JudikaturJustiz18OCg2/16t

18OCg2/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätin Hon.-Prof. Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** E*****, vertreten durch Dr. Andreas Stranzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

A. den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag der klagenden Partei, das Verhandlungsprotokoll vom 22. Juni 2016 in näher bezeichneter Weise zu berichtigen, wird abgewiesen.

II. Die am 1. August 2016 und am 26. August 2016 eingebrachten Schriftsätze der klagenden Partei werden samt den vorgelegten Urkunden zurückgewiesen.

B. zu Recht erkannt:

Das Begehren der klagenden Partei,

„Der Schiedsspruch vom 22. Dezember 2015, erlassen im Ad-hoc-Schiedsverfahren zwischen den Parteien B***** als Schiedsklägerin einerseits und ***** E***** als Schiedsbeklagtem andererseits vom Ad hoc Schiedsgericht bestehend aus RA Dr. Gerold Zeiler (Vorsitzender), RA Dr. ***** und RA *****, mit welchem

1. die Vereinbarung zwischen der Schiedsklägerin, B***** AG, und dem Schiedsbeklagten, ***** E*****, vom 23. 11. 2000 über die vorzeitige Abfindung der Ruhegenussansprüche gemäß Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 samt Nachträgen aufgehoben wird und

2. der Schiedsbeklagte schuldig erkannt wird, der Schiedsklägerin die mit 305.924,24 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 48.741,57 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen,

wird in seinem ganzen Inhalt aufgehoben.“

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.427,61 EUR (darin 3,84 EUR Barauslagen; 571,27 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu A.

I. Gemäß § 209 Abs 1 ZPO ist in jedes Protokoll über eine mündliche Verhandlung nebst den Angaben, welche den Gang der Verhandlung im Allgemeinen erkennen lassen, der Inhalt des sich auf den Sachverhalt beziehenden Vorbringens in gedrängt zusammenfassender Darstellung aufzunehmen. Gemäß § 210 Abs 1 ZPO ist dabei nach Tunlichkeit auf vorbereitende Schriftsätze Bezug zu nehmen; soweit solche vorliegen, genügt es, wenn alle erheblichen Abweichungen des mündlichen Vorbringens protokolliert werden.

Das Verhandlungsprotokoll vom 22. 6. 2016 entspricht sowohl seiner Form als auch seinem Inhalt nach diesen Voraussetzungen. Die Protokollierung gibt im Zusammenhalt mit den vorbereitenden Schriftsätzen, auf die der Kläger verwiesen hat, sein Prozessvorbringen vollständig und korrekt wieder. Der Senat sieht sich daher zu der begehrten Korrektur und Ergänzung des Protokolls nicht veranlasst. Von der Abweisung des Protokollberichtigungsantrags ist auch das Kostenersatzbegehren dieses Antrags umfasst.

Die Einwendungen des Klägers in seinem Widerspruch wurden dem Protokoll angefügt (§ 212 Abs 2 ZPO). Für das Kostenersatzbegehren des Widerspruchs besteht keine Grundlage.

II. Die im Spruch genannten Schriftsätze des Klägers wurden nach Schluss der Verhandlung vorgelegt. Sie sind damit nicht mehr urteilsgegenständlich (§ 193 Abs 1 ZPO).

Zu B.

I. Unstrittig ist, dass der Kläger von 1978 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 Vorstandsmitglied und ab 1. 6. 1995 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) war. Vertragliche Grundlage für seine Dienststellung als Generaldirektor war der Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 samt Änderungen vom 22. 9. 1998 und 29. 11. 2000, der auch Regelungen über Ruhegenuss und Versorgungsansprüche des Klägers sowie eine Schiedsklausel enthielt. Diese sah ein aus fünf Personen bestehendes Schiedsgericht vor, wobei als Vorsitzender der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes oder eine von ihm namhaft gemachte Persönlichkeit mit juristischer Qualifikation fungieren sollte.

Aufgrund der mit dem BudgetbegleitG 2001 in Aussicht genommenen steuerlichen Änderungen vereinbarten der Kläger und die Beklagte am 23. 11. 2000, dass seine Ruhe und Versorgungsgenussansprüche mit einer Einmalzahlung von 6.828.252,07 EUR vorzeitig abgefunden werden sollten. Diese Pensionsabfindungsvereinbarung enthielt keine Schiedsklausel. Der überwiegende Teil der Abfindung (70.000.000 ATS) floss einer Privatstiftung zu.

Mit Vertrag vom 2. 8. 2001 wurde das Dienstverhältnis des Klägers bis zum Pensionsantritt am 24. 4. 2003 verlängert. Dieser Anstellungsvertrag enthielt ua folgende Klauseln:

XII.

Ruhegenuss, Versorgungsgenüsse

3. Der Anspruch des Vorstandvorsitzenden auf Ruhegenuss sowie der Anspruch der Gattin auf Witwenpension gemäß Punkt XIV Absatz (1) und (3) wurde gemäß Schreiben vom 16. 11. 2000 abgefunden und ist damit zur Gänze erfüllt. Ein weiterer Anspruch gegenüber der Gesellschaft besteht nicht. …

„XIX.

Schiedsgericht

Zur endgültigen Entscheidung aller Streitigkeiten zwischen den Vertragsteilen im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag ist unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein dreigliedriges Schiedsgericht zuständig. …

Im Zuge des B***** Skandals wurde dem Kläger vorgeworfen, Millionen von EURO mit „Karibikgeschäften“ im Wesentlichen gemeinsam mit dem Investmentbanker Dr. W***** F***** verspekuliert zu haben. Dem Kläger wurde von der Staatsanwaltschaft Wien ua Betrug zur Last gelegt, indem er

„B) im November 2000 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten um insgesamt 6,828.252 EUR unrechtmäßig zu bereichern, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der B*****, und – teilweise – durch diesen die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats durch Täuschung über Tatsachen, nämlich

2. am 23. November 2000 der Abfindung der Anwartschaftsrechte des [Klägers] und dessen Ehegattin […] auf eine vertraglich vereinbarte Betriebspension zuzustimmen und die am 24. November 2000 erfolgte Auszahlung zu veranlassen, wodurch der B***** ein Schaden von 6.828.252 EUR (93.958.797 S) entstand.“

Der Schuldspruch wurde vom Obersten Gerichtshof mit Erkenntnis vom 23. 12. 2010, GZ 14 Os 143/09z, in diesem Anklagepunkt aufgehoben. Die Beklagte hielt die von der Staatsanwaltschaft Wien insoweit zurückgezogene Anklage als Subsidiaranklage aufrecht.

Gestützt auf die Schiedsklausel des Dienstvertrags vom 24. 5. 1995 übersandte die Beklagte als Schiedsklägerin dem Kläger als Schiedsbeklagten mit Schriftsatz vom 10. 12. 2014 die ( erste ) Schiedsklage , in der sie die Aufhebung der Pensionsabfindungsvereinbarung begehrte und in Entsprechung der Schiedsklausel zwei Beisitzer des Schiedsgerichts benannte.

Der Kläger wandte ua die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, die mangelnde Schiedsfähigkeit und die Befangenheit des Schiedsgerichtsvorsitzenden ein und machte unter Protest ebenfalls zwei Schiedsrichter namhaft.

Mit Schriftsatz vom 12. 2. 2015 zog die Beklagte die Schiedsklage ohne Anspruchsverzicht zurück.

