JudikaturJustiz15Os95/10z

15Os95/10z – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. November 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichly als Schriftführerin in der Strafsache gegen Natalja M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Natalja M*****, Abdullah S*****, Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten S*****, Sch*****, U***** und Se***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2010, GZ 042 Hv 13/09a 180, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurden Natalja M***** (richtig:) des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (I. 1. und 2.), und Abdullah S*****, Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (II. 1. und 2.) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

I./ Natalja M***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag zu bereichern, Organe des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Echtheit der von ihr vorgelegten Urkunden, unter Benützung einer falschen Urkunde zu Handlungen zu verleiten versucht, nämlich

1.) zur Einantwortung des Nachlasses der Erika B***** in nicht mehr exakt feststellbarer Höhe von rund 5.300.000 Euro an sie als Alleinerbin, die die rechtmäßigen Erben in diesem Betrag am Vermögen schädigen sollte, indem sie am 14. September 2006 ein fremdhändiges Testament der am 11. September 2006 verstorbenen Erika B***** vom 16. August 2006, auf dem die Unterschrift der Genannten gefälscht worden war, vorlegte;

2.) zur Genehmigung ihrer Adoption durch Erika B*****, indem sie am 7. August 2006 über ihren Anwalt Dr. Be***** einen Adoptionsvertrag vom 26. Juli 2006, auf dem die Unterschrift der Erika B***** gefälscht worden war, vorlegte, wobei ihr daraus ein gesetzliches Erbrecht zum Nachlass der Erika B***** in nicht genau feststellbarer, 50.000 Euro jedenfalls übersteigender Höhe erwachsen sollte, wodurch die rechtmäßigen Erben in diesem Betrag am Vermögen geschädigt werden sollten.

II./ Nachgenannte zu der unter Punkt I/1. angeführten Tathandlung beigetragen und zwar

1.) Abdullah S***** dadurch, dass er Natalja M***** seine Bekannten Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** als falsche Testamentszeugen vermittelte;

2.) Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** dadurch, dass sie durch ihre Unterschrift die Echtheit des unter Punkt I/1. angeführten Testaments bestätigten.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen die sie betreffenden Schuldsprüche mit auf die im Folgenden bezeichneten Nichtigkeitsgründe gestützten, hinsichtlich der Angeklagten Natalja M***** und Abdullah S***** ein nahezu identes Vorbringen enthaltenden und in Ansehung der Angeklagten Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die jedoch ihr Ziel verfehlen.

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Natalja M***** und Abdullah S***** (jeweils § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO):

Den weitwendig ausgeführten, sich wiederholenden Verfahrensrügen (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der nachfolgend genannten (Beweis-)Anträge Verteidigungsrechte der Nichtigkeitswerber nicht beeinträchtigt.

1./ Zu den Anträgen, „das Landesgericht für Strafsachen Wien möge der Angeklagten Natalja M*****, in eventu dem ausgewiesenen Verteidiger sämtliche Originalunterlagen, die dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Christian F***** zu Grunde liegen, für zumindest vierzehn Tage im Original zur Verfügung stellen, damit sie der Privatsachverständige untersuchen könne“ (ON 116/S 105 iVm ON 115; ON 134/S 121 ff [127]; ON 134/S 131 ff [135]; Abweisung ON 116/S 105; ON 134/S 129 f; ON 134/S 137):

Diese Anträge zielten nach dem Antragsvorbringen auf die „Überprüfung“ des Gutachtens des Gerichtssachverständigen für Handschriftenvergleichung durch Untersuchung der die fraglichen Unterschriften (auf Testament und Adoptionsvertrag) sowie Vergleichsunterschriften der Erika B***** enthaltenden Originalurkunden durch eine von den Verteidigern beigezogene Person mit besonderem Fachwissen (einen „Privatsachverständigen“) zur Erlangung einer Tatsachengrundlage für die „Ausübung des durch Art 6 Abs 3 lit d MRK garantierten nur dadurch effektiven Fragerechtes nach § 249 Abs 3 StPO“ sowie zur Darlegung einer „Mangelhaftigkeit“ der Expertise des Gerichtssachverständigen ab.

