251); der Eigentümer ist nicht berechtigt, diese Dienstbarkeit zu beeinträchtigen. Auf eine wasserrechtsbehördliche Bewilligung, den Ober- und Unterwasserkanal zuzuschütten, vermag sich die beklagte Partei nicht zu berufen. Die Wasserrechtsbehörde hat zwar aufgrund der Mitteilung der beklagten Partei über die beabsichtigte Errichtung des Casing-Tubing-Werkes ein Verfahren wegen Auflassung der bestehenden Wasserkraftanlage eingeleitet; eine behördliche Entscheidung, dass der Ober- und Unterwasserkanal zugeschüttet werden dürfe, ist aber nicht ergangen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob in einem solchen Fall ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung zu Recht bestünde.

Gemäß § 413 ABGB darf niemand solche Werke anlegen, die den ordentlichen Lauf des Flusses ändern oder die der Fischerei oder anderen Rechten nachteilig werden können. Unter der „Anlage" von Werken ist nicht nur deren Errichtung, sondern auch deren Entfernung zu verstehen, wenn dadurch bestehende Rechte verletzt werden. Auch dass die beklagte Partei Eigentümerin der Grundstücke ist, über die das Wasser im Ober- und Unterwerkskanal floss, berechtigte sie also nicht, diesen Werkskanal, der als Nebengerinne der Mürz, wie diese selbst, ein öffentliches Gewässer darstellt (vgl § 2 Abs 1 lit a WRG; Grabmayer-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht2, 26 Anm 3; VwGH 27. 5. 1911, Slg 8270/A), zuzuschütten und damit das darin bestehende Fischereirecht des Klägers zu vernichten. Für diesen Eingriff der beklagten Partei in das Privatrecht des Klägers gebührt diesem, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen Ersatz (vgl auch Renoldner, Wasserrechtsbehörde und Fischereirecht, JBl 1972, 304). Demzufolge ist dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.