Mit Schreiben vom 23. 3. 2015 machte der Kläger seine Zustimmung zur Klagerückziehung davon abhängig, dass die Beklagte die Kosten des Einschreitens seines Rechtsvertreters übernehme und gab auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 6.828.252,07 EUR Schriftsatzkosten von 10.288,35 EUR bekannt (Beil ./E).

Mit Schreiben vom 9. 3. 2015 erklärte die Beklagte, eine Bewertung des Streitgegenstands sei nicht erfolgt. Sie bot Kostenersatz auf Basis des Zweifelsstreitwerts iSd § 14 RATG (Bemessungsgrundlage: 21.800 EUR) und bei Ablehnung die Einholung eines Kammergutachtens gemäß § 28 Abs 1 lit f RAO an.

Der Kläger lehnte dies ab und erhob mit Schreiben vom 11. 3. 2015 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 608 Abs 2 Z 2 ZPO über die mögliche Beendigung eines Schiedsverfahrens gegen die Klagezurückziehung Widerspruch.

Mit Schriftsatz vom 3. 3. 2015 brachte die Beklagte gegen den Kläger die hier verfahrensgegenständliche zweite Schiedsklage ein, die sie auf die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 stützte. Die Beklagte begehrte die Aufhebung der Pensionsabfindungsvereinbarung, in eventu die Feststellung ihres Erlöschens, und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Kläger habe gewusst, dass er bei Bekanntwerden der Verluste aus den Spekulationsgeschäften die Ruhegenussansprüche verloren hätte und habe deshalb auf deren vorzeitige Abfindung gedrängt. Er habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten über ihre wirtschaftliche Lage und über seine eigenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Kreditvergaben an Dr. F***** zuzurechnende Gesellschaften getäuscht, wofür er auch rechtskräftig wegen schwerer Untreue (§§ 153 Abs 1 und 2 2. Fall StGB) verurteilt worden sei. Ein Widerruf der Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied und seine Entlassung seien nur unterblieben, weil der Gesamtaufsichtsrat über die Pflichtverletzungen aufgrund gezielter Fehlinformationen und Verschleierungsmaßnahmen des Klägers bis zu seinem Pensionsantritt keine Kenntnis erlangt habe. Hätte die Beklagte darüber Bescheid gewusst, hätte sie die Ruhegenussansprüche nicht abgefunden. Die Anfechtung der Pensionsabfindungsvereinbarung werde auf Irrtum und arglistige Irreführung gestützt.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien sprach den Kläger in der Verhandlung vom 21. 12. 2015 vom Betrugsvorwurf frei.

Das Schiedsgericht hob mit Schiedsspruch vom 22. 12. 2015 die zwischen den Streitteilen geschlossene Pensionsabfindungsvereinbarung wegen listiger Irreführung auf. Die Aufhebung dieses Schiedsspruchs ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

II. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Schiedsspruchs mit folgendem Vorbringen:

1. Das Schiedsgericht habe eine unrichtige Zuständigkeitsentscheidung getroffen (§ 611 Abs 2 Z 1 ZPO). Es habe sich auf die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 gestützt, die sich nur auf „Streitigkeiten zwischen den Vertragsteilen im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag“ bezogen habe, nicht aber auf die Vereinbarung über die Pensionsabfindung. Letztere sei eine vom Anstellungsvertrag vom 2. 8. 2001 gesonderte Vereinbarung, gehe diesem allein in zeitlicher Hinsicht über acht Monate voraus und beinhalte keine Schiedsklausel. Die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 sollte auch nicht zurückwirken, weil die Parteien darin bestimmt hätten, dass die bisherigen Regelungen des Dienstvertrags außer Kraft treten und alle Ansprüche des Klägers auf Ruhegenuss abgefunden seien. Mit der einvernehmlichen Aufhebung des Dienstvertrags aus dem Jahr 1995 sei auch die dort vereinbarte Schiedsklausel aufgehoben worden. Eine Heilung der Unzuständigkeit iSd § 592 Abs 2 ZPO sei nicht eingetreten.

2. Es liege ein Verstoß gegen die Streitanhängigkeit des ersten Schiedsverfahrens vor (§ 611 Abs 2 Z 1 und Z 5 ZPO). Nach der Rechtsprechung sei mit der Zustellung der Klage an den Schiedsbeklagten Schiedshängigkeit gegeben. Bei Ad hoc Schiedsverfahren müsse es dafür auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks durch den Kläger ankommen, weil das Schiedsgericht bei Klageeinbringung noch nicht konstituiert sei. Der Kläger habe der Klagerücknahme widersprochen und habe ein berechtigtes Interesse an der endgültigen Beilegung der Streitigkeit, weil die Kostenfrage nicht geklärt sei und die Beklagte zwischenzeitig die zweite Schiedsklage zum selben Streitgegenstand eingebracht gehabt habe. Die Sperrwirkung des ersten Schiedsverfahrens sei auch nicht weggefallen. Dass sich der Präsident des ÖGB geweigert habe, das Amt des Vorsitzenden zu übernehmen, habe der Kläger erst im zweiten Schiedsverfahren in der Verhandlung am 18. 11. 2015 erfahren. Der faktische Stillstand des ersten Schiedsverfahrens hätte durch Ersatzbenennung rasch beendet werden können. § 584 Abs 3 ZPO sei auf das Verhältnis zwischen Schiedsgerichten nicht anwendbar. Es sei auch nicht ersichtlich, warum das erste Schiedsgericht nicht innerhalb angemessener Frist entscheiden hätte können. Dass sich ein Schiedsgericht für zuständig erkläre, indem es sich auf die Nichtkonstituierung eines anderen Schiedsgerichts berufe, durch diese Entscheidung aber selbst die entsprechende Konstituierung verhindere, werde auch als Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO) geltend gemacht.

3. Der Kläger sei an der Geltendmachung seiner Angriffs und Verteidigungsmittel gehindert worden (§ 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO). Er habe in mehreren E-Mails und Schreiben auf seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen, Verhandlungen an seinem Hauptwohnsitz vorgeschlagen, seine eingeschränkte Transport- und Verhandlungsfähigkeit, einen bevorstehenden operativen Eingriff, den folgenden Rehabilitationsaufenthalt und die krankheitsbedingte Notwendigkeit eines Aufenthalts an der Nordsee dargelegt und schließlich um Einvernahme ab 3. 12. 2015 ersucht. Dies hätte das Schiedsverfahren auch nicht verzögert. Dass das Schiedsgericht seinen Gesundheitszustand außer Acht gelassen und das Schiedsverfahren ohne seine Einvernahme beendet habe, stelle eine Gehörverletzung dar. Das Landesgericht für Strafsachen Wien sei am 21. 12. 2015 durch seine Einvernahme überzeugt gewesen, dass ihm keine Täuschungshandlung und kein listiges Verhalten bezüglich der Pensionsabfindung zu unterstellen sei. Mit seiner Einvernahme hätte das Schiedsgericht zum gleichen Ergebnis kommen müssen. Sein Rechtsvertreter habe sich zu einem von der Beklagten vorgelegten Zeitungsartikel, wonach sich der Kläger im Oktober 2015 in einem Restaurant in Wien befunden habe, nicht äußern können. Die Feststellung des Schiedsgerichts, dass der Kläger dem Zeitungsbericht nicht widersprochen habe und es deshalb von seiner Richtigkeit ausgehe, sei akten- und prozessrechtswidrig.

4. Es liege ein Verstoß gegen den materiell und den formell rechtlichen ordre public und eine Gehörverletzung vor (§ 611 Abs 2 Z 8, Z 5, Z 2 ZPO).