Der begehrten (auch nur vorübergehenden) Ausfolgung von beim Akt befindlichen Originalurkunden an die Erstangeklagte oder deren Verteidiger (bzw auch einen „Privatsachverständigen“) stehen indes die Bestimmungen der Strafprozessordnung über die Akteneinsicht zwingend entgegen: Denn auch eine nach § 51 Abs 1 zweiter Satz StPO unter den dort genannten einschränkenden Voraussetzungen zulässige In-Augenschein-Nahme von Beweisgegenständen ist nach § 53 Abs 2 erster Satz StPO grundsätzlich nur (während der Amtsstunden) in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen; demnach ist es jedenfalls unzulässig, Parteien oder Parteienvertretern Akten oder Aktenteile [zur Herstellung von Kopien] außerhalb des Amtsgebäudes mitzugeben (vgl auch § 3 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz vom 27. Dezember 2007 über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht [BGBl II 2007/390] und Achammer, WK-StPO § 53 Rz 49). Die Möglichkeit zur Akteneinsicht im solcherart gesetzlich ausschließlich zulässigen Umfang wurde den Nichtigkeitswerbern nach der Aktenlage vom Erstgericht wiederholt gewährt (vgl ON 134/S 137). Dass dies aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen wäre, wurde von den Beschwerführern nicht dargelegt.

Im Übrigen räumt die Strafprozessordnung Angeklagten nicht das Recht ein, die Befundaufnahme (Feststellung beweiserheblicher Tatsachen; § 125 Z 1 StPO) des Sachverständigen durch den Vergleich mit den Ergebnissen einer eigenen Befundung von Beweisgegenständen (respektive durch einen sogenannten „Privatsachverständigen“) mit dem Ziel des Nachweises in Frage zu stellen, dass solcherart richtigerweise ein anderer Befund zu erstatten gewesen wäre. Denn auf eine Ersetzung des Befundes des gerichtlichen Sachverständigen durch eine eigene Befundung laufen die hier in Rede stehenden Anträge hinaus. Nach § 127 Abs 3 erster Satz StPO aber ist ein weiterer Sachverständiger (wenn sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen lassen) nur dann beizuziehen und solcherart die Expertise eines Sachverständigen im hier allein interessierenden Bereich des Befundes nur dann in Frage zu stellen, wenn der Befund „unbestimmt“ ist. Dies ist (nur dann) der Fall, wenn die Erörterungen des Sachverständigen nicht verständlich oder nicht nachvollziehbar sind oder dessen Ausführungen nicht klar zu entnehmen ist, welche Tatsachen er wahrgenommen hat, weiters dann, wenn der Sachverständige in seiner Expertise nicht darlegt, aus welchen Gründen er zu den von ihm festgestellten Tatsachen kommt und schließlich dann, wenn der Befund in sich widersprüchlich ist ( Hinterhofer , WK StPO § 127 Rz 19 f). Ein solcher Umstand wurde vom Beschwerdeführer aber nicht einmal behauptet. Der Befund des Sachverständigen kann somit nur aus sich selbst heraus, nicht aber durch den Vergleich mit einem eigenständig erhobenen Befund in Frage gestellt werden.

Ein von den Nichtigkeitswerbern postuliertes Recht auf eine eigenständige Untersuchung von von einem Sachverständigen bereits befundeten Beweisgegenständen wird im Übrigen auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention nicht garantiert:

Das nach Art 6 Abs 3 lit d MRK gewährleistete Recht, Fragen an Belastungszeugen auch an Sachverständige ( Grabenwarter EMRK 4 § 24 Rz 113) zu stellen, wird schon deshalb nicht berührt, weil es begriffslogisch das Vorhandensein von Fragen voraussetzt (vgl Frowein/Peukert EMRK 3 Art 6 Rz 313 zum selbst im Fall einer konkreten Fragestellung erforderlichen Nachweis der Erheblichkeit derselben bzw der zu erwartenden Aussage des Zeugen) und daher für die hier angesprochene Thematik eines Rechts der Verteidigung auf „Stoffsammlung“ für allfällige Fragestellungen nicht relevant ist. Recht besehen handelt es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis (§ 55 Abs 1 letzer Satz; vgl 12 Os 18/10d, EvBl-LS 2010, 684).

Anderes ist auch aus dem allgemeinen Fairnessgebot des Art 6 Abs 1 MRK nicht abzuleiten. Denn dessen Garantien beziehen sich primär auf das gerichtliche Verfahren und sind auf Ermittlungen eines vom Gericht bestellten Sachverständigen (Bestellungsbeschluss: ON 5) nur ausnahmsweise etwa im Fall der Befragung von Personen durch den Sachverständigen, die der Beschwerdeführer nicht seinerseits befragen konnte, anwendbar ( Meyer-Ladewig EMRK 2 Art 6 Rz 56e mwN; Danach gilt als Grundsatz, dass Beteiligte kein Recht haben, bei Anhörungen durch den Sachverständigen anwesend zu sein oder vorliegend von Interesse Unterlagen zu erhalten, die der Sachverständige berücksichtigt hat). Wesentlich ist dabei nur, dass die Beteiligten was vorliegend nicht in Frage steht nach den Maßstäben des Art 6 MRK am folgenden gerichtlichen Verfahren beteiligt werden und - dem Prinzip der Waffengleichheit folgend - ausreichende, angemessene und gleiche Gelegenheit bekommen, zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen, und dass der Angeklagte nicht gegenüber dem Staatsanwalt benachteiligt wird ( Frowein/Peukert EMRK 3 Art 6 Rz 114, 147 ff; zum Recht Kenntnis von und Stellungnahme zu allen erhobenen Beweismitteln zu nehmen vgl die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. März 1997, Mantovanelli gegen Frankreich , Nr 21497/93 und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Mai 2008, GZ 2004/06/0039, sowie EGMR 2. September 2004, Hofbauer gegen Österreich, ÖJZ 2005/13 [MRK]).

2./ Zu den Anträgen auf „Beischaffung der Originale der von Erika B***** unterfertigten Kreditkartenbelege“ von einer Reihe von in den Anträgen näher bezeichneten Unternehmen (ON 171/S 9 ff, ON 179/S 41 f; Abweisung ON 171/S 55 bis 59; ON 179/S 45):

Diese Beweisanträge entbehren schon in formeller Hinsicht der essentiellen Bezeichnung eines Beweisthemas (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Sollten die Beweisanträge auf Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen für Handschriftenvergleichung unter Einbeziehung der begehrten Vergleichsunterschriften der Erika B***** mit dem Ziel des Nachweises der Schrifturheberschaft derselben hinsichtlich der fraglichen Unterschriften (auf Testament und Adoptionsvertrag) gerichtet gewesen sein, so zielten sie auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO) ab. Denn unter diesem Gesichtspunkt muss in einem Beweisantrag (soweit dies nicht auf der Hand liegt) angegeben werden, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben soll und damit geeignet sein könnte, die dem Schöffengericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sachlage und Beweislage maßgebend zu verändern. Die somit erforderliche Begründung des Beweisbegehrens muss dabei umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Lichte der übrigen Beweisergebnisse ist (RIS-Justiz RS0099453 [T5], 17 f). Selbst ausgehend von dem zuvor unterstellten Beweisthema hätte es daher eines konkreten Vorbringens zur Eignung der begehrten Beweisaufnahme bedurft, ungeachtet der Vielzahl (35; US 37) der hinsichtlich ihrer Echtheit nicht in Frage gestellten dem Sachverständigen zum Schriftenvergleich vorgelegenen und von diesem wiederholt dezidiert als dafür ausreichend bezeichneten (ON 137/S 17) Vergleichsunterschriften der Erika B***** eine Änderung der Expertise des Sachverständigen herbeizuführen.

3./ Zu den Anträgen auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie zum Beweis dafür, dass „entgegen der Ansicht des Schriftsachverständigen bei Erika B***** vor ihrem Tod kein äußerst starker bzw kein Tremor in dem Sinn vorhanden war, dass er gleichförmig bis zum Tod immer stärker zunehmend war, sodass sie bis zuletzt nicht mehr in der Lage gewesen sei, Unterschriften zu leisten, sondern vielmehr ein Tremor vorgelegen sei, der in der Ausprägung wellenförmig verlaufen, also phasenweise stärker und phasenweise weniger stärker vorhanden gewesen sei“ (ON 171/S 13 [19]; ON 179/S 35 [39]; Abweisung ON 171/S 61 f; ON 179/S 45):

Die mit diesen Beweisanträgen thematisierte Frage der Intensität eines bei Erika B***** vorgelegenen Tremors betrifft weder eine entscheidende noch erhebliche Tatsache ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 f, 409), weil die Echtheit der Vergleichsunterschriften (Urheberschaft der Erika B*****) im vorliegenden Verfahren nicht in Frage steht.

Im Übrigen waren die Angaben des Zeugen Dr. Karl D***** zur Intensität des Tremors nach der ausdrücklichen Aussage des Sachverständigen (ON 137/S 33) nicht Befundgrundlage des Sachverständigengutachtens.