Der Freispruch des Klägers vom 21. 12. 2015 und der schon am Folgetag ergangene Schiedsspruch über die Aufhebung der Pensionsabfindungsvereinbarung – der erst für den 31. 1. 2016 in Aussicht genommen gewesen sei – stünden in einem unauflösbaren Widerspruch, weil das Schiedsgericht eine Täuschungshandlung bejaht, das Strafgericht aber verneint habe. Das Schiedsgericht habe den Aufsichtsratsvorsitzenden als „in kollusiver Weise an der listigen Irreführung“ des Aufsichtsrats der Beklagten handelnden Mittäter des Klägers gesehen, während das Landesgericht für Strafsachen Wien keine listige Irreführung durch den Kläger erkennen habe können, weil er seinem Aufsichtsratspräsidenten die Verluste offen gelegt und nicht damit rechnen habe können, dass sich der Aufsichtsratspräsident vorbehalten würde, ob und wann er persönlich den Aufsichtsrat und den Eigentümer davon informiere. Die Begründung des Schiedsgerichts, der Kläger habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden ausdrücklich aufgetragen, die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats nicht über den tatsächlichen Verlauf der Geschäfte mit Dr. F***** zu informieren, sei aktenwidrig. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe die Verlustursachen auch nicht dahin verwendet, das Dienstverhältnis mit dem Kläger mit sofortiger Wirkung zu beenden. Selbst wenn der Kläger dem Aufsichtsratsvorsitzenden die festgestellte Weisung erteilt hätte, hätte sich dieser nicht daran halten müssen. Der Aufsichtsrat hätte die Informationen auch eigenständig beischaffen können. Damit sei jegliche Willensbeeinflussung durch den Antrag des Klägers auf Gewährung der Pensionsabfindung ausgeschlossen.

Der ordre public umfasse auch die „strafrechtlichen Wiederaufnahmegründe“ als tragende Grundwertungen des österreichischen Prozessrechts. Der vorliegende Fall sei einem solchen strafrechtlichen Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 1 bis 5 ZPO wertungsmäßig gleichzuhalten und falle unter § 611 Abs 2 Z 5 ZPO. Das Schiedsgericht habe den Freispruch ignoriert und versucht, jedwede Auseinandersetzung damit zu verhindern. Der Schiedsspruch baue auch auf einem nicht verwertbaren „witness statement“ des Aufsichtsratsvorsitzenden auf, das der Beklagtenvertreter am Ende der Schiedsverhandlung zurückgezogen habe. Alle anderen Zeugen seien zur Beurteilung der Frage, ob die Abstimmung im Aufsichtsrat über die Zuerkennung der vorzeitigen Pensionsabfindung auf Basis allenfalls unvollständiger Informationen erfolgt sei, irrelevant, weil sie nicht stimmberechtigt gewesen seien. Damit gebe es kein Beweisergebnis, wonach der Kläger den Aufsichtsrat der Beklagten im November 2000 getäuscht hätte. Der Schiedsspruch sei auch in drei weiteren Punkten aktenwidrig, womit der formell rechtliche ordre public und das rechtliche Gehör des Klägers verletzt werde.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wandte zusammengefasst ein:

1. Die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts sei richtig. Im Anstellungsvertrag 2001 sei hinsichtlich der Schiedsklausel lediglich die Zusammensetzung des Schiedsgerichts geändert worden. Die Pensionsabfindungsvereinbarung stehe in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zum Anstellungsverhältnis, sodass sie von der objektiven Reichweite der vereinbarten Schiedsklausel gemäß Anstellungsvertrag 2001 gedeckt sei. Dass die Pensionsabfindungsvereinbarung eine vom Anstellungsverhältnis losgelöste völlig selbständige Vereinbarung sei, ergebe sich weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Gesamtzusammenhang des Anstellungsverhältnisses noch aus dem Wortlaut des Anstellungsvertrags 2001. Der Einwand sei auch rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger im ersten Schiedsverfahren die Unzuständigkeit des ersten Schiedsgerichts eingewandt habe und nun vorbringe, dieses sei doch zuständig gewesen.

2. Die behauptete Streit /Schiedsanhängigkeit sei weder unter § 611 Abs 2 Z 1 noch Z 5 ZPO subsumierbar. Sie liege auch nicht vor, weil die erste Schiedsklage noch vor Konstituierung des Schiedsgerichts zurückgezogen und das Schiedsverfahren dadurch ad hoc beendet worden sei. Eine Konstituierung des Schiedsgerichts nach Klagerückziehung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der vom Kläger erhobene Widerspruch sei ungültig. Der Kläger habe auch kein Interesse an der Durchführung des ersten Schiedsverfahrens, weil er zufolge seiner Einwände gerade keine Sachentscheidung gewollt habe. Einen Kostenersatzanspruch des Klägers habe die Beklagte nicht bestritten, er habe aber auf die Einigungsvorschläge der Beklagten nicht reagiert. Daraus ein angebliches Interesse an der Weiterführung des ersten Schiedsverfahrens zu konstruieren, sei rechtsmissbräuchlich. Mangels Konstituierung des ersten Schiedsgerichts sei eine Entscheidung nicht nur nicht „in angemessener Zeit“, sondern gar nicht zu erlangen gewesen. Der Kläger habe auch keine weiteren Maßnahmen zur Konstituierung des Schiedsgerichts ergriffen. Im Übrigen hätte dieses auch nur seine eigene Unzuständigkeit aussprechen können.

3. Auch eine Gehörverletzung liege nicht vor. Der Kläger sei im Schiedsverfahren durchgehend anwaltlich vertreten gewesen. Er sei der Schiedsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben, die Beweismittel für seine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit seien untauglich gewesen. Das Schiedsgericht habe sich mit seinen Entschuldigungsgründen auch mehrfach auseinandergesetzt. Der Kläger habe von der ihm eingeräumten Möglichkeit, ein witness statement vorzulegen oder einen post hearing brief zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht. Er habe auch den ihm auferlegten Kostenvorschuss nicht bezahlt, womit nach Lehre und Judikatur keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliege. Die Nichtbeachtung der medialen Berichterstattung durch das Schiedsgericht über den Freispruch des Klägers im Strafverfahren begründe keine Gehörverletzung. Der Klagevertreter habe sich auch zu dem Zeitungsartikel äußern können.

4. Ein diametraler Widerspruch zwischen dem Schiedsspruch und dem Freispruch liege nicht vor, weil die listige Irreführung nach § 870 ABGB vom Betrugstatbestand des § 146 StGB zu unterschieden sei, sowohl das Zivil- als auch das Strafgericht aber auch eine bewusste Täuschung durch den Kläger bejaht hätten. Der Kläger versuche, die rechtliche Beurteilung und die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts anzugreifen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar seien. Dies gelte auch für die vermeintlichen Aktenwidrigkeiten. Der Freispruch des Aufsichtsratsvorsitzenden und die – aufgehobene – Verurteilung im Zusammenhang mit dem Kredit über 200 Mio USD seien nicht entscheidungswesentlich gewesen. Das witness statement des Aufsichtsratsvorsitzenden sei auch nicht verwertet worden. Es lägen auch keine sonstigen Ordre public-Verletzungen vor.

III. Feststellungen

Nach Verlesung der vorgelegten Urkunden steht über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt fest:

1. Zum ersten Schiedsverfahren

Mit Schreiben vom 11. 3. 2015 erhob der Kläger gegen die Klagerückziehung Widerspruch (Beil ./G).