4./ Zu den Anträgen auf „Einholung eines neuen graphologischen Gutachtens durch einen neuen Sachverständigen, in eventu auf Gutachtensergänzung“ (ON 171/S 15 f [19]; ON 179/S 37 f; Abweisung ON 171/S 63 f; ON 179/S 45):

Mit diesen ebenfalls entgegen § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO kein Beweisthema bezeichnenden Beweisanträgen wird mit dem Einwand, der Sachverständige habe zur Frage der Intensität eines bei Erika B***** vorgelegenen Tremors ausschließlich nur Angaben des Zeugen Dr. Karl D***** berücksichtigt, keine Unbestimmtheit des Befundes (§ 127 Abs 3 erster Satz StPO) aufgezeigt. Denn diese Angaben waren wie zuvor (Punkt 3./) dargelegt nicht Grundlage der Expertise. Weshalb „das Gutachten mangelhaft“ sein soll (§ 127 Abs 3 erster Satz StPO), wurde nicht dargetan.

Soweit im Übrigen in der Hauptverhandlung vom 9. Februar 2010 die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens (bzw eine Gutachtensergänzung) „auf Grundlage“ von zugleich vorgelegten Urkunden mit (angeblichen) Vergleichsunterschriften der Erika B***** beantragt wurde (ON 179/S 39 f), entbehrte (auch) dieser Beweisantrag eines Beweisthemas und war überdies soweit er auf den Nachweis der Schrifturheberschaft der Erika B***** hinsichtlich der fraglichen Unterschriften (auf Testament und Adoptionsvertrag) abzielte aus den bereits oben (Punkt 2./) angeführten Erwägungen auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet.

5./ Zum Antrag auf „Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich der fünf Angeklagten“ zum Beweis dafür, dass „keiner der Angeklagten weder den Adoptionsvertrag noch das Testament gefälscht“ hat (ON 179/S 37 f; Abweisung ON 179/S 45):

Das Beweisthema dieses Antrags betraf keine entscheidenden Tatsachen, weil den Angeklagten nicht die Herstellung, sondern (teils als Beteiligten nach § 12 dritter Fall StGB) der Gebrauch falscher Urkunden angelastet wird.

6./ Zu den Anträgen auf Vernehmung der Zeugen

a./ Norbert J***** (ON 154/S 49 iVm ON 148; ON 179/S 23 [39]; Abweisung ON 179/S 45),

b./ Dr. Martin H***** (ON 154/S 49 iVm ON 148; Abweisung ON 171/S 59),

c./ Leopold Fl***** (ON 154/S 49 iVm ON 148; Abweisung ON 171/S 61),

d./ Gerhild B***** (ON 154/S 49 iVm ON 148; Abweisung ON 171/S 61),

e./ Maria N***** (ON 179/S 27 [39]; Abweisung ON 179/S 45)

zu folgenden, zusammengefasst wiedergebenen Beweisthemen:

6.1./ „zum Beweis dafür, dass die Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht begangen haben“

6.2./ „zum Beweis dafür, dass Erika B***** bis in den Sommer 2006 durchwegs mobil und nicht stets bettlägerig sowie zu einer leserlichen Unterschrift in der Lage war“, und „zum Grad des Zitterns“

6.3./ „zu Wahrnehmungen zum Verhältnis des Dr. Karl D***** zu Erika B*****“

6.4./ „zu Wahrnehmungen zu einem innigen Verhältnis der Erika B***** zu den Angeklagten Natalja M***** und Abdullah S*****“ sowie zum Beweis dafür, dass „sie sich von der Angeklagten Natalja M***** keineswegs bedrängt gefühlt hat“

6.5./ „zum Beweis dafür, dass es keinesfalls als ausgeschlossen angesehen werden kann, dass Erika B***** Natalja M***** tatsächlich zu ihrer Erbin bestimmt hatte bzw sie adoptieren habe wollen“ sowie dazu, dass „eine Adoption der Erstangeklagten und deren erblasserische Begünstigung von der Verstorbenen tatsächlich beabsichtigt war“:

Zu 6.1./:

Die auf dieses Beweisthema gerichteten Anträge entbehren der prozessordnungsgemäß erforderlichen deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Beweisthemas (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0099498).

Zu 6.2./:

Der Gesundheitszustand der Erika B***** betrifft keinerlei entscheidenden oder erheblichen Tatsachen, was auch auf deren Fähigkeit zu einer „leserlichen“ Unterschrift zutrifft.