Mit E-Mail vom 18. 3. 2015 teilte einer der von den Streitteilen namhaft gemachten Schiedsrichter dem Klagevertreter mit Einverständnis der weiteren Schiedsrichter mit (Beil ./R):

„Das Schiedsgericht wird auf Ihre Eingabe nicht reagieren können. Und zwar schon deshalb, weil sich das Schiedsgericht noch nicht konstituiert hat und sich schon infolge der Klagerücknahme gar nicht mehr konstituieren kann. Im Übrigen sind die von Ihnen ins Treffen geführten Bestimmungen der ZPO im Schiedsverfahren nicht anwendbar. Ergänzend sei noch hinzugefügt, dass Ihr Mandant das angerufene Schiedsgericht ohnehin für unzuständig hält. Wie gesagt: Das ist keine 'geschäftsordnungsmäßige' Erledigung Ihrer Eingabe, weil dies gar nicht möglich ist. Ich schreibe Ihnen aus kollegialen Gründen, damit Ihr Antrag nicht „in der Luft hängt.“

Eine Konstituierung des Schiedsgerichts fand nicht statt und wurde von den Streitteilen auch nicht weiter betrieben.

2. Zum Verlauf des zweiten Schiedsverfahrens

2.1. Zur Hinderung an der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln

Der Kläger war im zweiten Schiedsverfahren durchgehend anwaltlich vertreten.

Der Klagevertreter erwähnte in der E-Mail vom 11. 5. 2015 (Beil ./EE) den schlechten Gesundheitszustand des Klägers und gab mit Schreiben vom 5. 6. 2015 (Beil ./V) bekannt, dass der Kläger nicht in der Lage sei, zu mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen nach Wien zu reisen, wiewohl er von seinem Recht auf Teilnahme an mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen unbedingt Gebrauch machen möchte. Der Kläger schlage daher vor, diese am Hauptwohnsitz in einer von ihm organisierten Lokalität abzuhalten.

Mit Prozessleitender Verfügung Nr 1 vom 10. 8. 2015 (Beil ./W und ./X) gab das Schiedsgericht den Termin für die Schiedsverhandlung zur Beweisaufnahme (18.–20. 11. 2015) bekannt. Mit Prozessleitender Verfügung Nr 2 desselben Tages (Beil ./Y) ersuchte es um detaillierte Darlegung des Gesundheitszustands und allfälliger Einschränkungen der Bewegungs- oder Reisefreiheit des Klägers, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen er seinen Aufenthaltsort wechseln könne, sowie jeweils um ärztliche Bestätigungen.

Mit Schreiben vom 31. 8. 2015 (Beil ./FF) gab der Kläger bekannt, „derzeit aus physischen Gründen nicht transport- und – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt verhandlungsfähig“ zu sein. Für den 16. 9. 2015 sei ein Operationstermin festgelegt.

Mit Prozessleitender Verfügung Nr 3 (Beil ./2) wies das Schiedsgericht den Kläger ua auf den fehlenden Nachweis für eine Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit im Zeitraum 18.–20. 11. 2015 hin. Für den Fall, dass ihm aus gesundheitlichen Gründen eine Teilnahme an der Schiedsverhandlung nicht möglich sei, werde sein rechtliches Gehör durch die Anwesenheit seines Rechtsvertreters gewahrt. Das Schiedsgericht werde im Anschluss an die Vernehmung der Zeugen auf seinen Antrag auch abschließende schriftliche Stellungnahmen (post hearing briefs) zulassen.

Mit Prozessleitender Verfügung Nr 4 vom 12. 11. 2015 wies das Schiedsgericht einen Antrag des Klägers vom 6. 11. 2015, seine Einvernahme auf einen Tag nach dem 30. 11. 2015 zu verlegen, da er sich bis Ende November 2015 auf Rehabilitation befinden würde, ab.

Mit Schriftsatz vom 17. 11. 2015 beantragte der Kläger die Verlegung seiner Einvernahme auf einen Tag nach dem 2. 12. 2015 und legte eine ärztliche Bestätigung vor, wonach ein Aufenthalt im Seeklima geeignet sei, zur Stabilisierung seiner Atemsituation beizutragen und ihm dieser dringend angeraten worden sei (Beil ./JJ).

In der Schiedsverhandlung am 18. 11. 2015 war der Kläger nicht anwesend. Das Schiedsgericht wies auch den zuletzt genannten Antrag des Klägers ab.

Am 19. 11. 2015 beantragte der Klagevertreter eine Telefonkonferenz mit dem Kläger zur persönlichen Schilderung seines Gesundheitszustands, in eventu für den Folgetag die Einvernahme des Klägers mittels Videokonferenz. Das Schiedsgericht wies diese Anträge ab (Schiedsspruch Rz 94). Aus der Sicht des Schiedsgerichts lagen auch bei dieser Gelegenheit keine tauglichen Beweismittel vor, die über den Gesundheitszustand oder eine allfällige Reiseunfähigkeit des Klägers Auskunft geben hätten können.

2.2. Hinsichtlich der Urkunden fragte der Vorsitzende des Schiedsgerichts (hearing vom 18./19. 11. 2015, Beil ./S S 41), ob sich daraus etwas ergebe, was nicht schon aus den Schriftsätzen bekannt sei. Der Klagevertreter antwortete, dass er „im Wesentlichen zu allem sage, es wird zur Richtigkeit des eigenen Vorbringens verwiesen mit Ausnahme von vorgelegten Urteilen und Gesetzestexten“.

2.3. Der Präsident des ÖGB erklärte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme, das Amt des Vorsitzenden des (ersten) Schiedsgerichts nicht übernommen zu haben, weil er sich zur Erfüllung der Aufgabe nicht imstande gefühlt und es auch nicht gewollt habe (Beil ./S S 87).

3. Zur Begründung des Schiedsspruchs

3.1. Im Hinblick auf die Unzuständigkeitseinrede des Klägers legte das Schiedsgericht die Schiedsklausel im Anstellungsvertrag vom 2. 8. 2001 zusammengefasst dahin aus, dass sie schon nach ihrem Wortlaut („alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag“) auch die verfahrensgegenständlichen Ansprüche erfasse (Schiedsspruch Rz 109 ff).

3.2. Zum Einwand der Streitanhängigkeit (richtig: Schiedshängigkeit) führte das Schiedsgericht aus (Schiedsspruch Rz 153 ff), in ad hoc Schiedsverfahren trete Schiedshängigkeit bereits im Zeitpunkt des Zugangs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beim Schiedsbeklagten ein. Ein eingeleitetes Schiedsverfahren könne nur noch auf die in § 608 ZPO aufgezählten Weisen enden. Unterbleibe bei Klagerückziehung ein entsprechender Beschluss, habe dies grundsätzlich die fortdauernde Sperrwirkung infolge des Prozesshindernisses der Schiedshängigkeit zur Folge. Dass das Schiedsgericht noch nicht konstituiert gewesen sei, ändere daran nichts. Allerdings falle gemäß § 584 Abs 3 zweiter Satz ZPO die Sperrwirkung weg, wenn die Unzuständigkeit des ersten Schiedsgerichts spätestens mit der Einlassung in die Sache gerügt worden sei und eine Entscheidung des Schiedsgerichts hierüber in angemessener Dauer nicht zu erlangen sei. Das sei hier zu bejahen: Das erste Schiedsgericht habe sich nicht konstituiert, die Streitteile hätten keine Schritte gesetzt, um die Konstituierung zu erreichen. Aufgrund der Weigerung der von den ersten Schiedsrichtern übernommenen Verpflichtung, sich zur Entscheidung über den Widerspruch des Schiedsbeklagten als Schiedsgericht zu konstituieren, wäre ihm die Möglichkeit offen gestanden, die endgültige Entscheidung eines ordentlichen Gerichts über die Beendigung des Schiedsrichteramtes gemäß § 590 Abs 2 ZPO infolge Untätigkeit zu beantragen. Das sei nicht geschehen. Im ersten Schiedsverfahren habe es keinerlei Entwicklung gegeben. Der Präsident des ÖGB habe es abgelehnt, den Vorsitz im ersten Schiedsverfahren zu übernehmen.

3.3. Zu den auf seinen Gesundheitszustand bezogenen (Verlegungs-)Anträgen des Klägers legte das Schiedsgericht ausführlich dar (Rz 193–216), warum die vorgelegten Dokumente weder eine andauernde noch eine vorübergehende Reiseunfähigkeit bescheinigten. Auch aus der dringlichen ärztlichen Empfehlung eines Aufenthalts an der Nordsee ergebe sich die Reisefähigkeit des Klägers. Der Termin der Schiedsverhandlung sei drei Monate davor angekündigt gewesen, sodass auch ausreichend Gelegenheit zur zeitgerechten Mitteilung eines solchen Aufenthalts bestanden habe. Der Kläger habe dem von der Beklagten am 10. 11. 2015 vorgelegten Bericht einer Tageszeitung, nach dem er sich nur Tage vor der Schiedsverhandlung in einem Restaurant in Wien aufgehalten habe, nicht widersprochen, sodass von der Richtigkeit des Zeitungsberichts ausgegangen werde (Rz 207 f). Die Verantwortung des Klägers sei unglaubwürdig, es habe daher kein Anlass für seine Vernehmung per Videokonferenz bestanden.

3.4. In rechtlicher Hinsicht sei auch nach der Aufhebung des § 268 ZPO von der Bindungswirkung strafgerichtlicher Verurteilungen für Zivil- und für Schiedsverfahren auszugehen, das Schiedsgericht sei daher an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten wegen § 153 Abs 1 und 2 StGB gebunden. Es stehe fest, dass der Kläger als Vorsitzender des Vorstands der Beklagten seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Beklagten zu verfügen, wissentlich missbraucht und ihr dadurch einen Vermögensnachteil von rund 1,72 Mrd EUR zugefügt habe. Er habe (im Einzelnen festgestellte) Kreditvergaben getätigt, ua eine Kreditgewährung am 18. 3. 1997 über 200 Mio USD an die S***** Ltd (Rz 308). Der Kläger habe den Aufsichtsrat der Beklagten „teils im Umweg über dessen Vorsitzenden“ über die mit den Kreditnehmern getroffenen Vereinbarungen und das mit der Gewährung der Kredite verbundene hohe Risiko bewusst unrichtig informiert. Im Herbst 1998 sei es zu einem Totalverlust der Investments und damit zu einem vollständigen Ausfall der gewährten Kredite gekommen. Der Kläger habe allen Anwesenden die Weisung erteilt, nach allen Seiten Stillschweigen zu bewahren – ausdrücklich auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Aktionären. Informiert worden sei nur der Präsident des Aufsichtsrats, dem der Kläger ebenfalls ausdrücklich die „Weisung“ erteilt habe, die Information nicht an die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats weiterzugeben. Der Aufsichtsrat (mit Ausnahme des Präsidenten) habe keine Kenntnis von diesen Geschäften gehabt. Der Kläger habe auch gar nicht behauptet, den Aufsichtsrat, mit Ausnahme von dessen Präsidenten, informiert zu haben. Im Gegenteil: Aus dem vom Kläger selbst unterfertigten Protokoll der „geheimen Sondervorstandssitzung“ vom 26. 10. 1998 ergebe sich zwanglos, dass er die Vertuschung der Verluste beabsichtigt habe, gerade zu diesem Zweck Verschleierungsmaßnahmen geplant und durchgeführt sowie die Anweisung erteilt habe, „ausdrücklich auch gegenüber dem Aufsichtsrat“ Stillschweigen zu bewahren.

Tatsächlich wurde im Sitzungsprotokoll (Beil ./DD) festgehalten:

„... wurde die Sachlage nochmals detailliert durchdiskutiert, wobei sich Präsident W***** vollinhaltlich dem Vorstandsbeschluss anschließt und nochmals ausdrücklich die Weisung von GD [Kläger] – also Stillschweigen nach allen Seiten bekräftigt. Präsident W***** behält sich ausdrücklich alleine vor, ob und in welcher Form er die Eigentümer und/oder Aufsichtsräte informiert.“

Im Protokoll der Vorstandssitzung vom Vortag (Beil ./4) ist festgehalten:

„GD [Kläger] erteilt allen Anwesenden die Weisung, nach allen Seiten Stillschweigen zu bewahren – ausdrücklich auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Aktionären, insbesondere gegenüber der ***** *****bank – und behält sich persönlich vor, gegebenenfalls diese zu informieren. … Sodann informiert GD [Kläger] – telefonisch – in Anwesenheit der Vorstandsmitglieder Herr(n) Präsident W*****, der seinerseits die Weisung von GD [Kläger] über das Stillschweigen bestätigt und unterstreicht und sich selbst vorbehält, allenfalls Aufsichtsräte und Eigentümer zu informieren. ...“

3.5. Zur Verantwortung des Klägers hielt das Schiedsgericht zusammengefasst fest, dass er den Aufsichtsrat jahrelang systematisch über Dauer, Umfang und Art der mit Dr. F***** getätigten Geschäfte in die Irre geführt und in Zusammenwirken mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats Vertuschungshandlungen getätigt habe, um die im Jahr 1998 entstandenen massiven Verluste – unter anderem vor dem Aufsichtsrat als Kollegialorgan – zu verheimlichen (Rz 328). Wesentlich sei, ob der Aufsichtsrat von den Verlusten und den daran anschließenden Vertuschungsmaßnahmen und weiteren Geschäften Kenntnis gehabt habe, ob die Kenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden jener des Kollegialorgans Aufsichtsrat gleichzuhalten sei und ob der Aufsichtsrat in Kenntnis der Verluste, der Vertuschungsmaßnahmen und weiterer Geschäfte dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung zugestimmt hätte. Diese Fragen seien infolge der Feststellungen im Schuldspruch und der Zeugenaussagen zu verneinen. Das Schiedsgericht bejahte daher eine arglistige Irreführung des Aufsichtsrats durch den Kläger, an der auch das Wissen des Vorsitzenden des Aufsichtsrats nichts ändere.

4. Zum Freispruch des Klägers

Im Strafverfahren lag jedenfalls bis 29. 1. 2016 weder ein PUV (Protokoll- und Urteilsvermerk) noch ein ausgefertigtes Urteil vor. Der Senatsvorsitzende machte dies von einer Entscheidung über die Beschwerde der Beklagten gegen die Zurückweisung der Anmeldung ihrer Nichtigkeitsbeschwerde abhängig, hielt aber in einem Aktenvermerk die wesentlichen Gründe für den Freispruch des Klägers fest (Beil ./Z).

IV. Beweiswürdigung

Die Feststellungen beruhen auf den genannten Urkunden, deren Echtheit von den Streitteilen nicht bestritten wurde und deren Richtigkeit der Senat nicht bezweifelt. Von der Einvernahme des Klägers konnte aus rechtlichen Erwägungen Abstand genommen werden, weil das Schiedsverfahren im Hinblick auf das Vorliegen von Aufhebungsgründen iSd § 611 Abs 2 ZPO zu überprüfen ist und der Verfahrensverlauf selbst nicht strittig war.