Zu 6.3./ und 6.4./:

Weshalb diese im Übrigen nach Art eines unzulässigen Erkundungsbeweises (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO) thematisierten Umstände entscheidende Tatsachen betreffen sollen, ist nicht ersichtlich.

Zu 6.5./:

Damit ebenfalls nach Art eines unzulässigen Erkundungsbeweises thematisierte subjektive Wertungen bzw intellektuelle Vorgänge sind nicht Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS-Justiz RS0097540).

Die auf in der Hauptverhandlung nicht verlesene Angaben des Zeugen Norbert J***** vor der Polizei bezugnehmende Rüge aus Z 5 vierter und fünfter Fall (Pkt 5.1.3. der Rechtsmittelschrift) verfehlt schon mangels Bezeichnung von Urteilsstellen, die eine Verwertung jener Verfahrensergebnisse oder darauf gestützte Feststellungen enthalten, die gesetzmäßige Ausführung. Eine durch die Vernehmung von Zeugen vor der Polizei (anstatt in der Hauptverhandlung) erfolgte Verletzung des „Rechts auf die Mündlichkeit und die Öffentlichkeit des Verfahrens nach Art 90 Abs 1 B-VG“ wird von der Beschwerde ebenfalls nur proklamiert, eine konkrete Einschränkung oder Verletzung der Verteidigungsposition aber nicht benannt.

7./ Zum Antrag auf „sofortige Begründung [§ 238 Abs 3 StPO] der Abweisung“ von in der Hauptverhandlung von 9. Februar 2010 (zum wiederholten Male) gestellten Beweisanträgen (ON 179/S 47):

Es trifft zwar zu, dass das Schöffengericht den auf Begründung der Abweisung der Beweisanträge somit auch auf die Einhaltung der Formerfordernisse des § 238 Abs 3 StPO zielenden Antrag der Nichtigkeitswerber durch den bloßen Ausspruch, dass „die Begründung [der Urteilsausfertigung] vorbehalten wird“ (ON 179/S 45, 47), unerledigt gelassen hat. Die solcherart unterlaufene Formverletzung konnte indes nach Lage des Falles unzweifelhaft keinen den Beschwerdeführern nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung üben (§ 281 Abs 3 StPO). Denn in Ansehung der in Rede stehenden Beweisanträge, die zum Großteil frühere, vom Schöffengericht ohnehin unter Benennung der Gründe bereits abgewiesene Anträge bloß wiederholten, ist nicht einmal die abstrakte Möglichkeit einer tauglichen Beweisantragstellung (§ 55 Abs 1 und 2 StPO) bei Kenntnis der oben dargelegten, zur Antragsabweisung berechtigenden Gründe (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 316) ersichtlich. Solches wird auch von den Nichtigkeitswerbern nicht vorgebracht.

B./ § 281 Abs 1 Z 5 StPO:

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) verfehlt ihr Ziel. Denn mit der Behauptung einer unterbliebenen Erörterung von Verfahrensergebnissen zur Intensität eines bei Erika B***** vorgelegenen Tremors bezieht sie sich aus den oben zu den Verfahrensrügen dargelegten Erwägungen (A./3./) weder auf entscheidende noch erhebliche Tatsachen.

Mit dem Hinweis auf - selektiv herausgehobene Passagen aus der Aussage des Sachverständigen zum (allfälligen) Einfluss von Angaben des Zeugen Dr. Karl D***** zum Tremor der Erika B***** zeigen die Nichtigkeitswerber keine Unvollständigkeit der Entscheidungsbegründung auf, weil sie die nachfolgende, dezidierte und abschließende Aussage des Sachverständigen übergehen, wonach diese Angaben die Befundgrundlage seines Gutachtens nicht beeinflusst haben (ON 137/S 33).

Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Beschwerdebehauptung einer unterbliebenen Erörterung der Angaben von Zeugen zur wechselnden Intensität des Tremors mit Blick auf die Begründungspassage, wonach „der sich im Schriftbild der Erika B***** ausdrückende Tremor auch von nahezu allen Zeugen grundsätzlich wahrgenommen und lediglich die Intensität des Tremors unterschiedlich empfunden oder wiedergegeben wurde“ (US 43), unerfindlich bleibt.

Vom Angeklagten Abdullah S***** überdies ebenfalls aus Z 5 zweiter und dritter Fall als unerörtert geblieben gerügte behauptete Widersprüche des Sachverständigen zu technischen Fragen einer Verbringung von Untersuchungsapparaturen in das Verteidigerzimmer des Landesgerichts für Strafsachen Wien betrafen durchwegs keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen und können daher auf sich beruhen.