Rechtliche Beurteilung

V. Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts

Der Kläger bestreitet das Bestehen einer Schiedsvereinbarung für die vorliegenden Ansprüche, womit der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 1 ZPO verwirklicht sei.

Schiedsvereinbarungen sind als Prozesshandlungen (Prozessverträge) zu beurteilen. Zur Auslegung des Schiedsvertrags sind daher grundsätzlich die Vorschriften des Prozessrechts heranzuziehen, was aber nicht ausschließt, den von den Parteien mit der Schiedsgerichtsvereinbarung gemeinsam verfolgten Zweck, also die Parteiabsicht und die Grundsätze des redlichen Verkehrs, als Auslegungsmittel heranzuziehen (RIS Justiz RS0045045). Welche Streitigkeiten von der Schiedsvereinbarung umfasst sind, ist auf Grund ihres – nach dem Parteiwillen auszulegenden – Inhalts zu ermitteln (RIS Justiz RS0018023). Wird kein übereinstimmender Parteiwille festgestellt, so ist der Text der das Schiedsgericht betreffenden Vertragsbestimmung einer vernünftigen und den Zweck der Vereinbarung begünstigenden Auslegung zu unterziehen (RIS Justiz RS0018023 [T3] ua). Lässt der Wortlaut der Erklärung zwei gleichwertige Auslegungsergebnisse zu, so gebührt jener Auslegung der Vorzug, die die Gültigkeit des Schiedsvertrags favorisiert (1 Ob 126/00m; 3 Ob 90/16f uva).

Die Streitteile haben sowohl in den Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 als auch in den Anstellungsvertrag vom 2. 8. 2001 eine Schiedsklausel aufgenommen, wobei sich die Schiedsklausel des Dienstvertrags vom 24. 5. 1995 auf „alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag“ und die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 auf „alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag“ bezog. Daraus geht aber die Absicht der Streitteile hervor, sämtliche Streitigkeiten aus der Anstellung des Klägers der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Dass die Pensionsabfindungsvereinbarung vom November 2000 selbst keine Schiedsklausel enthielt, steht dem nicht entgegen, weil sie bloß den Charakter einer Zusatzabrede über die Auszahlung der Ruhe und Versorgungsgenussansprüche des Klägers zu seinem Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 samt Folgeänderungen hat und offenbar auch nur mündlich getroffen wurde. Auch Punkt XII des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001, wonach die Ruhegenussansprüche des Klägers zur Gänze erfüllt sind, lässt sich diesem Verständnis nicht entgegenhalten, weil diese Klausel allfällige Ansprüche aus einer späteren Rückabwicklung der Abfindungsvereinbarung nicht erfasst. Dagegen ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen des bisherigen Dienstvertrags von 1995 mit Wirksamkeit zum 1. 1. 2001 außer Kraft treten sollten, für die Streitteile aber nicht zweifelhaft war, dass das Dienstverhältnis mit dem Anstellungsvertrag vom 2. 8. 2001 nahtlos fortgesetzt werden sollte und sämtliche Ansprüche aus der Anstellung des Klägers weiterhin der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sein sollten. Die Schiedsklausel des Anstellungsvertrag vom 2. 8. 2001 ist nach ihrer Textierung auch weiter als jene des Dienstvertrags vom 24. 5. 1995 gefasst („Streitigkeit im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag“). Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn das Schiedsgericht die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 auch auf den verfahrensgegenständlichen Rückforderungsanspruch bezog. Ein Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 1 ZPO liegt nicht vor.

2. Zum Einwand der Schiedshängigkeit

Der Kläger meint, die Nichtbeachtung der „Streitanhängigkeit“ (Schiedshängigkeit) des ersten Schiedsverfahrens verwirkliche Aufhebungsgründe iSd § 611 Abs 2 Z 1 und Z 5 ZPO.

2.1. Nach § 611 Abs 2 Z 1 ZPO ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn eine gültige Schiedsvereinbarung nicht vorhanden ist, oder wenn das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneint hat, eine gültige Schiedsvereinbarung aber doch vorhanden ist, oder wenn eine Partei nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, zum Abschluss einer gültigen Schiedsvereinbarung nicht fähig ist.

Die Aufhebungsgründe sind in § 611 ZPO taxativ aufgezählt ( Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2 2 § 611 Rz 82 mwN). Die Schiedshängigkeit eines früheren Schiedsverfahrens erfüllt schon tatbestandlich keinen Aufhebungsgrund iSd Z 1 leg cit, erfasst diese Bestimmung mit den ersten beiden Fällen doch Konstellationen, in denen die vertragliche Grundlage der schiedsrichterlichen Entscheidung unrichtig beurteilt wurde, indem sie entweder trotz der Nichtexistenz einer gültigen Schiedsvereinbarung zu Unrecht bejaht wurde (Fall 1) oder trotz des Vorhandenseins einer solchen zu Unrecht verneint wurde (Fall 2). Nur insoweit kann aber – abgesehen vom hier ohnehin nicht zur Diskussion stehenden dritten Fall – die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts einer Prüfung nach Z 1 unterzogen werden (vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2 2 § 611 Rz 93, 100 mwN; Zeiler , Schiedsverfahren 2 § 611 Rz 9, 12). Auf die Nichtbeachtung der Schiedshängigkeit des ersten Schiedsverfahrens trifft das nicht zu.

2.2. Der Kläger beruft sich dazu auch auf § 611 Abs 2 Z 5 ZPO.

2.2.1 Nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist der Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Verfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht. Dies trifft nur bei Verstößen gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu (2 Ob 22/14w mwN). Einen Anhaltspunkt bilden dabei – wie beim Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 2 ZPO – die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann die Aufhebung begründen (4 Ob 185/12b; 18 OCg 3/15p).

2.2.2 Nach österreichischem Zivilprozessrecht ist das – dem Hindernis der Schiedshängigkeit vergleichbare – Prozesshindernis der Streitanhängigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Es führt zur Zurückweisung der späteren Klage. Ein Verstoß gegen das Prozesshindernis verwirklicht einen Nichtigkeitsgrund (stRsp; RIS Justiz RS0039233). Die Beachtung der Streitanhängigkeit als „Vorläuferin“ der materiellen Rechtskraft ( Rechberger/Klicka in Rechberger , ZPO 4 § 233 Rz 7) dient der Vermeidung widersprechender Entscheidungen.

2.2.3 Die Vermeidung widersprechender Entscheidungen durch ein später anhängig gewordenes zweites Schiedsverfahren (oder ein späteres Gerichtsverfahren) bezweckt auch § 584 Abs 3 S 1 ZPO. Danach darf, wenn ein Schiedsverfahren anhängig ist, über den geltend gemachten Anspruch kein weiterer Rechtsstreit vor einem Gericht oder einem Schiedsgericht durchgeführt werden; eine wegen desselben Anspruchs angebrachte Klage ist zurückzuweisen. Nicht nur aus dem österreichischen Verständnis der Streitanhängigkeit als in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmendes Prozesshindernis, das bei Nichtbeachtung mit Nichtigkeitssanktion bedroht ist, sondern auch aus der damit in Einklang stehenden Regelung des § 584 Abs 3 S 1 ZPO heraus ist daher ein Verstoß gegen die Schiedshängigkeitssperre grundsätzlich – außer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 584 Abs 3 S 2 ZPO – ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public.

2.2.4 § 584 Abs 3 S 1 ZPO gilt gemäß § 584 Abs 3 S 2 ZPO (nur) dann nicht, wenn die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts vor diesem spätestens mit der Einlassung in die Sache gerügt wurde und eine Entscheidung des Schiedsgerichts hierüber in angemessener Dauer nicht zu erlangen ist.

Zu Unrecht bezweifelt der Kläger die Anwendbarkeit dieser Regelung mit dem Argument, die Ausnahme gelte nur im Verhältnis zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht, nicht aber zwischen zwei Schiedsgerichten.

Dass in den Materialien zu dieser Bestimmung (ErläutRV 1158 BlgNR 22. GP 10) sowie in Teilen der Literatur ( Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2 2 § 584 ZPO Rz 31 ff; Rechberger/Melis in Rechberger , ZPO 4 § 584 Rz 4 [beide jeweils unter Berufung auf die ErläutRV]) (nur) auf das – in der Praxis bedeutsamere – Verhältnis zwischen dem staatlichen Gericht und dem Schiedsgericht Bezug genommen wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Anwendungsbereich der Regelung schon nach dem Wortlaut weiter gefasst ist: Satz 1 nimmt klar auch auf die Führung von zwei Schiedsverfahren Bezug („Ist ein Schiedsverfahren anhängig, so darf über den geltend gemachten Anspruch kein weiterer Anspruch vor einem Gericht oder einem Schiedsgericht durchgeführt werden“). Warum § 584 Abs 3 S 2 ZPO trotz seiner uneingeschränkten Formulierung („Dies gilt nicht …“) dennoch nur auf das Verhältnis zwischen ordentlicher und Schiedsgerichtsbarkeit anzuwenden wäre, ist nicht ersichtlich (vgl auch Zeiler, Schiedsverfahren² § 584 Rz 16): Der Zweck der Regelung liegt darin, Verschleppungstaktiken zu verhindern ( Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2 2 § 584 ZPO Rz 36; Rechberger/Melis in Rechberger , ZPO 4 § 584 Rz 4). Auch im Verhältnis zwischen zwei Schiedsgerichten kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine Entscheidung des ersten Schiedsgerichts über den Unzuständigkeitseinwand in angemessener Frist nicht zu erlangen ist, etwa weil – wofür der vorliegende Fall ein plakatives Beispiel bildet – schon die Konstituierung des ersten Schiedsgerichts wegen der zuvor erfolgten Klagerücknahme von keiner der Parteien betrieben wird.

2.2.5 Fraglich ist, unter Anlegung welchen Maßstabs im Aufhebungsverfahren eine behauptete Verletzung der Schiedshängigkeitssperre zu prüfen ist, ob also die Rechtsauffassung des Schiedsgerichts umfassend auf ihre Richtigkeit zu überprüfen ist oder ob bereits eine nicht unvertretbare Verneinung eines Verstoßes im Schiedsspruch den Aufhebungsgrund ausschließt. Von Relevanz wäre der anzulegende Prüfungsmaßstab etwa dann, wenn zweifelhaft ist, ob im ersten Verfahren überhaupt Schiedshängigkeit eingetreten ist oder ob die Streitgegenstände identisch sind.

2.2.6 Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage ist allerdings für den konkreten Fall entbehrlich: Das Schiedsgericht hat sowohl den Eintritt der Schiedshängigkeit im ersten Verfahren als auch die Identität der Streitgegenstände und damit die grundsätzliche Berechtigung des vom Kläger erhobenen Einwands der Schiedshängigkeit ohnedies bejaht. Es hat seine inhaltliche Entscheidungskompetenz damit begründet, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 584 Abs 3 S 2 ZPO verwirklicht sind und daher trotz Vorliegens des Hindernisses der Schiedshängigkeit im zweiten Verfahren meritorisch zu entscheiden ist.

Ob aber eine Entscheidung des (ersten) Schiedsgerichts iSd § 584 Abs 3 S 2 ZPO „in angemessener Dauer“ zu erlangen ist, ist unter Auslegung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs in Verbindung mit einer Prognoseentscheidung über den Verlauf des ersten Schiedsverfahrens zu beurteilen. Eine Auslegung, die – wie hier – im unbestimmten Gesetzesbegriff Deckung findet und somit jedenfalls vertretbar ist, widerspricht Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht:

Unstrittig hat sich das erste Schiedsgericht nie konstituiert. Der Kläger erhielt schon am 23. 2. 2015 die Mitteilung eines Schiedsrichters, dass sich das Schiedsgericht noch nicht konstituiert habe, sich infolge der Klagerücknahme nicht mehr konstituieren könne und eine „geschäftsordnungsmäßige“ Erledigung seiner Eingabe nicht möglich sei. Anhaltspunkte dafür, dass es – insbesondere nachdem der Kläger den vorgesehenen Vorsitzenden des Schiedsgerichts mit Schriftsatz vom 3. 1. 2015 abgelehnt hatte – dennoch zu einer Konstituierung des ersten Schiedsgerichts kommen würde, bestanden nicht. Der Kläger bestreitet auch nicht, dass er keine weiteren Maßnahmen zur Konstituierung des Schiedsgerichts ergriffen hat, obwohl diese infolge der Klagerückziehung nur noch in seinem Interesse (Entscheidung über den Widerspruch) gelegen war. Wenn das zweite Schiedsgericht bei dieser Sachlage zum Ergebnis kam, dass eine Entscheidung des ersten Schiedsgerichts mangels seiner Konstituierung nicht nur nicht „in angemessener Dauer“, sondern gar nicht zu erlangen war und deshalb die Zulässigkeit der zweiten Schiedsklage bejahte, so liegt darin kein Widerspruch zu tragenden Grundsätzen des Prozessrechts.

3. Zur Hinderung an der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln

Der Kläger sieht in seiner unterbliebenen Einvernahme einen Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO.

3.1. Nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ist ein Schiedsspruch ua aufzuheben, wenn eine Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte. Inhaltlich regelt dieser Aufhebungsgrund die Verletzung des rechtlichen Gehörs, das den Parteien nach der ausdrücklichen Anordnung des § 594 Abs 2 S 2 ZPO auch in einem Schiedsverfahren zu gewähren ist. Dazu wurde zuletzt zu 18 OCg 3/15p festgehalten, dass der entscheidende Maßstab für diese Beurteilung das Gewicht ist, das einer Gehörverletzung im staatlichen Verfahren beigemessen wird, sollen doch die Anforderungen im Schiedsverfahren nicht strenger sein. Nur wenn die Gehörverletzung im staatlichen Verfahren mit Nichtigkeit zu ahnden wäre oder wenn der Gehörentzug einem Nichtigkeitsgrund wertungsmäßig zumindest nahekommt, wäre der Aufhebungstatbestand erfüllt.

Nach der Rechtsprechung ist das rechtliche Gehör gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können (RIS Justiz RS0005915 [T17], zuletzt 3 Ob 24/15y). War eine Partei im gesamten Verfahren anwaltlich vertreten, „verhandelte“ somit durch diesen gewählten Vertreter und konnte durch diesen auch ihr Vorbringen uneingeschränkt erstatten, begründet die Unterlassung ihrer Einvernahme als Partei keinen Nichtigkeitsgrund, sondern allenfalls einen Verfahrensmangel (10 ObS 100/03h; Spenling in Fasching/Konecny III² § 371 ZPO Rz 17 mwN).