C./ § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO:

Die Rechtsrügen zielen mit der Behauptung eines (nicht näher konkretisierten) „Feststellungsmangels zum Sachverhaltskomplex Tremor der Erika B*****“ auf die Bestreitung der Feststellungen zur Falschheit der vorgeblichen Unterschrift derselben auf Testament und Adoptionsvertrag (US 28, 31) ab und verfehlen damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

D./ § 281 Abs 1 Z 11 (zweiter Fall) StPO:

Den Sanktionsrügen zuwider hat das Schöffengericht keineswegs „die leugnende Verantwortung der Angeklagten als erschwerend gewertet“, sondern bloß auf die Nichtverwirklichung des Milderungsgrundes des Geständnisses hingewiesen (US 81 f) sowie mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Verlassenschaftsverfahren nach Erika B***** (US 71) und das Beharren der Angeklagten Natalja M***** auf ein ihr zustehendes Erbrecht (US 82) das Gewicht des Milderungsgrundes des Versuchs relativiert.

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO):

A./ § 281 Abs 1 Z 4 StPO:

Den Verfahrensrügen zuwider wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 12. Jänner 2010 (führend) vom Verteidiger der Erstangeklagten gestellten, bereits in den Ausführungen zu deren Nichtigkeitsbeschwerde (A./3./ und 4./) erörterten Beweisanträge auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie zur Frage der „Gleichförmigkeit bzw der Intensität des Tremors“ und zur „Abklärung der Befindlichkeit der Erika B*****“ und auf Einholung „eines neuen graphologischen Gutachtens durch einen neuen Sachverständigen, in eventu Gutachtensergänzung“, welchen die Angeklagten Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** beigetreten sind (ON 171/S 19 f), aus den oben angeführten Erwägungen Verteidigungsrechte der Nichtigkeitswerber nicht beeinträchtigt.

B./ § 281 Abs 1 Z 5 StPO:

Weshalb Urteilsfeststellungen zum (unterschiedlichen) Wissensstand einerseits des Rechtsvertreters der Angeklagten Natalja M***** im Adoptions- und Verlassenschaftsverfahren, Rechtsanwalt Dr. Michael Be*****, und andererseits der drei Nichtigkeitswerber über den Wert des Nachlassvermögens (US 28, 34) zueinander in Widerspruch stehen sollen (Z 5 dritter Fall), bleibt unerfindlich. Gleiches gilt für die von den Beschwerdeführern kritisierte Erwägung der Tatrichter, dass durch die Aussage des Zeugen G***** für die Angeklagten nichts gewonnen sei, „da daran ein weiterer Widerspruch liegt“.

Der Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Grundtatbestand sowie Schadensqualifikation) verfehlt mit eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen („… ist nicht lebensnah“; „Es erscheint vielmehr sehr wahrscheinlich, ...“) ohne Orientierung an der Gesamtheit der mängelfreien Begründungserwägungen des Schöffengerichts (US 59 bis 65) die gesetzmäßige Ausführung. Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass die Rechtsansicht der Nichtigkeitswerber, hinsichtlich der qualifizierten Schadenshöhe reiche ein bloßer Eventualvorsatz nicht hin, sondern sei Wissentlichkeit erforderlich, mit dem Gesetz nicht im Einklang steht (§§ 147 Abs 3; 5 Abs 1 StGB).

C./ § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach teils Z 10) vernachlässigt mit der Behauptung eines Fehlens von Feststellungen zu Schädigungs-, Bereicherungs- und auf die qualifizierte Schadenshöhe (§ 147 Abs 3 StGB) gerichtetem Vorsatz die dazu ausdrücklich getroffenen Urteilsfeststellungen (US 34). Sie verfehlt damit ebenso die Ausrichtung am Verfahrensrecht wie mit dem weiteren Einwand einer bloß straflosen Vorbereitungshandlung, der die expliziten Urteilskonstatierungen zur Vorlage des (jeweils mit gefälschten Unterschriften der Erika B***** versehenen) Testaments und Adoptionsvertrags beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien (US 29, 31) gänzlich negiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Natalja M*****, Abdullah S*****, Erich Sch*****, Karl U***** und Resul Se***** waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten, das bisherige Vorbringen im Wesentlichen bloß weitwendig wiederholenden Äußerungen der Verteidigung - schon in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
6