Im vorliegenden Fall war der Kläger im Schiedsverfahren durchgehend anwaltlich vertreten. Dass ihm die Erstattung von Vorbringen oder die Möglichkeit zu Stellungnahmen (ua auch zur Richtigkeit des von der Beklagten vorgelegten Zeitungsartikels) vor, während oder nach Durchführung des Beweisverfahrens versagt worden wäre, behauptet er nicht. Das Unterbleiben seiner Einvernahme ist nach der dargelegten Rechtsprechung nicht geeignet, eine Gehörverletzung iSd Nichtigkeitsgrundes des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO zu verwirklichen. Es liegt daher auch der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 2 ZPO nicht vor.

3.2. Die Unterlassung der Einvernahme des Klägers verwirklicht auch nicht den geltend gemachten Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 5 ZPO.

3.2.1 Weil die Ordre public Klausel eine systemwidrige Ausnahme darstellt, wird allgemein sparsamster Gebrauch gefordert. Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein (RIS Justiz RS0110743; Hausmaninger in Fasching/Konecny IV/2 2 § 611 ZPO Rz 170 f; vgl auch 2.2.1).

3.2.2 Die Ablehnung eines Beweisantrags, die nach staatlichem Prozessrecht mit dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend zu machen ist, ist jedenfalls nicht per se ein derart gravierender Verstoß gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung. Anderes könnte nur gelten, wenn etwa das Schiedsgericht gar kein Beweisverfahren durchführt und den bestrittenen Behauptungen einer Partei einfach willkürlich Glauben schenkt ( Zeiler , Schiedsverfahren² § 611 Rz 29 mwN); allenfalls auch dann, wenn das Schiedsgericht sämtliche wesentlichen Beweisanträge der letztlich unterlegenen Partei grundlos ignoriert hat.

3.2.3 Keiner dieser Fälle liegt hier vor: Das Schiedsgericht hat die Unterlassung der Parteieneinvernahme damit begründet, dass der Kläger – dem nach den Feststellungen die Termine zur Durchführung der Beweisaufnahme unter Hinweis auf die Notwendigkeit von Nachweisen über seine Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit bekannt gegeben wurden –, mit den vorgelegten Urkunden weder seine andauernde noch seine vorübergehende Reiseunfähigkeit für den Zeitraum 18.–20. 11. 2015 ausreichend bescheinigte.

4. Widerspruch zwischen Freispruch und Schiedsspruch

4.1. Der Kläger macht als (weiteren) Verstoß gegen Grundwertungen des materiell-rechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 8 ZPO), des formell-rechtlichen ordre public (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO) und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO) geltend, dass ein diametraler Widerspruch zwischen dem Freispruch vom 21. 12. 2015 des Landesgerichts für Strafsachen Wien und dem einen Tag später ergangenen Schiedsspruch vom 22. 12. 2015 vorliege.

Eine formell oder materiell rechtliche Ordre public Widrigkeit ist hier schon deshalb zu verneinen, weil auch in der staatlichen Gerichtsbarkeit ein Freispruch im Strafverfahren gegenüber dem Zivilrichter keine Bindungswirkung entfaltet. Dieser hat gegebenenfalls vielmehr selbständig das Vorliegen einer strafbaren Handlung zu prüfen (RIS Justiz RS0106015; RS0031554). Das den Kläger freisprechende Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. 12. 2015 ist auch noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Ungeachtet dessen ist weiter zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte in ihrer Schiedsklage auf eine listige Irreführung iSd § 870 ABGB gestützt hat, die nicht den identischen Voraussetzungen wie der Betrugstatbestand des § 146 StGB unterliegt. Arglist erfordert nach bürgerlichem Recht zwar die Absicht oder das Bewusstsein der Täuschung des anderen Vertragspartners, setzt jedoch keine Schädigungsabsicht voraus (RIS Justiz RS0014833) und ist auch nicht vom Eintritt tatsächlicher Nachteile abhängig (RIS Justiz RS0115485), weil das Schutzgut des § 870 ABGB die Willensbildung des Vertragsschließenden ist. Dementsprechend bedeutet „List“ nach der Rechtsprechung so viel wie Betrug, wenn auch nicht im strafrechtlichen Sinn, und kann auch in einer Verschweigung liegen, wenn dadurch eine Aufklärungspflicht verletzt wird (3 Ob 75/06k; 3 Ob 23/13y ua). Eben daran knüpft auch die Begründung des Schiedsgerichts an. Das Abweichen des Schiedsspruchs von den Ergebnissen des Strafverfahrens ist danach nicht geeignet, einen der angezogenen Aufhebungsgründe zu verwirklichen.

4.2. Der Kläger meint in diesem Zusammenhang, dass das Schiedsgericht seine Feststellungen auf keinerlei Beweisergebnisse stützen könne und Aktenwidrigkeiten vorlägen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bietet der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 8 ZPO keine Handhabe für die Prüfung der Frage, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tat und Rechtsfragen richtig gelöst hat (RIS Justiz RS0045124; zuletzt 18 OCg 3/15p mwN).

Dass es für den Schiedsspruch keine Beweise gäbe, trifft nicht zu, weil das Schiedsgericht seine Feststellungen (Rz 302 ff) etwa mit der – Bindungswirkung entfaltenden – rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers begründet hat und sich zur Frage des Kenntnisstandes des Aufsichtsrats mit den Aussagen verschiedener Zeugen auseinandergesetzt hat (Rz 334 ff). Ob diesen mangels Stimmberechtigung im Aufsichtsrat Relevanz zukommen kann, ist in einem Aufhebungsverfahren nicht überprüfbar.

4.3. Inwieweit Aktenwidrigkeiten überhaupt einen Aufhebungsgrund iSd § 611 Abs 2 Z 5 ZPO verwirklichen können, kann hier dahingestellt bleiben, weil die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten nicht entscheidungswesentlich sind oder schon als solche nicht vorliegen:

- Die vermeintliche Verurteilung des Aufsichtsratsvorsitzenden war dem Schiedsgericht offenkundig nur ein Hilfsargument („... wurde überdies rechtskräftig verurteilt“) für seine Begründung, dass die Informationspolitik des Klägers keine ordnungsgemäße Information des Kollegialorgans Aufsichtsrat darstellte.

- Die Feststellung, dass der Kläger dem Aufsichtsratsvorsitzenden „ausdrücklich aufgetragen“ habe, die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats nicht über den tatsächlichen Verlauf der Geschäfte mit Dr. F***** zu informieren, steht noch nicht im Widerspruch zum Inhalt der Sitzungsprotokolle. Aus diesen geht zwar hervor, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende vorbehalten hatte, ob und in welcher Form er die Eigentümer und/oder Aufsichtsräte informierte. Dem ging allerdings voran, dass „nochmals ausdrücklich die Weisung von GD [Kläger] – also Stillschweigen nach allen Seiten bekräftigt“ wurde.

- Auf eine Verurteilung wegen Untreue bezüglich der Kreditvergabe an die S***** Limited kommt es nicht an, weil das Schiedsgericht mehrere weitere hochriskante Kreditvergaben feststellte, die Gegenstand des klägerischen Planes zur Verlustverheimlichung waren und die Entscheidung des Schiedsgerichts stützen.

VI. Ergebnis

Da zusammenfassend keiner der geltend gemachten Aufhebungsgründe berechtigt ist, ist das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Das von der Beklagten gelegte Kostenverzeichnis wurde nach Streichung einer Position vom Kläger nicht weiter beanstandet und ist daher der Kostenentscheidung zugrunde zu legen (§ 54 Abs 1a ZPO).

Rechtssätze
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